In wie spitzem Winkel kann man auf dem Rad Straßenbahnschienen sicher überqueren?

Eines ist klar: wer mit dem Fahrrad Schienen im 90-Grad-Winkel überquert, fährt sicher. Wer dagegen in ganz spitzem Winkel über Schienen fährt, hat ein hohes Risiko, in den Schienen zu Fall zu kommen. Drei Forscher der University of Tennessee-Knoxville haben Fahrradunfälle auf Schienenübergängen systematisch untersucht. Dazu verwendeten sie Videoaufnahmen, die von einem Bahnübergang an einer vielbefahrenen vierspurigen Straße in Knoxville innerhalb von zwei Monaten im Jahr 2014 gemacht wurden. Die Straße hatte auf der einen Seite einen straßenbegleitenden Radweg. Im Untersuchungszeitraum wurde die Straße von 13.247 Radfahrern genutzt, darunter waren 9.521 Radfahrer, die auf dem Radweg in beiden Richtungen fuhren. Insgesamt passierten in der Zeit 53 Unfälle von Radfahrern bei der Schienenüberquerung. Die Forscher machten eine Zufallsauswahl von 100 erfolgreichen Schienenüberquerungen, verglichen sie mit den Alleinunfällen und suchten nach den Faktoren, die einen Fahrradunfall begünstigen. Das Ergebnis: je größer der Winkel bei der Überquerung von Schienen ist, desto sicherer ist es. Der Schwellenwert liegt bei etwa 30°. Weitere Faktoren, die einen Fahrradalleinunfall an Schienenübergängen begünstigen, sind nasse Fahrbahnen, Gruppenfahrten von mehreren Radfahrern und merkwürdigerweise auch das Geschlecht. Frauen verunglücken nach ihrer Untersuchung häufiger auf Schienenübergängen als Männer.

Was heißt das nun für Leute, die parallel an Straßenbahnschienen entlang fahren und hinüber wollen? Ich selbst habe immer noch Respekt vor Schienen und konzentriere mich, bevor ich entschlossen den Lenker herumreiße und in einer Art S-Form fahre, um in einem möglichst großen Winkel die Schien zu queren. Und ich hüte mich vor Stellen, an denen Schienen selbst abzweigen und man plötzlich eine Vielzahl von Schienen queren muss.

Journal of Transport & Health: Factors influencing single-bicycle crashes at skewed railroad grade crossings
Velojournal: Je steiler desto besser

12 thoughts on “In wie spitzem Winkel kann man auf dem Rad Straßenbahnschienen sicher überqueren?

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  1. Auf jeden Fall ist das Risiko erstaunlich hoch, wenn man es mit dem Unfallrisiko für KFZ an bekannten Unfallschwerpunkten vergleicht. 53 Unfälle bei 13247 Radfahrern entspricht 0,4% Unfallwahrscheinlichkeit oder ein Unfall pro 250 Fahrten. Nehmen wir als Vergleich mal den Ernst-Reuter-Platz (der in der Liste der Unfallschwerpunkte regelmäßig einen Spitzenplatz einnimmt). Dort hat man eine Verkehrsbelastung von ca. 50000 Kfz pro Tag [1] und dabei eine Zahl von 334 Unfällen pro Jahr. Das entspricht einer Unfallwahrscheinlichkeit von ca. 0.0018% bzw. einem Unfall pro 55000 Fahrten. Selbst ein Unfallschwerpunkt für Kfz ist damit ca. 220 mal sicherer als die Querung von Straßenbahnschienen für Radfahrer.

