Fahrraddiebe tarnen sich als Verteiler von Werbebroschüren

Auf den Trick muss man erst einmal kommen: unter der Überschrift „„Legende“ enttarnt – Mutmaßliche Fahrraddiebe festgenommen“ berichtet die Polizei in Berlin heute von einer neuen Methode des Fahrradklaus. Hier der Text der Pressemeldung:

„Zwei mutmaßliche Fahrraddiebe wurden gestern Mittag auf frischer Tat in Moabit festgenommen. Polizisten der Direktion 3 fielen die 23 und 44 Jahre alten Männer gegen 13.45 Uhr in der Umgebung der Bandelstraße auf, als sie mehrere Häuser betraten und deutlich sichtbar Werbebroschüren bei sich trugen. Die auf die Bearbeitung von Wohnungseinbrüchen speziell geschulten Beamten erkannten die „Legende“ der Broschürenverteiler als typisches Verhalten für Wohnungseinbrecher und beobachteten sie. Als das Duo ein Haus in der Bandelstraße nunmehr mit zwei Fahrrädern wieder verließ, beendeten die Polizisten den Beutezug und nahmen sie vorläufig fest. Sie wurden nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung zunächst auf freien Fuß gesetzt. Die weiteren Ermittlungen übernimmt die Kriminalpolizei der Direktion 3.“

Pressemeldung der Berliner Polizei Nummer 2226 vom 28.08.2013 – 11:05 Uhr

Angela Merkel in ihrem Videopodcast zur „Stärkung des Radverkehrs“ anlässlich der Eurobike 2013

Wenn ein politisches Schwergewicht wie Frau Merkel sich zum Radverkehr äußert, sollte man als interessierter Radfahrer schon aufmerken, gerade in Wahlkampfzeiten könnte da Interessantes geäußert werden.

Link zur Mediathek der Kanzlerin, Transkript hier

In ihrem Videopodcast vom Samstag, den 24.8.13, anlässlich der anstehenden Eröffnung der Eurobike lässt sich Frau Merkel von einer als „Studentin“ angeführten Frau Klussmann ganz wunderbar mit Suggestivfragen durchs Programm leiten.

Was harmlos beginnt mit ein paar Allgemeinplätzen wie:

„[…] dass Fahrradfahren an sich eine ganz wichtige Form der Fortbewegung geworden ist. Nicht nur im Urlaub, sondern auch in der täglichen Mobilität, bei der Überwindung von Distanzen zwischen Wohnort und Arbeitsort. […]“
geht über eine kurze „selbst Schuld“ Spitze in Richtung der Unfallopfer:

„Es ist wichtig, weil es eben eine sehr umweltfreundliche Form der Fortbewegung ist. Nebenbei gesagt, auch noch eine, die die eigene Gesundheit unterstützt – wenn man sich vernünftig im Straßenverkehr verhält.“
in ein wenig Radfahrerbashing über, wunderbar von Frau Klussmann via unterstellender Frage „Fahrradfahrer schaffen sich oft ihre eigenen Verkehrsregeln. Wie kann man dem entgegenwirken?“ Wohlgemerkt vermeidet Frau Merkel den verbrannten Ausdruck, sie hat eben Agitprop gelernt im Gegensatz zu Stammtischlern wie Herrn Ramsauer.

Die Antwort darauf liest sich wie fast alles von Frau Merkel: sowohl als auch, alle müssen, Bußgelder erhöht.

Das hat ja in der Vergangenheit schon sehr gut geholfen tödliche Rechtsabbiegeunfälle zu vermeiden.

Das wiederholte erwähnen von Radwegen und den ach so hohen Summen, die dafür fließen (wann wurde denn das letzte mal von Millionen und nicht Milliarden gesprochen, wenn es um Ausgaben geht?) zeigt auch hier, dass Kommunal-, Landes- und Bundespolitik nicht miteinander reden, was die Ziele des Radverkehrsplans angeht und deren zeitgemäße und sichere Umsetzung.

Apropos Radverkehrsplan, die Ausgaben für den Nationalen Radverkehrsplan (NVRP) wurden von 2010 bis 2013 halbiert, nachzulesen  hier  in einer kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Frühjahr letzten Jahres.

