Arbeitsbedingungen in der Fahrradindustrie

Die Besetzung der „Bike-Systems“ Produktionsstätte in Nordhausen durch die gekündigte Belegschaft letztes Jahr hat uns beschissene Arbeitsbedingungen bei der Fahrradproduktion plastisch vor Augen geführt: Erst für weniger Geld länger arbeiten und dann trotzdem gekündigt werden ist, schätze ich, kein ungewöhnliches Erlebnis in der globalen Fahrradindustrie. Ein durchschnittliches Baumarkt-Billigfahrrad wurde bei „Bike-Systems“ in zwei bis drei Minuten komplett montiert! Arbeitsklima und die Qualität der Montage bleiben so auf der Strecke und den Gewinn der sich mit dieser Form der Fließband-Plackerei erzielen lässt, streicht nachher ohnehin die Chefetage ein.

Eine Produktion  bei der die ArbeiterInnen die Bedingungen zu denen sie arbeiten (zumindest innerhalb der Zwänge der allgemeinen Marktkonkurrenz) selbst bestimmen können hat auch in der Fahrradbranche leider seltenheitswert. Ausnahmen gibt es eher im Einzelhandel als in der Produktion, die Strike-Bike GmbH (hervorgegangen aus der Besetzung) ist in Deutschland die einzige mir bekannte Ausnahme.

Europaweit siehts nicht viel besser aus, aber Ansätze gibt es doch: Die Kunstausstellung „Le Grand Magasin“ im Saalbau Neukölln stellt Produkte von Genossenschaften in Europa vor, darunter auch solche aus dem Fahrradsektor. Für mich neu: die Genossenschaft Kovodružstvo aus Tschechien, sie baut unter anderem Fahrradanhänger (Bild unten) und Orbea– die Fahrradmarke ist Teil einer riesigen Genossenschaft aus dem Baskenland.

Fahrradanhänger Kovodružstvo

Die Ausstellung „Le Grand Magasin“ gibts noch bis 19. Februar 2009
Öffnungszeiten: Di–So 10–20 Uhr

Fahrrad statt Knast

„Notorisches Schwarzfahren endet jedes Jahr für Hunderte Berliner in einer Gefängniszelle. So sitzt derzeit fast jeder dritte Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee nur deshalb ein, weil er immer wieder öffentliche Verkehrsmittel ohne Fahrschein benutzte und auch die daraufhin von Gerichten verhängten Geldstrafen nicht bezahlen konnte oder wollte.“ Das schreibt der Tagespiegel heute und zitiert JVA- Leiter Udo Plessow: „Mindestens 155 unserer 480 Gefangenen wurden wegen Schwarzfahrens zu Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt“. So werden Schwarzfahrer beispielsweise zu 150,- Euro Geldstrafe verurteilt, ersatzweise 15 Tage Haft zu einem Tagessatz von 10,- Euro, weil viele der Verurteilten Sozialhilfeempfänger sind. Ein Haftplatz in Berlin kostet mehr als 80 Euro am Tag. Wenn der Staat jedem der Verurteilten ein solides Fahrrad mit geringem Weiterverkaufswert schenken würde statt ihn zwei Wochen einzusperren, käme er deutlich günstiger weg.
Tagesspiegel: Jeder Dritte in Plötzensee sitzt wegen Schwarzfahrens

Weltverbesserungswahn

Auf Copenhagen Cycle Chic erschien heute ein Beitrag mit der deutschen Überschrift Weltverbesserungswahn. Text: „Only the Germans can give us words like weltverbesserungswahn. We’re better off for it. It can be translated as ‚the conviction that the world could be better‘. Which is a fine description of why this blog exists.“

Schön gesagt.

Foto: A Sense of Cycle Motion
Fotograf: Zakkaliciousness
Copenhagen Cycle Chic: Weltverbesserungswahn

Fahrradproduktion und Autoproduktion

Im vergangenen Jahr wurden schätzungsweise 130 Millionen Fahrräder produziert. Zum Vergleich: die weltweite Automobilproduktion lag im letzten Jahr bei 52 Millionen Fahrzeugen. Mitte der 60er Jahre lagen Fahrrad- und Autoproduktion noch eng beienander. So wurden 1965 etwa 21 Millionen Fahrräder und 19 Millionen Autos hergestellt. Anfang der 70er öffnete sich die Schere zwischen den beiden Segmenten. Während die Fahrradproduktion steil anstieg, steigerten die Autobauer ihre Produktion nur mäßig. Zwischen 1989 und 2001 gab es bei den Fahrradproduzenten ein stetiges auf und ab, erst danach schlug sich die Renaissance des Fahrrads in den weltweit ansteigenden Produktionszahlen nieder.

