Wie fahrradfreundlich ist die Berliner Regierung?

Gestern vor einem Jahr fand die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin statt, die zur Bildung der rot-rot-grünen Koalitionsregierung führte. Bestandteil des Koalitionspakets war eine neue Radverkehrspolitik, von der allerdings bisher kaum etwas Schrägstrich nichts auf der Straße angekommen ist.

Wie beurteilt die Berliner Bevölkerung zwölf Monate nach der Wahl die Fahrradfreundlichkeit der Landesregierung? Zufälligerweise wurde gestern auch der Fahrrad-Monitor 2017 für Deutschland veröffentlicht. Der Fahrrad-Monitor erhebt alle zwei Jahre das subjektive Stimmungsbild der Radfahrenden in Deutschland. Die Bürgerinnen und Bürger wurden von der Sinus Markt- und Sozialforschung GmbH im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums befragt. Der Fahrrad-Monitor wird im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans 2020 vom Verkehrsministerium gefördert. Die Erhebung fand – nach 2013 und 2015 – 2017 zum dritten Mal statt. Immerhin mehr als 3.000 Deutsche zwischen 14 und 69 Jahren wurden befragt.

Eine Frage (Seite 63 der Langversion) lautete: „Würden Sie Ihre Landesregierung grundsätzlich als fahrradfreundlich einstufen?“ Und so stuften die Befragten ihre jeweiligen Regierungen ein:

Berlin landet im Ranking der fahrradfreundlichen Regierungen auf Platz sieben, belegt also einen Mittelplatz. Eine Schulnote „1“ gaben vier Prozent der Berliner Befragten. Da 303 Leute in Berlin online befragt wurden, waren es immerhin zwölf Leute, die dem Land die beste Zensur bescheinigten. 16 Prozent vergaben eine „2“ und 39 Prozent gaben die Note „3“. Insgesamt 41 Prozent der Befragten benoteten die Fahrradfreundlichkeit Berlins mit „4“ oder schlechter (Note „4“: 24 %, Note „5“: 10 %, Note „6“: 7 %).

Fazit: auch wenn sich der Berliner Senat eine fahrradfreundliche Politik auf die Fahnen geschrieben hat, ist das bei der Bevölkerung noch nicht angekommen.

Bundesministerium für Verkehr: Fahrrad-Monitor 2017
Fahrradportal: Fahrrad-Monitor 2017 für Deutschland veröffentlicht

Stagniert der Radverkehr in Berlin?

Ein beliebtes verkehrspolitisches Statement bei der Berlinwahl vor einem Jahr war, dass der Radverkehrsanteil in Berlin von Jahr zu Jahr zunimmt, nicht wegen sondern trotz der schlechten Politik des alten Senats.

Um die Mobilitätswahl der Berliner Bevölkerung einzuschätzen, führt die Universität Dresden im Auftrag des Senats alle fünf Jahre eine Haushaltsbefragung der Bevölkerung durch. Zuletzt fand diese Umfrage im Jahre 2013 statt und ergab, dass durchschnittlich 13 Prozent aller Wege in Berlin mit dem Fahrrad erledigt werden. Fünf Jahr früher im Jahre 2008 lag dieser Wert bei zehn Prozent.

Um noch genauere Werte zu erhalten, wurden seit 2012 nach und nach automatische Radzählstellen in der Stadt installiert. Zur Zeit werden an 17 Stellen im Stadtgebiet die Radfahrer gezählt und tagesaktuell im Netz veröffentlicht. Je länger diese Zählstellen in Betrieb sind, desto längere Messreihen liegen vor und desto besser lässt sich einschätzen, wie sich der Radverkehr in Berlin über die Jahre quantitativ entwickelt.

Ist der Fahrradverkehr 2017 im Vergleich zu 2016 angestiegen? Dazu habe ich der Vergleichbarkeit wegen die Zahlen vom 1. Januar bis zum 18. September eines jeden Jahres ermittelt. Hier die Zahlen von 10 Radzählstellen in absteigender Reihenfolge:

Zählstelle 2016 2017 Prozent
Oberbaumbrücke 2.560.219 2.441.236 95,38 %
Jannowitzbrücke 2.121.836 1.990.498 93,81 %
Yorkstraße 1.277.183 1.227.603 96,11 %
Invalidenstraße 954.721 914.771 95,81 %
Monumentenstraße 981.084 865.249 88,19 %
Paul-und-Paula-Uferweg 852.740 825.345 96,78 %
Schwedter Straße 562.101 527.964 93,92 %
Prinzregentenstraße 326.030 314.781 96,54 %
Markstraße 264.307 268.158 101,45 %
Alberichstraße 133.835 128.446 95,97 %
Summen 10.034.056 9.504.051 94,71 %
.      

