„Du wirst eine Menge Gegenwind bekommen mit dem Thema“ hat Kalle, der Radspannerei- Blogwart mich schon vorbereitet, als wir darüber sprachen, ich könnte hier einen Gastbeitrag schreiben. So, nun ist er da, der Beitrag und ich freue mich – darüber in diesem tollen Blog was zu schreiben und darauf Gegenwind zu bekommen. Kritik bekommt man sowieso viel zu wenig.
Zur Sache: Ich schreibe einen Blog über Elektrofahrräder (auch Pedelecs genannt). Diese Dinger, die fast so aussehen, als seien sie Fahrräder, die aber eigentlich keine sind. Die Dinger, die ich seit zwei Jahren aus verschiedenen Gründen super finde. Der Blog heißt e-Rad Hafen, es gibt darin Grundlageninfos, Fahrberichte, Bilder und Videos von Messen und Beiträge, die generell um Verkehrspolitik gehen. Manchmal geht es auch um „klassische“ Fahrräder. Oder um Anti-Atom Proteste. Der e-Rad Hafen ist also auch ein Becken für vieles. Auch für Gastbeiträge übrigens.
Wieso e-Räder?
Neben Spaß und Gesundheit durchs Fahren sehe ich e-Räder vor allem als Alternative zum Auto. Dazu hole ich mal etwas aus: Autos in der Stadt sind in den allermeisten Fällen unnötig und sie zerstören die Lebensqualität nachhaltig. Lärm, Abgase, Flächenverbrauch und Unfälle. Kreuzungen, die außer Autos keine Verkehrsteilnehmer zu kennen scheinen, Supermärkte mit 150 Pkw-Stellplätzen aber keiner Rad-Abstellanlage… vom Winterdienst fange ich jetzt nicht an. Auch nicht von den globalen Auswirkungen des Autoverkehrs. Und: Ja, ja, ja, es bessert sich alles. Gaaaanz langsam. Vieles funktioniert aber weiter nach dem Prinzip „Ene, mene, muh, und das zahlst Du“, sprich: Viele fahren Auto, die Nachteile und Kosten haben oft die anderen.
Also: Ene, mene, meck, das Auto muss weg!
An der Stelle sind „wir“ uns sicher einig: Das Auto muss vielleicht nicht ganz weg, aber in der Stadt sollte es statt der Regel die Ausnahme sein. Über die Hälfte aller Autofahrten in Deutschland enden nach weniger als 5km, warum statt dessen nicht das Fahrrad nehmen? Ich mache das und Ihr macht das sicher auch. Ist billiger, schneller, gesünder und besser für die (Um)Welt. Eine echt „Win-Win“ Situation also.
Etwas Zahlenwerk
Laut Mobilität in Deutschland (MiD 2008) haben 82% aller Haushalte in Deutschland ein Fahrrad. Die Voraussetzungen, auf der Hälfte aller Autowege aufs Rad um zu satteln sind also günstig. Der Anteil des Fahrrads am so genannten „Modal Split“ (der Modal Split sagt aus, für welchen Anteil der Wege welches Verkehrsmittel verwendet wird) ist dessen ungeachtet seit 1982, also seit 30 Jahren, unverändert zwischen 10 und 12% (MiD 2008 Abschlussbericht S.21, 60% der Wege werden mit dem Auto gemacht). Gut, über 10% das ist schon viel, aber dennoch viel zu wenig! Und warum ist es so wenig? Schlechte Verkehrspolitik? Auf jeden Fall! Das Auto ist als hochgepäppelte milliardenschwer-subventionierte Hegemonialmacht der Mobilitätskultur zu mächtig? Bestimmt. Der ADAC hat zu viele Mitglieder? Jawoll.
Aber das ist nicht alles. Meiner Meinung nach gibt es eine Menge Anlässe, bei denen ein Auto nicht nötig ist und Leute es gegebenenfalls stehen lassen würden. Und auf denen ist das Fahrrad trotzdem noch lange keine Alternative, oder jedenfalls wird es nicht als eine wahrgenommen. Ebenso nicht der ÖPNV oder zu Fuß gehen.
Mehr Alternativen zum Auto, ran an 60% des Modal Split
Ich denke daher, dass es neben gezielter Verkehrspolitik, die Autos benachteiligt und Alternativen fördert wichtig ist, dass die Palette an Alternativen zum Auto größer wird. Und genau an dem Punkt betrachte ich e-Räder als ziemlich sinnvoll: Für Menschen die einen langen Weg zur Arbeit haben, oder nicht verschwitzt im Büro ankommen wollen. Für ältere Menschen, denen Radeln sonst zu anstrengend wird. Für Übergewichtige, die sich langsam wieder an Sport und Bewegung heran tasten müssen. Für Jobs, bei denen täglich große Strecken (oft mit Last) gefahren werden, bspw. häusliche Krankenpflege, Paketzusteller/Postboten, Pizzaservice oder Handwerker. Oder für den Kindertransport (Elterntaxi 2.0). Also, Verlagerungspotential vom Auto aufs E-Rad ist vorhanden! Und entgegen der Meinung vieler, beobachte ich sehr wohl, dass diese Verlagerung auch statt findet.
Ergänzung statt Konkurrenz
In meiner Wahrnehmung sind e-Räder also viel mehr eine Ergänzung zu Fahrrädern, als eine Konkurrenz. Ein weiterer Baustein, um Tonnen schwere Blechhaufen aus der Welt zu schaffen. Das Argument „e-Räder sorgen dafür, das bald keiner mehr normale Fahrräder nutzt“ halte ich für falsch. Erstens weil ich nicht glaube, dass es stimmt und zweitens weil ich finde, wer Lust hat e-Rad zu fahren, soll das tun. Ebenso ist mir die Aussage „Wer fit ist, soll selber strampeln!“ gefühlt zu protestantisch. Wer keinen Bock hat, sich ab zu strampeln, der soll sich doch wegen mir unterstützen lassen!
Ich finde es viel eher problematisch, dass e-Räder recht teuer und daher sozial ziemlich exklusiv sind (auch wenn sie natürlich wesentlich billiger als ein Pkw sind). Ebenfalls problematisch ist die Rohstofffrage für die Akkus der Räder.
e-Räder: Ein Fortschritt, kein Fehltritt
Zum Anfang zurück, ich denke, e-Räder sind ein Fortschritt. Auch wenn der Hype um sie schon beinahe albern wird, sind sie die einzig vernünftige Form der individuellen e-Mobilität. Und: Ist es nicht ein schönes Gefühl, wenn man bei dem, was man tut, Unterstützung bekommt?
Ich finde schon. Was meint Ihr?
Gastbeitrag von Wasilis von Rauch von e-Rad Hafen