Herrlich wäre es, Radwegenetze würden schnell gebaut werden, so das z.b. meine Generation auch noch in den Genuss davon käme. Und das „Schnell..“ bei den Radschnellwegen steht auch nicht für rasantes Radfahren. Nein, es heißt schnell auf direkten Wegen relevante Ziele von A nach B erreichen zu können.
Sie sollen möglichst kreuzungsfrei verlaufen und dem Radverkehr zügige, komfortable und sichere Verbindungen schaffen auch über größere Entfernungen hinweg ohne vom Autoverkehr gefährdet zu werden oder Fußgänger zu behindern.
Nach dem 2018 beschlossenen Berliner Mobilitätsgesetz sollen in Berlin „…Radschnellverbindungen mit einer Gesamtlänge von mindestens hundert Kilometern gebaut werden. Geplant sind zunächst zehn Radschnellverbindungen.“
Neun von zehn Strecken wurden durch Machbarkeitstudien freigegeben. Davon befinden sich derweil sieben Routen in der Vorplanung. Das ganze Planungsprozedere sind langwierige, langjährige und mehrstufige Prozesse, die sehr viel Geld und Zeit kosten. Ca. 6,4 Millionen Euro für Machbarkeitsstudien und einige Jahre bis zum tatsächlichen Baustart.
Nach den Machbarkeitsuntersuchungen und den Vorplanungen, folgen die Planfeststellungsverfahren die im Schnitt zwei Jahre dauern. Und damit ist noch lange kein Spatenhieb getan!
„Von der ersten Planung bis zur Fertigstellung vergehen also pro Trasse rund acht Jahre.“
Dann muss auch noch die Politik mitspielen
Für die in Brandenburg geplanten Radschnellwege beispielsweise, 16 mögliche Routen wurden genannt, fehlen noch die im Haushaltsentwurf 2023/24 dafür notwendigen Mittel. So werden die geplanten 20% von 11 bis 2030 um den Radverkehrsanteil landesweit zu steigern eher nicht geschafft. Dabei gibt das Mobilitätsgesetz eindeutig verbindliche Richtlinien vor, um die Klimaschutzziele zu erreichen.
Beklagt werden auch immer wieder unmotivierte und sich quer stellende Verantwortliche in der Politik in den Verwaltungen und sonstigen zuständigen Behörden.
Für Fahrradwege gilt – Machbarkeitsstudien – haben offenbar nicht immer etwas mit – Machen – zu tun. Eher das Gegenteil? Gezielte Ausbremsung – systematische Bevorzugung der Automobilindustrie und ihrer Straßen durch das Auto-Wirtschaftsland Deutschland?
Mit einem Baubeginn des West-Teils wird nicht vor 2026 gerechnet. Die Ost-Route evtl. ein Jahr später.
Übersicht und Infos
Von InfraVelo eine Tochtergesellschaft von GrünBerlin, die mit den Planungen, Entwürfen und Umsetzung der Radschnellverbindungen in Berlin beauftragt wurde, gab es am 22.06.2022 eine live übertragene Infoveranstaltung mit Bürgerbeteiligung.
Auf der Internetplattform von InfraVelo kann sich detailliert über die jeweiligen Prozesse der geplanten bzw. fertig gestellten Bauprojekte und ihrer Kostenaufstellungen informiert werden. Auch wird ausdrücklich dazu aufgemuntert sich zu beteiligen in Form von Fragen, Hinweisen, Kritik und Diskussionsbereitschaft.
Hier die einzelnen Routen etwas übersichtlicher zum anklicken von der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz.
Der erste Radschnellweg
war der California Cycleway in Pasadena nach Los Angeles und wurde 1900 eröffnet. Er war aus Holz und bot 4 Radfahrenden im Längsverkehr Platz und wurde bei Dunkelheit beleuchtet.
Aktuell werden in den USA Radschnellverbindungen mit großem Engagement vorran getrieben.
Der River Bikeway in Los Angeles von Long Beach am Pazifik führt derzeit mit 47km fast zur Downtown von Los Angeles und nördlich von dieser bis nach Burbank. Der Radschnellweg soll nach dem Fertigbau 82 Kilometer lang sein. Darüber hinaus gibt es weitere Routen.
Auf der Strecke nach Burbank ist die Fahrradmitnahme in der Metro kostenlos um die großen Distanzen unkomplizierter überwinden zu können.
Die Radschnell- und Radwege sind auf das Metro-Netz abgestimmt und es gibt hierzu einen Radwege-Metro-Plan.
Und es sollen weitere Kilometer Radschnellverbindungen hinzu kommen.
In den Niederlanden gibt es vollständig ausgebaute Netze von Radschnellwegen bereits seit den 80gern. Auch in anderen Ländern wurden Radschnellwege schon früher erprobt und umgesetzt.