Das zeigt einen deutlichen Rückgang der registrierten Fahrräder 2017 gegenüber 2016. An der Oberbaumbrücke wurden in absoluten Zahlen in diesem Jahr 120.0000 weniger als 2016 gezählt, an der Jannowitzbrücke waren es 130.00 Radfahrer weniger. Das Minus an der Yorkstraße lag bei etwa 50.000 und an der Monumentenstraße bei ungefähr 110.00 Radfahrern. Einziger Ausreißer ist die Radzählstelle Markstraße in Wedding. Hier wurden 2017 knapp 4.000 Radfahrer mehr gezählt als 2016 im gleichen Zeitraum. An allen Zählstellen zusammengerechnet lag das absolute Minus bei 530.000 Fahrrädern oder 5,29 Prozent.

Wieso wurden nur zehn Radzählstellen betrachtet und nicht alle siebzehn? Manche Radzählstellen wurden erst im Laufe des Jahres 2016 scharf geschaltet und deshalb können die Zahlen beider Jahre nicht verglichen werden. Andere Radzählstellen wie der Kaisersteg sind zwei Wochen ausgefallen, sodass auch hier keine Vergleichbarkeit gewährleistet ist.

Verkehrslenkung Berlin: Fahrradzählstellen

Kidical Mass, die erste Berliner Kinder-CM

Auf den gewöhnlichen CMs am letzten Freitag im Monat fahren wenig und wenn überhaupt, nur ältere Kinder mit. Die relativ späte Abfahrtzeit lässt es nicht zu.

Umso richtier ist es, auch mit Kids auf Rädern die Straße zu erorbern, denn den Kindern gehört die Straße genauso wie den Menschen ohne Auto. Deshalb hat das Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln die Berliner Version einer Kidical Mass ins Leben gerufen. Am kommenden Sonnabend könnt ihr einmal zusammen mit Kindern auf der Straße Fahrrad fahren – mit Laufrad, Kinderrad, Anhänger oder Familienlastenrad.

Die Kidical Mass wird eine angemeldete Demo sein, so dass wir sicher und abgeschirmt vom Kfz-Verkehr fahren können. Unsere Tour geht durch Neukölln und Kreuzberg bis zum Görli, wo im Anschluss auch die ADFC-Kreisfahrt 2017 mit dem Motto „Radgesetz statt Rumdieseln!“ weitergefahren werden kann.

Das Fahrttempo wird langsam sein und vielleicht hat ja der ein oder die andere auch Musik, Seifenblasen und sonstige Deko dabei, die das Ganze nicht nur für die Kinder noch ein bisschen bunter und schöner machen.

Ort: Weichselplatz, Neukölln
Zeit: Sonnabend, 16. September 2017 von 12:00 bis 14:30 Uhr

Facebook-Event: Kidical Mass Berlin

15. bis 17. Sept. 2017: CycleHack Berlin

Nach der supererfolgreichen Premiere im vergangenen Jahr wird es am übernächsten Wochenende eine zweite Ausgabe des CycleHacks Berlin geben, wieder im FabLab auf dem Gelände der Bötzowbrauerei in Prenzlauer Berg. Die Idee ist, dass Fahrradschrauber, Designer, Aktivisten, Programmierer und viele andere 48 Stunden Ideen und Prototypen entwickeln, um die alltäglichen Hindernisse abzubauen, die Menschen vom Radfahren abhalten. CycleHacks können physische Produkte sein, digitale Anwendungen, Kampagnen oder neue Vorschläge zur Fahrradinfrastruktur. Wir wollen verschiedene Disziplinen und Perspektiven zusammenbringen, um gemeinsam innovative Lösungen zu finden.

