Europäischer Fahrradgipfel in Luxemburg

Bereits im Vorfeld wurde das heutige Treffen der Verkehrsminister der Europäischen Union zum Meilenstein hochgejazzt, gar zum historischen Augenblick: mehr als 20 Transportminister beraten, wie aus der Vision des ECF, den Radverkehr in Europa in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln, gelebte Realität werden kann. Deutschland ist durch den Parlamentarischen Staatssekretär Barthle und die Radverkehrsbeauftragte Worringen des Bundesministeriums für Verkehr vertreten.

200 Millionen Menschen in der EU sind bereits Radfahrer, 50 Millionen steigen jeden Tag aufs Rad. Mehr als 1,1 Millionen E-Bikes rollten 2014 auf die Straßen, überall entstanden Fahrradverleihsysteme, 650.000 Jobs wurden geschaffen. Radfahren ist nicht nur eine niederländische oder dänische Erfolgsgeschichte, Radfahren wird in ganz Europa stärker.

Im Livestream der Tagung findet man zur Zeit eine Präsentation von Jan Gehl. Weiter geht es mit dem Familienfoto der Minister.

Livestream des informellen Treffens der EU-Verkehrsminister

ECF: European Cycling Summit milestone in cycling advocacy

Fahrräder für Flüchtlinge

Der Fahrrabblogger itstartedwithafight hat eine Deutschlandkarte mit mehr als 180 Fahrradprojekten erstellt, die Fahrräder an Flüchtlinge weitergeben. Meist handelt es sich um nicht mehr benutzte Alträder, die von den Projektwerkstätten aufgemöbelt und in einen verkehrssicheren Zustand gebracht werden, um danach kostenlos den Menschen gegeben werden, die vor Krieg und wirtschaftlicher Not geflohen sind. itstartedwithafight: „Für Menschen, die vom ÖPNV ausgeschlossen sind, weil sie sich den verständlicherweise gar nicht leisten können und in vielen Kommunen nicht kostenfrei nutzen dürfen, ist so ein Fahrrad ein echtes Stück Freiheit.“

itstartedwithafight: Fahrräder für Flüchtlinge

Wilder Ritt durch die Stadt

„Jeder Fehler kann tödlich sein“. So ist das Video im Original betitelt. Es zeigt eine spektakuläre Zwei-Minuten-Fahrt in hohem Tempo durch enge Gassen einer (südamerikanschen?) Stadt, über schmale Stege, die aus einem einzigen Brett bestehen, über verwinkelte Treppen und vorbei an Zuschauern, die die Fahrt den Berg hinunter hautnah erleben.

via: Fietsen123

Das Projekt „Before | After“

Eine Guppe von Urbanisten aus São Paulo in Brasilien hat eine Galerie von Stadtansichten erstellt, die allesamt aus Google Streetview generiert wurden. Die Galerie zeigt, wie der autozentrierte öffentliche Raum in einen fußgänger- und menschenfreundlichen Raum transformiert werden kann. Zur Zeit besteht die Sammlung aus 326 Doppelansichten aus vielen verschieden Ländern und soll weiter wachsen. Nicht in jedem Beispiel wurde das Auto komplett aus dem Straßenraum verbannt. Ihm wurde jedoch der übermächtige Raum genommen, der die Menschen an den Rand gedrückt hat. Da, wo das Auto den Platz hergeben musste, entstanden Orte mit großer Aufenthaltsqualität und viel Grün. Fast in jedem neueren Foto sind junge Bäume zu sehen, die einem eine Vorstellung geben, wie diese Orte in zehn/fünfzehn Jahren aussehen werden.

Urb-i: Galerie „Before | After“

Fahrradzählwoche in den Niederlanden

Dass die Niederländer viel Rad fahren, ist bekannt. Weniger bekannt ist, wie sie fahren. Auf welchen Strecken sind sie unterwegs? Gemeinsam mit wie vielen anderen Radfahrern? Wie schnell fahren sie? Wo und was behindert sie in ihrem Fortkommen?

Die erste Nationale Fahrradzählwoche in den Niederlanden soll helfen, einige dieser Fragen zu beantworten. In der dritten Septemberwoche, also vom 14. bis zum 20. September, wird die bisher größte Studie zum Verhalten von Radfahrern in den Niederlanden durchgeführt, danach soll sie jährlich wiederholt werden. Die Nationale Fietstelweek wird unter anderem organisiert vom Fietsersbond, dem Interessenverband der niederländischen Radfahrer.

