In den USA müssen Kraftfahrer beim Überholen von Radfahrern einen Abstand von mindestens 90 Zentimetern einhalten, das schreibt das so genannte ‚three foot law‘ vor. So ein Gesetz hat aber einen entscheidenden Mangel, wenn niemand die Einhaltung dieser Vorschrift kontrolliert und sanktioniert.
In der Großstadt Chattanooga im Bundesstaat Tennessee ist die Polizei mit einen speziell ausgerüstetem Fahrrad unterwegs, um Verstöße gegen das ‚three foot law‘ zu dokumentieren. Am Fahrradlenker befindet sich ein Ultraschallentfernungsmesser, der die Entfernung des Fahrrads von einem links überholenden Fahrzeug auf einem Display in Echtzeit darstellt. Ein Alarmton signalisiert, wenn der Überholabstand zu niedrig war. Der Überholvorgang wird gleichzeitig von einer Actioncam aufgezeichnet.
Das Gerät, eine Eigeneintwicklung aus dem Umfeld der Polizei von Chattanooga, ist erst seit 14 Tagen im Einsatz. Dennoch gab es bereits Dutzende von Anfragen anderer Polizeidirektionen aus den USA und dem Ausland. Kleine Bitte an die Berliner Polizei: Kaufen!
timesfreepress: 3 feet or else: Chattanooga police use ultrasound technology to enforce law for cyclist safety
via: Carl vs. Karl
Und so albern wie es klingt, auch hier sind uns die USA in Sachen Fahrradpolitik etwas vorraus. Aber klar, man kann sich gerne noch 30 Jahre auf dem Status quo ausruhen und es bei Überholabständen aus Gerichtsurteilen die dann eh nie überprüft werden belassen.
Ja – man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass die hiesige Polizei nur einen kleinen Ausschnitt der Verkehrsverstaßarten überhaupt sanktioniert. Schnellfahrer, Falschparker, Gurtmuffel und Telefonierer werden abkassiert, Nicht-Guck-Abbieger und Nahüberholer nicht.
Und auch, wenn Nahüberholen in der Unfallstatistik nicht prominent auffällt, ist das in meinen Augen eine der schlimmeren Verhaltensweisen, weil sie die Radfahrer am meisten ängstigt. Das dürfte seine Ursache darin haben, dass man hier dem anderen ausgeliefert ist und nicht darauf reagieren kann – anders als beispielsweise bei vielen Vorfahrtverstößen.
Wenn man so einen Abstandsmesser kombiniert mit einer Dose Life-Paint?
Wer macht ein paar schöne Fotos von leuchtenden Streifen in Lenkerhöhe auf parkenden Autos?
unke
Naja, und weiter? Dann wird der nächste Rotlichtradler mit dem Scheibenwischer besprinklert. Das mit dem Markieren ist ne schöne Fantasie, aber in so einem Verkehr will ich nicht fahren müssen.
Vielmehr würde ich gerne in einem Verkehrssystem fahren, in dem die Polizei mich nicht nur als Rowdy sieht (unabhängig davon, wie ich wirklich fahre), sondern auch alles unternimmt, um mich zu schützen. Ein solches Verkehrssystem haben wir derzeit nicht.
Eine Eigenentwicklung? Ja aber gibts sowas nicht schon?
https://rad-spannerei.de/blog/2013/12/09/studie-zum-ueberholverhalten-von-autofahrern/
Doch, gibts, sogar in downtown Berlin:
http://fahrradzukunft.de/5/ueberholverhalten/
Hat sowas nicht auch gerade ein deutscher Jugendlicher entwickelt? Kam der nicht sogar aus Berlin?
@Dienstliche Currywurst und Daniel, Abstandsmesser als Einzelanfertigung scheinen bereits mehrfach zu existieren. Im Februar 2015 haben zum Beispiel die beiden Schüler Max Hentges und Avery Swarthout von der John-F.-Kennedy-Schule am Wettbewerb „Jugend forscht“ teilgenommen und einen Preis gewonnen. Ihren Beitrag unter dem Titel „Das sichere und intelligente Fahrrad“ findet man hier:
http://www.dgzfp.de/Portals/24/IZ/PDF/Jugend%20forscht/RW%20Berlin-Mitte%202015.pdf
Der Vorteil des amerikanischen Geräts ist wohl, dass es fertig kalibriert und sofort einsatzbereit ist.
Wenn man das Gerät in Berlin verwenden würde, dann würde man ziemlich schnell feststellen, dass viele Schutzstreifen zu schmal sind und viele Autofahrer zu knappen Überholmanneuvern animieren. Leider denken die wenigsten Autofahrer an die 1.5m Abstand, wenn für Radfahrer eine eigene Spur da ist. Besonders eng wird es, wenn man als Radfahrer am linken Rand des Schutzstreifens fahren muss, um nicht in der Dooring-Zone zu fahren. Da wären auf jeden Fall regelmäßige (und gerichtsverwertbare) Messungen durch die Polizei nötig, um eine entsprechende Verhaltensänderung zu erreichen.
Rechtlich wär das hierzulande vielleicht auch schwierig. Auch bei Geschwindigkeitsmessungen muss ganz genau geeicht und gearbeitet werden. Sonst klagen die Leute und bekommen Recht.
Vielfach werden Regeln von Gerichten auch unendlich überdehnt, ich erinnere mich von Urteilen gelesen zu haben, die selbst 30 km/h noch als Schrittgeschwindigkeit durchgehen ließen. „Anlieger frei“ ist von Gerichten ebenfalls so weit aufgeweicht worden, dass die Kontrolle kaum mehr lohnen dürfte.
Schon richtig, Berlinradler, was aber konkret den Seitenabstand beim Überholen mit einem KFZ angeht kenne ich keine Urteile die außerhalb des Bereichs 1…2,5 m liegen, die Mehrheit eher im oberen Bereich, das hat sich wohl verfestigt. Und im heiligen Kettler steht: „Für Radfahrer wichtig ist der vom BGH aufgestellte Grundsatz, daß ein Überholender schon dann schuldhaft handelt wenn er dem Eingeholten Fahrzeug so nahe kommt daß dessen Fahrer sich erschreckt und zu einer Fehlreaktion veranlaßt wird.“
sehr gutes gerät. gerne auch in berlin.
ABER: wie @jakob schon sagt, in berlin wird die einhaltung der 1,5m bisher ganz offensichtlich nicht gewünscht. sonst würde man nicht „schutzstreifen“ und beparkte busspuren mit fahrradfreigabe schaffen, die in der dooring-zone verlaufen und es dem kfz-verkehr nahelegen weiterhin zweispurig und damit dicht an oder auf der streifenlinie zu überholen.
und @berlinradler: mit den „unfallursachen“ ist das so eine sache. zum beispiel sind „fehler beim einfahren in den fließenden verkehr“, „gegenverkehr übersehen beim linksabbiegen“ typische unfallursachen mit hoher relevanz. niemand prüft doch, wie die stresssituation auf der fahrbahn durch drängler und belehrer war, so etwas kann aber durchaus zu besagten „fehlern“ des radfahrers führen.
stehe ich mitten auf der kreuzung um links abzubiegen (stichwort aus diesem blog: „ich mach doch keine kindergartenabbiege“) und rauschen an rechts an mir kfz mit 65 km/h in unter 1m abstand vorbei, dann bin ich irgendwann doch sehr geneigt, die nächste kleinste lücke im gegenverkehr zu nutzen, um da wegzukommen. reichte die lücke leider nicht, dann habe ich einen „fehler beim abbiegen“ begangen.
@fab, die Abbiegefehler sind hauptsächlich von Kfz verursacht. In der Polizeistatistik von Berlin (2013) steht, dass Radfahrer 188 Unfälle durch fehlerhaftes Abbiegen verursachten. Kfz verursachten 1387 solcher Unfälle (mit Radfahrerbeteiligung; sonst noch sehr viel mehr).
Wenn man den Radverkehr kontrolliert, wäre die sinnvollste Reihenfolge:
– falsche und verbotswidrige Benutzung von Straßenteilen (Polizei nennt Linksradeln auf dem Radweg und Gehwegbenutzung)
– „ungenügender Sicherheitsabstand“ (Polizei nennt Durchschlängeln meist mit Sachschäden)
– falsches Verhalten beim Einfahren in den Fließverkehr
– „nicht angepasste Geschwindigkeit“
– falsches Verhalten gegenüber Fußgängern
Die tatsächliche Reihenfolge bei der Überwachung des Radverkehrs
– Ampelmissachtung (nicht unter den 8 in der Statistik genannten Hauptunfallursachen)
– technischer Zustand des Rads (als Unfallursache nicht mal genannt)
– manchmal noch Gehweg- oder Grünanlagennutzung
Wenn man den Autoverkehr mit Fokus Radsicherheit kontrolliert, wäre die Reihenfolge:
– Abbiegen
– Vorfahrtmissachtung
– Fehler beim Einfahren in den Fließverkehr
Die Polizei nennt bei Fahrradunfällen eine „nichtangepasste Geschwindigkeit“ auf Seiten der Radfahrer in 359 Fällen und auf Seiten der Autofahrer in 14 Fällen. Obwohl nur ein Bruchteil der Radfahrer überhaupt Tempo 30 erreicht, wird ihnen bei Unfällen schnell dieser Vorwurf gemacht. Autofahrer scheinen sich sehr genau an die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten zu halten und passen ihre Geschwindigkeit in unüberschaubaren Situationen überwiegend vorbildlich an.
