Berliner Verkehrssicherheitsbericht 2010

Die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung, der ADAC und der ADFC stellten am Freitag den Verkehrssicherheitsbericht 2010 vor. Dieser seit 2005 jährlich erscheinende Bericht soll die Fortschritte bei der Senkung der Unfallzahlen auf der Grundlage des Programms „Berlin Sicher Mobil“ dokumentieren. Ziel dieses Programms ist eine Senkung der Verletzten- und Totenzahlen gegenüber 2005 um 30%.

Die Anzahl der verletzten oder getöteten Personen nahm im Zeitraum 2004-2009 bei den Autofahrern um 13%, bei Fußgängern um 7 % ab, stieg bei Radfahrern hingegen um 21%. Pkw und Lkw waren mit zusammengerechnet 87,9% in die meisten Unfälle verwickelt, Radfahrer in 3,1% der Unfälle. Noch deutlicher wird das Ungleichgewicht, wenn man den Modal Split und die Zahl der Verletzten und Getöteten heranzieht:

Art der Verkehrsbeteiligung Anteil am Modal Split 2009 Anteil an Verkehrs- unfällen Verletzte und Tote (Anteil, 2007-2009)
Pkw + Lkw 31% 87,9% 26,2% + 16,1% Mitfahrer
Fahrrad 13% 3,1% 28,7%
Fußgänger 30% 1,1% 13%
ÖPNV 26% 2,1% 0,2%

(Rest: motorrisierte Zweiräder und Sonstige)

Obwohl Radfahrer und Fußgänger in wenige Unfälle verwickelt sind, stellen sie einen großen Anteil der Verletzten und Getöteten. Ihr Hauptunfallgegner sind jeweils motorisierte Fahrzeuge. Mit Abstand am sichersten ist man im ÖPNV unterwegs.

Als Hauptunfallursachen der Radfahrer im mehrjährigen Mittel werden genannt: Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr (genannt werden Einbiegen und Kreuzen), Benutzung falscher Fahrbahnteile (konkret werden Gehwege und Radwege in falscher Richtung genannt), anders herum (welche durch Dritte verursachte Unfallursachen betreffen Radfahrer und Fußgänger?) gibt es keine Angaben.

Die Auswertung zeigt deutlich, dass das oben genannte Ziel von -30% im Jahre 2010 eher nicht zu erwarten ist. Im Jahr 2009 gab es 5,5% weniger Verletzte und Getötete, dies liegt wohl in der statistischen Schwankungsbreite, jedoch haben die Anteile der Verkehrsgruppen sich verschoben – zu Ungunsten von Radfahrern und motorisierten Zweirädern.

Ein „Aktionsprogramm 2010“ zeigt 12 Punkte auf, mit denen man die Unfallzahlen verringern möchte, viele beziehen sich dabei auf organisatorische Maßnahmen. Nennenswert ist ein „Radverkehrsstreifenprogramm“ für besonders unfallträchtige Strecken, Knotenpunkte und Routen, die Erweiterung der Geschwindigkeitsüberwachung und eine sogenannte „Partnerkampagne für den Radverkehr“ – übrigens der einzige Punkt im Programm, den man nicht weiter konkretisiert.

Interessant im Nachspann des Berichtes ist eine „vertiefende Untersuchung“ zu den Radverkehrsunfällen, die unter anderem feststellt, dass Unfälle mit Getöteten überwiegend von den Radfahrern selbst verursacht wurden. Weiter stellt man fest, dass auf Radwegen im Bereich von Kreuzungen und Ausfahrten häufig Unfälle zu verzeichnen waren, auf Radfahrstreifen und Schutzstreifen eine solche Häufung allerdings nicht auftrat.

Der Tagesspiegel sortiert seinen Artikel über den Bericht unter „Radfahrer“ ein und widmet diesen einen Großteil des Textes. Dementsprechend groß ist die Resonanz, bis jetzt sind 53 Kommentare eingegangen, die ein wenig vorteilhaftes öffentliches Bild der Radfahrer zeichnen.