Alles in allem bleibt bei mir die Frage, habe ich etwas anderes erwartet von einer konservativen Kanzlerin? Eigentlich nicht…
Ein wenig Wellen in den Medien hat es auch schon geschlagen, zum Beispiel beim Spiegel Online .

*Disclaimer: Die politischen Ansichten in diesem Artikel sind nur die des Autors und lassen nicht auf die der anderen Autoren oder der Radspannerei schließen.*

Rechtsabbiege-Unfall mit Folgen in San Francisco

Die Radfahrervereinigung von San Francisco (SFBC) hatte bei einer Gedenkveranstaltung anläßlich eines tödlichen Rechtsabbiegeunfalls letzte Woche eine Begegnung der außergewöhnlichen Art. Die 24-jährige Radfahrerin war am 14.08. auf dem Radstreifen unterwegs, als sie von einem rechts abbiegenden Lieferwagen tödlich verletzt wurde. Der Fahrer beging Unfallflucht.

Nach Abschluss der bisher ergebnislosen polizeilichen Ermittlungen durch das SFPD hielten Mitglieder des SFBC und Angehörige der Radlerin eine Woche nach dem Unfall eine Mahnwache an der Unfallstelle ab. Gegen 9 Uhr erschien ein Polizist des SFPD, parkte seinen Wagen auf dem Radstreifen, belehrte die Anwesenden und wies im Beisein von Angehörigen des Opfers diesem die Schuld für den tödlichen Unfall zu. Von den Radlern gebeten, seinen Wagen vom Radstreifen zu entfernen und einen nahen freien Parkplatz zu nutzen, weigerte sich der Polizist und betonte, er würde den Wagen nicht eher umparken, als bis die Anwesenden verstanden hätten, dass sie selbst die Mitverantwortung für solche Unfälle trügen und die bisher drei tödlich verletzten Radfahrer in diesem Jahr selbst schuld seien.

Nach diesem Vorfall, zu dem sich die Polizei nicht äussern wollte, entschloss sich ein Mitglied des SFBC, in den umliegenden Geschäften nach Aufnahmen aus Überwachungskameras in der Umgebung des Unfallortes zu fahnden. Er fand in der Tat ein Unternehmen, dessen Kamera auf die Kreuzung gerichtet war, Mitarbeiter teilten mit, die Polizei hätte nicht nach den Aufnahmen gefragt. Die Vorsitzende des SFBC Leah Shahum sagte dazu: „Dieser Polizist fand die Zeit uns hier zu belästigen, aber er hatte keine Zeit, um in der Umgebung danach zu fragen, ob jemand Aufzeichnungen von dem Unfall hätte.“

SFBG: Memorial for cyclist marred by SFPD harassment

Gastbeitrag von Michael Stoß

Fahrradtour „Kollektive in Berlin“ am 31. August

Zur letzten Fahrradtour „Kollektive in Berlin“ wird am Sonnabend, dem 31. August 2013 aufgerufen. Wer sich für die wechselvolle Geschichte Berliner Kollektivbetriebe interessiert, der kann auf dieser Tour einiges erfahren. Los gehts um 14:00 Uhr am Mehringhof in der Gneisenaustraße 2 in Kreuzberg. Danach werden etwa 20 Kollektive in Kreuzberg – mit einen Abstecher nach Friedrichshain – „abgefahren“. Auf weitere Kollektive, die nicht auf der Route liegen, wird hingewiesen. Endpunkt der Fahrradtour ist die Regenbogenfabrik in der  Lausitzer Straße 22 in Kreuzberg. Die Teilnahme an der Fahrradtour ist kostenlos, Mitfahrkarten werden vor Beginn der Tour auf dem Mehringhof-Hof ausgegeben. Eine Anmeldung ist nicht zwingend erforderlich, aber hilfreich: Mail an andy_wolff(at)regenbogenfabrik.de.

