Fahrradstraße mit Radfahrverbot

Im letzten August wurde die Fahrradstraße Linienstraße mit großem Presserummel eingeweiht. Zur offiziellen Eröffnung waren viele Prominente in die Linienstraße geradelt: die Berliner Staatssekretärin für Verkehr und Stadtentwicklung Maria Krautzberger, der Baustadtrat des Bezirks Mitte Ephraim Gothe, die Vorsitzende des ADFC Sarah Stark, der Fahrradbeauftragte des Landes Berlin Benno Koch und weitere wichtige Personen der Berliner Fahrradszene. Krautzberger, Grothe und Stark hielten Reden und feierten die Fahrradstraße als großen Erfolg. Krautzberger: „Fahrradstraßen sind ein wichtiger Baustein der Radverkehrsstrategie des Berliner Senats. Sie gewährleisten mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Mit der Einrichtung dieser Straßen wollen wir noch mehr Berlinerinnen und Berliner zum Radfahren animieren.“

Acht Monate später ist die Fahrradstraße für Radfahrer in West-Ost-Richtung gesperrt. Weil an der Ecke Rosenthaler Straße und Linienstraße ein Hotelneubau entsteht, wurde die Fahrradstraße kurzerhand aufgehoben, damit die Autofahrer in Ost-West-Richtung durch kommen können.

Größeres Foto hier.

Mit Dank an berlinradler und Markus für die Hinweise im Fixie-Thread.

Fahrraddiebstahl in Berlin steigt an

In Berlin wurden im letzten Jahr mehr als 23 000 Fahrräder gestohlen. Nur bei einem Bruchteil der Diebstähle konnte die Polizei den Fahrraddieb ermitteln. Die Zahl der aufgeklärten Fälle lag 2008 bei 1.228, was einer Aufklärungsquote von 5,4 Prozent entspricht. Hier die Statistik der letzten Jahre.

Jahr 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Fahrraddiebstähle 23.129 23.153 22.362 19.497 18.775 20.246 23.645
aufgekärte Fälle 1.349 1.174 1.247 745 8,53 1.032 1.288
Aufklärungsquote 5,8 % 5,1 % 5,6 % 3,8 % 4,6 % 5,1 % 5,4 %

Im Polizeideutsch heißen die Fahrraddiebe „Tatverdächtige“ oder „TV“. Zu ihnen macht die Polizeiliche Kriminalstatistik nur wenige Angaben: „Es wurden 1.097 TV (davon 263 Nichtdeutsche) ermittelt. Der Anteil der nichtdeutschen TV betrug 24,0%. 588 der ermittelten Tatverdächtigen waren unter 21 Jahre alt (53,6%).“

Als Ursache des ansteigenden Fahrraddiebstahls sieht die Polizei den Anstieg des Fahrradverkehrs allgemein und verweist darauf, dass der Radverkehr überproportional angestiegen ist und die Zahl der Radfahrer sich sogar verdoppelt haben.

Polizeiliche Kriminalstatistik (pdf-Dokument. Angaben zum Fahrradverkehr findet man auf den Seiten 59, 129 und 153)
Tagesspiegel: Berlin – ein Paradies für Fahrraddiebe

Polizei will Fixiefahrer stoppen

Die Polizei Berlin hat angekündigt, vom 1. bis 13. April 2009 im gesamten Stadtgebiet intensive Verkehrskontrollen zur Überwachung des Radfahrverkehrs durchzuführen. Schwerpunkt der Aktion wird das unzulässige Befahren von Gehwegen und Fußgängerzonen sowie das Fahren auf Radwegen in die Gegenrichtung sein.

Derartige Schwerpunktaktionen gab es bereits in den letzten Jahren. Neu ist degegen, dass sich die Polizei gezielt Radfahrer mit Singlespeedrädern vornehmen will. „Erstmals wird die Polizei verstärkt auch auf eine besondere Art von Fahrrädern achten, die so genannten „Fixies“ oder „Singlespeed-Bikes“. Dies sind nur minimalistisch ausgestattete Trend-Räder, die z.B. von Fahrradkurieren und Mitgliedern einer anwachsenden Fan-Szene vermehrt im Großstadtverkehr genutzt werden. Die Räder verfügen zum Zwecke der Gewichtsersparnis und zur Vermittlung eines ganz besonderen „Kicks“ bei der rasanten Fahrt über keinerlei Sicherheitsausstattung, auf Bremsen wird völlig verzichtet. Allein durch vorausschauendes Fahren und enormes Reaktionsvermögen müssen Unfälle verhindert werden. Der Gebrauch solcher ursprünglich für den Bahnradsport entwickelten Geräte im öffentlichen Straßenverkehr ist hochgradig gefährlich und zwangsläufig mit immensen Gesundheits- und Lebensgefahren für alle Verkehrsteilnehmer und die Fahrer selbst verbunden. In der Konsequenz wird die Polizei die Nutzer solcher Fixies nicht nur zur Anzeige bringen, sondern gleichzeitig eindringlich darauf hinweisen, dass die Räder künftig bei wiederholter Feststellung sichergestellt werden.“