    Wenn es irgendwo ein vergleichbar hohes Unfallrisiko für KFZ gäbe, dann gäbe es sofort eine Welle der Empörung mit entsprechenden Medienberichten und die Behörden würden umgehend einschreiten und wenn nötig eine Menge Geld in die Hand nehmen, um den Unfallschwerpunkt zu entschärfen. Aber für Radfahrer wird das Risiko einfach in Kauf genommen (da sieht man mal, wo die Prioritäten liegen). Natürlich kann man die Gefahr nicht überall vollständig ausschalten (irgendwo müssen sich die Wege ja kreuzen) aber es gibt nach wie vor ziemlich viele Stellen, an denen man bei entsprechendem Willen das Risiko deutlich reduzieren könnte. Beispielsweise muss man an vielen Stellen zwischen den Schienen fahren oder knapp an parkenden Autos vorbeifahren und dann plötlich auf die Schienen ausweichen, wenn jemand unvorsichtig die Autotür öffnet. Dieses Risiko könnte man durch eine Radspur anstelle des Parkstreifens sehr schnell beseitigen.

    Mit entsprechenden finanziellen Mitteln (die bei einer vergleichbaren Unfallgefahr für KFZ sicherlich vorhanden waren) könnte man auch eine Lösung mit einer Gummieinlage in den Schienen weiterentwickeln und praxistauglich machen (gab ja schon einen Modellversuch in Zürich aber das Material ist wohl noch nicht langlebig genug).

    [1] https://www.berlin.de/senuvk/umwelt/laerm/laermminderungsplanung/download/laermaktionsplan/materialien/modellprojekt_char_wil.pdf
    Farbkodierung auf Seite 2 für Ernst-Reuter-Platz steht für 50.000 bis 60.000 Kfz/Tag

    [2] https://www.morgenpost.de/berlin/article209812383/Die-Zahl-der-Unfaelle-in-Berlin-ist-leicht-gestiegen.html

    1. Interessante Vergleichsrechnung, Danke.

    2. Ich bin mir unsicher, ob Deine Kalkulation stimmig ist. Vergleichst Du nicht einen einzelner Unfallschwerpunkt (Ernst-Reuter-Platz) mit der Summe aller Straßenbahnkreuzungen in Berlin?

      So oder so ist es jedenfalls ein wichtiges Thema, für das Lösungen dringend gesucht werden. Die Gummieinlagenversuche wurden meines Wissens alle aufgegeben, ein besseres Material nicht gefunden.

    3. Hallo Jakob,
      ein wirklich interessanter Ansatz und für mich aktuell sehr wichtige Informationen. An meinem Arbeitsort haben wir eine gefährliche Schienenquerung mit einem Winkel von 10 °. Die Durchfahrt ist aus Arbeitssicherheitsgründen nach einigen Unfällen für Fahrräder gesperrt. Hält sich nur keiner daran. Eine Lösung könnte ein größerer Querungswinkel sein aber auch eine Gummieinlage von der Du aus der Schweiz berichtet hast. Könntest Du mir zu diesem Thema weitere Informationen geben. Wo ist diese Gummieinlage eingesetzt worden und aus welchem Material bestand diese Einlage.

  2. Ich vergleiche die Unfallrate an einem bekannten Unfallschwerpunkt mit der Unfallrate aus der im Artikel zitierten Studie. In dieser Studie wurden 13247 Querungen der Straßenbahnschienen an einer Stelle gefilmt und dabei kam es zu 53 Stürzen. Die daraus resultiernde Unfallrate kann man durchaus mit anderen Unfallschwerpunkten vergleichen.

    Nun ja 100%ig vergleichbar sind die Zahlen wohl nicht, weil nicht jeder Unfall polizeilich erfasst wird und in der Unfallstatistik landet. Aber ein Großteil der KFZ-Unfälle wird (allein schon wegen der Versicherungen) erfasst, während Alleinunfälle mit dem Fahrrad in den meisten Fällen in keiner Statistik landen, auch wenn es zu (leichten) Verletzungen kommt.

    In der Praxis gibt es natürlich auch einen gewissen Lerneffekt in Gegenden mit vielen Straßenbahnschienen. Aber gerade bei ungünstigen Bedingungen (z.B. Nässe, plötzliches Ausweichen, drängelnde Autos von hinten, …) kann es dennoch leicht zu einem Sturz kommen, auch wenn man das Risiko kennt und meint, dass einem das nicht passiert.