 

Kollektiv-Betriebe

Australische Regierungsstudie: 20 Minuten mit dem Rad zur Arbeit und zurück erzeugt einen wirtschaftlichen Nutzen von 14,50 Euro

Wenn jemand eine 20-minütige Fahrt mit dem Fahrrad zur Arbeit und zurück unternimmt, dann schafft das einen volkswirtschaftlichen Nutzen in Höhe von 21 australischen Dollar, umgerechnet etwa 14,50 Euro. Das sagte der australische Vizepremier und Verkehrsminister Anthony Albanese bei der Vorstellung der Studie „State of Australian Cities 2013“.

Der Nutzen setzt sich aus den Komponenten einer besseren Gesundheit, weniger Stau, geringeren Infrastrukturkosten, geringeren CO2-Emissionen, weniger Lärmemissionen, bessere Luftqualität und eingesparten Parkgebühren zusammen. Aufgrund des hohen Nutzens und geringer Kosten für den Bau eines Kilometer Radwegs von ungefähr 1,5 Millionen AUD (1,03 Mio. €) müssen alle zukünftigen Straßenbauprojekte im urbanen Raum mit einem begleitenden Radweg ausgeführt werden.

Zukunft Mobilität: Wirtschaftlicher Nutzen des Radverkehrs
Sydney Morning Herald: Bike riders save economy $21 on each commute
Department of Infrastructure and Transport: State of Australian Cities 2013

Berliner ADFC wird 30

Am 14. Juni 1983 wurde in Westberlin der Landesverband des ADFC gegründet, zum ersten Vositzenden der Radfahrerlobby wählte die Gründungsversammlung Tilman Bracher. Die Nullnummer der Mitgliederzeitschrift „radzeit“ war bereits im Mai 83 erschienen.

Aus einem kleinem, verschworenen Haufen von Radfreunden ist dreißig Jahre später eine Organisation mit 13 Stadtteilgruppen und mehr als 12.000 Mitgliedern geworden, die einmal im Jahr mit der Sternfahrt die größte Fahrraddemo der Welt veranstaltet. Am Sonntag, dem 18. August 2013 will der ADFC seinen 30. Geburtstag feiern: „Wir warten mit allem auf, was dazugehört: Live-Musik, Getränke vom Fass und Essen vom Grill. Bücher und Fahrradkarten, Infos über Verkehrssicherheit, besondere Fahrräder zum Staunen und Ausprobieren … Ob Familien-Rallye, Kletterturm oder Kinderparcours – auch für Familien mit Kindern gibt es viel zu entdecken. Das komplette ADFC-Programm eben.“

Das Fest beginnt um 14:00 Uhr mit der Begrüßung durch die ADFC Landesvorsitzende Eva-Maria Scheel. Wer vorher noch ein wenig abstrampeln möchte, der kann an einer von acht geführten ADFC-Fahrradtouren oder an der Familienrallye teilnehmen, die als Ziel alle das Fest auf dem Tempelhofer Feld haben (Teilnahme: 3€ für Mitglieder; 6€ für Nichtmitglieder).

ADFC Berlin: Jubiläumsfest 30-Jahre-ADFC

Zum Unfall in der Perleberger Straße

Als Ergänzung zum Beitrag zum Spurwechsel-Unfall in der Perleberger Straße am Mittwoch dokumentieren wir hier drei Fotos, die aus einem Vortrag zum Radverkehr in Berlin im Jahre 2012 stammen. Gehalten wurde der Vortrag von Bernd Zanke, Vorstandsmitglied für Verkehrssicherheit beim Berliner ADFC. Bernd hatte 2010 den Radfahrstreifen am gerade umgebauten Knoten an der Kreuzung Perleberger Straße und Ellen-Epstein-Straße kritisiert. Damals befand sich der Radfahrstreifen rechts von der Rechtsabbiegerspur, was zu Unfällen und gefährlichen „Beinahe-Unfällen“ führte, weil die meisten Radfahrer geradeaus in der Perleberger fahren. Aus der Rechtsabbieger-Fahrspur bogen in das Gewerbegebiet am Tage viele Lkw nach rechts ab. Zusätzlich gibt es an dieser Stelle eine Rechtsabbieger-Lichtzeichenanlage. Im Klartext: die Kfz bogen rechts ab und „übersahen“ die Radfahrer. Eine Situation, ähnlich dem Hochbordradweg, trotz uneingeschränkter Sichtverhältnisse. Das erste Foto zeigt den Zustand der Kreuzung im Jahre 2009 mit dem Radfahrstreifen rechts von der Abbiegerspur.

Daraufhin wurde der Schutzstreifen in Mittellage, gemäß ERA 2010, markiert, wie es die Fotos zwei und drei zeigen. Im oben erwähnten Vortrag von 2012 hatte Bernd Zanke kritisiert, dass eine Rotunterlegung des Radfahrstreifens fehlt.

Der ADFC hat nach dem schweren Unfall vom letzten Mittwoch die Verkehrslenkung Berlin (VLB) erneut gebeten, die „Rotunterlegung“ zu prüfen und durch die VLB anzuordnen.

ADFC Berlin: Folien „Infrastruktur – Radfahrstreifen“ von 2012 (Seiten 6 und 7)
Dank an Bernd Zanke für die Folien

Moabit: Schwerer Unfall beim Spurwechsel

Sie gelten als ein Lösungsansatz zur Verhinderung schwerer Rechtsabbiegeunfälle: Schutzstreifen, die zwischen Geradeausspur und Rechtsabbiegerspur angeordnet sind. Nun wurde eine 63-jährige Radfahrerin auf einem solchen Schutzstreifen von einem Lkw überrollt. Sie verlor ein Bein, das andere ist schwer verletzt. Offenbar wollte ein Sattelschlepper gerade von der Geradeausspur der Perleberger Straße auf die Rechtsabbiegerspur wechseln, um in die Ellen-Eppstein-Straße einzubiegen und sah die Radfahrerin auf dem Schutzstreifen nicht. Laut „BZ“ wurden die Beine vom ersten Rad des Lkw überrollt.

In den Tagesspiegel-Leserkommentaren wird die verkehrsbauliche Situation so beschrieben, dass Radfahrer von einem Hochboard-Radweg auf den Schutzstreifen geführt werden und bereits kurz nach dieser Einführung die Rechtsabbiegerspur beginnt. Dies scheint regelmäßig zu kritischen Situationen zu führen.

BZ: Lkw überrollt beide Beine einer Radlerin

Tagesspiegel: Radfahrerin von Lkw erfasst

Nicht aktuelle Streetviewansicht (Baustellenbereich)

Risiken bewerten

Die Helmdebatte ist seit einigen Wochen wieder aktiv. Das Thema ist und bleibt emotional und auch Nicht-Betroffene – also Menschen, die selten oder nie Radfahren, mischen mit. Menschen, die keinen Helm tragen, stehen zunehmend unter Rechtfertigungsdruck. Denn – ein kluger Kopf weiss sich zu schützen! Wer Risiken für Leib und Leben eingeht, kann doch nur einen an der Waffel haben. Oder?

Ist es dumm, Risiken einzugehen?

Nein, es ist sogar unvermeidbar. Jeden Tag treffen wir Entscheidungen, und bei nahezu jeder Entscheidung kann etwas schiefgehen. Wir essen und gehen das Risiko von Vergiftungen oder Infektionen ein. Wir gehen aus dem Haus und gehen das Risiko von Unfällen und Kriminalität ein. Wir treiben Sport und gehen das Risiko von Verletzungen ein. Oder wir treiben keinen Sport und riskieren aus Bewegungsmangel resultierende Folgekrankheiten. Bei unseren Freizeitbeschäftigungen könnte ebenso was passieren. Selbst unser Körper ist ein einziges Risikogebiet: Fieseste Krankheiten warten nur darauf, in Erscheinung zu treten – dem können wir nur begrenzt entgegenwirken. Kurzum: Irgendwann passiert jedem von uns mal was Dummes, und einiges davon wäre sicher „vermeidbar“ gewesen, wenn wir an dem Tag zuhause geblieben oder in irgendeinem Detail eine andere Entscheidung getroffen hätten. Dummheit? Nein, normales Lebensrisiko.

Also munter drauf los ins Risiko?

