Eine neue Radverkehrstrategie wurde seit vielen Monaten angekündigt, nun wurde der Entwurf vorgestellt. Ersetzen soll sie die alte Radverkehrstrategie aus dem Jahre 2004.
Die Förderung des Radverkehrs ist für den Senat ein strategischer Baustein des Stadtentwicklungsplans Verkehr Berlin. In der Einleitung zur Radverkehrstrategie werden sieben Gründe für das Radfahren genannt: Radverkehr macht mobil, verbessert die Lebensbedingungen, kann einen Teil des Motorverkehrs ersetzen, macht Spaß, trägt zur Sicherheit des Verkehrs bei, unterstützt die wirtschaftliche Entwicklung Berlins und schont den öffentlichen Haushalt, denn die Radverkehrsinfrastruktur ist vergleichsweise kostengünstig, Investitionen zahlen sich schnell in intensiver Nutzung und in Einsparungen an anderen Stellen des Berliner Haushalts aus.
Der Hauptteil des vorgelegten Entwurfs ist eine Liste von einigen Dutzend Punkten. Das beginnt bei der Erhaltung nicht benutzungspflichtiger Radwege, sofern sie „in gutem Zustand“ sind. Weiter sollen Radverkehrsanlagen von Hindernissen freigehalten und der Radverkehr an Baustellen berücksichtigt werden, die Benutzungspflicht von Radwegen soll überprüft werden, das übergeordnete Fahrradroutennetz soll fertig gestellt und neue bezirkliche Fahrradroutennetze sollen entwickelt werden. Eine weitere Forderung ist die Schaffung ausreichender Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Kurz: die gesamte Stadt fahrradfreundlich gestaltet werden.
All diese Forderungen sind nicht neu und kommen in ähnlicher oder identischer Formulierung bereits in der Radverkehrstrategie von 2004 vor. Eine neue Forderung ist, dass die Fahrradinfrastruktur dem wachsenden Fahrradverkehr angepasst werden soll: „Auf vielen Innenstadtrouten deuten sich jedoch bereits Kapazitätsengpässe an. Es ist deshalb notwendig, für den Umgang mit großen Radverkehrsmengen Konzepte zu entwickeln. Leistungsfähige und zügig befahrbare Fahrradmagistralen können dazu ebenso einen Beitrag leisten wie Fahrradstraßen, Radverkehrsanlagen, die auch das Nebeneinander unterschiedlicher Fahrgeschwindigkeiten ermöglichen
sowie ausreichend dimensionierte Radverkehrsanlagen an Knotenpunkten.“
Auffällig ist, wie häufig in der Radverkehrsstrategie gesellschaftliche Akteure wie der ADFC und der VCD genannt werden. So soll der ADFC unter Einbeziehung seiner Mitglieder Informationen zu Problemabschnitten im bestehenden Radwegenetz sammeln, er soll ebenfalls Behinderungen auf Radverkehrsanlagen und radverkehrsbehindernde Baustellen melden. Der ADFC soll gemeinsam mit den Bezirken örtlich fokussierte Kommunikationsprojekte zum Radverkehr entwickeln und natürlich die jährliche Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ weiterhin in Berlin durchführen. So sehr es zu begrüßen ist, dass der Senat die Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Verkehrsvereinen sucht, so drängt sich doch der Verdacht auf, dass es dem Senat lediglich darum geht, Ressourcen und Geld zu sparen.
Kommen wir zur Frage, wie teuer der Radverkehr sein darf. In der Radverkehrsstrategie von 2004 hatte es geheißen: „Die Radverkehrsstrategie geht deshalb davon aus, dass die im Stadtentwicklungsplan Verkehr formulierte Zielsetzung (Steigerung auf 5 € je Einwohner und Jahr bis 2015) der künftigen Haushaltsplanung als Orientierung dient.“ Von der Zielvorgabe ist der Senat bis heute weit entfernt geblieben und hat gerade einmal die Hälfte des angestrebten Betrags erreicht. Im Abschnitt „Finanzierung“ der neuen Radverkehrsstrategie 2013 wird erst auf die schwierige Finanzlage des Landes Berlin verwiesen: „Gleichwohl wird angestrebt, schrittweise bis 2017 im Rahmen der Investitionsmittel des Straßenbaus eine Größenordnung von 5 € pro Einwohner und Jahr für Maßnahmen zur Radverkehrsförderung und damit eine weitere Erhöhung zu erreichen.“
Ganz zum Schluss wird es noch einmal lustig. So soll die „kritische Begleitung der Umsetzung der Radverkehrsstrategie“ durch den Fahrradbeauftragten veranlasst werden, nur: einen Fahrradbeauftragten gibt es in Berlin schon lange nicht mehr.
Berlin: Radverkehrsstrategie 2013
Berlin: Radverkehrsstrategie 2004
Stimmen zur neuen Radverkehrsstrategie:
Tagesspiegel: Kettenreaktion
Berliner Zeitung: Radwege für Tempo 25
Stefan Gelbhaar (Grüne): Radverkehrsstrategie: Gute Ziele setzen sich nicht selber um!