Zu Beginn der Veranstaltung am Freitag ab 19:00 Uhr finden sich Gruppen zusammen, um Ideen für einen Hack auszubrüten. Sonnabend und der erste Teil des Sonnatgs sind für Teamarbeit und spontane Workshops reserviert, bevor dann am Sonntag als Abschluss eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse stattfindet. Wer selbst keine Idee für einen Hack hat, der sollte trotzdem erwägen, teilzunehmen, denn es bietet sich immer an, vorhandene Ideen anderer Gruppen zu unterstützen. Und wer partout nicht mag, der kann sich Sonntag zwischen 15:00 und 17:00 Uhr anschauen und staunen, wieviel Ideen in knapp zwei Tagen umgesetzt werden können.

CycleHack Berlin

Oh diese Radler!

Exakt 98 Seiten voller Radfahrerkarikaturen und Velobildgeschichten versammelt ein Anfang des letzten Jahrhunderts erschienener Band mit dem Titel „Oh diese Radler!“. Unterbrochen werden die Bilderstrecken durch Witze und – nun ja – lustige Gedichte wie das vom modernen Erlkönig:

Wer radelt so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind.
Es saust der Alte so schnell wie der Blitz,
Doch schwankt der Knabe auf schmalem Sitz.

„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?“
„Siehst, Vater du den Schutzmann nicht?
Den Schutzmann dort mit dem Helm von Stahl?“
„Mein Sohn, es ist ein Laternenpfahl!“ (Seite 12f)

Nicht jeder gezeichnete Witz ist heute noch spaßig, nicht jedes Gedicht amüsant, aber man kann beim Durchblättern recht gut nachvollziehen, wie das Fahrrad vor mehr als hundert Jahren manches Weltbild zum Einsturz brachte.

Auf diese Perle der Fahrradliteratur macht wie auf viele weitere Fahrradquellen der Twitteraccount Radfahrerwissen aufmerksam. Dahinter steckt Jens Bemme, Veloimker sowie Tourenbuch- und Dorfbackofenforscher.

SLUB Dresden: Oh diese Radler!
Radfahrerwissen bei Twitter
Jens Bemme

PARK(ing) Day in Berlin

Am Freitag – 15. September 2017 – wird an mehreren Orten in Berlin die automobile Wirklichkeit perforiert: zwar wird brav ein Parkticket gekauft, nur werden die Flächen autofrei bleiben! Wir zeigen die massive Platzverschwendung durch Parkfläche für Autos in den Städten auf und stellen Alternativen zum Auto-Parkplatz vor:
Stadt-Grün es wäre Platz für Blumenkübel oder Bäume
Straßencafés gerne sitzen wir in der Sonne und genießen unseren Kaffee
Fahrradbügel auf einen Schlag Platz für bis zu 10 Fahrräder
Spiele ein Schaukelpferd oder eine Wippe laden Kinder ein
Parkbank hinsetzen, ausruhen oder miteinander plauschen

Der PARK(ing) Day wird weltweit immer am dritten Freitag im September seit dem Jahr 2005 veranstaltet und soll Alternativen aufzeigen zur Blechwüste in unseren Straßen. In Berlin besitzt lediglich ein Drittel der Menschen ein Kraftfahrzeug, dieses Drittel der Einwohner besetzt aber gefühlt hundert Prozent des Straßenraums. Nehmen wir uns unseren Anteil am Straßenraum zurück, nicht nur am Park(ing) day.

An diesen Orten wird umgePARKt:
Kreuzberg Bergmannstraße, zwischen Schenckendorf- und Nostitzstraße (11:00 bis 16:00 Uhr)
Prenzlauer Berg Teutoburger Platz Nachbarschaftshaus (15:00 bis 19:00 Uhr)
Prenzlauer Berg Christburger Straße
Neukölln Böhmischer Platz (14:00 bis 22:00 Uhr)

PARK(ing) Day Berlin

 

Der ADFC checkt dein Rad!

Wenn du dich sicher im Straßenverkehr bewegen willst, dann brauchst du ein sicheres Fahrrad. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club checkt an den nächsten Wochenenden kostenlos dein Rad und macht es fit für die schmuddelige und dunkle Jahreszeit. ADFC-Mechaniker prüfen dein Rad auf Verkehrssicherheit und machen Licht- und Bremsanlagen wieder ganz. Auch kleinere Reparaturen werden kostenlos vor Ort erledigt. Außerdem gibt es die Möglichkeit sein Fahrrad codieren zu lassen, um es besser gegen Diebstahl zu sichern.

