Zugegeben – die Bild-Zeitung schreibt selten wirklich durchdachte Artikel. Damit ist sie allerdings nah dran am „gesunden Bauchgefühl“ des durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers. Und der sieht in Berlin einen Verkehrskollaps, erzeugt durch Radfahrer.
So könne während einer Grünphase in der Greifswalder Straße höchstens noch ein Auto nach rechts abbiegen, weil so viele Radfahrer auf dem Radstreifen unterwegs sind. Gezeigt wird ein Bild mit einem engen, für den Radverkehr nicht ausreichend dimensionierten und damit überfüllten Radweg.
Bild: „Wo Autos, die rechts abbiegen wollten, früher Radfahrer gefährdeten, haben sie heute kaum noch eine Chance zum Abbiegen, weil zu viele Radfahrer im Pulk geradeaus fahren.“
Dass abbiegende Autos weiterhin Radfahrer gefährden (siehe Unfallstatistik) und dem Problem ein grundlegender Planungsfehler zugrundeliegt, nämlich die gleichzeitige Grün-Signalisierung sich begegnender Verkehrsströme, darauf kommt die Bild-Zeitung zwar nicht. Immerhin erkennt sie, dass tatsächlich ein Problem besteht. Radwege und Rechtsabbieger bleiben nur so lange (für Rechtsabbieger) nutzbar, wie wenige Radfahrer unterwegs sind oder die Verkehrsströme getrennt werden. In den gezeigten Beispielen sind Radfahrer jedoch entweder die Mehrheit oder zahlenmäßig gleichauf – und bekommen auf ihren engen Sonderwegen nicht mal eine eigene Grünphase.
Immerhin befragt die Bild-Zeitung für ihren Artikel ausnahmsweise nicht den ADAC, sondern Bernd Zanke vom ADFC, der Fahrradstreifen in Autospurbreite und geeignete Ampelschaltungen vorschlägt.
Weiter gehts zur Schönhauser Allee. Die ist übrigens ca. 30 Meter breit, gönnt sich streckenweise 3 Fahrspuren pro Richtung – eine zum Parken! – und hat einen enormen Radverkehrsanteil, meist auf einem Hochboardradweg. Aber …
Geisel [Verkehrssenator]: „Da reicht der Radstreifen nicht mehr aus.“ Aber mehr als den vorhandenen Raum gibt es nicht.
Würde die Bild-Zeitung doch die Experten, die sie interviewt, verstehen: Der Fahrradstreifen in Fahrspurbreite kann doch letztendlich nur deshalb nicht angeboten werden, weil eines noch wichtiger ist als der fließende Radverkehr: Die Parkplätze.
Und so bleibt alles wie gehabt: Radfahrer bleiben selbst in den genannten Straßen, die sie zahlenmäßig längst erobert haben, nur störende Gäste. Andererseits: Kollaps hin oder her, der Radverkehr fließt und kennt keinen Stau.
Bild: Fahrrad-Kollaps in Berlin, 8.7.2015