    Man kann die hohe Unfallrate teilweise auch direkt beobachten, wenn man an entsprechenden Stellen in einem Restaurant mit Außengastronomie sitzt und den Verkehr beobachtet.

    Wenn die Straßenbahn für KFZ ein auch nur annähernd vergleichbar großes Risiko schaffen würde, dann hätte man die Straßenbahn mit Sicherheit längst abgeschafft. Über den Sinn der Straßenbahn kann man natürlich geteilter Meinung sein aber es wäre schon viel gewonnen, wenn man bei der Straßengestaltung konsequent das Risiko minimiert (z.B. Radspur statt Parkstreifen rechts von den Schienen, gegebenenfalls Verlegung der Schienen um 1-2 Meter nach rechts/links zum Vermeiden unnötiger Querungen, Verkehrsführung in sicherem Winkel bei unvermeidbaren Querungen, …).

  3. Im Link steht was von „railroad crossing“, hier wird das mit Straßenbahnschienen gleichgesetzt. Es ist leider aber überhaupt nicht klar, ob Eisenbahn oder Straßenbahn betrachtet wurde! Eisenbahnschienen haben erheblich weitere Spurrillen als Straßenbahnschienen, da die Räder massiver aufgebaut sind. In den USA dürften nochmal andere Maße verwendet werden als in Europa (und auch hier hat nicht jede Straßenbahn die gleiche Spurrillenweite).
    Übrigens sind Straßenbahnspurrillen genau aus Rücksicht auf Fahrräder und Fuhrwerke (Straßenbahnen gibt es seit über 100 Jahren) enger als die der Eisenbahn.
    Eigene Erfahrung: Auf einem spitzwinkligen Bahnübergang bin ich bereits bei einem Kreuzungswinkel von ca. 20° übel hingefallen. Bei den Straßenbahnschienen, die ich ständig in verschiedensten Winkeln kreuze, noch nie. Ich hab „normalbreite“ Reifen, mit Dackelspaltern sähe das bestimmt anders aus.

    1. nicht unwichtig dürfte auch die abweichung aus der vertikalen sein. sobald man leichte schräglage hat, ist auch eine queerung im 90° winkel eine flutschige angelegenheit.

      DER winkel dürfte zb bei dem Unfallschwerpunkt gleisdreieckpark nach eigener beobachtung deutlich relevanter sein, als der winkel zwischen radlängsachse und schienenverlauf.

  4. Krasse Erkenntnis: „Das Ergebnis: je größer der Winkel bei der Überquerung von Schienen ist, desto sicherer ist es.“ Hätte ich jetzt nicht gedacht 🙂
    Und jetzt ernsthaft: Die ERA hält, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, 50 Gon für unproblematisch (also 45 Grad).

  5. Aus eigener Erfahrung: Bei nassen Schienen muss der Winkel größer sein als bei trockenen Schienen…

  6. Ich hebe kurz das Vorderrad beim Queren von Straßenbahnschienen ein wenig an. Dann kommt es kaum in Kontakt mit der Schiene und hat wieder Kraftschluss mit dem Asphalt dahinter.

    1. Ja, das hab ich auch immer so gemacht. Hat viele Monate super geklappt. Und dann war es ein nasser Herbsttag… da hatte das Hinterrad andere Pläne. -> Sturz bei ca. 20-25 km/h, Handgelenkprellung. 4 Wochen Krank.

  7. Definitiv gefährlich: Die Gleisquerung der Petershagener Straße südlich von Petershagen. Hier: https://goo.gl/maps/YMZdgZq951iJLdAw6 Ich kam aus Richtung Norden. Es war etwas feucht & das Vorderrad rutschte an der Kante der Gleise nach rechts weg. Liege jetzt mit Oberschenkelhalsbruch im Unfallkrankenhaus in Marzahn.

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