In Lichtenberg wurde heute früh eine 32-jährige Radfahrerin von einem rechtsabbiegenden Lkw überrollt und dabei tödlich verletzt. Der Fahrer bemerkte zunächst nichts vom Unfall, wurde aber 100 Meter von der Unfallstelle entfernt durch Zeugen gestoppt. Er wollte von der Karlshorster Straße nach rechts in die Hauptstraße abbiegen. Darüber, auf welchem Straßenteil die Radfahrerin fuhr oder ob sie ihr Fahrrad schob, hatte die Polizei zunächst keine Informationen. Für Fußgänger gibt es allerdings derzeit keine Fußgängerfurt, die über die Hauptstraße führt und mit den Rechtsabbiegern in Kontakt käme.
Die Bahnunterführung in der Karlshorster Straße sowie die Kreuzung ist seit Jahren eine Baustelle und wird in den Tagesspiegel-Diskussionen als chaotisch beschrieben. Ein knapper, nur um einen Meter vorgezogener Aufstellstreifen für Radfahrer regt diese an, sich rechts neben die wartenden Fahrzeuge zu stellen. Das Foto zeigt den Blick von der Karlshorster Straße auf die Hauptstraße und ist vom Unfalltag.
Ein weiterer Radfahrer, der die Autobahn A114 in Pankow überqueren wollte, wurde ebenfalls heute bei einem Unfall getötet. Laut Berliner Zeitung war der 70-jährige möglicherweise verwirrt.
Berliner Polizei: Radfahrerin starb am Unfallort (17.12.2015)
Tagespiegel: Radfahrerin von Lastwagen getötet
Berliner Morgenpost: Mehrere Radfahrer bei schweren Unfällen in Berlin getötet
Berliner Zeitung: Radfahrer will Autobahn überqueren und wird getötet
Das ist ja grauenhaft. Wenn es bei der Eisenbahn solche systematischen, immer wiederkehrenden Unfälle gäbe, hätte das Eisenbahnbundesamt das System schon lange zwangsstillgelegt bzw. dem Betreiber wehtuende betriebshemmende Ersatzmaßnahmen aufgezwungen.
Mich würde mal interessieren, wie viele tödliche Unfälle durch abbiegende LKW verursacht werden. Wahrscheinlich gibts dazu gar keine Statistiken. Und, ob es möglich wäre, einen Teil davon mit technischen Abbiegeassistenten auf dem Fahrzeug (z.B. Radar mit Zwangsbremsung) zu verhindern. Scheint mir einfacher als in ganz Deutschland alle Kreuzungen umzubauen.
Stefan Jacobs vom Tagesspiegel schreibt heute einen Kommentar mit dem Tenor, dass sich der Senat zu viel Zeit lässt bei der Entschärfung solcher Gefahrenstellen.
Dabei moniert er, dass Radfahrer wohl nie in den Genuss einer eigenen Ampelphase kommen werden. Das ist tatsächlich das erste Mal, dass jemand in einer Zeitung das Hauptproblem von Radstreifen und -wegen verstanden hat.
Ob das an der Stelle genau passt, ist natürlich schwer zu beantworten – das was dort ist, ist irgendwie weder Radstreofen noch Aufstellfläche.
Wenn je getrennte Ampelphasen kommen sollten, dann mit einer systematischen Benachteiligung bei den Umlaufzeiten.
Ich könnte eine Ampel nennen, bei der das relativ gut gemacht ist und viele mehr, bei der die Radfahrer-Ampelphase halb so lang ist wie die der Autofahrer. Man hat also durchaus den Elan, Ampelschaltungen zu ändern, wenn es zugunsten von Autofahrern ist, m.E. gab es solche Kurzphasen vor wenigen Jahren noch nicht.
Wenn man sich eine Phase mit den Abbiegern teilt, während die Fahrspur-Geradeausfahrer sich nichts teilen müssen, bleiben diese wohl bezüglich der Grün-Zeit zwangsläufig im Vorteil.
Der Radweg und die Radspur werden also immer entweder die gefährlichere oder die langsamere Alternative bleiben.
Dies immer und immer wieder zu lesen, macht mich einfach nur traurig und wütend zu gleich. Ich habe lange genau dort gewohnt, bin zwar nun nach Magdeburg verzogen, aber als ehemaliger Berliner Fahrradkurier könnte ich Stunden zu dem Thema schreiben.Genau an dieser Stelle hatte ich vor Jahren einen Unfall und bekam zu hören, es muss dringend etwas passieren. Wie ich sehe bis heute nicht. Mein Beileid an die hinterbliebenen und dem Rest, der seit Jahren so tut als würde man sich um Radfahrer kümmern, sorry… Aber fickt Euch. Wieviele Menschen müssen noch sterben bevor was passiert?
Mein Eintrag vom 27.11.2013 im Portal Radsicherheit Berlin:
„Zwischen Jacob-Kaiser-Platz und Einmündung Reichweindamm wird der ostwärts fahrende Radverkehr (entgegen der Fahrbahnrichtung)
auf der linken Seite geführt. An der Einmündung Reichweindamm wird´s dann lebensgefährlich. Ich bin hier schon mehrmals von Kraftfahrzeugen,
die an der ampelgeregelten Einmündung vom Goerdeler Damm in den Reichweindamm links abbiegen wollten, einfach ignoriert worden (bei
Grünlicht für den Radverkehr). Hier müsste an der Ampel im Goerdeler Damm neben dem Grünlicht für den KFZ-Verkehr eine ganz große
gelbe Blinklichtampel als Hinweis auf den von links querenden Radverkehr eingebaut werden“.
Die beschriebene Situation besteht, nach nunmehr 2 Jahre,unverändert, denn auch hier lässt sich der Senat viel zu viel Zeit mit der Entschärfung einer Gefahrenstelle.
Das Einzige,was die Senatsentwaltung für Stadtverwicklung gut kann ist
Aussitzen oder prägnanter formuliert lebensgefährliche Ignoranz.
Wäre den Cree-Indianern das Drama mit unserem Radverkehr bekannt gewesen, hätten sie ihre Weissagung bestimmt so formuliert:
„Erst wenn das letzte Blech zum Auto gepresst,
das letzte Öl im Auspuff verraucht,
der letzte Radler umgebracht,
werdet ihr feststellen, dass man ohne Fahrrad kaum vorwärts kommt“.
„Der Radweg und die Radspur werden also immer entweder die gefährlichere oder die langsamere Alternative bleiben.“
Und was konkret ist hier die andere Alternative?
Einfach nix, oder? Wer kann fährt mittig auf der Fahrbahn, immer schön zwischen den Baulastern – die können ja bremsen, sehen einen ja so gut – und wer das nicht schafft, der …ist dann selber schuld??
Vielleicht verstehe ich Dich ja miss aber wer von einer schlechteren Alternative spricht sollte auch sagen wie an so einer fiesen Stelle die bessere Alternative denn aussehen würde.