Größter Fahrradproduzent der Welt ist China mit einem Output von 87 Millionen Rädern im Jahre 2007. Damit hat sich die chinesische Fahrradproduktion seit Anfang der 90er Jahre knapp verdreifacht. In Deutschland wurden im vergangenen Jahr ungefähr 2.400.000 Räder gebaut (1990: 3.900.000 Fahrräder). Im gesamten EU-Raum wurden im letzten Jahr etwas weniger als 10 Millionen Velos gebaut.

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Grafik: Earth Policy Institute
Earth Policy Institute: Bicycles Indicator Data
via: Biking Bis

Freiwild Radfahrer

Peter Köpf im Deutschlandradio Kultur über das Freiwild Radfahrer: „Wenn ich mich im dichten Berufsverkehr auf Berlins Friedrichstraße zwischen parkenden und zäh vorwärts rollenden Autos in Richtung nächste Ampel quetsche, erwacht bei manchen Fahrern der Jagdinstinkt.“
Peter Köpf: Freiwild Radfahrer
Zum Nachlesen: Deutschlandradio Kultur

Der Fahrradschrauber

Seit drei Jahren wird Monty Python von YouTube-Usern abgezockt, die Hunderte, ja Tausende von Videos der Kultcomedians ins Netz stellen. Nun schlägt Monty Python zurück und macht einen eigenen Kanal bei YooTube mit Filmchen in hoher Qualität auf. Unter den Clips ist auch der legendäre Bicycle Repairman, das Video aller Fahrradschrauber. So wie der Bicycle Repair Man, so ist auch der Arbeitsethos der Rad-Spannerei: Allzeit bereit im Dienste der radfahrenden Menschheit. Das mit dem Kommunismus diskutieren wir später einmal.

[youtube]U01xasUtlvw[/youtube]

Wir sind auf Betriebsfahrt!

Wie jedes Jahr haben wir uns besonders schönes Wetter für unsere Betriebsfahrt ausgesucht. Von Freitag den 21.11.08 bis Sonntag den 23.11.08 ziehen wir uns zur Klausur nach Burg Lutter zurück. Das bedeutet für euch liebe Kundinnen und Kunden eine kleine Verschnaufpause, in welcher wir euch nicht mit unserer Anwesenheit belästigen. Ab Montag geht der Betrieb aber mit gewohnter Geschwindigkeit weiter.

Alles Gute bis dahin,

eure Radspinner

Fahrradbilder

Regelmäßige Besucher des Fahrradblogs wissen, dass wir in größeren Abständen neue Fahrradbilder in den Header packen. Die neuen Bilder verdanken wir den folgenden Fotografen: kate.weldon (Originalfoto bicycle on tree), JJ Bennett (Originalfoto Hangzhou Bicycle), jfaulk (Originalfoto Fall, Unfolding in Red and Orange), dinodam (Originalfoto Tunnel Vision), cedarkayak (Originalfoto Rest Area) und extranoise (Originalfoto park and ride).  Vielen Dank an euch und vielen Dank an alle anderen Flickr-Fotografen, deren Bilder wir in den letzten Jahren  gezeigt haben.

Radfahren im Windschatten

Im Radsport spielt der Windschatten eine wichtige Rolle, da im flachen Gelände ab ca. 20 km/h der Luftwiderstand größer als alle anderen Widerstände ist. Hinter dem Windbrecher kann man bis zu 30 Prozent Energie sparen, wenn durch die richtige Position am Hinterrad des Vordermannes der Windschatten voll ausgenutzt wird. Der Abstand zwischen Hinterrad und Vorderrad sollte zwischen 10 und 30 Zentimetern betragen, zudem ist ein seitlicher Abstand von 5 bis 15 Zentimetern sinnvoll.

