Berliner Verkehr – Benimmregeln

Folgende Situation: man hat gerade mit dem Auto aus triftigem Grund einen Radfahrer eng überholt und der zuckt rum. Was tun?

Man hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten: weiterfahren und den Radfahrer verhöhnen, z.B. durch Gesten (drohender Zeigefinger, Achselzucken) oder verbal (”was willst Du denn?”). Zweite Möglichkeit: Aggressivität, z.B. durch ausbremsen und anbrüllen, aussteigen oder Drohen mit körperlicher Gewalt.

Wichtig: Auf jeden Fall hat der Radfahrer schuld, da muss man zur Not etwas kreativ werden:

  • “Fahr’ auf dem Radweg” ist der Klassiker. Das Schöne daran: man muss sich nicht darum kümmern, ob dort ein Radweg existiert oder nicht.
  • “Was fährst Du auch so langsam rum” ist schwächer, aber beliebt und wird allgemein akzeptiert.
  • “Ich muss schnell [nach Hause|zum Krankenhaus|hier durch]” ist nicht zu bevorzugen, da hier die Schuld des Radfahrers nicht deutlich genug artikuliert wird.
  • Fällt einem gar nichts ein, geht immer noch ein “Die Radfahrer fahren alle bei Rot”. Das ist eine bei allen Verkehrsteilnehmern, der Presse und dem ADAC anerkannte Schuldzuweisung, die keine Fragen offen lässt.

Ergänzung 1: ist man Berufskraftfahrer, sollte man das durch besonders enges Vorbeifahren demonstrieren, da man ja die Fähigkeit dazu langjährig erworben hat. Gleiches gilt für Leute, die beruflich auf ihren Führerschein angewiesen sind.

Ergänzung 2: ist der Radfahrer eine Frau, hat man noch die vielfältigen Möglichkeiten der sexuellen Beschimpfung, die man tunlichst verwenden sollte. Wer weiß, vielleicht ergibt sich ein romantischer Abend?

Der Beitrag ist bei Rauhe Sitten unter dem Titel Berliner Verkehr – Benimmregeln: Teil 1 erschienen. Weitere Benimmregeln Teil 2 und Teil 3.

6 thoughts on “Berliner Verkehr – Benimmregeln

Comments-Feed
  1. Mein Favorit: „DICH HÄTTE ICH AN DER LETZTEN KREUZUNG SCHON ÜBER DEN HAUFEN FAHREN SOLLEN!“

  2. Punkt 4 dürfte fast der häufigste sein. Das habe ich schon gehört, als ich noch ein (größeres) Kind war: Ein Junge hat jemanden auf dem Spielplatz geschlagen, derjenige hatte zufällig auch ein Fahrrad. Kommentar des Schlägervaters: Naja, ihr passt mit euren Fahrrädern ja auch nicht auf und macht die Spiegel kaputt, wenn ihr zwischen den Autos herumfahrt. Fand ich damals schon seltsam.

    Mein Vater beobachtete einen Unfall, bei dem ein Autofahrer ein Kind auf dem Rad anfuhr – es ist nichts weiter passiert, zum Glück. Der Autofahrer meinte, dass die Radfahrer sich aber auch um keine Regeln kümmern und wollte am liebsten gleich wegfahren.

    Dass Radfahrer Schuld sind, finden übrigens gern auch Fußgänger. So fuhr ich mal relativ schnell auf eine Ampel zu, um sie noch zu erwischen. Ein junger Sitzfetischist hatte vor der Sparkasse geparkt und hatte die gleiche Idee – also schnell raus aus der Parklücke. Ich bremse voll und klingle, dank heruntergekurbeltem Fenster nimmt der Fahrer das sogar zur Kenntnis und fährt trotzdem einfach weiter. Ich bleib dann an der nun roten Ampel stehen und höre von Fußgängern noch sinnvolle Kommentare über Rowdy-Radfahrer.