Bei größeren technischen Problemen wird eine Check-Liste übergeben, zusammen mit Kontaktadressen von Berliner Fachhändlern, an die man sich zwecks Reparatur wenden kann.

Während dein Fahrrad geprüft und repariert wird, geben ortskundige ADFC-Berater Tipps, wie man auf fahrradfreundlichen Routen durch Berlin fahren kann. Zusätzlich werden alle Teilnehmenden mit einem Verkehrssicherheits-Quiz über die neuesten Verkehrsregeln zum sicheren Radfahren informiert und können dabei auch etwas gewinnen.

Alle Termine:

Sonnabend, 2. September 12:00 bis 19:00 Uhr:
Tempelhof UfaFabrik Boulevard, Viktoriastraße 10 – 18

Sonnabend, 9. September von 10:00 bis 17:00 Uhr
Zehlendorf S-Bahnhof Zehlendorf, Teltower Damm / Machnower Straße

Sonnabend, 23. September 2017 von 10:00 bis 17:00 Uhr
Kreuzberg Spreewaldplatz

Sonnabend, 7. Oktober von 10:00 bis 17:0 Uhr
Mitte Brunnenstraße / Veteranenstraße

In wie spitzem Winkel kann man auf dem Rad Straßenbahnschienen sicher überqueren?

Eines ist klar: wer mit dem Fahrrad Schienen im 90-Grad-Winkel überquert, fährt sicher. Wer dagegen in ganz spitzem Winkel über Schienen fährt, hat ein hohes Risiko, in den Schienen zu Fall zu kommen. Drei Forscher der University of Tennessee-Knoxville haben Fahrradunfälle auf Schienenübergängen systematisch untersucht. Dazu verwendeten sie Videoaufnahmen, die von einem Bahnübergang an einer vielbefahrenen vierspurigen Straße in Knoxville innerhalb von zwei Monaten im Jahr 2014 gemacht wurden. Die Straße hatte auf der einen Seite einen straßenbegleitenden Radweg. Im Untersuchungszeitraum wurde die Straße von 13.247 Radfahrern genutzt, darunter waren 9.521 Radfahrer, die auf dem Radweg in beiden Richtungen fuhren. Insgesamt passierten in der Zeit 53 Unfälle von Radfahrern bei der Schienenüberquerung. Die Forscher machten eine Zufallsauswahl von 100 erfolgreichen Schienenüberquerungen, verglichen sie mit den Alleinunfällen und suchten nach den Faktoren, die einen Fahrradunfall begünstigen. Das Ergebnis: je größer der Winkel bei der Überquerung von Schienen ist, desto sicherer ist es. Der Schwellenwert liegt bei etwa 30°. Weitere Faktoren, die einen Fahrradalleinunfall an Schienenübergängen begünstigen, sind nasse Fahrbahnen, Gruppenfahrten von mehreren Radfahrern und merkwürdigerweise auch das Geschlecht. Frauen verunglücken nach ihrer Untersuchung häufiger auf Schienenübergängen als Männer.

Was heißt das nun für Leute, die parallel an Straßenbahnschienen entlang fahren und hinüber wollen? Ich selbst habe immer noch Respekt vor Schienen und konzentriere mich, bevor ich entschlossen den Lenker herumreiße und in einer Art S-Form fahre, um in einem möglichst großen Winkel die Schien zu queren. Und ich hüte mich vor Stellen, an denen Schienen selbst abzweigen und man plötzlich eine Vielzahl von Schienen queren muss.