An der Fahrradzählwoche sollen so viel wie möglich Radfahrer teilnehmen. Man installiert die App „App de Fiets!“ auf dem Smartphone, die die Bewegungen des Teilnehmers in einer Woche registriert. Die Daten werden an die Datenbank der Fahrradzählwoche geschickt und dort ausgewertet. Teilnehmer, die sich mit einer Mailadresse registrieren, haben die Chance, eines von zwanzig Fahrrädern zu gewinnen, vom E-Bike bis zum Transportrad.

Nationale Fietstelweek

Auf dem Fahrrad durch Nuland

Nur ein kleiner Film über eine Radtour in Nuland, einem Stadtteil der niederländischen Gemeinde ’s-Hertogenbosch, gefilmt von einer autonomen Drohne. Entspanntes Radfahren durch Straßen mit durchgehender Tempobegrenzung von 30km/h.

70 km / h ist Standard auf flämischen Regionalstraßen

Flandern liegt im Norden Belgiens und ist eine der drei Regionen des Königreiches Belgien.  Ab dem 1. Januar 2017 gilt auf dem 8.000 Kilometer langen Regionalstraßennetz Flanderns eine allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften, zwanzig km/h weniger als die bisher zugelassenen 90 km/h. Bereits jetzt haben drei Viertel der Regionalstraßen eine Tempobegrenzung von 70 km/h, die immer extra durch Verkehrszeichen angeordnet werden. Durch die neue Verordnung können in Flandern 16.000 Verkehrsschilder entfernt werden. Dadurch ergeben sich Einsparungen in Höhe von mindestens 3,2 Millionen Euro.

Verkeersnet: 70 km/uur wordt de norm op Vlaamse gewestwegen

Ruf nach Grünpfeil wird lauter

Seit Einführung eines neuen Verkehrsschildes im Jahr 2012, das ein Rechtsabbiegen für Radfahrer an ampelgeregelten Kreuzungen erlaubt, hat man in Frankreich gute Erfahrungen mit dieser Regelung gemacht. Allein in Paris gibt es den Grünpfeil an 1 805 Kreuzungen, wie die Berliner Zeitung berichtet. Inzwischen läuft in der Schweiz ein Pilotversuch und in den Niederlanden gibt es ein entsprechendes Verkehrsschild seit Anfang der neunziger Jahre. Auch in Deutschland werden die Stimmen lauter, die ein Umdenken in der Ampelfrage fordern.

Die Frankfurter Rundschau zählt sechs Gründe auf, weshalb Radfahrer keine Ampeln brauchen:
1. Radfahrer sind aufmerksamer
2. Radler nehmen Umgebung besser wahr
3. Ampeln bremsen unnötig
4. Besonders für Radler sind Abgase unangenehm
5. Ampeln sind teuer
6. Radfahren muss attraktiver werden.

Insbesondere Argument Nummer vier ist für Radfahrer gravierend. In einer Schlange von Kraftfahrzeugen vor einer Ampel zu stehen und eingedieselt zu werden, ist für Radfahrer nicht nur unangenehm sondern stark gesundheitsgefährdend. Die  Europäischen Umweltagentur geht von etwa 430.000 vorzeitigen Todesfälle in der EU durch Feinstaub aus, in Deutschland schätzt das Bundesumweltamt die Zahl vorzeitiger Todesfälle auf 47 000 pro Jahr. Mehr als 125 Menschen sterben also jeden Tag in Deutschland an schmutziger Luft. Man mag sich nicht vorstellen, wieviel von den 125 Toten Radfahrer waren, die zu lange an roten Ampeln gehalten und dabei zu tief eingeatmet haben.

So gesehen wäre Einführung eines Grünpfeils für Radfahrer aktiver Gesundheitsschutz.

Berliner Zeitung: 
Berliner Radler wollen auch bei Rot weiterfahren
Frankfurter Rundschau: Warum Radfahrer keine Ampeln brauchen
Huffington Post: 11 Gründe, warum Radfahrer NICHT mehr bei Rot halten sollten

(Dank an Christian für den Hinweis.)

Der Bild-Fahrrad-Kollaps

Zugegeben – die Bild-Zeitung schreibt selten wirklich durchdachte Artikel. Damit ist sie allerdings nah dran am „gesunden Bauchgefühl“ des durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers. Und der sieht in Berlin einen Verkehrskollaps, erzeugt durch Radfahrer.