Von der Sache her also nix neues.
Über 100 Jahre später muss noch aufwendig untersucht werden ob, wie gut und teuer sich Radverkehrsanlagen mit Mensch, Stadt und Land vertragen, während Straßen und Autobahnen parallel dazu zügig weiter gebaut werden.
Der erste Radschnellweg in Deutschland übrigens, ist der 2015 fertig gestellte in Göttingen. Die Strecke ist 4 km lang und verbindet den Göttinger Hbf mit dem Nordcampus der Georg-August-Universität.
Hier ein Auszug internationaler Beispiele.
„Highway to Hell“
Wie sieht es mit Machbarkeitstudien beispielsweise zur A100 aus?
In diesem Umfang habe ich im Vergleich zu den Radschnellverbindungen nur über einen bestimmten Bauabschnitt etwas dazu lesen können. Es geht um die Verlagerung eines Teilabschnittes der Autobahn unter die Erde.
NaturFreunde Berlin meinen dazu:
„Durch die Überdeckelung nehmen die Gesamtemissionen des Verkehrs in keiner Weise ab, sie werden nur durch ein Röhrensystem neu verteilt. Auch lösen solche technischen Überlegungen nicht das Problem, dass die hohen Verkehrsströme irgendwann aus den überdeckelten Bereichen herauskommen und dann in die Straßen hineindrängen.“
„Milliardenschwere Investitionen in die Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs unter die Erde sind für eine solche ökologische und soziale Verkehrswende der falsche Weg.“
Generell sehen „Machbarkeitsstudien“ für den schnellen Weiterbau und die Förderung für den Autoverkehr erfahrungsgemäß eher so aus:
- Wohnhäuser, Straßen, Geschäfte müssen weichen und abgerissen werden – Wird gemacht!
- Langjährige soziale Strukturen futsch, Menschen müssen gehen – Wird gemacht!
- Biotope, Wälder, Parks, Wasserschutzgebiete müssen niedergewalzt werden – Wird gemacht!
- Natur & Mensch krank und wahnsinnig machen durch anhaltenden Dauerlärm, Feinstaub und Mikroplastik durch den Reifenabrieb – Wird gemacht!
- Es wird ohne Ende Geld dafür ausgeschüttet – Wird gemacht!
- Proteste und wissenschaftliche Gegenargumentationen werden ausgedrückt wie eine Kippe – Wird gemacht!
Gegen die A100 wenden sich jedenfalls auch immer mehr Politiker*innen und schlagen beispielsweise stattdessen sozialen Wohnungsbau anstelle der Autobahntrasse vor:
„Wir sollten das Zeitalter des Stadtautobahnbaus beenden und das Zeitalter des Stadtautobahnrückbaus einleiten“, so die Abgeordnete. Noch vor fünf Jahren sei sie dem Wolkenkuckucksheim zugerechnet worden, wenn sie ein Ende des Autobahnbaus forderte, erinnert sich Katalin Gennburg. Doch sie sei weiterhin zuversichtlich, dass ein Baustopp möglich sei. „Jetzt erst recht.“
„Bei einer mit Friedrichshain-Kreuzberg vergleichbaren Bevölkerungsdichte könnten dort 18 Hochhäuser mit 8800 Wohnungen für 22 000 Menschen errichtet werden. Wäre der Kiez autofrei, gäbe es außerdem genug Platz für Grünflächen, Spiel- und Sportplätze sowie Fahrradstraßen. “
Ob es nur bei netten Phrasen bleibt um was gutes zur Beruhigung und dem eigenen politischen Ansehen zu sagen, wird sich zeigen. Gestoppt wurde der Wahnsinn der A100 jedenfalls nach wie vor nicht und die regelmäßig stattfindende IAA feiert weiter freie Fahrt für das Auto!
Wohnen statt Autobahn
Hier – eine Machbarkeitsstudie schon von 2017 – wo der Mensch und nicht das Auto im Mittelpunkt steht. Sie zeigt realistische Beispiele wie die frei gewordenen Flächen nach dem Rückbau der A100 genutzt werden können.
Laut Machbarkeitsstudie und Potenzialanalyse für Postautobahn-Wohnungsbau des ium-Instituts für Urbane Mobilität (Veröffentlicht 21.06.2017), „können ca. 8.800 zusätzliche, zentrale und bezahlbare Wohnungen für 22.000 Menschen auf der geplanten A100-Trasse entstehen.“
Zurück zu den Radschnellwegen
Da es in Deutschland also noch eine ganze Weile dauern wird, hier ein Video zum visuellen mitfahren an einem Beispiel in den Niederlanden.