Journal of Transport & Health: Factors influencing single-bicycle crashes at skewed railroad grade crossings
Velojournal: Je steiler desto besser

Schweiz: Radfahren wird Teil der Verfassung

Seit 2015 will die schweizer Velo-Initiative erreichen, dass das Velofahren in der Bundesverfassung ebenso verankert wird wie das Wandern und zu Fuss gehen. Die Kantone sollen weiterhin zuständig sein und sich dabei auf übergeordnete Vorgaben abstützen. Der Vorschlag der Velo-Initiative sieht vor, den Artikel 88 der Schweizer Verfassung folgendermaßen zu verändern:

„Art. 88 Fuss-, Wander- und Velowege
1 Der Bund legt Grundsätze über Fuss- und Wanderwegnetze und über Netze für den Alltags- und Freizeit-Veloverkehr fest.
2 Er fördert und koordiniert Massnahmen der Kantone und Dritter zur Anlage und Erhaltung attraktiver und sicherer Netze und zur Kommunikation über diese; dabei wahrt er die Zuständigkeiten der Kantone.
3 Er nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf solche Netze. Muss er dazugehörende Wege aufheben, so ersetzt er sie.“

Nachdem dieser Vorschlag von der Regierung lange abgelehnt worden war, hat die Landesregierzung auf ihrer heutigen Sitzung beschlossen, ihren direkten Gegenentwurf zur Veloinitiative in die parlamentarische Beratung zu geben. Die Velo-Initiative geht dem Bundesrat aber zu weit. Vor allem will er keine neuen finanziellen Verpflichtungen eingehen. Auch eine Vorschrift über die Sicherheit der Wander- und Velowege soll fallengelassen werden.

Velo-Initiative Schweiz
Velojournal: Bundesrat will das Velo in der Verfassung

Jubiläumsausgabe 25 der FahrradZukunft erschienen

Nicht monothematisch sondern mit einem bunten Themenmix aus vielen Bereichen kommt die neue pralle Ausgabe der FahrradZukunft daher. Das Schwerpunktthema „Radfahren mit Kindern“ der letzten Ausgabe vertieft der erste Beitrag mit dem Titel „Radfahren in der Schwangerschaft und mit Baby“. Anna Gering und Hannah Eberhardt stellen ihr dreijähriges Forschungsprojekt zu diesem Thema vor. Im zweiten Artikel wird Florian Keiper von der Berliner Fahrradbande befragt zum Projekt carEXIT, das Autofahrer von ihrer Sucht befreien will und sie animiert, auf das Rad umzusteigen.

In zwei weiteren Beirägen geht es um Lastenfahrräder, um das sehr leichte Lastenrad Libelle und um das Bastiaen Cargo, ein Lastenrad mit Achsschenkellenkung. W. David stellt eine Lösuing vor, Getränkekisten auf dem Rad zu transportieren und Ralf Kusmierz experimentiert mit zwei übereinander montierten Mänteln für hoch beanspruchte Fahrradreifen. Markus Stüdeli untersucht schließlich, ob sich das Faltrad als Pendlerrad eignet. „Auto als Waffe“ ist das Stichwort von Martin Herrndorf in seinem Aufsatz über motorisierte Gewalt.

FahrradZukunft 25

Kunstbibliothek im Kulturforum: 200 Jahre Fahrradmotive

Anlässlich des 200. Geburtstages des Fahrrads hat die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin rund 80 Objekte aus ihren Sammlungen Grafikdesign, Modebild und Fotografie zusammengestellt, in denen das Fahrrad im Zentrum steht. Die Exponate geben Einblick in die turbulente Geschichte des Fahrrads – vom frühen Veloziped bis zum Kultobjekt des 21. Jahrhunderts – und zeichnen gleichzeitig die Entwicklung der grafischen Gestaltung, fotografischen Ästhetik und Mode in den letzten zwei Jahrhunderten nach.

Die Präsentation in den Foyervitrinen der Kunstbibliothek am Kulturforum umfasst Plakate, Fotografien, Drucke, Bücher und Zeitschriften aus den Jahren 1817 bis 2017. Den Auftakt bildet ein Kupferstich der Drais’schen Maschine in der Moden-Zeitung von 1817 – Beleg für die rasante Verbreitung der Erfindung.