Pressemeldung der Berliner Polizei Nr. 0893 vom 30.03.2009 – 09:40 Uhr

Auf dem Fahrrad sind alle gleich: Mobilität und Gerechtigkeit an Hand der Generalisierten Geschwindigkeit

Dass ein Auto schneller fährt als ein Fahrrad ist unbestritten, da es eine bestimmte Strecke in viel kürzerer Zeit zurücklegen kann. Gilt als Maßstab aber nicht allein die gefahrene Zeit, sondern auch die Zeit, die benötigt wird um überhaupt fahren zu können, sieht das Ergebnis ganz anders aus.

Eine solche Berechnung ist möglich, wenn alle Zeitfaktoren in Beziehung gesetzt werden, die mit dem Kauf und Betrieb eines Fahrzeuges verbunden sind. Heraus kommt die sog. `Generalisierte Geschwindigkeit´. Sie gibt an, wieviel Zeit pro Kilometer ein Mensch, abhängig von Wohnort, sozialem Status und Fahrzeugtyp für Mobilität aufbringen muß. Dieser Ansatz ist von dem Theologen und Philosophen Ivan Illich (gest. 2002) in seinem Buch `Die sogenannte Energiekrise´ (1973) entwickelt, und zwei Jahre später von Jean Pierre Dupuy und Francois Gerin auf Frankreich angewendet worden.

Das Ergebnis hat gezeigt, daß die generalisierte Geschwindigkeit zunimmt, je höher die Person in der sozialen Pyramide steht. Gleichzeitig hat das Fahrrad in allen Fällen die höchste generalisierte Geschwindigkeit. Der Zugang zur (Auto)Mobilität sowie die Grade der Mobilität sind also anhängig vom sozialen Status. Der leitende Angestellte muß weniger Lebenszeit für sein Auto aufbringen und kann sich schneller damit bewegen als der Landarbeiter. Sobald ein Auto benutzt wird, bildet sich soziale Ungleichheit im Verkehr ab. Das Fahrrad hingegen macht alle (fast) gleich, wie die Tabelle zeigt.

Ist es das Vehikel der klassenlosen Gesellschaft?

Generalisierte Geschwindigkeit in Km/h

Schicht/Beruf Fahrrad Citroen 2CV Simca Citroen DS 21
         
Leit. Angest. Paris 14 14 14 12
Angest. mittl. Stadt 13 12 10 8
Facharbeiter mittl. Stadt 13 10 8 6
Landwirtschaftl. Arbeitskraft 12 8 6 4

Diese Faktoren fließen in die Berechnung ein: Jährliche Ausgaben für das Auto, Abschreibung der Kosten für den Kauf des Wagens, für den Erwerb des Führerscheins. Jährliche Fixkosten wie Steuer und Versicherung. Parkgebühren, Treibstoff, Reifenverschleiß und anderer, Geldbußen, Kauf von Zubehör, etc.

Wird die Summe dieser Ausgaben durch den Stundenlohn geteilt, kommt ein Zeitwert heraus. Dieser Wert zeigt, wie viele Stunden jemand im Jahr für sein Auto arbeiten muß. Addiert wird zu diesem Wert die Zeit, die tatsächlich für Fortbewegung aufgebracht wird, plus der Zeit, die sonst in Verbindung mit dem Fahrzeug steht: in Staus verbrachte Zeit, Parkplatzsuche, Lesen von Autoreklame, etc. Im Ergebnis steht die Gesamtzeit, die für Anschaffung, Betrieb, und Wartung eines Fahrzeuges nötig ist. Dividiert durch die tatsächlich gefahrene Kilometerzahl ergibt sich die `Generalisierte Geschwindigkeit´.