Das fehlerhafte Einfahren in den Fließverkehr, die Polizei behauptet, dass das überwiegend nach Gehwegradfahrten stattfindet, ist auch so eine Sache. Denn was ist mit dieser Straßenmalerei am Ende von Radwegen, meist etwa 3 Meter weitergehend auf der Fahrbahn, gerne auch mitten in einer Spur. Radfahrer verlassen sich auf so etwas … http://verkehr-absurd.startbilder.de/bild/verkehr-mit-dem-fahrrad~verkehrswege~radwege-negativ/252844/das-falsche-einfahren-in-den-fliessverkehr.html
@berlinradler
eine interassente liste. sie zeigt, dass die tatsächlichen unfallursachen nicht immer intuitiv sind.
die geschwindigkeitsüberschreitungen auf der fahrbahn und fehlenden abstände sowie aggressive aktionen dürften jedenfalls erheblichen anteil an der ursache der von radfahrer verursachten unfälle nr. 1 – linksradeln und radeln auf dem gehweg – haben.
dass beides so gefährlich ist, ist nach meiner wahrnehmung auch nur ganz wenigen radfahrern bewusst.
ich empfinde den polizeilichen blick auf die sog. schwächeren verkehrsteilnehmer außerdem als zynisch.
hier mal ein beispiel für die mainstream-sicht:
„Jährlich kommen in der Bundesrepublik Deutschland etwa 1.000 Kinder im Alter bis zu 14 Jahren bei Unfällen ums Leben. […] Etwa die Hälfte aller Unfälle ereignet sich zu Hause oder in der Freizeit. Die Gefahren für Kinder und Jugendliche durch den Straßenverkehr sind vielfältig.“
[hm. heißt das jetzt 500 unfalltote kinder straßenverkehr? da es in berlin keinen oder einen todesfall gab wäre meine vermutung: die meisten opfer saßen wahrscheinlich im AUTO.]
„Bei den Kindern als FUßGÄNGER bildet nach wie vor das Überschreiten der Fahrbahn an ungeregelten Stellen und die damit verbundene Missachtung des Fahrzeugverkehrs eine besondere Rolle (2007: 132).“
also: wir erlauben faktisch 1,5-tonnen-gefährten und lkw mit 60-70 km/h mitten durch die innenstadt zu fahren. die möglichkeiten zur querung der verkehrsachsen sind oftmals selbst für erwachsene eine herausforderung. verhält sich ein kind dann so, wie sich kinder verhalten und wird – was absehbar ist! – zum opfer eines unfalls, dann missachtet es den fahrzeugverkehr.
„Verallgemeinernd lässt sich aber einschätzen, dass Unfälle mit Kindern im Wesentlichen auf den unterschiedlichen Grad
kindlicher Wahrnehmung und impulsives kindliches Verhalten zurückzuführen sind. “
ist da so? denn
„Unfallursachen und Fehlverhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer werden nicht untersucht“
jetzt eine erkenntnis!
„Diesen Defiziten [der kinder] ist nur mit einem entsprechenden defensiven Verhalten
anderer Verkehrsteilnehmer entgegen zu wirken“
aber
„Unfallursachen und Fehlverhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer werden nicht untersucht“
https://www.berlin.de/imperia/md/content/bapankow/pdf-dateien/kinderverkehrsunf__lle_pankow_2009.pdf?start&ts=1409139206&file=kinderverkehrsunf__lle_pankow_2009.pdf
fazit: arme würmchen, pech, dass sie so dumm sind – muss halt der verkehrskasper öfter kommen. und immer schön ins SUV setzen, das sind sie sicher. wenn sie keinen autounfall haben. so kann man auf 25 seiten den elefanten im porzellanladen ignorieren.
pointiert könnte man sagen: die heutigen, realexistierenden und durchgesetzten verkehrsregeln sind systematisierte gewalt. vielleicht wird das auch der blick des 23. auf das barbarische 21. jahrhundert.
