Gestern wurde an der Ecke Ernst-Ruska-Straße und Wegedornstraße eine Radfahrerin von einem rechtsabbiegenden LKW überfahren und getötet. Um das Thema Toter Winkel nicht allein den trauernden Angehörigen der getöteten 49-jährigen Radfahrerin zu überlassen, haben sich zwei Berliner Fahrradaktivisten gestern Nachmittag spontan entschlossen, vor Ort ein Zeichen zu setzen. Mit einer Kette und Schlössern ketteten sie sich symbolisch an der Unfallkreuzung fest, um ihren Protest auszudrücken. Einer der beiden war der ehemalige Berliner Fahrradbeauftragte Benno Koch.
Benno Koch: „Es gibt keinen sinnloseren Tod als im toten Winkel eines Lkw“. „Tödliche Unfälle dürfen nicht nur in Statistiken und Gesetzes-Kompromissen thematisiert werden, sie müssen bekämpft werden, wo sie stattfinden: Auf der Straße!“ gibt der zweite angekettete Martin Keune seiner Wut und Ohnmacht Ausdruck.
Benno Koch: Toter Winkel – Fahrradaktivisten Keune und Koch ketten sich an
So lange Radverkehrsanlagen gebaut werden die sich rechts von rechts abbiegenden Kraftfahrzeugen befinden werden weiterhin Radfahrer umgefahren. Das wird auch mit Fahrradspuren und Toter-Winkel-Spiegel so weitergehen.
Mich würde auch interessieren, was Arvid Krenz – der neue Fahrradbeauftragte – zu den Themen Dobli-Spiegel, Hochbordradwege, Benutzungspflicht und (Nicht-)umsetzung aktueller Regelpläne so sagt…
Richtig gute Aktion. Hoffe mal, dass es nicht nur bei Symbolik bleibt. Und anderseits darf nicht vergessen werden, das man nicht in den toten Winkel kommen kann, wenn man gar nicht dort fährt oder fahren muss. Deshalb finde ich, es wäre an der Zeit, auch die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung zur Verantwortung zu ziehen. Andererseits müssen Radfahrer immer noch und vermehrt über die Gefahr im toten Winkel aufgeklärt werden.
EDIT: Ich sehe gerade, weiter unten in der Originalmeldung steht auch deutliche Kritik an Gehwegradwegen drin.
Zitat Benno Kochs Seite:
„Auch neue Radwege entsprechen nicht immer dem Stand der Technik und werden noch zu oft zu Lasten der Fußgänger auf Gehwegen geführt. Und mit zu oft tödlichen Folgen für Radfahrer selbst – 81 Prozent aller schweren und tödlichen Fahrradunfälle finden im Kreuzungsbereich auf baulich angelegten Radwegen statt. Also auf dem Gehweg wie heute morgen.
Radverkehrsanlagen aus einem Guss müssen das Ziel sein – wie bei Straßen für den Kfz-Verkehr selbstverständlich. In einer Stadt wie Berlin heißt dies, Radspuren auf den Fahrbahnen im Sichtfeld der Autofahrer zu markieren. Die Haltelinien für Radfahrer müssen an Kreuzungen fünf Meter vor dem Kfz-Verkehr und über die gesamte Fahrbahn vorgezogen werden. Dafür gibt es sogar schon die geänderten Regelpläne – konsequent umgesetzt werden sie jedoch nicht. „
Ich würde mir wünschen, dass diese schrecklichen Meldungen nicht immer automatisch zu einer Diskussion pro und contra Radwege / Radspuren führen würden.
Es geht doch um etwas ganz anderes. Nämlich darum, dass Kraftfahrern (und speziell LKW-Fahrern) bewusst wird, welche Gefährdung sie für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. Auch ein LKW, der einen Radfahrer auf einer Straße ohne Radweg/Radspur/Angebotsstreifen überholt, kann dessen Vorfahrt missachten und ihn gefährden. Auch dies erleben wir doch nahezu täglich. Der tote Winkel lässt sich durch den Radfahrer nicht völlig vermeiden – auch nicht dadurch, dass man auf der Straße fährt!
Wenn man die Kommentare unbedarft liest müsste man meinen, dass wir nie wieder tödliche Unfälle bei Radfahrern hätten, wenn wir alle Radwege und Radspuren abschaffen würden. Nein, natürlich wird dies NICHT explizit behauptet.
Aber die Argumentation geht in diese Richtung und legt den Schwerpunkt viel zu einseitig auf einen Faktor.
Wie in dem Artikel von Benno Koch beschrieben wird müssen mehrere Faktoren berücksichtigt bzw. verändert werden:
– Sichtbarmachen von Radfahrern durch konsequentes Verbannen von Radwegen auf Gehwegen
– Sichtbarmachen von Radfahrern und anderer „schwacher“ Verkehrsteilnehmer durch die Pflicht, weitere Spiegel oder Kameras in großen Fahrzeugen zu montieren
– sowie die Kontrolle der Einhaltung durch die Polizei
– stärkere Ahndung der Nichteinhaltung, besonders nach Unfällen
aber auch:
– breite Aufklärung von allen Bevölkerungsgruppen über die Gefahren, die von LKWs ausgehen und besonders durch den toten Winkel vergrößert werden. Man wird nie ausschließen können, dass sich Verkehrsteilnehmer unachtsam verhalten. Umso mehr müssen Radfahrer damit rechnen. Leider.
….GELUNGENE AKTION!!! Das wird das Thema Toter Winkel hoffentlich weiter in den Medien halten.
Danke an die beiden Aktivisten 🙂
@bikeblogger: Ich stimme dir in allen Punkten 100% zu. Ich habe nur deswegen so darauf bestanden, dass AUCH über Radwege diskutiert wird, weil das früher(nicht auf dieser Seite, aber an anderer Stelle) nicht so war. Es wurde immer nur über den Spiegel geredet und dass LKW-Fahrer und Radfahrer doch aufpassen mögen. Das finde ich dann doch zu kurz gedacht.
Du hast absolut Recht insofern, dass eine reine Diskussion über den Sinn von Wegen bzw Streifen an dieser Stelle ebenfalls zu kurz gedacht ist. Insofern freut es mich, dass die Meldung auf Bennos Seite so differenziert ausfällt.
Ich habe allerdings Zweifel, dass die Presse aus so einem Thema, was ja für einen Aussenstehenden sehr komplex ist, das richtige macht.
Ich hatte heute auch einen Beinaheunfall, es wäre aber ein Frontalzusammenstoß mit einem LKW geworden.
Der LKW-Fahrer war offensichtlich von einem vor ihm fahrenden PKW (Parksuchverkehr) so genervt, daß er ziemlich stark beschleunigend überholte und dabei mich, den entgegenkommenden Radfahrer übersah. Ich musste bremsen, sonst wäre ich nur noch Fliegendreck…
Unachtsamkeit hat viele Gründe. In dieser Straße (Neue Schönhauser) gibt es keine Radstreifen, dafür aber noch Straßenbahngleise, welche das spontane Ausweichen auch noch schwer machen.
@BikeBloggerBerlin
Wahrscheinlich bist Du noch nie LKW gefahren. Die Forderungen nach mehr Spiegeln und sogar noch Kameras in LKW gehen in die falsche Richtung. Welcher LKW Fahrer soll in der Lage sein all diese Dinge gleichzeitig im Auge zu haben. Normale LKW Spiegel decken schon heute fast alles ab was sich direkt rechts neben dem LKW befindet. Auf der Fahrbahn fahrende Radfahrer sind also überhaupt nicht das Hauptproblem.
Würde man mit einem Schlag alle Radverkehrsanlagen abschaffen hätten wir kaum noch solche Rechtsabbiegeunfälle. Gleichzeitig würden sich Autofahrer und Radfahrer wieder daran gewöhnen, dass die Fahrbahn, wie zu „Grossmutters Zeiten“, zum Fahren da ist – und zwar für Alle.
@siggi: merkwürdig, dass dann Polizei, Politik, Dekra, Kraftfahrerinnung etc. pp. vor den Gefahren des Toten Winkels warnen. Haben die alle keine Ahnung?
Etwas Nachhilfeunterricht: http://www.youtube.com/watch?v=ZxC02tp_ewc
Das Video sollte Pflicht für alle Verkehrsteilnehmer sein.
Leider verkehrt auch dies Ursache und Wirkung: die Möglichkeit, den Toten Winkel durch weitere Maßnahmen zu minimieren wird nicht erwähnt. Radfahrern wird quasi eine Mitschuld zugeschrieben, wenn sie den Toten Winkel nicht beachten.
@BikeBlogger: Schau doch mal bei 4:52. Vom toten Winkel am stärksten betroffen ist just der Bereich, in dem i.A. Radwege liegen.
Die ganzen versteckten Kids am Anfang des Films stehen auch überall,nur nicht da, wo sich normalerweise die Fahrbahn befindet.
@BikeBloggerBerlin:
Was soll ich darauf noch Antworten? Wenn Du selber noch nicht einmal bemerkst, dass, in dem von dir verlinkten Video, genau das bestätigt wird was ich oben geschrieben habe.
Dieses Video sollte nicht für Verkehrsteilnehmer, sondern für Verkehrsplaner pflicht sein. Doch in nehme an die wissen genau wo der tote Winkel ist und wo nicht. Daher unterstelle ich Verkehrsbehörden Vorsatz wenn sie, durch Radwege und deren Benutzungspflichten, Radfahrer zwingen dort zu fahren wo man sie nicht sieht.
Anstatt sich anzuketten sollte der ADFC besser mal die Sache von dieser Seite her angehen und mal die Verantwortlichen dieser Behörden bei der Staatsanwaltschaft anzeigen.
gute und wichtige aktion, aber bitte vorher ankündigen, wenn sich mehr als 2 personen anketten schlägt das evtl. höhere wellen.
Ich denke, Fahrbahn oder Radweg ist eigentlich egal, rechts neben einem LKW ist immer scheiße.
@chris: am stärksten betroffen… stimmt. Aber das heißt nicht, dass der tote Winkel nur dort vorhanden ist. Ich habe halt etwas gegen zu einfache und einseitige Lösungen und das Ausblenden anderer unfallauslösender Faktoren.
Manchmal stehen auch ganz interessante Sachen im Wirtschaftsteil. Die Autorin zitiert die Allianz Unfallforscher, und die kommen u.a zu dem Ergebnis, dass Rentner oft selber schuld seien daran, dass sie oft Unfallopfer beim Radfahren werden – weil sie Helmmuffel seien!
Rechtsabbieger? Spiegel? Gehwegradwege? Trügerische Sicherheit? Haben die wohl noch nichts von gehört. Und die Autorin des Artikels wohl auch nicht, sonst würde sie nicht so unreflektiert schreiben.
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/senioren-leben-gefaehrlicher-als-kinder/1843766.html
„““# BikeBloggerBerlin schreibt:
….Ich habe halt etwas gegen zu einfache und einseitige Lösungen und das Ausblenden anderer unfallauslösender Faktoren.“““
Radfahrer auf die Fahrbahn, ohne jegliche Radverkehrsführungen. Schon besteht das Problem nicht mehr – Schade, ist wohl zu einfach.
Das Ausblenden vom Hauptfaktor solcher Unfälle führst Du ja hier gerade vor. Nicht mal durch das „toter-Winkel-Video“ ist dir bewusst geworden wo man dadurch gefährdet ist und wo nicht.
Einfache Lösung, Radfahrer auf die Fahrbahn ohne jegliche Radverkehrsführungen.
Schlimm das man, wie im Video zu sehen, nun schon den Kindern ein Schuldgefühl einredet wenn sie nicht auf LKW achten. Dieses Vorbeilassen von Rechtsabbiegern, wie man es den Kindern im Video beibringt, wird das Problem nur noch verschlimmern. Es ist ja heute bereits so, dass sich Kraftfahrer auf den Vorfahrtsverzicht der Radfahrer verlassen und ihn teilweise sogar schon einfordern.
siggi, mit Deiner einfachen Lösung machst Du Dir es etwas zu leicht.
Ich glaube ja, wenn alle Radverkehrsführungen abgeschafft werden, würden die schwachen Verkehrsteilnehmer nur noch mehr bedrängt und übergangen werden. Der einzige, der dadurch gewinnen würde, ist der Autofahrer.
@ozelot: Deine Forderung ist zynisch. Bisher haben alle Studien und Live-Versuche gezeigt, dass Radverkehrsanlagen – egal wie schön oder ausgeklügelt – die Sicherheit nicht erhöhen konnten. Von daher hat siggi 100% recht.
Soso Radverkehrtanlagen aus einem Guss… wieso denke ich da an den Spruch mit dem Hammer.
Was nützt es, wenn die Haltelinie sonstwo aufgemalt ist, wenn sie keinerlei Bedeutung hat, weil LKW und Radfahrer sich der Kreuzung fahrenderweise nähern?
Sinnlose Spiegeleien sind genau so dämlich. Ich durfte letztlich LKW fahren. Vor lauter Spiegeln kann man kaum noch gerade aus schauen. Wenn man alle Spiegel durch hat, müsste man eigentlich schon wieder eine zweite Runde starten, weil mittlerweile schon wieder das nächste potenzielle Opfer in den Aktionsradius eingefahren ist.
@Chris: Also wenn jetzt alle Radverkehrsanlagen sowieso von vornherein nutzlos sind, wie hat es dann Berlin geschafft, die Anzahl der toten Radfahrer von 24 im Jahr 2004 auf 9 in 2009 zu senken? Durch Yogi-Flieger?
@ozelot: Vielleicht durch die massive Ausweitung von Tempo 30 und den Abbau von Benutzungspflichten für Hochbordradwege und den häufigen Umstieg von Hochbord auf weniger gefährliche Streifen auf der Fahrbahn sowie durch den erhöhten Radverkehrsanteil („safety by numbers“) in diesem Zeitraum ? 😉
@chris mit dem cleinen c:
Genau, Fahrradstreifen auf der Fahrbahn sind nämlich sicherer als Hochbordradwege. Wenn sie vernünftig angelegt sind, bringen Radverkehrsanlagen sehr wohl ein Plus an Sicherheit. Darum ging es mir.
Naja das ein Radstreifen sicherer ist als ein Hochbord bestreitet hier glaub ich kaum wer, das liegt aber nur daran das Hochbordradwege eine Katastrophe sind 😉
150 km/h ist nämlich sicherer als 200 km/h. Wenn man vernünftig fährt.
Daher bringt eine vorgeschriebene Mindestgeschwindigkeit von 150 km/h sehr wohl ein Plus an Sicherheit.
Oder nicht?
Wunderschön ausgedrückt Martin 😀