Radfahren ist Musik in Bewegung

Die australische Musik-Performance Gruppe Pursuit hat ein paar tolle Beispiele parat.
Ihre Themen sind:
-Die Übertragung von Geräusch auf Geschwindigkeit
-Schall und Rhythmus des Rades
-Die Wichtigkeit von physischer Bewegung beim Erleben von Musik
-Die Beziehungen von Sport und Musik

Habt ihr noch nie den Wind in den Speichen singen- und in der Sattelstütze heulen gehört?

Via John Rose Web

Fahrrad-Versteigerung bei der S-Bahn Berlin

Ich muss gestehen, ich war noch nie bei einer Versteigerung der S-Bahn und ich habe keine Ahnung wie viele Fahrräder in drei Monaten bei der Bahn angeschwemmt werden. Sind es eher Hunderte, Tausende gar? Lagerhallen voller Fahrräder? Oder eher eine überschaubare Anzahl, sauber katalogisiert von einem gewissenhaften Lageristen, wohlmöglich geputzt und aufgepumpt…
Was ist mit den Leuten, die ihr Fahrrad irgendwo in der S-Bahn liegenlassen oder vergessen und dann nicht mehr abholen? Komisch…
Vielleicht ist die S-Bahn ja ein Müllcontainer für Billig-Räder aus dem Baumarkt, die ihre vordefinierte Lebenszeit von 2 Jahren überschritten haben?
Ich werde es zumindest dieses mal nicht erfahren, denn zum Versteigerungstermin stehe ich im Laden und arbeite.
Falls jemand unseren geklauten Long-John sieht…

Versteigerung bei der S-Bahn am 26.3.09 im Bahnhof Zoo von 15-18 Uhr

„Männer mit Fahrrad sind süß …“

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Der Autoverleiher SIXT macht mit einer Anzeigenkampagne auf sich aufmerksam. Vier Printmotive zeigen Frauen in sexy Posen, die mit gewagten Aussagen für Autos von Sixt werben. In einem Anzeigenmotiv, das gestern auf einer Doppelseite in der Frankfurter Allgemeinen  Zeitung abgedruckt war, heißt es: „Ich finde Männer mit Fahrrad süß. Wenn es im Kofferraum eines Oberklasse-Fahrzeugs liegt.“ Laut Preisliste der FAZ kostete diese Werbung 87 010,- Euro.

Pedalmontage

Kurzer Film über Aus- und Einbau von Fahrradpedalen. Eigentlich eine ganz einfache Aufgabe, trotzdem wird dabei viel falsch gemacht. Denn die rechte Pedale besitzt ein Rechtsgewinde und linke Pedale ein Linksgewinde. Gerade in diesen Zeiten, in denen viele Fahrräder versendet und die Pedalen dann zuhause eingebaut werden, soll dieses Video dabei helfen, Fehler beim Pedaleinbau zu vermeiden. Das Video findet ihr auch auf den statischen Seiten der Rad-Spannerei:
Pedalmontage

Auszeichnung „FahrRadStadt Berlin“

Die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer wird am Mittwoch zum zweiten Mal die Auszeichnung „FahrRadStadt Berlin“ an Personen und Organisationen verleihen, die sich für den Radverkehr in Berlin in besonderem Maße stark gemacht haben. Geehrt werden in diesem Jahr:
1 Vorstandsmitglied der S-Bahn
1 Vorstandmitglied der BSR
1 Bezirksstadträtin
1 Leiter einer Polizeidirektion
1 prominenter Filmregisseur

Dass der Regisseur Wim Wenders auf dieser Liste auftaucht, ist verständlich. Schließlich soll ein bekanntes Gesicht in die Kameras der Journalisten grinsen. Dennoch stellt sich beim Anblick der Liste der Geehrten die Frage: Wo bleiben die Radfahrer?
Presseeinladung: Preisverleihung „FahrRadStadt Berlin“

Nationaler Radverkehrskongress im Mai

Am 7. und 8. Mai 2009 findet an der Holzmarktstraße in Berlin der Nationale Radverkehrskongress statt. Dort soll eine Zwischenbilanz für den 2002 gestarteten und bis 2012 laufenden Nationalen Radverkehrsplan gezogen werden. Ebenso erfolgt ein Blick in die Zukunft. Internationale Experten berichten über die Vorteile des Fahrrades im innerstädtischen Verkehr.