    Einmal beobachtete ich, wie ein Radfahrer sehr erzürnt rumschrie, als ein Fahrzeug aus einer Ausfahrt kommend den gemeinsamen Geh- und Radweg blockierte. Sicher, etwas primitiv. Die Fußgänger in der Umgebung sahen die alleinige Schuld beim Radfahrer. Oft kann man sich scheinbar überhaupt nicht vorstellen, dass Radfahrer sich an Regeln halten.

    Ein extrem unvorsichtig ausparkender Mitbürger pöbelte mich an: „Bist Du verrückt? Wenn ich Dich umfahre bin ich Schuld!“

    Man soll zwar Radwege benutzen, aber bitte nicht, wenn man dadurch trotzdem noch stört: Wenn man von der Spindlersfelder Brücke (linksseitiger Radweg) kommend in Richtung Adlershof weiterfährt, hat man Vorrang vor den entgegenkommenden Rechtsabbiegern. So sagt es die STVO – gehupt wird trotzdem immer wieder. Berliner Autofahrer sind – glücklicherweise – linksseitige Radwege gar nicht gewohnt.

    Ganz klar ist natürlich auch: Radfahrer begehen Verkehrsverstöße absichtlich, Autofahrer versehentlich.

  3. Haha erlebe das jeden Tag auf dem Weg zur arbeit. Sobald da nen kleiner buckliger Weg neben der Straße ist wird das sofort als Radweg deklariert und man wird von allen auf der Straße angehupt bzw. übern haufen gefahren.
    Letztens auf der Danziger Straße (berlin) So nen Deppen gehabt mich mti 1cm freundlich überholt hat um mir zu Zeigen ich solle doch auf den „Radweg“ und nicht auf der Straße fahren. Ergo an der nächsten Ampel angehalten zur Sprache gestellt. Polente gerufen und die das mit ihm ausdiskutieren lassen.

    Manchmal wünsche ich mir noch im 16. Jahrhundert zu leben, da hatten so ne dicken fetten Autofahrer nix zu melden weil sie sonst eins drauf bekommen hätten. Der Autofahrer benimmt sich doch nur so weil er in nem sicheren „Raum“ sitzt wo ihm erstmal so schnell keiner was kann. Anders kann ich mir die beinahen Mordversuche bzw. schweren Körperverletzungen jeden Tag nicht erklären. U-Lock > Gesicht wünschte man sich da manchmal, aber man darf ja nicht …

  4. Auf ein sehr schönes Video, dass wunderbar zum Thema passt, war ich gerade gestern zufällig bei bikeforest.com gestoßen:
    http://blip.tv/play/AenaDpO_NA

  5. @NiewiederRadwege – endlich mal einer, der solche „Erziehungsmaßnahmen“ auch im Straftaten-Kontext sieht. Die Straftäter sind hier nur eben keine Jugendlichen mit Messer, sondern Familienmütter- und Väter mit Auto.

  6. „Im Straftatenkontext“ seh ich das schon lange nicht mehr. Früher hatte ich noch versucht solche Probleme rechtlich zu regeln. Aber wenn die gerufene Polizei nach Stunden endlich kommt – kommt von denen nur ein müdes Schmuntzeln. „Da brauchen sie und nicht rufen, fahren sie zur nächsten Polizeiwache und zeigen es an. Wir haben wichtigeres zu tun. Ist ja zum Glück nichts passiert…“
    Nee nee, da spiel ich nicht mehr mit.
    Aber habe ich da noch einen anderen Spruch eines Rowdy-Autofahrers: Als ich mit meiner (behandschuhten) Faust seine Seitenscheibe durchschlug, den Türpin hochzug, die Tür öffnete und den Chaoten an seinem Kragen aus dem Auto zog sagte er nur noch ängstlich: „War nicht so gemeint.“ Was „nicht so gemeint“ war sagte er nicht, sein mich-beinahe-töten oder die blöden Sprüche danach – aber genoss ich doch die Angst in seinen Augen – so wie er vorher meine Angst genoss, mutmaße ich mal hier. So kanns gehen… Gerne wieder! Bin sonst nicht so. Aber irgendwie machts Spaß. (erzählt mir jetzt nix von Straftat, weiss ich alles, aber fass mal nem nackten Mann in die Tasche. Ich hab jetzt Narrenfreiheit :-))

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert