Das ADFC Projekt InnoRADQuick – weltbeste Beispiele für Schnellumbau von Straßen

Weltweit werden in Kommunen und Städten, Konzepte wie „Pop-up-Radwege, autofreie Schulstraßen, geschützte Kreuzungen, grüne Welle fürs Rad, Tempo 30..“ erprobt und angewandt.
„Mehr Platz für Menschen sowie eine wachsende Mobilität durch Fuß- und Radverkehr“. So die Vision. Für Klimaschutz und eine bessere Lebensqualität.

Das ADFC Projekt InnoRADQuick ist eine schöne komprimierte Zusammenfassung, von konkreten Beispielen und Handlungsanweisungen, wie der Umbau zu einer flächendeckenden Fahrradinfrastruktur gelingen kann. Und zeigt auch, das das Rad dazu nicht neu erfunden werden muss. Kann also ganz gut als Fibel verwendet werden.

Quelle designed by ADFC InnoRADQuick 2022

Nationaler Radverkehrsplan 3.0 und Klimaschutzprogramm 2030 heißen beispielsweise die Masterpläne in Deutschland. Gut Ding sollte hier keine Weile haben, beherrscht jedoch leider die zähe Aktionsstruktur in Politik und Verwaltung.
Der größte Anteil der Aktion scheint sich bisher vor allem in der theoretischen Ausarbeitung, wie Planung und Problemanalysen zu manifestieren. Flächendeckend, – trifft auf Deutschland bisher nicht zu. In Berlin wird Friedrichshain-Kreuzberg exemplarisch für den Schnellausbau von Pop-up-Radwegen genannt und Stuttgart. Fünf Fahrradparkhäuser (Berlin) befinden sich derzeit in Machbarkeitsuntersuchungen, das erste soll 2026 fertig werden. Vereinzelt werden Fahrradstraßen, u.a. mit Modalfilter wie versenkbaren Pollern erprobt. In den nächsten drei Jahren (Stand 2019) sollen 60 unfallträchtige Kreuzungen umgebaut werden. Schauen wir in die gängige Praxis, kommt die ketzerische Frage auf, ob es sich dabei um einen Zahlendreher handelt. In 60 Jahren, 3 Kreuzungen.. ? Konkrete strukturelle und mutige Umsetzungen scheinen trotz sichtbarer Teilerfolge noch in den Anfängen und im Konjunktiv zu stecken. Ankündigungen und Machbarkeitsstudien werden als Erfolge gefeiert, die Umsetzungen dazu liegen auf Eis oder kommen nur kleckerweise nach Jahren zum Vorschein. Ob, was und wie beständig die Projekte umgesetzt werden, läge auch am Engagement und Durchhaltevermögen der Mitarbeiter*innen in den Verwaltungen, so die Einschätzung von Verkehrsexpert*innen.

Das Fahrrad als wichtigstes Verkehrsmittel anzusehen, wie es Utrecht tut, würde hier in Deutschland eher noch als Scherz abgetan und mit Unglauben quittiert. Aber mit genau diesem Grundprinzip und Selbstverständnis, hat Utrecht kontinuierlich mit klarer Linie die Fahrradinfrastruktur umgesetzt und entwickelt sie weiter. Fehlende Fachkräfte werden von außerhalb hinzugezogen. Wichtig war es Utrecht auch, die Mobilitätsprojekte immer im Zusammenhang zu sehen die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Mit fünf Hauptrouten durch die Stadt, werden alle Stadtteile mit dem Fahrrad bequem erreicht. Jede(r) Bürger*in soll im Umkreis eines Kilometers eine verbesserte Infrastruktur haben. Der private Autoverkehr, soll so weit wie möglich, auf den Autobahnring ausweichen der um die Stadt führt. Dazu gibt es eine Vielzahl weiterer Strategien, die immer auch mit Bürger*innenbeteiligungen entstehen bzw. entstanden sind.

Auch Sevilla denkt im großen Maßstab und baute das Radwege Basisnetz, flächendeckend und durchgängig, mit Hilfe externer Fachkräfte, in weniger als zwei Jahren aus. Es verbindet alle wichtigen Ziele und Stadtteile und ist klar vom Kfz-Verkehr getrennt.
Es gibt ein öffentliches Fahrrad Verleihsystem, Fahrradparkplätze, angepasste Kreuzungen und Verkehrsberuhigung in der Altstadt. Seit dem ist der Radverkehr, der davor so gut wie nicht vorhanden war, enorm gewachsen. Die flugs für das Projekt zusammengestellte Verwaltung, die vorher quasi keinen Schimmer davon hatte, wie eine Fahrradinfrastruktur ausgebaut wird, arbeitete immer eng mit den Bürger*innen zusammen. Daraus entstanden Know-How, – sehr wichtig: Akzeptanz und ein gelungenes Resultat.