So könne während einer Grünphase in der Greifswalder Straße höchstens noch ein Auto nach rechts abbiegen, weil so viele Radfahrer auf dem Radstreifen unterwegs sind. Gezeigt wird ein Bild mit einem engen, für den Radverkehr nicht ausreichend dimensionierten und damit überfüllten Radweg.

Bild: „Wo Autos, die rechts abbiegen wollten, früher Radfahrer gefährdeten, haben sie heute kaum noch eine Chance zum Abbiegen, weil zu viele Radfahrer im Pulk geradeaus fahren.“

Dass abbiegende Autos weiterhin Radfahrer gefährden (siehe Unfallstatistik) und dem Problem ein grundlegender Planungsfehler zugrundeliegt, nämlich die gleichzeitige Grün-Signalisierung sich begegnender Verkehrsströme, darauf kommt die Bild-Zeitung zwar nicht. Immerhin erkennt sie, dass tatsächlich ein Problem besteht. Radwege und Rechtsabbieger bleiben nur so lange (für Rechtsabbieger) nutzbar, wie wenige Radfahrer unterwegs sind oder die Verkehrsströme getrennt werden. In den gezeigten Beispielen sind Radfahrer jedoch entweder die Mehrheit oder zahlenmäßig gleichauf – und bekommen auf ihren engen Sonderwegen nicht mal eine eigene Grünphase.

Immerhin befragt die Bild-Zeitung für ihren Artikel ausnahmsweise nicht den ADAC, sondern Bernd Zanke vom ADFC, der Fahrradstreifen in Autospurbreite und geeignete Ampelschaltungen vorschlägt.

Weiter gehts zur Schönhauser Allee. Die ist übrigens ca. 30 Meter breit, gönnt sich streckenweise 3 Fahrspuren pro Richtung – eine zum Parken! – und hat einen enormen Radverkehrsanteil, meist auf einem Hochboardradweg. Aber …

Geisel [Verkehrssenator]: „Da reicht der Radstreifen nicht mehr aus.“ Aber mehr als den vorhandenen Raum gibt es nicht.

Würde die Bild-Zeitung doch die Experten, die sie interviewt, verstehen: Der Fahrradstreifen in Fahrspurbreite kann doch letztendlich nur deshalb nicht angeboten werden, weil eines noch wichtiger ist als der fließende Radverkehr: Die Parkplätze.

Und so bleibt alles wie gehabt: Radfahrer bleiben selbst in den genannten Straßen, die sie zahlenmäßig längst erobert haben, nur störende Gäste. Andererseits: Kollaps hin oder her, der Radverkehr fließt und kennt keinen Stau.

Bild: Fahrrad-Kollaps in Berlin, 8.7.2015

Satteltiere

Seit Mitte Juni pimpt ein Unbekannter in Utrecht in den Niederlanden fremde Fahrradsättel mit Augen auf, fotografiert sie und stellt die Bilder im Twitter-Account Zadeltier (deutsch: Satteltier) ins Netz. Die Sättel blicken nun munter in die Welt, mal staunend mit kugelrunden Augen, mal fremd mit Raubtierblick. Zadeldier schwört, dass sich die Augen rückstandsfrei wieder entfernen lassen, aber viele (unfreiwillige) Besitzer von Sätteln mit Augen lassen sie einfach dran.

Satteltiere

Zadeldier bei Twitter
Vogelfrije Fietser: Mysterieuze zadeldieren in Utrecht

Zusatzzeichen „E-Bikes frei“ kommt

Noch in dieser Legislaturperiode plant die Bundesregierung die Einführung eines Zusatzzeichens „E-Bikes frei“. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen heißt es „Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) wird den zuständigen Straßenverkehrsbehörden durch eine Änderung der StVO die Freigabe von Radwegen für E-Bikes durch Einführung eines Zusatzzeichens „E-Bikes frei“ ermöglichen.“

Darüber hinaus soll eine Ergänzung des § 2 Absatz 4 Satz 6 StVO um E-Bikes erfolgen. Zur Zeit heißt Satz 6 so: „Außerhalb geschlossener Ortschaften darf man mit Mofas Radwege benutzen.“

In Zukunft soll es ebenfalls legal, sein, auf dem Gehweg fahrende Kinder mit dem Rad zu begleiten: „Ferner soll § 2 Absatz 5 StVO geändert werden, um der Aufsichtsperson künftig die Begleitung junger radfahrender Kinder mit dem Fahrrad auf dem Gehweg zu ermöglichen.“

Deutscher Bundestag: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage  – Drucksache 18/5184 –

Wieso bleiben manche allein fahrenden Fahrräder aufrecht?