@fab, Du musst echt mal an Deinen Beißreflexen arbeiten. Ich habe schon mehrfach geschrieben, dass ich vielbefahrene Hauptstraßen nicht unbedingt für aufhübschbar halte und daher Pseudolösungen kritisch gegenüberstehe.
Ein wichtiger Ansatz, Radwege eben überhaupt befahrbar zu machen liegt nunmal in den Ampelschaltungen, und die werden, wenn man sich den Weg mit Rechtsabbiegern teilt und trotzdem ordentlich schaltet, nunmal kürzer als auf der Geradeausspur sein. Wenn Dich schon so eine Aussage stört, will ich es eigentlich gar nicht wissen.
Die Aussage stört mich nicht, sie trifft allerdings nicht ganz meinen Punkt.
Du sagstest es doch selbst – es ging oben um das „Entschärfen der Gefahrenstelle“. Wie entschärft man hier?
@fab, also sorry – aber man hat ja das Gefühl, Dich persönlich zu beleidigen, wenn man mal Bedenken zu Radstreifen oder -wegen äußert. Das meinte ich mit den Beißreflexen. Radstreifen oder -wege werden, egal wie perfekt sie sind, immer Vor- und Nachteile haben und die Nachteile werden schon von ADFC und fahrradfreundlicher Presse weggewischt. Ich werde sie schon deshalb immer wieder benennen.
Wie man an der Unfallstelle entschärft? Entweder man verringert die Breite der Spur, so dass alle hintereinanderfahren oder man markiert einen richtigen Radstreifen – nicht so eine aufgemalte Einladung zum Nahüberholen – und signalisiert ordentlich.
Bei nochmaligem Lesen scheint mir, dass der Blogeintrag und berlinradlers Kommentar den winzigen „Aufstellstreifen“ für unfallursächlich halten. Das heißt, ohne den Streifen würden sich Radfahrer und LKW hintereinander aufstellen.
Das halte ich für nicht für realistisch. Meine tägliche Beobachtung ist, dass Radfahrer und LKW auch ohne solche Streifchen häufig nebeneinander geraten. Das könnte man sicherlich durch Zählungen an geeigneten Kreuzungen näher untersuchen. Solange es dazu keine Zahlen gibt, wäre meine Annahme, dass ein Abschleifen der Streifchen nicht ausreicht, um Hintereinanderherfahren zu gewährleisten.
Meine Kritik am Hintereinanderfahren als Konzept für solche Stellen hatte ich oben, sicherlich etwas zu sehr zugespitzt, formuliert. An solchen Stellen ist mir Sicherheit wichtiger als ein möglicher Nachteil bei der Schnelligkeit .
Kommentare über Kreuz – berlinradlers zweiten Absatz trifft stellt die beiden sinnvollen Möglichkeiten dar.
Die Variante „Spurverengung“ müsste man meiner Meinung nach flankieren mit eindeutiger Beschilderung, was dort von allen Fahrzeugen verlangt wird: Eine Art „sharrow“, klares Konzept für die Einfädelung, Vorkehrungen gegen Gehwegradeln. Und selbst dann bleiben mir Zweifel an der Akzeptanz durch viele RadfahrerInnen.
@fab, der Blogeintrag ist von mir – somit besteht eine „Meinungsunion“ zwischen ihm und meinen Kommentaren.
Über die konkrete Unfallursache will ich nicht spekulieren, weil ich glücklicherweise nicht dabei war. Vielleicht fuhr die Radfahrerin nicht mal auf der Fahrbahn, sondern auf dem Gehweg – das wäre dort rein technisch möglich. Vielleicht war sie zuerst an der Kreuzung und der Lkw kam später. Vielleicht war der Lkw zuerst an der Kreuzung. Ich weiss es nicht und behaupte nicht, es zu wissen.
Ich halte den Aufstellstreifen so, wie er dort gemacht ist, aber für grundlegend falsch. Zum einen hat er eine zu geringe Breite, zum anderen lädt er nunmal direkt dazu ein, sich neben anderen wartenden Fahrzeugen aufzustellen. Er ist auch nicht weit genug vorgezogen, so dass ein wartendes Fahrrad die ganze Zeit innerhalb des toten Winkels steht.
Nicht jedem ist die Rechtsabbiegerproblematik so präsent, manche fahren auch einfach nur, um von A nach B zu kommen und vertrauen dabei ein wenig in die Sinnhaftigkeit der Infrastruktur. Die sehe ich an der Stelle nicht gegeben, für mich ist das ein klassisches Beispiel einer kontraproduktiven Radverkehrsanlage.
Und ja, auch ohne die Streifen geraten Lkw und Radfahrer nebeneinander, allerdings denke ich, dass die Erziehung mittels falsch gemachter Streifen dazu beiträgt.
Variante “Spurverengung” wäre dort aber auch keine Lösung: Es gibt dort Blechrückstau bis zum Center… da will sich doch keiner mit dem Rad anstellen…
An genau der Stelle wäre ich für einen Radstreifen, der aber Kopenhagenlike abgetrennt ist, sonst warten die KFZ in 2er Reihe…
Ich glaube aber es passiert gar nix, an der Tramhaltestelle davor gibt es ja schon die Verengung auf eine KFZ Breite und die Tram fährt mittig weiter, der Fussweg ist auch nicht riesig, also wird da kaum ein breiterer Radstreifen hinkommen. Umsetzung der Baupläne von 1970, oder so…
Ich denke, das sind zwei unterschiedliche Themen. Natürlich ist die zugestaute Straße, bei der man sehr viele Ampelphasen braucht, bis man an der Kreuzung ist, ein Problem. Als Radfahrer steht man da wie ein Idiot im Stau, oder weicht gar auf den Gehweg aus – eine Zumutung für alle.
Damit, dass die Spur ausgerechnet vor der Unfallkreuzung superbreit wird, ist aber nichts gewonnen.
„Ich halte den Aufstellstreifen so, wie er dort gemacht ist, aber für grundlegend falsch. Zum einen hat er eine zu geringe Breite, zum anderen lädt er nunmal direkt dazu ein, sich neben anderen wartenden Fahrzeugen aufzustellen. Er ist auch nicht weit genug vorgezogen, so dass ein wartendes Fahrrad die ganze Zeit innerhalb des toten Winkels steht. […]
Und ja, auch ohne die Streifen geraten Lkw und Radfahrer nebeneinander, allerdings denke ich, dass die Erziehung mittels falsch gemachter Streifen dazu beiträgt.“
das stimmt. Es ist auch unglaublich, dass es noch so viele blödsinnige Straßenbemalungen in Berlin gibt.
berlinradler: „der Blogeintrag ist von mir – somit besteht eine “Meinungsunion” zwischen ihm und meinen Kommentaren.“
Ich finde gut, dass Du das Thema aufgegriffen hast; der Zusammenhang zwischen Verkehrspolitik und Sicherheit ist in der Tat entscheidend und geht in der Presse oft etwas unter. Der Tagesspiegel wird zum Glück auch immer besser.
