Das Fahrrad im Comic

„Ganz anders als Automobile und Motorräder sind Fahrräder im Comic nicht durch Prestige- und Sozialklassenfragen belastet. Es wird nicht unterschieden zwischen Fahrrädern für Reiche und solche für Arme; es gibt keine schicke schnelle oder klapprige alte Fahrräder. Auch gibt es keine klassischen Comic-Helden, die grundsätzlich Fahrrad fahren. Als Serienhelden sind nur einige Comic-Kinder häufiger mal mit ihrem Drahtesel unterwegs, haben aber auch dann kein wiedererkennbares oder sonst irgendwie besonderes Modell. Eine Radtour ist etwas, das, ähnlich wie die Reise mit der Eisenbahn oder mit dem Schiff, von den Autoren nur gelegentlich in eine Comic-Serie eingebaut wird. Die Fahrräder sind wegen ihrer filigranen Erscheinung recht undifferenziert dargestellt, bestimmte Typen oder gar Marken lassen sich so gut wie nie erkennen, lediglich ob es sich um ein Sportrad oder ein gewöhnliches Straßenrad handelt, ist zu sehen.“

Wolfgang Höhne: Technikdarstellung im Comic. Der Comic als Spiegel technischer Wünsche und Utopien der modernen Industriegesellschaft. Dissertation, Uni Karlsruhe 2003, S. 52

Fazit: Das Fahrrad sieht im klassischen Comic reichlich alt aus.


Höhne zählt dann die wenigen Ausnahmen auf: Tintin, der von seinem Autor Hergé nur zweimal aufs Fahrrad gesetzt wird, 1936 in Shanghai, als er in die vom Völkerbund gehaltene internationale Zone der Stadt flüchtet, und noch einmal im Jahre 1963, als er vom Schloss Moulinsart ins nahe Dorf radelt. Weiteres Beispiel: Lurchi aus dem Hause Salamander, der sich mit seinen Freunden auf eine Rad-Camping-Tour begibt.

„Für die Zukunft ist das Fahrrad nicht mehr vorgesehen. In Science-Fiction-Geschichten sind jedenfalls keine mehr zu sehen, und als der Raum-Zeit-Agent Valerian in die Verlegenheit gerät, auf einem Fahrrad fliehen zu müssen, weiß er nicht einmal, wie so ein Ding überhaupt funktioniert und wozu die Pedale gut sind.

Insgesamt gilt das Fahrrad als ein viel zu langweiliges Verkehrsmittel, als dass es sich die Autoren erlauben könnten, ihre Helden ständig damit herumfahren zu lassen. Die Häufigkeit des Auftretens von Technik ist also sehr unrealistisch verteilt. Die Helden aus Jetztzeit-Comics, auch die jugendlichen, befinden sich wesentlich häufiger in Flugzeugen, Hubschraubern, Taucher- oder gar Raumanzügen, als auf einem gewöhnlichen Fahrradsattel.“ (Höhne, Seite 53)

Höhnes Forschungsergebnisse zur Relevanz des Fahrrads im historischen Comic spiegeln den geringen gesellschaftlichen Stellenwert des Rades von den 50ern bis zu den 90ern. Aber wie gesagt, geringgeschätzt wurde das Fahrrad im letzten Jahrhundert, heute schreiben wir das 21. Jahrhundert, in der das Fahrrad den Wert erobert, der ihm als nachhaltigstes Verkehrsmittel zukommt.

Fahrradcomics aus der Dissertation „Technikdarstellung im Comic“ von Wolfgang Höhne
via: Angela

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