@fab, ich habe meinen Kommentarteil über die Geschwindigkeitsüberschreitungen der Radfahrer sarkastisch gemeint. Insbesondere auf Fahrbahnen kann ich nicht erkennen, inwiefern Radfahrer, die selbst in Tempo-30-Zonen nicht die zulässige Höchstgeschwindigkeit erreichen, „zu schnell“ unterwegs sein können. Und wenn typische Fahrradgeschwindigkeiten auf Radwegen „zu schnell“ sind, dann ist das wiederum eine Benachteiligung gegenüber der Fahrbahn, auf der immerhin mit Tempo 30 oder 50 gefahren werden kann. Auf Gehwegen oder in engen Situationen hingegen stimme ich zu, da fahren viele Radfahrer zu schnell.
habe ich so verstanden. ich meinte oben folgendes
„die geschwindigkeitsüberschreitungen [durch KFZ] auf der fahrbahn und [DEREN] fehlenden abstände [ZU RADFAHRERN] sowie [DEREN] aggressive aktionen dürften jedenfalls erheblichen anteil DARAN HABEN, DASS RADFAHRER AUF GEHWEGEN RADELN UND UM QUERUNGEN ZU MEIDEN AUCH LINKSSEITIG FAHREN. UND DAS IST DIE WICHTIGSTE VON DEN RADFAHRERN VERSCHULDETE UNFALLURSACHE.
d.h. das unfallträchtigste fehlverhalten der radfahrer rührt mMn ganz klar auch daher, dass sie durch unsanktinoniertes, dauerndes fehlverhalten der autofahrer von der fahrbahn verdrängt werden. aufklärung hilft da vielleicht ein bisschen, wichtiger ist, dass sich radfahrer dabei auch wohl fühlen, wenn sie legal fahren. dass sei subjektiv und objektiv sicher geführt werden.
die unfallursache „unangepasste geschwindigkeit“ bei radfahrern macht in der häufung in der tat nur sinn, soweit es sich um sachschäden (spiegel ab) handelt oder fußgänger betroffen sind. das kann ich mir allerdings schon vorstellen.
man sollte dann aber auch die überschreitung der höchstgeschwindigkeit oder unangepasste geschwindigkeit in unübersichtlichen situationen durch kfz viel stärker als mitverursachung berücksichtigen. stichwort fehlertoleranz. es muss aber erst gesellschaftlicher konsens werden, dass man in der stadt nicht mit 70 km/h durch kreuzungen kachelt. davon sind wir weit entfernt.
Ja fab, dass regelkonformes Fahren oft kein gutes Gefühl sondern eher ein Bedrohungsgefühl mit sich bringt, ist eines der großen Probleme.
Wenn es infolge zu engen Überholens zu einem Unfall kommt, sind diese sehr rasch oder schon beinah zwangsläufig, sehr schwer bis hin zu einem tödlichen Ausgang. Letzteres ganz besonders dann, wenn ein LKW zu eng überholt.
Daher ist dem Überholen in ganz besonderem Ausmaß Beachtung zu schenken. Sei es nun bei der Ausbildung von Fahrzeugführern, als auch bei der Ahndung von Vergehen.
Leider, leider, leider interessiert sich in dem Land auf das ich mich weigere noch einen Deut zu geben, Schland, keine Behörde, kein Gericht und keine Staatsanwaltschaft für diese Problematik und ebenso ist es bei der sog. Verkehrswacht und artverwandten Lobbyfritzen.
1,5m Mindestabdstand ist die Theorie, aber wer lernt und lehrt dies schon? Wer vermittelt es der breiten Masse? Jedes Jahr wird von Winterreifen, Mindestprofiltiefen und derlei Zeugs schwadroniert, aber wer hämmert solche elementaren Dinge wieder und wieder ins Hirn?
Ich bin bisher von 80 cm ausgegangen. 150 am berg. Ich hab schon oft meckernde autofahrer gehabt, wegen rechts fahren. Nach hinweis des adfc fahr ich bei beschädigten fahrbahnrad gern zwischen 50 und 80 cm weiter zur fahrbahnmitte. Wenn mich eiber überholt, muss er in den gegenverkehr. Folglich hab ich auf 23 km zur arbeit, ca. 30 verstösse täglich. Aber was bringt mir das aufregen. Mir wäre lieber die herren in der strassenplanung, würden das stück steasse nach der begreunzunglinie bei 30 cm halten. Dann interessiert mich die fahrbahn nicht. Aber wenn man strassenränder flickt wird gern auch mal was vergessen. Weil nächstes jahr die kreuzung genacht wird, bleiben die ausbrüche und aufwürfeerhalten. Bessere planung und reperaturarbeiten und ich bräcuchte keine 150 cm.