An beiden Tagen des Kongresses finden jeweils vier Foren gleichzeitig statt. Hier die Themenpalette aller Foren:

  • Do: Von Nachbarn lernen – Metropolitane Fahrradstrategien
  • Do: Konkurrenten oder Dream-Team? – Öffentlicher Radverkehr und ÖPVN
  • Do: Straßen für alle? – Attraktive und verkehrssichere Straßenräume
  • Do: Die Entdeckung der Nähe – Beitrag des Radverkehrs zur integrierten Stadtentwicklung und zum Klimaschutz
  • Fr: In Bewegung bleiben – Gesundheitsförderung durch Radfahren im Alltag
  • Fr: Neue Marktpotenziale – Kooperation von Touristikern, ÖPNV und Fahrrad
  • Fr: Straßen für alle? – Erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit
  • Fr: Fahrradparken – Fahrradparken und Radverkehrsförderung – untrennbar?

Eine Teilnahme am Radverkehrskongress ist kostenlos und offen für alle Interessierte. Bitte die Anmeldefrist bis zum 24. April 2009 beachten!

Einladung NRV-Kongress 2009 (pdf)

New Orleans, Jazz und Fahrräder

Das Video zeigt das New Orleans von Mitte 2005, als das French Quarter noch nicht vom Hurrikan Katrina heimgesucht war. Das Lied „Complicated Life“ stammt aus der Feder von Ray Davis von den Kinks und wird hier gespielt von Clint Maedgen und der Preservation Hall Jazz Band.

Well I woke this morning with a pain in my neck,
A pain in my heart and a pain in my chest,
I went to the good doctor and the good doctor said,
You gotta slow down your life or you’re gonna be dead,
Cut out the struggle and strife,
It only complicates your life.

via: copenhagenize.com

Fixiefahren – Eine gute Sache!?

Über das Fahren mit starrem Antrieb hat es schon viele Debatten gegeben, viele Argumente sind gebracht und verschwendet worden. Neu ist das Fixiefahren nicht. In der Bahn ist es der Antrieb der Wahl, und noch in den späten dreißiger Jahren fuhren Chikagoer Polizisten auf Fahrrädern mit starrem Antrieb und riesigen Kettenblättern. Ohne Bremsen, wohlgemerkt.
Die aktuelle Wiederauflage der starren Sturmey/Archer Dreigangnabe ist ein Griff in den Fundus der Fahrradtechnik des beginnenden 20 Jahrhunderts. Und in Zeiten von vorverschlissenen Antriebskomponenten ist die minimalistische Fahrradmode eine erfrischende Bewußtseinserweiterung.

Dazu kommt, daß die vorgeschriebenen Sicherheitskomponenten am Fahrrad einzig der passiven Sicherheit der Radler/innen dienen. In Verkehrssystemen, die allein die körpereigenen Antriebskräfte zum Maßstab haben, mit Geschwindigkeiten, die nicht über 25 km/h hinausgehen, sind Bremsen und Beleuchtung überflüssig. Wichtig sind allein die Übersicht und das Verantwortungsbewußtsein der Fahrer, sowie die Möglichkeit, den vorhanden Raum ganz auszunutzen. Wer in Berlin Fixie fährt, weiß die Weite des Raumes in unseren Straßen zu schätzen. Beschränkt wird die Bewegungsfreiheit einzig durch die geordneten Bahnen der Auto-Infrastruktur. Wo einem Hindernis einfach ausgewichen könnte, muß angehalten werden, um das eigene Leben nicht zu gefährden.

Es ist kein Zufall, daß ausgerechnet das (noch)Autoland Deutschland mit die absurdesten Sicherheitsstandards für Fahrräder hat (Standlichtpflicht, kiloweise Reflektoren, Radwegbenutzungspflicht, etc.). In Ländern, die gezielt Freiräume für das Fahrrad schaffen, sind diese Vorschriften weniger streng oder werden weniger penibel überwacht. (Nicht umsonst ist das Reelight eine Erfindung aus Dänemark, einem Land, das noch mehr Fahrräder auf die Straße gebacht hat als die Niederlande.)

Fixiefahrerinnen sind also nicht pauschal verrückt. Vielmehr ist die gelebte Lust am puren Fahren eine Form urbaner Lebenskunst. Ganz wie beim Skaten, beim Free-Running und BMX geht es auch um die freien Entfaltung im urbanen Raum, verantwortungsbewußt als Gleiche/r unter Gleichen.