Es gibt Risiken, die wir nicht eingehen. Der eine vermeidet es, nachts die U-Bahn zu nutzen aus Angst vor Übergriffen. Der nächste geht – um die Risiken schlechter Ernährung zu vermeiden – nur in den Biomarkt. Manche lassen sich jährlich gesundheitlich durchchecken. Beim Autofahren schnallen wir uns an, trotz grüner Ampel beobachten wir die Wartepflichtigen …

Warum gehen wir also einige Risiken ein, andere hingegen nicht? Das hat zwei Gründe: einerseits bewerten wir Risiken, andererseis wägen wir Vor- und Nachteile ab und gehen Risiken ein, wenn die Vorteile scheinbar überwiegen.

Wie bewerten wir Risiken?

Die meisten Risiken werden aus dem Bauch heraus bewertet. Aktuelle Ereignisse und Medienberichte können auf die Risikobewertung einen Einfluss haben. Kurioserweise gehen wir an mancher Stelle große Risiken ein, während wir an anderer Stelle lieber darauf verzichten. Das Dilemma kennt wohl jeder Radfahrer: Man weiss, wie riskant der Radweg ist, aber das Bauchgefühl drängt einen dennoch oft nicht auf die vielbefahrene Fahrbahn. Die Risikobewertung ist oftmals fehlerhaft: Nach dem 11. September 2001 vermieden viele Amerikaner die Nutzung des Flugzeugs. In den ersten zwölf Monaten nach den Anschlägen starben in den USA etwa 1.600 Menschen mehr auf der Straße, als dies zu erwarten war.

Fehlerhafte Risikobewertung ist natürlich und menschlich, Grundlage für Gesetze muss hingegen eine realistische Risikobewertung sein.

Wie kann man Risiken objektiv bewerten?

Risikobewertung ist häufig gar nicht so einfach. Nicht jede Entscheidung hat eine klare Auswirkung – ein Gehirntumor könnte z.B. vom Handy ausgelöst sein oder eben nur eine natürliche Krankheit sein.  In vielen Fällen ist der Vergleich zweier Risiken hilfreich: Da wir uns z.B. den Verkehrsrisiken aussetzen müssen, können wir – wenn Risikovermeidung hohe Priorität hat – das sicherste Verkehrsmittel wählen und versuchen, häufige Unfallursachen zu vermeiden. Im Verkehrsbereich ist Risikoverringerung aufgrund der guten Datenlage relativ einfach.

Also nochmal kurz und knapp: Wo wir Risiken nicht vermeiden können, haben wir die Möglichkeit, die Risiken zu vergleichen und das geringste einzugehen.

Ein Risiko können wir also bewerten, indem wir es mit anderen vergleichen. Im Verkehrssektor haben wir das recht objektive Maß „Verletzte pro Milliarden Personenkilometer“ bzw. „Tote pro Milliarden Personenkilometer“. In anderen Sektoren kann es ausreichen, überschlagsmäßig zu rechnen und die Vorfälle in Relation zu den beteiligten Personen zu setzen, also z.B. die jährlich 30.000 Grippetoten zu den 80 Millionen Einwohnern Deutschlands oder die 400 Badeunfälle mit xxx Leuten, die schwimmen gehen (hier kann man dann wirklich nur noch gröbstens schätzen).

Welche Fragen müsste man also stellen, um eine Helmpflicht objektiv zu begründen?

Es gibt Tote beim Radfahren, und es gibt Kopfverletzungen bei Fahrradunfällen. Das ist unbestritten, kann aber allein noch keine Grundlage für eine gesetzliche Regelung sein. Diese kann – zumindest bei rationaler Entscheidungsfindung – nur begründet werden mit:

1.) einem Kopfverletzungsrisiko für Radfahrer, das das normale Maß überschreitet (Risikovergleich!) und

2.) einer messbaren Senkung des Risikos.

Radfahren ist nicht gefährlich!

Beim Radfahrern kann man sich schwer verletzen oder sterben. Das passiert jährlich mehreren Menschen, ist sehr tragisch und auch immer wieder Thema in diesem Blog. Dennoch stehen dem beeindruckende Zahlen gegenüber, die ich hier schon einmal zusammengetragen hatte: in Berlin gut 365 Millionen Fahrten und um die 14 Milliarden gefahrene Kilometer pro Jahr mit dem Rad. Im Jahre 2012 gab es 15 tote Radfahrer und 684 Schwerverletzte, natürlich jeder einer zu viel, ein Großteil davon nicht Unfallverursacher. Dennoch ist das Risiko für den Einzelnen so gering, dass er sich nicht zwingend darauf einstellen muss, da es vor anderen Lebensrisiken schlichtweg in den Hintergrund rückt.