Zahlreiche frühe Plakate zeigen, wie enorm die Fahrradproduktion ab den 1880er-Jahren anstieg, als wirtschaftliche und soziale Veränderungen das Rad zum beliebtesten Fortbewegungsmittel machten. Sie spiegeln den ästhetischen Zeitgeist der Jahre um 1900: Fahrradsilhouetten und fließende Jugendstil-Formen vereinen sich. In Karikaturen, Gesundheitsratgebern und anderen zeitgenössischen Publikationen wird deutlich, dass Fahrradfahren auch ein Politikum darstellte – vor allem, wenn Frauen es praktizierten. Es inspirierte neue Moden und trug zur weiblichen Emanzipierung bei. Im frühen 20. Jahrhundert gewinnt der sportliche Aspekt des Fahrrads an Bedeutung: Kunstradeln und Radrennen sind en vogue. Modefotografien aus acht Jahrzehnten lassen erkennen, dass das Fahrrad – bis heute – auch ein wichtiges Lifestyle-Accessoire darstellt.

Die Ausstellung zeigt Werke von Henri de Toulouse-Lautrec, Bruno Paul, Will Bradley, Eugène Samuel Grasset, Johann Vincenz Cissarz, Raoul Marton, Robert L. Leonard, Willy Römer, Henning Wagenbreth und anderen.

Ort: Kunstbibliothek
Matthäikirchplatz
10785 Berlin
Zeit: 10. August 2017 bis 14.September 2017
Di. bis Fr. 10:00 bis 18:00 Uhr
Sa. und So. 11:00 bis 18:00 Uhr
Montag geschlossen

Eintritt frei.

Staatliche Museen zu Berlin: Kunstbibliothek

Brauchen wir härtere Strafen für Kraftfahrer, die andere Menschen totfahren?

Kaum war gestern das Gerichtsurteil gegen den Todesfahrer auf dem LKW-Sitz bekannt, da wurde zum Protest gegen das „Skandalurteil“ aufgerufen. Neunzig Tagessätze mal dreißig Euro macht 2.700,- €. Zweitausendsiebenhundert Euro sind also der Preis für eine tote Radfahrerin. Und womöglich wird der auch noch vom Arbeitgeber übernommen. Den Führerschein darf er auch behalten. Das ist eine Schande, wir brauchen viel härtere Strafen!

Früher habe ich genau so gedacht. Inzwischen bin ich jedoch der Meinung, dass die Forderung nach härteren Strafen in die falsche Richtung führt.

Die 76-jähriger Radfahrerin, die im letzten November von den Reifen eines Sattelschleppers so grausam zugerichtet wurde, starb 65 Minuten später. Ihr Leiden wurde dadurch beendet. Das Leiden der Angehörigen und Freunde begann da erst und wird durch ein härteres Urteil nicht gelindert. Neben den Menschen, die der verstorbenen Radfahrerin nah waren, leiden auch die Menschen, die zufällig Zeuge eines Unfalls werden. Auch gestern im Prozess war eine Zeugin geladen, der man anmerken konnte, wie tief die Kerbe war, die der Unfall in ihr Leben geschlagen hat. Das Leiden all dieser Menschen wird kein Stück geringer durch eine härtere Strafe für den Kraftfahrer.

Ich habe bereits einige Prozesse gegen berufsmäßige LKW-Fahrer wegen totgefahrener Radfahrer erlebt und noch nie wurde dem angeklagten Fahrer der Führerschein weggenommen. Dass solche Prozesse immer ohne Fahrerlaubnisentzug ausgehen, ist in der Tat ein Skandal. Dennoch hätte ich im konkreten gestrigen Fall auch nicht dafür plädiert, dem Mann den Lappen wegzunehmen. Er hat sich nach dem Unfall zwei Wochen krank schreiben lassen und war in psychotherapeutischer Behandlung. Er hat dem Ehemann der toten Radfahrerin einen Brief geschrieben, der im Prozess verlesen wurde. Er hat keinen Eintrag im Bundeszentralregister und null Punkte in Flensburg. Bei Abwägung all dieser Eindrücke neige ich dazu, ihm die Fahrerlaubnis zu lassen. Zumal ein Führerscheinentzug für einen Berufskraftfahrer ja so etwas wie ein Berufsverbot ist.

Statt härterer Strafen für Todeskraftfahrer brauchen wir endlich Abiegeassistenten. Seit vielen Jahren bringt Dobrindt immer neue fadenscheinige Gründe, die Einführung von Assistenzsystemen zu verhindern. Mal sollen die Dinger noch länger getestet werden, mal soll die europäische Gesetzgebung abgewartet werden. Insofern ist die Bundstagswahl im September auch eine Chance, einen unfähigen Bundesverkehrsminister loszuwerden.

