Immer wieder berichten wir über gefährliche Radverkehrsführungen und schwere, oft tödliche Unfälle. Es werden Tipps gegeben, wie man sicherer fahren kann und politische Initiativen durchdiskutiert. Statistiken mit hohen Unfall- und Opferzahlen werden aufgeführt und dabei behördliche Statistik-Tricks entlarvt, die das Opfer auch noch zum Täter machen. Durch diese Diskussionen kann ein diffuses Unsicherheitsgefühl beim Radfahren entstehen.
Klar ist: Wer Rad fährt, kann verunglücken, sich verletzten oder auch sterben. Aber ebenso klar ist: Das Leben ist immer mit dem Risiko verbunden, schwer zu erkranken oder zu versterben. Wie stark steigert man seine Lebensrisiken, indem man sich auf den Drahtesel setzt?
Auf die gefahrene Strecke bezogen
Pro 100 Millionen Personenkilometer gab der ADAC in Fachbroschüren am Anfang des Jahres 1,6 getötete Radfahrer an (Link). Für Berlin kann man folgendes berechnen: Gut 1 Millionen Fahrten täglich*, als Durchschnittstrecke wurde im Jahr 2006 vom Senat ein Wert von ca. 3,8 Kilometern angegeben. Das sind pro Jahr ca. 1,4 Milliarden Fahrradkilometer, auf denen sich jeweils 500 Personen schwer verletzen und etwa 10 sterben. So berechnet gibt es pro 100 Millionen Personenkilometer 0,7 Tote und 35 Schwerverletzte. Wer pro Jahr 3000 Kilometer fährt, wird dabei 0,00021 Tote erzeugen und 0,00105 Schwerverletzte.
Im statistischen Mittel ist das Risiko, sich bei regelmäßiger Fahrradfahrt schwer zu verletzten oder zu versterben, ziemlich gering.
Im Vergleich zu anderen Lebensrisiken
Zum Leben gehören Krankheiten und der Tod dazu. Dies ist das individuelle Lebensrisiko eines jeden Menschen. 844.439 Menschen starben im Jahre 2008, 82,11 Millionen Menschen lebten zu dieser Zeit in Deutschland. Jeder hundertste Mensch stirbt innerhalb eines Jahres. Bei gesunden, nicht sehr alten Menschen ist das Risiko naturgemäß geringer – so starb unter den 20-40-Jährigen etwa einer von 2.000. Bei den 40-60-Jährigen ist es einer von 375.
Wenn pro Tag in Berlin 1.000.000 Fahrten durchgeführt werden, könnte man grob annehmen, dass 500.000 Menschen pro Tag radfahren und dabei 2 Strecken bewältigen. Nehmen wir an, dass die 500.000 Menschen regelmäßig fahren, und nehmen wir 10 tödlich verunglückte Radfahrer pro Jahr, so stirbt von 50.000 Menschen einer innerhalb eines Jahres an einem Fahrradunfall – also 0,002%. Das alles sind Annahmen – sie zeigen Größenordnungen auf, deren Abweichungen aber enge Grenzen gesetzt sind (maximal 1.000.000 Radfahrer, minimal 100.000 bei unwahrscheinlichen durchschnittlichen 10 Fahrten pro Tag).
Auf die Gesamtbevölkerung gerechnet wird das jährliche Sterberisiko durchs Radfahren von 1% auf 1,002% pro Jahr erhöht, also um 0,2%.
Auf die Gruppe der 20-40-Jährigen gerechnet steigt es von 0,05% auf 0,052%, also immerhin um 4%. Bei den 40-60-Jährigen steigt es von 0,266% auf 0,268%, also um 1%.
Fazit: Das Risko, innerhalb eines Jahres zu sterben, ist je nach Alter sehr unterschiedlich. Durch regelmäßiges Radfahren wird es kaum spürbar erhöht. Dem stehen gesundheitliche Vorteile gegenüber, die sich z.B. in einer um 3-5 Jahre erhöhten Lebenserwartung wiederspiegeln (siehe hier). Regelmäßige sportliche Betätigung verringert das Risiko der Haupt-Todesursache, nämlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, erheblich.
Also keine Sorge?
Ein Radfahrer muss sein Leben nicht von Unfallängsten bestimmen lassen, er wird in seinem Leben mit hoher Wahrscheinlichkeit keine übermäßig einschneidenden Ereignisse erleben. Dennoch kann er durch entsprechendes Verhalten sein persönliches Unfallrisiko stark verringern. Die Unfälle pro Personenkilometer sind Durchschnittswerte, die je nach Verhalten nach oben oder unten abweichen. Wer regelmäßig grobe Fehler macht oder in verkehrsplanerische Fallen tappt, verunglückt wahrscheinlicher als jemand, der dieses nicht tut.