Radfahren erhöht die Sicherheit!

Bezogen auf das eigene Lebensrisiko hat Radfahren, so wie eigentlich alle Arten von Sport, erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit und das Herz-Kreislauf-System. Bewegung gilt als relevante Vorsorge gegenüber Krankheiten, deren Auswirkungen vergleichbar mit denen eines schweren Unfalls sein können.

Die persönliche Risiken-Nutzen-Abwägung beim Radfahren zeigt stark in Richtung des hohen Nutzens. Wer sich gar nicht bewegt (und das tut ein relevanter Teil der Gesellschaft – woran durchaus auch das Mobilitätsverhalten einen relevanten Anteil hat), lebt riskanter als derjenige, der ohne Helm radfährt.

Akkubeleuchtung an Fahrrädern

Seit einigen Tagen ist eine neue STVZO in Kraft, die es Radfahrern erlaubt, Akku- und Batterie- statt Dynamobeleuchtung zu verwenden. Gegenüber einer Empfehlung aus dem Juni 2013, über die wir berichteten, gibt es einige Änderungen.

§ 67 Lichttechnische Einrichtungen an Fahrrädern.

(1) Fahrräder müssen für den Betrieb des Scheinwerfers und der Schlussleuchte mit einer Lichtmaschine, deren Nennleistung mindestens 3 W und deren Nennspannung 6 V beträgt oder einer Batterie mit einer Nennspannung von 6 V (Batterie-Dauerbeleuchtung) oder einem wiederaufladbaren Energiespeicher als Energiequelle ausgerüstet sein. Abweichend von Absatz 9 müssen Scheinwerfer und Schlussleuchte nicht zusammen einschaltbar sein.

Man hat nun also die Wahl zwischen

– herkömmlicher Dynamobeleuchtung,

– Beleuchtung mit einer 6V-Batterie oder

– Beleuchtung mit einem „wiederaufladbaren Energiespeicher“.

Man wird wohl nicht befürchten müssen, dass die Anzahl der Batterien so streng ausgelegt wird, wie sie im entsprechenden Paragraphen vorgeschrieben ist – 6V-Batterien sind eher nicht handelsüblich. Dennoch muss man sich die Frage stellen, warum für Batterieleuchten, die zum Zeitpunkt der Erstellung des Paragraphen überwiegend mit fest eingebauten LED-Leuchtmitteln verkauft werden, eine Nennspannung vorgeschrieben wird, während andere sinnvolle Kenngrößen undefiniert bleiben. Die derzeit häufig zu findenden Lampen mit 5 Batterien haben wohl keine Chance auf Zulassung – es sei denn, sie werden mit Akkus betrieben.

Während man es bei der Batterie sehr „genau“ nimmt, wird der wiederaufladbare Energiespeicher nicht näher definiert, müsste also streng genommen nicht mal elektrischer Bauart sein.

Sinnvoller als die für den Betrieb einer Batterieleuchte unerhebliche Kenngröße der Nennspannung wäre die Vorgabe der Mindestleuchtdauer mit neuer Batterie / aufgeladenem Akku. Ebenso sinnvoll wäre eine Anzeige des Ladezustands.

Unklar ist derzeit, ob die nun zulässigen Batterie- und Akkuleuchten fest am Fahrrad montiert sein müssen oder ansteckbar sein dürfen. Laut Tagesspiegel bessert das Bundesverkehrsministerium an dieser Stelle allerdings nach, so dass ansteckbare Lampen künftig zulässig sein dürften. Der ADFC weist zudem darauf hin, dass nicht jede ansteckbare Lampe zulässig ist – nur Lampen mit Prüfzeichen (u.a. zu erkennen am K und den Wellenlinien) dürfen verwendet werden.