Hier in ach so fahrradfreundlichen Hamm, hat es letzten Freitag einen 80-Jährigen Radfahrer erwischt. Auch wieder rechtsabbiegender LKW, der den Mann überrollt hat. Er verstarb aber erst ein oder zwei Tage später im Krankenhaus.
Radwegsituation ist mal wieder nicht gerade vorbildlich. Hier mal ein Bild von Ende August. Was man wohl nur auf den dritten Blick erkennen kann, der „Radweg“ wird an der Einfahrt direkt hinter dem Schildermast nach links auf die Straße geführt. https://farm1.staticflickr.com/722/21106457486_cf5e727521_z.jpg
Der Mann hat sich dann wohl am LKW vorbei bewegt, hatte natürlich Vorfahrt, aber der LKW-Fahrer hat das alles nicht im Blick gehabt und Boing, minus Eins.
Überforderung ist rasch gegeben, aber wenn dann noch keinerlei auffällige Hinweise auf solche Risikostellen existieren, dann gibt es noch weniger Gründe für überforderte Fahrzeugführer den wichtigen Aha!-Effekt des „hier MUSST du nochmal besonders aufpassen“ Moments zu erkennen.
Würden Radfahrer nicht erst so kurzfristig auf die Straße übergeleitet, wäre die Lage auch nochmal etwas anders. Aber so…
Aufs Automobil ausgerichtete Infrastruktur behält ihre Risiken halt auch dann noch, wenn eine halbgare pro Forma Radfahrerlösung gebastelt wird.
Für die ‚Flugsicherheit‘ werden problemlos mindestens Multimillionenbeträge ausgegeben. Wahrscheinlich liegt das sogar eher im Bereich Multimilliarden.
Da sitzt aber auch oft genug ‚die Elite‘ im Flugzeug, und wenn die wertvollen Körper unserer ‚Leistungsträger‘ auf ein Verkehrsmittel angewiesen sind, dann ist Geld halt sekundär.
Der Rest der ‚Normalos‘ profitiert aber immerhin.
Christoph (post1) schrieb ja ähnliches zum Bahnverkehr.
Beim Radverkehr scheint das grundlegend anders zu sein. Weltweit dürften wohl viele tausend Radfahrer und Fuassgänger ihr Leben lassen, weil die Logistik-Branche in der globalisierten Wettbewerbsgesellschaft und in den jeweiligen ‚Standorten‘ innerhalb der neoliberalen Doktrin nicht finanziell belastet werden darf.
Schliesslich müssen wir im globalen Wettbewerb bestehen, da darf das 1-Euro Fahrradlicht aus China nicht zu teuer werden 😉
Nicht mal das gegenwärtige extreme Spritpreisdumping wird ja genutzt, um die längst überfällige LKW-Sicherheitstechnik verbindlich zu verordnen.
Es kann vielleicht spannend werden, wenn ‚Leistungsträger‘ oder deren Kinder zu Opfern der Logistik-Sparpolitik werden. Womöglich ist das die einzige Chance, dass es mal den Nachwuchs oder ein Elternteil eines Verkehrsministers erwischt. Der Verkehrsminister selbst ist ja recht sicher mit Auto und Flugzeug unterwegs.
Aber davon abgesehen:
@Fab:
„An solchen Stellen ist mir Sicherheit wichtiger als ein möglicher Nachteil bei der Schnelligkeit .“
Das spricht ja mal wieder für duale Infrastruktur.
‚Schnelle‘ können dann nach der Devise ’sicher bin ich nur dahinter‘ fahren, wobei idealerweise eine Lösung gefunden wird, die ein schnelles Passieren des MIV-Staus (rush-hour) ermöglicht.
Unsichere können dann in den Genuß einer konfliktfreien LSA-Schaltung kommen.
Das sollte eigentlich schon – abgeleitet aus den Menschenrechten – ein absolute Selbstverständlichkeit sein, dass ‚Grün‘ auch eine objektiv sichere Passage bedeuten MUSS.
MUSS !!!
Die preisgünstige Alternative kommt aus der ‚Fahrradhauptstadt‘ Münster (wurde hier schon mal diskutiert) :
http://www.sicher-durch-muenster.de/aktionen-nachrichten/nachrichten/liebe-macht-blind.html
Wenn sich das etabliert ist die Lösung doch ganz einfach!
Die Radfahrenden halten stets sowohl bei Rot, als auch bei Grün, und die so wichtige Transport-Logistik hat freie Fahrt. Bestechend einfach und konkurrenzlos billig!
@Jochen G
Das wäre ja auch eine Lösung für Hamm: einfach den Münsteraner Verkehrssicherheits-Spot anfordern und in den Kinos Hunderttausendfach unter die Leute bringen, dann wissen die Toten wenigstens, dass sie selbst Schuld waren, und die Trucker sind psychisch entlastet.
Aber davon mal abgesehen: Weiss vielleicht jemand wie es sich nun wirklich aktuell mit dem toten Winkel bei der gegenwärtigen Gesetzeslage und der vorgeschriebenen Ausstattung verhält?
http://adfc-berlin.de/radverkehr/sicherheit/information-und-analyse/121-fahrradunfaelle-in-berlin-unfallstatistik/222-exkurs-der-tote-winkel.html
Stimmt das?
Einerseits ist das Phänomen ja offiziell gar nicht mehr existent, anderseits beruft sich die Trucker-Szene immer darauf, dass der tote Winkel noch existiert.
Z.B. (wer sich das antun will)
http://www.truckerfreunde.de/index.php/Thread/47844-Der-Tote-Winkel-und-die-Radfahrer-Aktivisten/
Was die Beißreflexe trotz abstruserweise doch eigentlich weitgehend kongruenter Meinung angeht so habe ich hier soeben ein, ja wie soll man das nennen, „Déjà-Lu“ erlebt.
Meiner Ansicht sind Radfahrstreifen und Schutzstreifen weitaus schlimmer als Hochbordradwege: Im Fall des Hochbordradweges fährt man eben auf der Fahrbahn, mindestens 1,5m links von rechts geparkten Outos – und schon fühlt man sich besser. (Erweiterung, damit’s wirklich Hand und Fuß bekommt: man fahre außerdem höchstens 1,7m weit rechts von der linken Begrenzung des rechten Fahrstreifens um Kraftwagen über die Fahrstreifenbegrenzung hinweg zu zwingen, den erst dann lassen sie Platz, fährt man weiter rechts werden sie sich wiederum hindurchzwängen, gut zu erleben an jeder mittigen Verkehrsinsel)
und unterlasse es unter allen Umständen sich zum greradeausfahren rechts von rechtsabbiegendem Schwerverkehr einzuordnen.)