Wir brauchen eine Verkehrssicherheitskampagne für Berufskraftfahrer. Seit Jahren wird viel Geld verschleudert für unsinnige Helmkampagnen, das sinnvoller eingesetzt werden kann für eine breiten Informationsfeldzug, der sich an die berufsmäßigen Kraftfahrer richtet. Wer in seinem eh schon lauten Lastkraftwagen unterwegs ist und das Radio so aufreißt, dass die Musik die Fahrzeuggeräusche übertönt, der ist akustisch von der Umgebung komplett abgekapselt. Wer sein Fahrerhaus wie eine Kirmesbude dekoriert, der nimmt auch optisch die Außenwelt nur noch eingeschränkt wahr. Wir brauchen endlich ein Bewusstsein unter Berufskraftfahrern dafür, dass diese Verhaltensweisen Unfälle fördern.

Wir brauchen ein Bundesgesetz, das regelt, dass Telefone von Unfallbeteiligten nach Unfällen mit Personenschaden standardmäßig von der Polizei eingezogen werden und daraufhin untersucht werden, ob die Telefone zum Unfallzeitpunkt genutzt wurden. Und schließlich braucht es eine Regelung, Leute wirkungsvoll zu bestrafen, die Telefone im Straßenverkehr nutzen.

Volksentscheid Fahrrad: Autojustiz-Mahnwache High Noon vor dem Amtsgericht

Prozess gegen einen LKW-Fahrer, der eine Radfahrerin beim Abbiegen tot fuhr

„Eine Radfahrerin, die gestern Nachmittag in Britz von einem Lastwagen erfasst wurde, erlag wenig später in einem Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand war die 76-Jährige gegen 15.50 Uhr auf dem Radweg der Gutschmidtstraße unterwegs, als der 57-jährige Lkw-Fahrer von der Gutschmidtstraße nach rechts in den Buckower Damm abbog und die geradeaus fahrende Frau offenbar übersah. …“
Meldung der Berliner Polizei vom 29. November 2016 (Link)

Wegen dieses tödlichen Verkehrsunfalls an der Kreuzung Buckower Damm und Gutschmidtstraße kam es heute vor dem Amtsgericht in der Kirchstraße zum Prozess gegen den Lastwagenfahrer. Vorgeworfen wird ihm, den Tod der Radfahrerin fahrlässig verursacht zu haben. In seiner Aussage beteuert der Angeklagte, die Radfahrerin nicht bemerkt zu haben, trotz zweimaligen Blicks in den Spiegel: „Ich stand mit meinem LKW etwa zwanzig Sekunden an der roten Ampel in der Gutschmidtstraße und wollte nach rechts abbiegen. Als die Ampel auf grün sprang, bin ich angefahren. Ich kann es mir nicht erklären, wo die Frau herkam. Ich habe beim Abbiegen bemerkt, dass etwas an der Hinterachse war. Ich bin dann rechts herangefahren und ausgestiegen.“

Zwei Zeugen, die den Unfall von unterschiedlichen Standpunkten aus beobachtet haben, bestätigen, dass Radfahrerin und LKW-Fahrer bei grünem Ampellicht nahezu gleichzeitig losfuhren. Einer der beiden Zeugen sagte, dass die Radfahrerin einen minimalen Vorsprung von etwa einer Fahrradlänge hatte. Ohne zu bremsen sei dann der LKW-Fahrer nach rechts gezogen und habe die Radfahrerin überrollt.

Als sich Staatsanwalt, Verteidiger und Angeklagter beim Richter versammeln, um sich die Fotos der Unfallaufnahme anzusehen, kommt auch das „Klimbim“ zur Sprache, das sich im Fahrerhaus befand. Genannt werden Wimpel, LED-Leuchten, Anhänger und Fahnen. Später wird der Staatsanwalt in seinem Plädoyer sagen, es könne nicht nachgewiesen werden, dass das „Klimbim“ zum Unfall geführt habe.

Direkt nach dem Unfall war ein Gutachter an der Unfallstelle und hat den Unfall dokumentiert. Der Richter hat jedoch darauf verzichtet, dass der Sachverständige ein Gutachten erstellt und im Gericht gehört wird. Wieso, wird nicht so richtig klar.

