geschichte der radspannerei

die schicksalhafte fahrt zu einer party in der berliner sonnenallee zwischen den jahren 1995. mein kumpel alex hatte eine junge frau im schlepptau und wir waren uns auf anhieb sympathisch. aber die nacht war kurz und die trampe auf der autobahn zurück nach bremerhaven war winterlich nasskalt. zurück in fishtown bekam ich post und meine neue bekannte von der party hatte mir tatsächlich eine karte zukommen lassen. neben herzlichsten grüßen war ein zweizeiler, ausgeschnitten aus der taz aufgeklebt:

„suche leute für fahrrad-projekt – thomas – tel. 693****“

und ich rief an. unser erstes treffen fand in einem café am erkelenzdam in kreuzberg statt. es trafen sich,- nachdem einige von uns zuerst am falschen tisch eines anderen projekts gelandet waren – doch alle interessenten und dann auch thomas.

das war anfangs eine bunte mischung aus studenten, angehenden ingenieuren, (lebens-) künstern, autisten und menschen in sozialen berufen. frauen waren erstmal nicht dabei.

von da an gab’s wöchentliche treffen, da thomas die anzeige mindestens 4 wochen lang laufen lassen wollte. einige sprangen ab, neue kamen hinzu. es kristallisierte sich dann doch heraus, daß wir eine konventionelle fahrrad-reparatur-werkstatt betreiben wollten. thomas war zu dem zeitpunkt gerade noch student und betrieb schon 6 jahre eine fahrradwerkstatt mit dem namen: „radspannerei“. er hatte diesen vom alten motorrad-speichen mechaniker müller geerbt. die werkstatt befand sich in einer remise am erkelenzdam 59.

den namen haben wir behalten und die ersten 3 monate auch noch an alter wirkungsstätte geschraubt. es ergab sich, daß in der admiralstraße 23, gleich um die ecke, ein kleines ladengeschäft frei wurde. wir bewarben uns und – zu unserer überraschung – entschied sich das hausprojekt für uns. dort lernten wir alles, was wir noch nicht konnten, um auch wirtschaftlich zu bestehen. dies geschah fließend. an wirkliche existenz hat in den ersten jahren noch niemand von uns gedacht. so gingen doch einige in ihre erlernten berufe – so auch thomas, der lehrer wurde in einem gymnasium in kreuzberg 61. die „radspannerei“ lief für diejenigen eher nebenbei. ich blieb und wurde hauptberuflich fahrrad- schrauber. des personal-karussell drehte sich weiter, thomas‘ sohn wurde geboren und andere schwerpunkte gesetzt.

thomas verließ die „radspannerei“ in den anfänglichen 2000er jahren ohne den kontakt gänzlich zu verlieren. so manches mal holte ich noch rat ein vor allem auch in technischen fragen. neben seinem theoretischen, ingenieurhaften wissen, war er auch ein begnadeter autodidakt.

noch ende 2017 kaufte er einen fahrradhelm in „seinem“ alten laden. wir wußten da nicht, daß es das letzte mal sein sollte, das wir uns sprachen.

thomas starb für alle unerwartet im januar 2018 – dem jahr, in dem er eigentlich hätte in pension gehen wollen, um mit seinem segelboot in see zu stechen.

es bleibt die lücke, die jede person hinterläßt, wenn sie geht. gern erinnern wir uns an den schalk in seinem nacken, die sympathische, ruhige überlegte und humorvolle art, die sein eigen war.

es vermisst ihn

das radspannerei – team

In der Linienstraße soll dem Radverkehr Vorrang eingeräumt werden

Die Linienstraße ist eine knapp zwei Kilometer lange Straße im Berliner Ortsteil Mitte und verläuft parallel zur verkehrsreichen Torstraße. Seit August 2008 ist die damals für 3,5 Mio. Euro umgebaute Linienstraße als Fahrradstraße freigegeben. Eine echte Fahrradstraße ist sie allerdings nicht. An jeder Kreuzung gilt Rechts vor Links und ein entspanntes Nebeneinanderfahren von Radfahrern ist angesichts des vielfach illegalen Kfz-Verkehrs ausgeschlossen. Das „Anlieger frei“-Schild wird von gefühlt 90 % aller Autofahrer ignoriert. Hinzu kommt, dass der Straßenquerschnitt wegen der beidseitigen Parkstreifen sehr eng ist.

Trotz ihrer Mängel wird die Linienstraße eifrig von radfahrern genutzt. Das Netzwerk Fahrradfreundliches Mitte führte im Juni 2017 eine Verkehrszählung auf der Linienstraße in der Zeit von 08:00 bis 09:00 Uhr durch. Ergebnis: Innerhalb einer Stunde wurden 1.942 Radfahrende und 92 Kfz gezählt. Gäbe es an der Linienstraße eine Radzählstelle, würde sie mit Leichtigkeit die „erfolgreichste“ automatische Dauerzählstelle für den Radverkehr an der Oberbaumbrücke übertreffen.

Nach langen Jahren der Stagnation kommt endlich Bewegung in die Umgestaltung der Linienstraße zu einer wirklichen Fahrradstraße. Die Bezirksverordnetenversammlung Mitte hat in der vergangenen Woche ein Paket zur Verbesserung der Linienstraße beschlossen. Sie wird durchgängig als Fahrradstraße ausgewiesen und als Vorfahrtstraße beschildert. Kreuzungen, an denen Radfahrer in Zukunft Vorrang haben, sollen rot markiert werden, um den Vorrang des Radverkehrs hervorzuheben. Ausgenommen von dieser Regelung sind die Rosa-Luxemburg- und Rosenthaler Straße, denn „der Antrag bezieht sich nicht auf solche Stellen, bei denen die Linienstraße überörtliche Hauptverkehrsstraßen in der Zuständigkeit der Verkehrslenkung Berlin (VLB) quert“.

Außerdem sollen abschnittsweise Einbahnstraßen für den Kfz-Verkehr eingerichtet werden, um den Kfz-Durchgangsverkehr wirksam zu unterbinden. Radfahrer erhalten eine „Radfahrer frei“-Regelung.

Die Bezirksverordneten wollen auch, dass auf der Mitte der Linienstraße ein 25 cm breiter grüner Strich aufgetragen wird, der den Charakter der Straße als Fahrradstraße betonen soll. Zitat Netzwerk Fahrradfreundliches Mitte: „Die grüne Markierung soll durch einen Breitstrich (RAL „Verkehrsgrün“, 25cm) erfolgen und die Fahrradstraße klar kennzeichnen. Durch die Visualisierung wird sichergestellt, dass Beginn und Ende der Fahrradstraße für alle Verkehrsteilnehmenden ersichtlich ist. Damit wird die Sicherheit der Radfahrenden erhöht und Nutzungskonflikte vermieden.“

Die Maßnahmen sollen schnellstmöglich umgesetzt und der Bezirksverordnetenversammlung Bericht erstattet werden. Dafür wird eine Frist bis zum 4. Mai 2018 gesetzt.

Bezirksverordnetenversammlung Mitte: Die Fahrradstr. Linienstr. sicherer machen und dem Fahrradverkehr Vorfahrt einräumen (pdf)
Netzwerk Fahrradfreundliche Mitte: Linienstraße – Fahrradstraße als Vorfahrtsstraße
Netzwerk Fahrradfreundliche Mitte: Baustein „Fahrradstraße als Vorfahrtstraße“ (pdf)