Ein Radfahrstreifen muß laut RASt06 mindestens einen Meter Breite haben und ist nur seltenst mal zwei Meter breit. Für Schutzsstreifen ist überhaupt keine Mindestbreite vorgeschrieben. Beide sind in jedem Fall und unter allen Umständen unbrauchbar, denn 1,5m Abstand zu parkenden plus 1,5 Abstand zu Überholenden oder Entgegenkommenden plus Breite des Radfahrers 0,5 plus ihm beiderseits zuzubilligende Schwankungsbreite 2×0,25 macht 4m, in Worten: vier Meter. Ja, unglaublich. Und nein, soviel Platz gibts in der Stadt tatsächlich nicht. Aber auf jeden Fall beschneidet ein Radfahrstreifen einen Radfahrer in seinem (schutzwürdigen, oder nicht?) Bedürfnis nach seitlichem Abstand. Würde ein mit legalem rechtsseitigen Abstand fahrender Radfahrer von einem mit legalem rechtsseitigen Abstand fahrenden Outo überholt so müßte dieses dazu jedenfalls komplett den Fahrstreifen wechseln. Dadurch wäre viel gewonnen! Was aber passiert de facto? Radfahrer werden in die Besucherritze eines kaum ehebettbreiten Radreservates gepfercht und zu kriminellem Abstand rechts wie auch links genötigt. Belästigung, Gängelung, Schmutz, Hörschaden, Nötigung, Bedrohung und pausenlose permanente Lebensgefahr schon im Normalbetrieb kennzeichen den radstreifenbenutzenden Radfahrer.
Ohne Outos gäbe es:
-nicht einen Radweg
-nicht eine Ampel
-nicht eine Einbahnstraße
auf Erden.
Sollten Gynmasiallehrkräfte zugegen sein: Jawohl, die Aussage mag in ihrer scheinbaren Absolutheit überspitzt sein, gleichwohl fördert dies die Anschaulichkeit; ist mithin intendiert.
Den sogenannten toten Winkel beim LKW gibts theoretisch (fast) nicht. Sonst wäre es manchmal ziemlich schwierig einen Anhänger rückwärts an ne Laderampe zu docken. Geht aber einwandfrei – wenn man sich die Zeit nehmen kann alles im Spiegel genau anzugucken. Und dennoch werden selbst dann noch, beim ruhigen Rangieren immer wieder an den LKW oder dem Speditionshofmobiliar irgendwelche Ecken abgerundet, Verkehrsschilder oder Regenrinnen oder Bordsteinkanten ‚umdekoriert‘ und so weiter.
Aber bei den üblicherweise mehr oder weniger schlechten Bedingungen im Verkehr, also Fahrer müde, Fahrer genervt, Fahrer verspätet, Fahrer gelangweilt, Lieferscheine wieder mal unleserlich, Navi spinnt, Ladung ungleichmäßig verteilt oder nicht ganz ordentlich verzurrt, Zigarette brennt schlecht, Waschküchenwetter, Regen, Nebel, Nacht, Dämmerung, Schlagschatten durch Bäume o.ä., tiefstehende Sonne von vorn, von links oder von hinten, die rechten Außenspiegel wurden schon länger als ne Stunde nicht mehr mikrogefasert, Tagfahrlicht nachfolgender Fahrzeuge zerstreut die Sicht im Spiegel, Disponent ruft an, Kunde ruft an, Polizei in Sichtweite bindet Konzentration, Radweg verläuft gut versteckt hinter Autos, Bäumen, Mülltonnen, Wartehäuschen und sonstigem Geraffel, Fußgänger und Radfahrer kommen gleichzeitig undoder aus mehreren Richtungen, …
–(also eigentlich immer)–
…dann ist rechts eigentlich nicht nur ein Winkelchen tot, nee, sondern mehroderweniger die komplette rechte Seite. Einen Radfahrer immer ganz bestimmt sehen zu wollen, haha, das wird jedenfalls und ganz bestimmt zum Vabanque. Ich habe mehrere Jahre lang Lastzüge bewegt und ich weiß wie kalter Schweiß sich anfühlt. Daß diese Zustände unhaltbar sind ist keine Frage, selbstverständlich sind sie das! Aber eine Tatsache sind sie bis auf weiteres nun mal auch. Und ich kann nur dringend, dringend raten sich fernzuhalten. Rechts von rechtsabbiegenden Lastzügen ist Todeszone.
Falls es etwas Verdeutlichung sein darf: „Mitten“ auf „der Straße“ „den Verkehr“ „aufzuhalten“, obwohl da doch „‘n Farrattweeech“ sei – dafür bin ich stets gern zu haben. Mit öliger, unbeirrbarer Höflichkeit Diskussionen mit hupenden, brüllenden, schnappatmenden Blechbewegern auszusitzen, dafür ebenfalls sehr, sehr gern. Aber Leute, ich bin nicht lebensmüde. Rechts vom Sattelzug? Nie-mals.
Zitat: Rechts vom Sattelzug? Nie-mals.
Stimmt. Das muss man einfach als Radfahrer akzeptieren, solange es Ampeln gibt, die rechtsabbiegenden Elefanten und geradeausfahrwilligen Radfahrern gleichzeitig Grün zeigen.
Als ich von dem Unfall an dieser mir nur zu gut bekannten Ecke las, dachte ich gleich: Die arme Frau, hat gewiss nur wenig Radfahrerfahrung gehabt.
Ich bin in etlichen Jahrzehnten nur wenige Male in gefährliche Situationen mit motorisierten Rechtsabbiegern geraten und das waren fast immer aggressive Vollpfosten von der Sorte Die-5-Meter-bis-zur-Kreuzung-reichen-mir-um-dem-blöden-Radfahrer-noch-einen-schönen-Schreck-einzujagen.
Meiner kleinen Tochter erkläre ich jedenfalls immer wieder, daß Ampeln nicht unwichtig sind, aber das Einschätzen der Bewegungen, Geschwindigkeiten und Unfähigkeiten von Autobewegern ist noch viel wichtiger.
..oder der Verkehrsplaner, oder die Strassenverkehrsbehörde, oder der LKW-Fahrer.
@figurenwerk-berlin:
Und wie immer, meine Gegenfrage, was macht man, wenn man vorn an der Ampel steht, und sich jemand links von einem aufstellt mit der Absicht abzubiegen? Löst man sich in Wohlgefallen auf, vertraut man auf Regeltreue und Rücksichtnahme? Und nein, man kann sich als Radfahrer an einer Ampel nie so aufstellen, dass nicht noch ein Autofahrer der Meinung ist, daneben stehen zu können, zumindest lehrt mich das meine Erfahrung, notfalls wird man an der Haltelinie touchiert.
@Kohl
Sie fahren wohl noch nicht so lange mit einem Fahrrad oder warum muss man Ihnen da was erklären?
Ich mache das so, daß ich in einem solchem Fall zum Autofahrer schaue, also Kontakt aufnehme. Ist ein Blickkontakt hergestellt, fahre ich langsam an.
In den letzten Jahrzehnten hatte ich fast ausschließlich mit Autofahrern zu tun, bei denen das funktioniert hat.
Ich bin auch noch nie „touchiert“ worden.
Vielleicht komme ich auch besser als mancher Radfahrer, der sich dauernd den Kopf über sein Vorfahrtsrecht zerbricht, klar, weil ich auch des öfteren aus einem Auto schaue.