In dem Schlussplädoyer fordert der Staatsanwalt eine Strafe von 90 Tagesssätzen. Er fordert ausdrücklich nicht einen Fahrerlaubnisentzug. Er wich damit von seiner Anklage ab, dass der Angeklagte nicht fähig sei, ein Fahrzeug zu führen. Der Verteidiger konzidierte die Fahrlässigkeit des Angeklagten und hielt eine Strafe von 60 Tagesssätzen für angemessen. Nach der Beratung verkündete das Gericht das Urteil: der Angeklagte wird zu einer Strafe von 90 Tagessätzen a 30,- € verurteilt und muss zusätzlich die Kosten des Verfahrens tragen.

Lebendiges Fahrverbot vor Dobrindts Amtssitz

Die Bundesminister für Verkehr und für Umwelt laden für morgen zu einem ersten Treffen des „Nationalen Forum Diesel“ ein. Dieses Gremium, an dem weitere Ministerien, die Bundesländer sowie Vertreter der Automobilindustrie teilnehmen, sollen „Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen bei Diesel-PKW vereinbaren, um die NOx-Belastung zu reduzieren und gleichzeitig die Mobilität zu gewährleisten“. Nicht mit am Tisch sitzt zum Beispiel die Deutsche Umwelthilfe, die sich für Fahrverbote in stark belasteten Städten ausspricht und mit ihrer Ansicht vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht gesiegt hatte.

Einzelne Länderministerpräsidenten haben bereits im Vorfeld des Gipfels konkrete Vorschläge gemacht. So fordern Bayerns Seehofer (CSU) und Niedersachsens Weil (SPD) eine Förderung sogenannter „moderner“ Diesel durch Steuererleichterungen. Abgelehnt wird das vom Bundesumweltministerium. Die Kraftfahrzeugindustrie hält ein reines Softwareupdate der Dieselstinker für ausreichend.

Nichts ist besser geeignet als Radverkehr, um der Verschmutztung der Luft in Städten Einhalt zu gebieten. Volksentscheid Fahrrad will deshalb am Mittwoch ein lebendiges Fahrverbot vor dem Verkehrsminiterium. „Leider gibt es keinerlei Informationen darüber, wann genau die hochrangigen Gäste eintreffen, aber wir wissen genau wie sie eintreffen werden: Mit ihrem eigenen Dieselstinker! Deswegen treffen wir uns erstmal um 08:30 Uhr. … Der offizielle Start des Forums ist um 11:30 Uhr. Irgendwann davor schwingen wir uns dann auf die Räder, und machen ein Slow-Bike-Race: Wer zuletzt kommt, gewinnt. Damit symbolisieren wir die Langsamkeit der Politik im Kampf gegen Luftverschmutzung.“

Ort: Bäcker Thürmann, Invalidenstraße Ecke Platz vor dem neuen Tor.
Zeit: Mittwoch, 2. August 2017, ab 8:30 Uhr

Facebook-Event: Lebendiges Fahrverbot

Berliner Polizei probt den Perspektivwechsel

Dass ein Großteil der Berliner Polizisten bei Konflikten zwischen Rad- und Kraftfahrern die Perspektive des Fahrers mit Verbrennungsmotor einnimmt, habe ich in mehr als 30 Jahren häufig genug erlebt. Eine Ausnahme bilden die Kollegen der Fahrradstaffel, von denen die meisten nicht nur in ihrer Dienstzeit im Sattel sitzen sondern auch in der Freizeit in Zivil und daher die Radfahrerperspektive hautnah und jeden Tag erleben, was Berliner Radfahrer so erleben: Rechtsabbiegerkonfflikte, Engüberholer, Radspurblockierer, rasende Taxifahrer und vieles andere mehr.

Heute und morgen versucht die Polizei nun einen Perspektivwechsel. Die Fahrradstaffel ist in diesen beiden Tagen in der ganzen Stadt unterwegs und nicht nur in der Stadtmitte. Zur Einstimmung auf die beiden Aktionstage veröffentlichte die Polizei das folgende Video:

Das für das Video verwendete Filmmaterial stammt laut Tagesspiegel aus privaten Quellen und wurde der Polizei für die Aktion zur Verfügung gestellt.

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