Fahrradpolizei Falkensee – erste Erfahrungen

Ad-hoc-news.de widmet sich mit einem Artikel der neuen Fahrrad-Polizeistaffel aus Falkensee. Am 2.7. hatten wir darüber berichtet. An dieser Stelle nur einige Zitate von Polizisten:

„Entweder sie kennen die Regeln gar nicht. Und wenn doch, dann ignorieren sie sie einfach.“

„Besonders die Älteren nehmen uns überhaupt nicht für voll.“

„Radfahrer neigen ohnehin dazu, Regeln großzügig auszulegen. Wenn aber die Gefahr gering ist, erwischt zu werden, nimmt das natürlich irgendwann Auswüchse an.“

Zum vollständigen Artikel

Falkensee ist Start- und Endpunkt der Radialroute 3 des Berliner Fahrradnetzes. (Fahrradkarte)

Rasende Radler

Die österreichische Onlinezeitschrit oe24.at nimmt eine Studie des ÖAMTC (österreichischer Automobilclub) zum Anlass, steigendes Rowdytum bei Radfahrern zu beklagen. Zum Artikel.

Das ist verwunderlich, denn augenscheinlich hat sich die Studie nur mit der gefahrenen Geschwindigkeit in der Stadt beschäftigt. Ein Drittel der Radfahrer sind demnach mit „bis zu 30 km/h“ in der Stadt unterwegs. Mal davon ausgehend, dass damit nicht gemeint ist, dass 2/3 der Radler noch schneller sind, sondern „bis zu“ durch „um die“ ersetzt werden kann, sind die Schlussfolgerungen seltsam. Die Tatsache, dass 30 km/h als zu schnell empfunden wird, könnte zum Nachdenken anregen – schließlich sind europäische Städte meist für Geschwindigkeiten um die 50 km/h ausgelegt.

In Deutschland gilt: Temposchilder gelten auch für Radfahrer. Die innerstädtische, nicht ausgeschilderte Tempobeschränkung von 50 km/h gilt nur für Kraftfahrer. In jedem Falle muss der Situation angepasst gefahren werden – auf Fahrbahnen dürfte Tempo 30 selten zu schnell sein, auf Radwegen kann diese Geschwindigkeit durchaus unangepasst sein.

WHO-Studie zu Verkehrstoten in armen Ländern

Die WHO hat eine Studie veröffentlicht, nach der in armen Ländern die Gefahr eines tödlichen Verkehrsunfalls neunmal so hoch ist wie in den reichen Ländern. „Mehr als 90 Prozent der weltweiten Verkehrstoten treten in Ländern mit unteren und mittleren Einkommen auf, während diese Länder nur über 48 Prozent der weltweiten Fahrzeuge verfügen“. Zum Presseartikel bei Google News.

In einer Fotoserie stellt Spiegel.de das Problem so dar, als würde es lediglich aus einer schlechten Infrastrutur bestehen. Zur Fotoserie.

Im Tagesspiegel-Artikel zu dem Thema äußert sich Alfred Fuhr vom AvD. Er sieht weniger ökonomische, sondern eher kulturelle Gründe bei den hohen Verkehrsopferzahlen in armen Ländern. Dieser Ansatz scheint vernünftig, auch wenn ich mir nicht zutraue, die Gründe klar zu durchschauen. Beim Weiterlesen des Textes tritt die Autoperspektive in den Vordergrund: Fuhr sieht Unfallrisiken bei nichtangeschnallten Arabern, die Unfälle als gottgegebenes Schicksal betrachten, und in einem Nebensatz deutet er an, dass (hierzulande) eher Geringverdiener mit Bus und Bahn fahren (und sich damit einem geringen Unfallrisiko aussetzen). Verkehrssicherheit sieht Fuhr durch Airbags, Gurte und elektronische Warnsysteme gegeben. Auch der klassische Denkfehler bleibt nicht aus, er behauptet, dass diese Systeme die Zahl der Unfälle vermindern – dabei lindern sie nur die Unfallfolgen. Zum Tagesspiegel-Artikel.