Bin übrigens bis gerade eben 1,5 Stunden im schönsten Berufsverkehr in Schöneberg/Kreuzberg/Köpenick geradelt – Probleme hatte ich, wie fast immer, mit radelnden Falsch- und Dunkelfahrern.
Es geht nicht darum mir etwas zu erklären, und danke für die Unterstellung, und generell den Ton von oben herab, ganz was feines.
Es geht einfach nur darum, dass man sich nicht stets davor schützen kann, neben einem Sattelschlepper zu stehen, auch nicht mit 120 Jahren Erfahrung auf dem Rad.
@ figurenwerk: Verkehr sollte auch für ‚arme Frauen, die nur wenig Radfahrerfahrung‘ haben funktionieren, genauso wie für 10-jährige, die nicht mehr auf dem Gehweg fahren dürfen und in einem abgezäunten Areal ihren „Radführerschein“ gemacht haben und genauso wie für so arme Wichte wie Kohl und mich, die noch nicht so lange mit einem Fahrrad fahren.
(Warum muss man das erklären?)
@Michael S
Doch leider verunglücken all diese „Unerfahrenen“ oft dort wo sie sich sicher fühlen – auf Radverkehrsanlagen.
Gerade die sollten dort fahren wo Verkehr berechenbarer ist und das ist eben auf Radverkehrsanlagen nicht so.
@Michael S
Hier wird ja immer viel diskutiert, was alles sein sollte, wie man Verkehrsführungen ändern sollte, damit auch Omi überall radeln kann, ohne gefährdet zu sein.
Die Realität ist aber, daß Radfahren auf dem vorhandenen Straßennetz (in Berlin) immer gefährlich ist, ob auf der Fahrbahn oder auf Radwegen, egal.
Es ist nicht soviel Platz vorhanden, daß man dem Radfahrer sichere Wege abseits von Sattelschleppern und anderem motorisierten Zeugs bieten kann und Tunnel oder über der Fahrbahn hängende Radwege wird’s nie geben.
Also muss man als Radfahrer lernen, mit den Gegebenheiten umzugehen und da hielte ich es, ehrlich gesagt, für sehr nützlich, wenn vom Senat Geld in, für Teilnehmer kostenlose Kurse investiert werden würde, in denen solche Dinge, wie ich sie meiner Tochter (siehe oben) immer wieder am praktischen Beispiel erkläre, unerfahrenen Radfahrern erläutert werden.
Die Unfallzahlen durch Rechtsabbieger vs. Radfahrer ließen sich gewiss durch begleitetes Fahrtraining besser senken, als mit immer mehr Technik und Regelwerk. Eine große Erleichterung für die Sicherheit des Radfahrers wäre allerdings außerdem flächendeckend Tempo 30 für KFZ.
Aber auch das wird es hier so bald nicht geben, also muss man als Radfahrer lernen, wie man sich in diesem KFZ-Straßensystem verhält, wie man Risiken vermeidet und das muss man sehr wohl manchem erklären.
Platz ist schon da, nur sind Parkplätze eben noch wichtiger als die Sicherheit und der Komfort von Radfahrern.
Ich muss hier Michael voll zustimmen, Verkehr muss für jedermann sicher organisiert werden. Wenn nur superkonzentrierte Vollprofis sicher unterwegs sind, hat man alles falsch gemacht. Die Frau ist eventuell genau so gefahren, wie von der Verkehrsplanung dort forciert. Das ist ein Systemfehler, nicht Fehler der Verunglückten.
Nicht jeder ist in der Lage, sich eine super Fahrweise anzueignen – wie andere Fähigkeiten ist das bei manchen besser, bei anderen weniger gut ausgeprägt. Im Alter kann ein zuvor sicherer Fahrer unsicher werden.
Alles gut so wie es ist, nur die Radfahrer müssen sich eben anpassen? Sehe ich voll und ganz anders.
Ich bin kein Verkehrsplaner und auch kein „Vollprofi“.
Mir ist wichtig, meiner Tochter eine „super Fahrweise“ zu vermitteln, damit sie nicht das gleiche Schicksal wie die Verunglückte erleidet.
Bis hier in Berlin soviel verändert wurde, daß Radfahren für jedermann ungefährlich geworden ist, ist sie bestimmt schon volljährig und für diese Zeit ist es nun mal das beste Rezept zum Überleben, sich anzupassen bzw. zu lernen, wie man mit den realen Gefahren umgehen muss.
Wenn hier irgendjemand aus diesem Text herausliest, daß ich gegen eine Neuorganisation des Verkehrs bin, der hat mich halt nicht richtig verstanden.
Hier in Altona wurde im Dezember einer Frau von einem linksabbiegenden LKW ein Bein abgefahren.
BASt 2004
Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern an Kreuzungen durch rechts abbiegende Lkw, Kap. 4.2.3.:
Die in die untersuchten Unfälle verwickelten ungeschützten Verkehrsteilnehmer waren zum großen Teil Radfahrer (78 von 90, Bild 42) und stammen aus allen Altersklassen, Bild 43. Das weibliche Geschlecht ist bei den Fußgängern/Radfahrern deutlich häufiger (> 60 %) als das männliche vertreten, Bild 44. Diese Verteilung von etwa 1 : 2 (Männer Frauen) entspricht nicht der in der amtlichen Statistik ausgewiesenen Verteilung für Radfahrer (etwa 2 : 1).
Frauen haben demnach ein 4fach höheres Risiko, von einem Lkw übergemangelt zu werden.
Auch in GB, wo die Radfahrerinnen nach einer nur noch im Autoland Deutschland verbreitet anzutreffenden Theorie mangels Radwegen besonders gut gesehen werden sollten, fahren nur wenige Frauen Rad. Der Tod durch abbiegende LKW trifft trotzdem besonders sie.
Der Gurardian schreibt am 21.5.2010:
Women cyclists ‘at greater risk from lorry deaths’
Ten of the 13 people who died in cycling accidents in London last year were women.
Transport for London (TfL) hat zu diesem Problem eine Studie gemacht.
Women cyclists are far more likely to be killed by a lorry because, unlike men, they tend to obey red lights and wait at junctions in the driver’s blind spot, according to a study.
Guardian:
The report by Transport for London’s road safety unit was completed last July but has been kept secret. It suggests that some cyclists who break the law by jumping red lights may be safer and that cycle feeder lanes [Radstreifen] may make the problem worse.
Man muss radfahrende Frauen warnen. Das Recht, auf das sie als körperlich schwächere ganz besonders im öffentlichen Raum vertrauen müssen, das gilt im Strassenverkehr nicht.
Männer wissen meist intuitiv, je mehr Ps, je mehr Masse, desto rücksichtsloser. Sie wittern den übermächtigen Gegner.
Frauen dagegen sind auf die durchgehende Gültigkeit von Recht und zivilisiertem Verhalten angewiesen. Sie können das nicht von sich aus in Frage stellen, indem sie Ausnahmen zulassen und z.B. von LKW-Fahrern kein zivilisiertes Verhalten erwarten.
Sie müssen, quasi offensiv, ausnahmslos von allen eine Mindestrechtstreue erwarten, sonst können sie sich nicht im öffentlichen Raum bewegen.