Im Straßenverkehr ist das Windschattenfahren mit einem gewissen Risiko behaftet. Jede Geschwindigkeitsveränderung und jede Bewegung des Vorderdradfahrers kann zu einem Unfall führen, wenn man nicht ständig sehr aufmerksam ist und die Hand stets an der Bremse hält. In einem Urteil des Oberlandesgerichtes befanden die Richter, dass der Vordermann sich nicht regelwidrig verhalte, wenn er ohne Handzeichen oder Schulterblick ausschert. Der Hintermann muss stets mit einer Richtungsänderung rechnen und kann daher bei möglichen Unfällen den Vordermann nicht wegen einer Pflichtverletzung haftbar machen (OLG Düsseldorf, AZ: 1 U 213/94).

Ich selbst fahre sehr gern als Windschattenlutscher. Häufig werde ich von anderen Radfahrern schwungvoll überholt, da reicht es, dreimal forsch in die Pedalen zu treten, um in den Windschatten des Vordermanns zu kommen. Manche Radler fühlen sich aber durch die Windschattenfahrerei irritiert. Die variieren dann ihre eigene Geschwindigkeit, geben Handzeichen zum Überholen oder nutzen den Start nach einer roten Ampel, um mich abzuhängen. Dabei ist es doch okay, im Windschatten eines Vordermanns ein wenig Kraft zu sparen, oder?

Internationale Erfahrungen mit Shared Space

Mobilität und Verkehr sind in Zeiten von Klimawandel und Reurbanisierung entscheidend zur nachhaltigen Gestaltung
unserer Städte. Das Verkehrskonzept „Shared Space“ gilt als zukunftsweisender Ansatz für mehr Verkehrssicherheit und
mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum.

Im Zentrum der Veranstaltung steht die Frage der Übertragbarkeit des Konzepts auf Berlin. Der Auseinandersetzung
mit Beispielen aus London, Grachten (NL) und Bohmte im ersten Teil der Veranstaltung, folgt die Diskussion, wie
Shared Space in Berlin umgesetzt werden kann.

Teilnehmer: Ben Hamilton-Baillie, Büro Hamilton-Baillie Associates (England), Klaus Goedejohann (Bürgermeister von Bohmte, CDU), Rob Duvergé, Projekt-Manager Shared Space
Wilhelm Forthuis, Leiter des Keuning Institutes, Groningen, Claudia Hämmerling (Mitglied des Abgeordnetenhauses, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen), Christian Gaebler (Mitglied des Abgeordnetenhauses, Fraktion der SPD)
Moderation: Michael Cramer (Mitglied des Europaparlaments, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

Freitag, den 7. November 2008 von 16:30 bis 21:30 Uhr
Ort: Belle Etage der Heinrich-Böll-Stiftung,
Schumannstr. 8, 10117 Berlin
Anmeldung:  stadtpolitik@bildungswerk-boell.de

Radweg Polen Niederlande wird Vorzeigeprojekt

Das Verkehrsministerium, das Wirtschaftsministerium und der Deutsche Tourismusverband haben gestern ein Pilotprojekt aus der Taufe gehoben. Das Projekt sieht vor, den Radweg Route 3 / Europaradweg R1 auf eine neue Qualtätsstufe zu heben.

Als Teststrecke wurde die Route 3 des deutschen Radfernwegenetzes („D-Netz“) ausgewählt, eine von der niederländischen bis zur polnischen Grenze verlaufende Fahrradroute, die rund 915 Kilometer lang ist und durch fünf Bundesländer führt. Im Berliner Umland kommt die Route über Dessau, Belzig, Werder nach Potsdam und führt danach bei der Glienicker Brücke in die Stadt hinein. Auf Berliner Stadtgebiet ist die Route identisch mit dem Havel-Radweg und Heerstraße bis zum Zentrum und Spreeradweg Richtung Osten. Ziel der Route ist der Grenzübergang Küstrin / Kostrzyn nach Polen. Von dort aus geht es dann weiter bis nach St. Petersburg in Russland.

Zur Zeit ist der Radweg noch unterschiedlich beschildert, genauso wie die Qualität des Radweges noch recht unterschiedlich ist. Jetzt soll der Radfernweg ein einheitiches Look and Feel bekommen und eine zentrale Vermarktung und Werbung für die Radstrecke steht ebenfalls auf dem Programm.
Fahrradportal: Radfernweg „Route 3“ von Polen in die Niederlande wird Vorzeigeprojekt