Meist geht man davon aus, dass man auf dem Fahrrad nicht umfällt, weil man ständig kleine Lenkbewegungen um den Schwerpunkt durchführt und sich in kleinen Schlangenbewegungen dem Ziel nähert. Aber wieso ist ein allein fahrendes Fahrrad ab einer bestimmten Geschwindigkeit eigenstabil?

Die Antwort: wenn sich ein allein fahrendes Rad leicht nach links neigt, schlägt auch der Lenker ein wenig nach links ein und sorgt dafür, dass die Räder wieder unter den Schwerpunkt des Fahrrads kommen. Der Nachlauf bewirkt, dass der Lenker sich nach links bewegt, wenn das Fahrrad nach links geneigt wird. Wenn der Schwerpunkt des Vorderrades und des Lenkers leicht vor dem Steuerkopfwinkel liegt, sorgt das ebenfalls dafür, dass sich der Lenker nach links bewegt, wenn das Fahrrad nach links kippt. Der gyroskopische Effekt ist eine dritte Kraft mit dem gleichen Effekt und stabilisiert das Fahrrad aufgrund des Trägheitsmoments.

Fahrradlieferdienst TringTring

TringTring ist ein Lieferdienst in Amsterdam, wie es ihn dutzendfach in vielen anderen Ländern gibt. Das besondere an TringTring: alle Mahlzeiten, Getränke, Leckereien und Waren werden per Fahrrad innerhalb von 60 Minuten zum Endverbraucher gebracht. Jeder, der in Amsterdam wohnt und ein Fahrrad und ein Smartphone besitzt, kann sich bei TringTring als Nebenerwerbskurier anmelden. Als nebenberuflicher Fahrradkurier kann man eine spezielle App installieren, die einem die gerade zu vergebenden Kurierfahrten zeigt. Pro Auftrag erhält der Kurierfahrer fünf Euro. „Oder mehr“. Laut Fietsen123 haben sich bereits 45 Amsterdamer als Kurier angemeldet. Auf der Facebook-Seite von TringTring werden viele Freizeitkurierfahrer vorgestellt.

Fragt sich lediglich, ob auf diese Weise der Markt für Fahrradkurierdienstleistungen nicht endgültig kannibalisiert wird und die hauptberuflichen Kurierfahrer für noch weniger Geld arbeiten müssen.

TringTring
TringTring bei Facebook
Fietsen123: Bijverdienen als fietskoerier? Maak kennis met TringTring

Fahrradzukunft Ausgabe 20

Seit fast zehn Jahren gibt es die unabhängige Zeitschrift „Fahrradzukunft“ schon, die vor einigen Tagen die zwanzigste Ausgabe veröffentlicht hat.

Anja Hänel und Jörg Thiemann-Linden stellen das Shared-Space-Konzept vor und untersuchen es unter dem Blickwinkel der Radfahrer. Eher was für Tech-Profis ist der Beitrag von Stefan Buballa-Jaspersen, der eine spezielle gefederte Reiseradgabel testet. Ausnehmend unterhaltend ist Ralf Stein-Cadenbachs Ausflug in die Geschichte des Fahrradsattels. Ein zweiter Artikel von ihm beschäftigt sich mit der Frage, ob Fahrradsättel Nasen benötigen. Kurzantwort: nein, denn seine heutige, übliche Form mit Nase ist historisch bedingt. Andreas Oehler hat bereits in früheren Ausgaben der Fahrradzukunft Beiträge zu Wirkungsgrad-Messungen an Nabenschaltungen geschrieben, in der jüngsten Ausgabe testet er den Wirkungsgrad des Pinion P1.18 Tretlagergetriebes.

An der FH Lübeck wurde danach geforscht, wie Schwerhörige Fahrradklingeln wahrnehmen. Olaf Schultz fasst die Ergebnisse zusammen und kommt zum Schluss, dass eigentlich die StVZO geändert werden müsste, denn in ihr wird eine „helltönende Glocke“ gefordert, die von Schwerhörigen nicht optimal wahrgenommen wird.

Der letzte Beitrag ist ein Nachdruck aus dem lesenswerten Blog von Tobias Kröll: „Erinnerung: Flüchtlingsgeschichten, verbotenes Radfahren und Anne Frank“

Fahrradzukunft