Berlin: 41 m² zum Wohnen, 40 m² für den Verkehr

Im Durchschnitt entfallen auf jede Berlinerin und jeden Berliner 41 Quadratmeter Wohnfläche und 40 Quadratmeter Verkehrsfläche. Der Flächenverbrauch für Verkehrszwecke in Berlin ist zwischen 2007 und 2011 um 2,5% gesunken. Grund dafür ist die Entwidmung des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Da auch die Bevölkerungszahl um etwa den gleichen Betrag gesunken ist (exakt 2,6%), ist Berlin das einzige Bundesland, in dem die Bürger mehr Wohn- als Verkehrsfläche zur Verfügung haben.

In Flächenländern ist das Verhältnis der Wohnfläche zur Verkehrsfläche gravierend schlechter. Besonders in ostdeutschen Bundesländern sinkt einerseits die Bevölkerungszahl, während gleichzeitig die durchschnittliche Verkehrsfläche stark ansteigt. So lag beispielsweise die durchschnittliche Wohnfläche pro Person 2010 in Brandenburg bei 43 Quadratmetern, die durchschnittliche Verkehrsfläche pro Einwohner lag 2011 bei 438 Quadratmetern.

Im bundesdeutschen Durchschnitt ist das Missverhältnis zwischen Wohnfläche und Verkehrsfläche nicht ganz so ausgeprägt. Der Durchschnittsdeutsche hatte 2011 eine Wohnfläche von 45 Quadratmetern zur Verfügung, während die Verkehrsfläche pro Bundesbürger 2010 bei 224 Quadratmetern lag.

Allianz pro Schiene: Pro Bürger 224 m² für Verkehr – 45 m² zum Wohnen

Park(ing) Day in Berlin

„Liebe Stadt- und Radinteressierte, wir sind gerade dabei, den diesjährigen Park(ing) Day in Berlin zu organisieren.

Der Park(ing) Day ist ein eintägiges globales Open-Source Experiment, das sich mittlerweile in vielen Städten weltweit etabliert hat. Der diesjährige Park(ing) Day findet am 20. September statt. Die Idee ist, Parkplätze für ein paar Stunden in öffentlich nutzbare Flächen umzugestalten und damit den öffentlichen Raum zurückzueroberen, der sonst nur von parkenden Autos eingenommen wird. Wir nutzen dabei die “Parkraumbewirtschaftung”, bezahlen für einen Parkschein und gestalten den Parkplatz für die bezahlte Parkzeit um. Infos zum Park(ing) Day gibts hier:
http://parkingday.org/

In den letzten Jahren gab es in Berlin vereinzelte Initiativen, die sich daran beteiligt haben, doch wir würden gerne etwas Übergreifenderes organisieren. Dafür brauchen wir euch, eure Ideen und eure Teilnahme.

 

Wir denken, es wäre gut, sich auf eine Straße bzw. eine Gegend zu konzentrieren und dort gebündelt aufzutreten. Uns schien die Oranienstraße/Oranienplatz in Kreuzberg sehr gut geeignet.

Um den Park(ing) Day zu organisieren und um uns Fahrrad- und Stadtinteressierte in Berlin generell besser zu vernetzen, wollen wir euch gerne am 31.7. um 19 Uhr auf dem Tempelhofer Feld vor dem Biergarten (Eingang Columbiadamm) treffen (bei schlechtem Wetter geben wir noch eine Alternative durch). Wer später kommt, kann uns gerne unter 0177 6122862 erreichen, um herauszufinden, wo wir stecken. Wer am Mittwoch keine Zeit hat, aber trotzdem mitmachen möchte, gebe uns bitte auch Bescheid.

Bitte schreibt uns doch, wenn ihr Zeit und Lust habt, den Park(ing) Day in Berlin mitzugestalten (ideologisch, materiell, oder wie auch immer) und am kommenden Mittwoch beim Treffen dabei seid. Und bitte leitet diese Email gerne an interessierte Personen oder Gruppen weiter.

Sonnige Grüße, Kevin, Till und Ulrike von Alle Macht den Rädern.“

Lastenfahrräder ausleihen in Berlin-Prenzlauer Berg

Eine Studentengruppe der TU Berlin verleiht ab dem 05. August 2013 bis Ende September 2013 Lastenfahrräder in Berlin Prenzlauer Berg. Interessenten haben die Möglichkeit Lastenfahrräder verschiedener Hersteller sowie unterschiedliche Modelle stündlich von 1 h bis zu 12 h zu mieten.

Gemeinsam haben die Studenten im letzten Jahr ein Konzept unter dem Begriff „LastenfahrradSharing“ entwickelt. Was bisher hauptsächlich für Autos bekannt ist und sich immer größerer Beliebtheit erfreut, soll zukünftig auch für Lastenfahrradfahrer möglich sein. Damit möchten die Studenten das enorme Potenzial von Lastenfahrrädern vielen Bürgern zu einem günstigen Preis zugänglich machen.

Unter dem Motto „Lastenfahrräder für jeden erfahrbar machen“, sollen den Nutzern auch bestehende Ängste oder Vorbehalte gegenüber Lastenfahrrädern genommen werden. Insbesondere Bürger, die zu Hause nicht über ausreichend Platz zum Abstellen eines eigenen Lastenfahrrads verfügen, kommen durch den Verleih in den Genuss Lastenfahrräder nutzen zu können. Das Projekt trifft mit der Idee: „Teilen ist das neue Haben!“, voll den Geist der Zeit.

 

Die „Erfahrungen“ der Kunden werden in einem Fragebogen festhalten und ausgewertet.Das Projekt findet in der Oderberger Str. 38, am Café KRONE, gegenüber der Feuerwehrwache statt.

Weitere Informationen zum Projekt auf der Facebook-Seite Unser Lastenfahrrad

Carlton Reid: „Radfahrer mit mp3-Player hören das Gleiche wie Autofahrer ohne Autoradio“

Mitarbeiter der australische Fahrradzeitschrift rideOn haben auf einer stark befahrenen Straße in Melbourne getestet, wieviel Außengeräusche Autofahrer und Radfahrer unter verschiedenen Bedingungen hören. Dafür wurde ein synthetisches Ohr hergestellt, das im Innern ein Dezibel-Messer besitzt, sodass Lärmmessungen mit und ohne Kopfhörer durchgeführt werden konnten.

Die Tester von ridOn stellten zunächst fest, dass Autos bemerkenswert schalldicht sind. Wenn außerhalb eines Autos der Verkehrslärm in der Spitze 79dB betrug, lag der Pegel im Auto bei laufendem Motor und geschlossenen Fenstern bei 54dB, das sind 25dB weniger. Wenn eine Fahrradglocke direkt neben einem offenen Autofenster ertönte, lag der Schallpegel bei 105dB, bei geschlossenen Fenstern wurde im Fahrzeug ein Wert von 57dB registriert.

Bei Messungen außerhalb des Fahrzeugs mit unterschiedlichen Kopfhörern wurde sofort klar, dass die  Art des Kopfhörers einen großen Einfluss darauf hat, was eine Person vom Umgebungslärm hört. Ein Earbud-Kopfhörer, der in die Ohrmuschel eingesetzt wird, lässt erheblich mehr Außengeräusche zum Ohr als ein In-Ear-Kopfhörer, der in den Gehörgang eingeführt wird.

Die ridOn-Tester legten dann fest, dass eine angemessene (englisch: reasonable) Lautstärke beim Musikhören bei 87dB liegt, das ist deutlich lauter als der Verkehrslärm mit 79dB. Sie positionierten Testpersonen in zehn Metern Entfernung. Jemand rief „Passing“ und es ertönte eine Fahrradglocke. Die Person mit Earbud-Kopfhörer registrierte trotz der lauten Musik die Signale. Auch die Testperson mit  In-Ear-Kopfhörer nahm Glocke und Anruf wahr, aber nur schwach. Ein in zehn Metern Abstand befindlicher Test-Autofahrer ohne eingeschaltetes Autoradio hörte weder die Fahrradklingel noch den Warnruf.

Die Zeitschrift schließt aus dem Test, dass Radfahrer mit einem „vernünftig lautem“ mp3-Player mehr Umgebungsgeräusche hören können als Autofahrer, selbst dann, wenn sie gar kein Autoradio eingeschaltet haben.

Dank an Marc für den Hinweis.

rideOn: An ear on the traffic
Carlton Reid  in BikeBiz: Cyclists with iPods hear the same as motorists listening to nothing