Ähnlich wie in Deutschland, sind in den USA Planung und Umsetzung langwierig. Ab 1990 begann die Theorie, 20 Jahre später, inspiriert durch beispielgebende Städte wie Sevilla, erste praktische Umsetzungen. Die Stadt New York startete als erste, den Schnellausbau von Radverkehrsanlagen. Schnelle, ausführbare, temporäre Komponenten werden erprobt und bis zur dauerhaften Nutzung angepasst. Zugunsten zeitnaher Umsetzung, geht es explizit also nicht um Perfektion. Von den „Quick-build projects“ (Schnellausbaumethoden) profitieren Nutzer*innen sofort und Daten können in Echtzeit ausgewertet werden. Es herrscht Einigkeit darüber – der politische Wille, die Zielsetzung und Finanzen müssen sitzen. Diese Grundvoraussetzungen, ebnen der planerischen Umsetzung den Weg. Ein strukturierter Aufbau von motivierten Teams, Aufteilung der Arbeitsbereiche, Austausch, Workshops und Fortbildungen, sowie Aufstockung von Personal mit Einbeziehung der Bevölkerung bei den Projekten und klare Fristen, garantieren den Prozess und den Erfolg. Jedes Jahr kommen seit Beginn weite durchgängige Fahrradnetze hinzu. Seit 2000 ist die Zahl schwerer Unfälle um 75% gesunken. Mit einer klaren zeitlichen Zielsetzung bis 2025, sollen z.b. auch in Houston, so kilometerlange Radwege gebaut und das Radverkehrsnetz verdichtet werden.

Quelle designed by ADFC InnoRADQuick 2022 – Memphis

Bleibt zu hoffen, das beim Thema Mobilitätswende, die guten Ansätze in Deutschland, die finanziellen Ressourcen, Wille und Kraft, nicht nur in Broschüren, neuen Studiengängen und in endlosen Theoriesitzungen verpuffen. Konkret handeln, umsetzen und dran bleiben! Das Wissen, reale Beispiele und die technischen Möglichkeiten sind ja da.

Eine schwerfällige, dem KFZ-Lobbyismus-verfallene bürokratische Schildkröte ist eine Zumutung, die unser Leben und unsere Welt kostet. Wenn Ergebnisse zum Klimaschutz und Verkehrswende von dicken Gehältern und steilen Karrieren abhängig sind und davon, bis die Autoverkehr-Spezialisten*Innen und Befürworter*Innen bis zur ihrer Pension, bzw. Rente den neuen für Radverkehr Platz machen, sind wir am A.. .

Auffällig bei den Beispielen ist auch, das die Umsetzungen erst nach Regierungs- oder Parteienwechsel starteten. Es ist erschütternd und fatal, den Klimaschutz davon abhängig zu machen, welche Leute es an die politische Spitze schaffen. Das ist kein Thema zum aussuchen! Klimaschutz ist nicht verhandelbar und muss jetzt gemacht werden, unabhängig davon wer das sagen hat.

Weitere Beispiele gibts zum nachlesen in der (online) Broschüre, auch zu Städten wie Barcelona, Stockholm, Paris und London.



Kreuzberg autofrei?

Die Errichtung von Durchfahrtsperren mittels Pollern ist in Friedrichshain-Kreuzberg ja endlich wieder Mittel der Verkehrsberuhigung geworden. Die Geschichte darum zeigt aber auch: Verwaltung und Politik (selbst wenn sie sich wie in Kreuzberg seit Jahrzehneten „ökologisch“ nennen), werden nur aktiv, wenn sie von Initiativen dazu gedrängt werden. Hier ein neuer Anlauf mit einer Demonstration unter dem Motto Kreuzberg autofrei!http://autofreiberlin.de/wp-content/uploads/2019/09/blockparade5gross-768x524.jpg

Die veranstaltende Initiative autofreiberlin schreibt dazu:

Global denken, lokal handeln! Während unsere Regierung mit vollkommen unzureichenden Maßnahmen auf die weltweite Klimakrise reagiert, fangen wir bei uns mit der Verkehrswende einfach schon mal an – dieses Mal in Kreuzberg. Wir fordern sofortige Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs und werden mit Euch gemeinsam am Samstag, den 26.10.2019 von 14 bis 17 Uhr rund um das Kottbusser Tor aufzeigen, wie viel lebenswerter die Innenstadt ohne Autos wäre. Los geht es am Hermannplatz, wo sich Radfahrer*innen und Fußgänger*innen auf dem Gehweg stapeln, während Autos freie Fahrt haben. Weiter demonstrieren und flanieren wir auf dem Kottbusser Damm, der bisher vollkommen ohne Schutz für Radfahrer*innen auskommt, bis wir das Kottbusser Tor erreicht haben – einem der übelsten Unfallschwerpunkte in Berlin. Es kann nicht angehen, dass ausgerechnet die klimafreundlichsten Verkehrsteilnehmer*innen tagtäglich Angst um Leib und Leben haben müssen! Von dort biegen wir auf die Skalitzer Straße, bevor wir kurz vor dem Görlitzer Bahnhof die Oranienstraße erreichen – eine der pulsierendsten Lebensadern des Bezirks, zugeparkt und zugestaut. Für eine lebenswerte Oranienstraße fordern wir breitere Gehwege und sichere Fahrradstreifen bei gleichzeitigem Wegfall der Parkplätze und Vorrang für die BVG. Und natürlich Tempo 30. Ohne nervigen Autoverkehr und Zweite-Reihe-Parker*innen werden wir dann gemütlich zum Moritzplatz schlendern. Bei der Blockparade #5 handelt sich um eine angemeldete Demonstration. Bring your Soundsystem oder Soundbike, wir wollen Tanz und Musik statt Lärm und Abgasen! Flummys statt Feinstaub…

Wir freuen uns riesig darauf, mit Euch gemeinsam Kreuzberg für ein paar Stunden autofrei zu machen!

https://www.facebook.com/events/2767518293272808/