Sicherheitsbericht 2010 (mit zwei PDF-Links)

Tagesspiegel: Verkehrssicherheit in Berlin: Zeigefinger statt Stinkefinger

Die Unfallstatistik für Radfahrer im Tagesspiegel

In mehr als der Hälfte der Fälle der Verkehrsunfälle sind die Radfahrer selbst schuld. Diese Fehlauswertung der Berliner Unfallzahlen beglückt uns nicht nur jährlich in der Unfallstatistik Radfahrer der Berliner Polizei (PDF). Auch der Tagesspiegel übernimmt die Zahl unhinterfragt. Die Zahl entsteht, wenn man alle Verkehrsunfälle (des Jahres 2009) mit Radfahrerbeteiligung zusammenzählt (7056) und sie der Anzahl der radelnden Unfallverursacher (Haupt- und Mitverursacher: 4089) gegenüberstellt. Heraus kommt ein Schuldanteil von 57,95%, der aber unterschlägt, dass auch Unfälle unter Radfahrern einbezogen sind. Unfälle unter gleichartigen Verkehrsteilnehmergruppen sind von dieser Gruppe naturgemäß zu 100% selbst verursacht.

Der so ausgerechnete Verursacheranteil ist nur sehr begrenzt brauchbar – und für Pkw fast gar nicht auszurechnen, da auf Pkw aufgeschlüsselte Angaben in der Gesamtunfallstatistik der Berliner Polizei (PDF) schlichtweg fehlen. Bliebe nur ein mühseliges Zusammenrechnen anderer Zahlen.

Brauchbar ist ein direkter Vergleich der Unfallbeteiligten.

So wurden von 4647 Verkehrsunfällen zwischen Kfz und Radfahrern 2999 vom Kraftfahrer hauptsächlich verursacht, wie folgende Grafik verdeutlicht.

Unfallverursacher bei Unfällen zwischen Pkw und Fahrrädern, Berlin 2009

Bei Unfällen zwischen Fußgängern und Radfahrern (483, davon 203 hauptsächlich von Fußgängern verursacht) sieht das Bild für Radfahrer hingegen wenig rühmlich aus:

Unfallverursacher bei Unfällen zwischen Radfahrern und Fußgängern, Berlin 2009

Unfälle zwischen Radfahrern kann man indirekt aus der Unfallstatistik ablesen, indem man die Gesamtanzahl der Unfälle (7056) von der Gesamtzahl an Unfällen beteiligten Radfahrer (7452, vgl. S. 20 der Statistik) abzieht. Heraus kommt 396. Da bei einem Unfall zwischen Radfahrern immer ein Radfahrer schuld ist, wurden 396 dieser Unfälle von Radfahrern verursacht. Diese Zahl ist zwar nicht brauchbar, wird von Polizei und Tagesspiegel aber indirekt verwendet, indem sie in die Gesamtzahl aller Unfälle einfach mit einfließt. Grafisch veranschaulicht:

Unfallverursacher bei Unfällen zwischen Radfahrern, Berlin 2009

So genau hat man die Zahlen beim Tagesspiegel leider nicht analysiert, dafür gibt es als Ersatz zahlreiche Einzelfall-Beispiele, bei denen Radfahrer erwartungsgemäß nicht gut wegkommen.

Tagesspiegel: Radfahrer sind oft selbst schuld an Unfällen

Zwei Fahrradunfälle

In Pankow „übersah“ heute früh ein Autofahrer einen vorfahrtberechtigten Radfahrer. Der Unfall ereignete sich an der Dunker- Ecke Wichertstraße. Der Radfahrer wurde verletzt.

Zur Polizeimeldung

Zum Stadtplan

Ein weiterer Unfall ereignete sich gestern in Buckow. Beim Linksabbiegen „übersah“ eine Autofahrerin den ihr entgegenkommenden Radfahrer und verletzte ihn schwer. Die Autofahrerin wollte von der Rudower Chaussee in die Lipschitzallee abbiegen.

Zur Polizeimeldung

Zum Stadtplan