Das ist das Problem. Deswegen sterben sie.
Ich rate sowieso davon ab, sich vor Lkws aufzustellen, auch nicht auf diesen Aufstellflächen. Jedenfalls, wenn man nicht schneller als der Lkw ist, bzw gleich bei Rot radelt, um einen Vorsprung rauszuholen.
Denn was passiert? Der überholt und erwischt einen bei der nächsten Abzweigung.
@ figurenwerk: Das ist Autofahrerdenken pur. Radfahrer (und Fußgänger) werden niemals durch noch so viel Kompetenz ein ähnliches Maß an Sicherheit im Straßenverkehr erwerben können wie KFZ. Diese Pseudo-Kompetenz als Grundvoraussetzung zu fordern, lenkt von dem einzigen wirklichen Schutz ab: Gefahren durch KFZ entschärfen. Du bewegst dich mit der gleichen Grundeinstellung durch den Verkehr wie die Polizeikommentatoren, die den ach so kompetenten Autofahreren im Unfall-Falle ein Versehen nahelegen und den Fußgängern und Radfahrern Inkometenz oder Suizidabsichten. Dass man seinen Kindern den Umgang mit diesem mörderischen Verkehrssystem beibringt, kann ich nachvollziehen, das mache ich genauso. Ein erzwungener Umgang mit diesen Gefahren ist etwas anderes, als ihn zur Grundvoraussetzung der Straßenverkehrsteilnahme zu machen. Übrigens gehört bei mir z.B. dazu, dass ich meinen Kindern beibringe, sich das Auto anzuschauen, die Rückfahrleuchten zu beachten, den Reifeneinschlag, die Geschwindigkeitsänderungen. Der ominöse Blickkontakt, der nach zahlreichen Ratschlägen einschlägiger Selbst-Schuld-Schreiber so segensreich ist, gehört ganz sicher nicht dazu. Soviel zur “super Fahrweise”
Das wird mir jetzt zu blöd.
Schon mal in den Sinn gekommen, daß eine Portion „Autofahrerdenken“ beim Radfahren äußerst nützlich ist? Das bringt einen nämlich unter anderem auf solche Ideen, wie Blickkontakt zu Autofahrern zu suchen, bevor man vor ihrem Kühlergrill vorbeirollt, statt auf den „Reifeneinschlag“ zu starren – ein typisches Verhalten von Radfahrern, die sich an anfahrenden rechtsabbiegenden Autos vorbeiquetschen und offensichtlich darauf vertrauen, daß der Kotflügel sie schon bemerken und rechtzeitig vor dem Fahrradrahmen stoppen wird.
Ich (übrigens fast auschließlich Radfahrer) bin heute vielleicht 20 km geradelt und weiß nicht mehr, wie oft ich nach hinten links zu rechtsabbiegewilligen Autofahrern sowie ins Gesicht von aus Seitenstraßen kommenden Autofahrern geblickt habe. Sehr empfehlenswerte Art der Verständigung mit dem bösen Autofahrer, die, man glaubt es kaum, „Gefahren durch KFZ“ entschärfen hilft, aber wohl nicht so ins ideologische Bild von Bloggern passt, die an ihren Feindbildern basteln.
So hätte es ein schöner Schlußsatz sein können.
Ideologie-Vorwürfe sind eigentlich immer ein Leerargument. Beim nächsten mal einfach weglassen. Es eskaliert nur. Und dadurch überzeugt es am Ende weniger.
Ansonsten: Schön geschrieben.
Ich halte es genau so wie @Michael S.
Ich vermeide Blickkontakt.
Ich mache sogar oft genau das Gegenteil. Ich fahre so, dass Autofahrer den Eindruck bekommen ich beachte sie garnicht. Die rettende Lücke dabei natürlich immer im Auge.
Es ist dann immer wieder erstaunlich wie viele Autofahrer, die einem eben noch wie selbstverständlich die Vorfahrt nehmen wollten, ganz plötzlich
stehen belieben. Oft mit einer Vollbremsung.
Dieses ganze Blickkontaktgesuche, Durchgewinke oder Nichtgefahre macht es nur noch schlimmer.
Schaut mal wie holländische Radfahrer fahren.
Okay, Inhaltlich kam da also nichts mehr nach, schade eigentlich.
Das verständnisvoll freundliche Gesicht eines Autofahrers zu beachten, der gerade einem interessanten Radiobeitrag lauscht, zu dem er zustimmend nickt, ist in etwa so, wie sich auf grüne Ampeln zu verlassen.
@figurenwerk, ich habe auch eine Tochter und mir graut es schon vor der Verkehrserziehung in der Schule. Nicht, dass ich sie grundlegend ablehne – nur sind Erfahrungen von autofahrenden Lehrern nunmal andere als diejenigen, die für Kinder relevant sind.
Ein gutes Verkehrssystem würde so funktionieren, dass man Kindern einfach die Regeln erklärt und sie sicher unterwegs sind, wenn sie sie einhalten. Plus etwas Fehlertoleranz, die bei Kindern nunmal nötig ist. Das reale Verkehrssystem ist ganz anders, und ich bin sicher, dass Du Deiner Tochter Verhaltensweisen beibringen wirst, die weit über die Regeln oder die Erfahrungen aus der Windschutzscheibenperspektive hinausgehen.
Und dennoch bleibt ein Risikofaktor – ich würde von mir sagen, dass viele meiner Verhaltensweisen durch wiederkehrende kritische Situationen entstanden sind. Auch Kinder werden den Verkehr so erlernen, also durch eigene Fehler und das Ausgleichen von Fehlern anderer.
Das ist in meinen Augen kein gutes System.
Und zum Blickkontakt – also sorry, den kann ich bei Rechts-vor-Links-Situationen suchen, also wenn das Auto vor mir ist. Ich halte es für in den meisten Fällen unmöglich, vom Radweg aus Blickkontakt herzustellen, weil man einerseits oft in der falschen Position ist (schräg hinter dem Auto, erhöht), andererseits die Scheiben oft spiegeln und man andererseits nicht selten auch noch die Fußgänger im Auge behalten muss. Einige Male wurde mir trotz Blickkontakt die Vorfahrt genommen. Meine Taktik ist, so zu fahren, dass ich anhalten kann, wenn der Pkw mich „ausnamhsweise“ mal „übersieht“. Kommt sehr, sehr oft vor.
@vorstadt-strizzi:
Bezüglich der Überlegung weshalb Frauen so drastisch viel häufiger von Radunfällen im Straßenverkehr betroffen sind, habe ich eine andere, natürlich rein persönliche und damit subjektive Theorie.
Sie vertrauen auf das früh erlernte Verhalten, daß Frauen immer schön sind und schöne Frauen immer und überall angeschaut (begafft) und also wahrgenommen werden. Und selbstredend wird Schönheit nicht überfahren.