Im Stadtverkehr der reichen Länder sind Fußgänger und Radfahrer die am stärksten gefährdeten Gruppen – mit Airbags erreicht man da nichts. Der Löwenanteil der Verkehrsunfallgefahren geht von Kraftfahrzeugen aus. Klassische Infrastrukturversuche – insbesondere Radwege – gelten als gescheitert. Die Verkehrsgefahren kann man nicht mindern durch ein Anpassen der Fußgänger und Radfahrer an den Kraftverkehr. Der Kraftverkehr muss sich den in der Stadt lebenden Menschen anpassen, nur dieser Ansatz kann funktionieren und funktioniert in Teilen bereits. Nicht zuletzt die vielen Tempo-30-Zonen dürften beispielsweise dazu beigetragen haben, dass die Unfalltotenzahlen in Berlin in den letzten Jahrzehnten um Größenordnungen gesunken sind.

Was der berlinradler meint: Das Phänomen „Auto“ ist realistisch betrachtet ein zeitlich endliches Phänomen. Die Erdölreserven reichen nicht unendlich, sondern nur noch wenige Jahrzehnte. Der Stromsektor (Elektroauto) kann den Verkehr in seiner heutigen Form (tonnenschwere Fahrzeuge) unmöglich übernehmen, und wenn, dann nicht ewig, denn auch seine Rohstoffe sind begrenzt. Will man weiterhin einen Individualverkehr ermöglichen, ist das langfristig ohne Leichtbauweise nicht zu schaffen. Unser Verkehrssystem und die dazugehörigen Denkweisen kann und sollte nicht in arme Länder exportiert werden. Einige der Folgen zeigt dieser Bericht.

RP online über böse Radfahrer

Im wesentlichen gibt es zwei Arten von Presse für Radfahrer: Zum einen die Beschreibung von Radfernrouten durch schöne Landschaften, zum anderen Artikel über bösartige Verkehrsrowdies. Die Rheinische Post hat auf ihrer Internetseite RP online einen Beitrag für die zweite Kategorie geschrieben.

Rücksichtslose Radfahrer – in der Stadt Münster, in der für mehr Strecken das Fahrrad (38%) als das Auto (36%) genutzt wird, scheinbar ein großes Problem. Daran, dass sich pro 100.000 Einwohner im vergangenen Jahr 244 mit dem Fahrrad verletzten, ist laut dem im Artikel zitierten Polizeidirektor Udo Weiss die mangelnde Normenakzeptanz der Radfahrer schuld. Solche Sätze, in denen lapidar ein Hauptschuldiger erklärt wird, sind für mich immer eine offene Einladung zu einem Blick in die Unfallstatistik: In Münster gab es im Jahr 2008 insgesamt 754 Fahrrad-Verkehrsunfälle, davon 41% (315) durch Radfahrer verursacht, weitere 10% (79) unter einer Mitschuld der Radfahrer. Gerade einmal 22% (167) der Unfälle fanden ohne Beteiligung von Kraftfahrzeugen statt. Hauptunfallgegner und damit Hauptrisiko im Straßenverkehr sind also motorisierte Fahrzeuge. Dass es insgesamt 9322 Verkehrsunfälle in Münster gab, ist ebenfalls interessant. Der grundauf schlechte münsteraner Radler ist nicht mal 10% der Unfälle des Straßenverkehrs verwickelt – und das als Hauptverkehrsträger.

Spulen wir nochmal zurück zur „mangelnden Normenakzeptanz“ der Radfahrer, so drängt sich der Verdacht auf, dass ein riesiger Block einfach unterschlagen wurde – die Normenakzeptanz der Kraftfahrer.

Der Polizeidirektor hat die Lösung für die Verbesserung der Situation parat – er fordert, „das Fahrrad und sein Besitzer als eigenständigen Punkt in die Straßenverkehrsordnung aufzunehmen“- dabei orientiert er sich (man lese mit ironischem Unterton) natürlich an den Unfallursachen: „Neben Geschwindigkeitsbegrenzungen, Parkverbotsflächen und Promillegrenzen schlägt er […] vor, dass alle Radfahrer über 16 einen Ausweis bei sich tragen. Und zu einer Haftpflichtversicherung verpflichtet werden.“ Unfallvermeidung durch Parkverbote und Ausweispflicht – super! Einzig die Haftpflichtforderung ist sinnvoll, trägt aber ebenfalls nicht zur Unfallvermeidung bei.

Polizeidirektor Weiss fährt übrigens laut Artikel nicht Rad, wegen der Unfallstatisik. Womit er sich fortbewegt, steht nicht im Artikel. Welches Verkehrsmittel bietet den optimalen Kompromiss zwischen Gefahr der Verletzung von Fremden und der eigenen Verletzung? Die Antwort des Herrn Polizeidirektor wäre interessant.