Hab das mal mit großem Erstaunen bei meiner damaligen SuL beobachtet, mit welcher hoch des Hauptes erhobenen Selbstverständlichkeit sie vor vorfahrtsberechtigten Fahrzeugen über die Fahrbahn stiefelte und sich dann fast schon empört wunderte, weshalb sie da nun angehupt wurde.
@ Berlinradler
„Ein gutes Verkehrssystem würde so funktionieren, dass man Kindern einfach die Regeln erklärt und sie sicher unterwegs sind, wenn sie sie einhalten.“
Das funktioniert deswegen nicht, weil Kinder keine „kleinen Erwachsene“ sind.
Kinder interagieren mit der Umwelt völlig anders als Erwachsene.
Regeln, also objektive Erfordernisse, treten weit hinter subjektiven Bedürfnissen zurück. Das kann man grundsätzlich nicht ändern, denn das ist Kindsein.
Das durchgängige Beachten von Regeln verlangt erstens eine ausgeprägte Fähigkeit zum Multitasking (Das Programm „Regelkenntnis und Regeln beachten“ muss nonstop als Subroutine mitlaufen). Diese Fähigkeit erlangt man erst mit dem Erwachsenwerden (Manche auch nie 😉 ).
Siehe auch: „Hände waschen!“ … „Hände waschen vor dem Essen.“… „Du hast deine Hände immer noch nicht gewaschen! Muss ich denn alles dreimal sagen?“
Kinder brauchen die strikte Konzentrationsfähigkeit auf das, was ihnen gerade wichtig ist. Die Kehrseite ist die Fähigkeit zur Abschottung beim Lernen, wie man alle Tätigkeiten während des Kindseins auch bezeichnen kann. Ansonsten würden sie den ungeheuren Lernprozess, den das Erwachsenwerden erfordert, nicht bewältigen können.
Unsere Spezies Homo sapiens ist gekennzeichnet von einem sehr großen Gehirn. Je größer das Gehirn einer Spezies, desto länger die Kindheit und desto mehr Schutzraum benötigt sie.
Zweitens verlangen vor allem Regeln im Straßenverkehr (rechts vor links etc.) eine Abstraktionsfähigkeit, zu denen Kinder kognitiv noch gar nicht in der Lage sind. Sie denken noch sehr wenig abstrakt und viel mehr konkret.
Beispiel: Ein 10- oder 11 jähriges Kind merkt sich von Papas Schulweg-Erkärung („Hier hast du Vorfahrt, wegen rechts vor links):
„Bei der Litfaßsäule habe ich Vorfahrt.“ („Bei allen oder nur bei dieser?“) („bei allen“ wäre eine sog. Übergeneralisierung, kommt häufig vor)
Drittens gibt es die sog. sensomotorische Integration, das Zusammenspiel von Sinnen und Motorik.
Z.B., neben vielen anderen, die Auge-Hand Koordination.
Ein Freund ruft von links, das Kind guckt dahin und zieht automatisch den Lenker mit.
Diesem Reflex auch in Stresssituationen gegenzusteuern ist sehr schwer.
Erwachsene kennen das vom Schlittschuhlaufen, Skifahren oder auch Autofahren. Steht auf einer ansonsten freien Strecke ein Baum, ein Mensch oder sonst ein Hindernis im Weg, dann wird „automatisch“ daraufzu gesteuert. Was man nämlich mit den Augen fixiert, dahin steuert man unwillkürlich. Das macht das gute, alte Reptiliengehirn, eine der ältestesten Gehirnregionen.
Der Trick ist: Das Hindernis (die Gefahr, die Beute) bewusst missachten und da hingucken, wo man hinfahren will, bzw Auge-Hand ganz entkoppeln. Das dauert, bis so etwas internalisiert ist und muss bei allen Bewegungsarten neu erlernt werden.
Schweden geht in der Verkehrssicherheit einen neuen Weg.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-138148105.html
„“Der gesunde Menschenverstand“, sagt er [Belin, Verkehrsexperte], „hat beim Thema Verkehrssicherheit nichts zu suchen. Unsere Arbeit basiert auf Forschung und Daten, und das bringt uns oft zu Ergebnissen, die der Intuition zuwiderlaufen.““
„Belin sagt, es sei ein Fehler gewesen, Kinder zu Verkehrssicherheit zu erziehen: „Das klappt eh nicht, bis sie mindestens 13 Jahre alt sind.“ Er selbst habe als Schüler viele Sicherheitstrainings absolvieren müssen, und dennoch starben damals jährlich über hundert Kinder auf den Straßen. Im Rahmen von „Vision Zero“ sei nun alle Verkehrskunde abgeschafft worden, und seither liege die Zahl der getöteten Jungs und Mädchen im einstelligen Bereich.
… Im traditionellen Verkehr … liege die Verantwortung für die Sicherheit beim einzelnen Verkehrsteilnehmer. Ihn gelte es zu schulen, aufzuklären und zu maßregeln; und wenn etwas schiefläuft, dann sei er es, auf den alle Schuld abgewälzt werde. Mit „Vision Zero“ hingegen werde ein anderes Konzept verfolgt: Nicht der Verkehrsteilnehmer muss für Sicherheit sorgen, sondern das Verkehrssystem.
Anders gesagt: Weil Menschen jeden Alters zu blöd sind, sich im Verkehr durchgängig vernünftig zu verhalten, muss das System eben komplett idiotensicher gemacht werden. Die Verantwortung dafür liegt nicht mehr beim einzelnen Straßennutzer, sondern beim Straßenbauer und Verkehrsplaner.“
„Schweden hat seither sein Verkehrsnetz umgebaut und alles umgestellt, die Gesetze, die Behördenarbeit, die Haltung zum Verkehr. Schon jetzt zählen seine Straßen zu den sichersten des Planeten.“
„Norwegen, Finnland und Dänemark haben inzwischen Teile von „Vision Zero“ übernommen. New Yorks neuer Bürgermeister Bill de Blasio hat der Stadt sofort nach Amtsantritt ein eigenes „Vision Zero“-Projekt verordnet…“
Danke für die Vertiefung @vorstadt-strizzi, interessante Überlegungen.
Worauf ich mich bezog, waren Trivialitäteb: Bei grün gehen, beim Überqueren der Straße in beide Richtungen sehen. Zum ersten Punkt muss man nicht viel sagen, die Probleme sind bekannt – der zweite Punkt wird durch Kreuzungsparken und Raserei erschwert.
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Anders gesagt: Weil Menschen jeden Alters zu blöd sind, sich im Verkehr durchgängig vernünftig zu verhalten, muss das System eben komplett idiotensicher gemacht werden. Die Verantwortung dafür liegt nicht mehr beim einzelnen Straßennutzer, sondern beim Straßenbauer und Verkehrsplaner.”
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DANKE!
@Frank, dieser Umformulierung würde ich nicht mal im Ansatz zustimmen 😉
Schon das Problem, dass es eben nicht nur die Idioten, sondern auch Unbeteiligte trifft, kommt zu kurz. Auch das Problem, dass Regeln, die die Straßennutzung nicht sicher machen, nutzlos sind, wird außen vorgelassen.
@berlinradler
Ich finde aber das es ganz gut trifft. Das ‚zu blöd‘ ist für Kinder, Unbeteiligte, etc. natürlich etwas hart. Aber wer bei Grün nicht sicher über eine Straße kann oder nicht sicher geradeaus fahren kann – dann sind die Regeln und die Planer schuld.
Das ist mein Verständnis der Aussage.
Das System ist kaputt. Rechts vor links versteht mein 4 Jähriger auf dem Kinderfahrrad nicht. Rot und Grün sehr wohl. Aber wie erkläre ich ihm das er bei Grün nicht einfach los kann? Und wie soll er schauen ob frei ist wenn 2 KFZ auf dem Fussweg parken und 7 Andere jede Ecke bis zur Kreuzungsmitte zuparken? Sowas mus planerisch verhindert werden, da die existierenden Regeln ja nicht fruchten.
Ich habe mit dem Punkt, wonach gesunder Menschenverstand sogar schädlich wäre, echte Zahnschmerzen. Da werden wieder mal sehr unterschiedliche Dinge vermischt und eine undefinierbare Schnittmengensoße als seligmachender Goldener Weg verkauft.
Ohne gesunden Menschenverstand wäre ich schon lange tot. Es kommt darauf an in welcher Weise er angewendet wird und v.a. auch durch wen. Und es kommt auf das große Ganze an.
Schweden war leider noch nie dafür bekannt auf individuelle Stärken zu setzen und diese zu fördern. Sie denken lieber in Gruppenmodellen und in Gruppen sind nunmal die Schwächsten bzw. Dümmsten ein limitierender Faktor. Alles dann ausschließlich an dieser Teilmenge auszurichten, führt dazu, daß man andere Teilmengen in ihren Fähigkeiten einschränkt bzw. beschneidet.
Und dann kommt da noch die Metaebene der Geisteshaltung zum Leben, dem Universum und dem ganzen Rest dazu, was sich dann aber den rein rationalen Argumentationen z.T. entzieht und … ich geh mal was essen.
PS: Das Ergebnis in Schweden gefällt mir aber.
So, nach dem Essen haben sie meine Gedanken nochmal neu sortiert.
Gesunder Menschenverstand erschafft keine Verkehrsregeln und erläßt keine Bauvorschriften und regelt keinen behördlichen Umgang zur Verkehrsüberwachung.
Gesunder Menschenverstand kann aber sehr dabei helfen weise oder weisere Entscheidungen zu treffen, egal ob nun für konkrete Momente im realen Straßenverkehr, oder für konkrete Entscheidungen am Reißbrett, oder bei der Planung von Kontrollmaßnahmen.
Gesunder Menschenverstand ist dabei jedem Menschen zugänglich und setzt keine allumfassende Bildung voraus, jedoch Fähigkeit und Bereitschaft zu (weitgehend) undogmatischem Denken und v.a. zum aktiven Mit- und Nachdenken und zwar für jeden Tag und jede Situation aufs Neue!
Wenn ich nun also lese, daß Gesunder Menschenverstand sehr konproduktiv wäre, um den Straßenverkehr sicherer zu machen, dann … bekomme ich Bauchschmerzen (ist auch netter als Zahnschmerzen).
Ich glaube, mein Problem mit diesem „jeder muss auf sich selbst aufpassen“ ist gar nicht so sehr praktischer Natur. Denn es ist ja selbstverständlich, dass ich das auch tue und das meiner Tochter versuche anzugewöhnen.
Ich sehe es auch keinesfalls so, dass ein funktionierendes, also weitgehend unfallfreies Verkehrssystem die Freiheit des Einzelnen einschränken würde. Es wäre ja weiterhin ein Regelsystem, das jeder eigenverantwortlich einhalten müsste – nur mit Entschärfung der Situationen, wo viele das nicht können oder wollen, insbesondere der unerträglichen Abbiegesituation.
Das ganze ist moralisch eben doch eine schwierige Gemengelage. Wie schon angedeutet, bringt der Dümmste im Straßenverkehr ja durch sein Fehlverhalten eben NICHT sich selbst um, sondern irgendjemand anderen. Und der bekommt dann die moralische Schuld in die Schuhe geschoben, weil er ja hätte reagieren können.
Wer ehrlich zurückblickt, wird feststellen, dass er selbst den einen oder anderen groben Fehler im Straßenverkehr gemacht hat oder die eine oder andere Situation falsch eingeschätzt hat. Wer das verneint, der lügt und setzt sich auf ein sehr hohes Ross. Und wer auf solche Situationen zurückblicken kann, wird eingestehen, dass er manchmal einfach nur Glück hatte und ebensogut hätte tot sein können.
Das Ideal eines Menschen, der mit einem unperfekten System perfekt umgehen kann, halte ich für ebensowenig erreichbar wie ein perfektes System – jedenfalls im Straßenverkehr. Dennoch hat das derzeitige System so grobe Fehler, dass deren Beseitigung erheblichen Einfluss aufs Unfallgeschehen hätte. Die Idee des perfekten Menschen hingegen ist reine Theorie, nicht erreichbar und hat am Ende keinen Einfluss aufs Unfallgeschehen.
Der perfekte Mensch, Perfektionismus und all sowas … siehe „Matrix“, sowas scheitert und zwar nicht nur in der vom Film erzählten Geschichte.
Durch was lernen wir? Zu einem ganz wesentlichen Teil durch Fehler. Erkenntnis gewinnt man durch Einsicht, daß gewisse Lösungsansätze nicht gut sind bzw. gar nicht funktionieren. In welcher Weise sich dieses „nicht gut ist“ konkret offenbahrt, lasse ich mal weg, das würde zu weit führen.
Wir, also wir Menschen, wir alle BRAUCHEN Herausforderungen. Durch sie wachsen und entwickeln wir uns. Daher darf niemals zuvieles „vorgekaut“ werden. Auch und gerade nicht im Straßenverkehr! Denn niemals wird es immer und überall dieses perfekte System geben und wenn wir nicht lernen immer auch eigenverantwortlich mitzudenken und entsprechend zu handeln, werden wir genau dann wieder zum Opfer, wenn wir das perfekte System verlassen.
Zuviel Behütung, also Überbehütung, hilft uns also nur scheinbar. Letztlich aber macht es insgesamt betrachtet nichts wirklich besser.
Und was geschieht mit Menschen, die sich zu sehr in Watte gepackt fühlebn bzw,. so leben? Sie werden früher oder später bei Psychologen oder Psychotherapeuten landen.
Der Knackpunkt ist daher, das richtige Mittelmaß zu finden und zu aktzeptieren, daß dort wo gehobelt wird immer auch mal Späne fallen. So hart das auch klingt, aber ein Straßenverkehr ohne Opfer, ist wieder gefährlich. Wobei ich nicht denke, daß wir Tote brauchen, NEIN die brauchen wir nicht. Aber perfekten Straßenverkehr brauchen wir auch nicht.
Kommt darauf an was man unter perfekt versteht.
Perfekt ist für mich immer wenn man nichts mehr weglassen kann.