Michael Müller wird in vierzehn Tagen Regierender Bürgermeister sein. In seiner jetzigen Funktion als Stadtentwicklungs- und Verkehrssenator wurde Müller gestern zur Entwicklung des Radverkers in Berlin befragt.
Vor einigen Monaten hatte Müller dem Sinn nach gesagt: „Es ist gut, dass wir nach dem Fehler der autogerechten Stadt nicht auch noch den Fehler der fahrradgerechten Stadt machen.“
Nun klingt Müller ein wenig moderater, im Kern bleibt die Botschaft aber die gleiche.
via: Stefan Gelbhaar
Da darf man mal gespannt sein. Derzeit habe ich das Gefühl, dass das politische Interesse in Berlin für den Radverkehr eher schlummert – die Zeiten, in denen man beispielsweise Fahrradrouten durch aktive Maßnahmen aufgehübscht hat, sind wohl vorbei, derzeit werden allenfalls Fahrradstreifen aufgepinselt, wenn die Parkenden dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Zu viel Geld birgt bei falscher Strategie natürlich große Gefahren – massenhafte Bürgersteigradwege zeugen heute noch davon.
Genau wegen dieser Gefahr von Fehlern weiß ich nie ob ich mich über knappe Mittel ärgern oder freuen soll.
Auch Radspuren können gefährlich sein, wenn sie z.B. genau im Dooring-Bereich verlaufen.
@Müller: Wie wär’s denn mit einer menschengerechten Stadt?
Es ist erschreckend, wie ein angehender Regierender Bürgermeister der
deutschen Hauptstadt mit so vielen Worten so wenig sagen kann. Von dem
dürfen wir Radfahrer uns weniger als nichts erwarten. Aber das zeugt zumindest von einer stabilen Kontinuität der Verkehrspolitik.
Denn auch bei dem Noch-Senator Müller der „Senatsentwaltung für Stadtverwicklung“ war ja eine innovative Radverkehrspolitik nicht zu erkennen.Ich will trotzdem mal versuchen, die Müllersche Kernaussage zu deuten.Die lautet nämlich wie folgt:“Ihr Radfahrer interessiert mich eigentlich nicht, mehr Geld gibt´s nicht, die Bezirke sind zuständig und die sind ja nicht mal in der Lage die heute verfügbaren Mittel auszugeben“.
Wie auch,die haben ja gar keine Leute zum Geld ausgeben. Ich frage mich nun aber, was wir Betroffene einer solchen Perspektivlosigkeit eigentlich selbst entgegensetzen könnten. Die intensive Diskussion z.B. in diesem oder anderen Blogs ist ja ganz nett aber dreht sich auch gehörig im Kreis.
Denn ich glaube nicht, dass der designierte Regierende schon mal in den
Blog der Radspannerei reingeschaut hat. Angesicht der unzähligen und ungeheuren Zumutungen, die dem Alltagsradler tagtäglich auf seinen
Wegen begegnen, müsste es doch eigentlich schon Revolution geben.
Doch die graue Masse der Radfahrer schweigt. Jeder internetfähige
Radfahrer müsste doch jeden Tag Beschwerden tippen.An besagte Sentsentwaltung, an Tiefbauämter, Petitionsausschüsse, Senatskanzlei,
Bezirksverordnetenversammlungen usw., usw. Und das, bis denen der
Server platzt. Alle internetabstinenten sollten regelmäßig entsprechende
Postkarten verschicken und das, bis der Briefkasten aus der Wand reist.
Critical Mass ist eine mögliche Protestform, allerdings zu wenig flächendeckend. Die Fahrradsternfahrt sollte ja eigentlich eine Protestdemonstration sein und als solche ist die auch nur genehmigungsfähig. Indessen ist von Protest da nicht viel zu sehen und
defacto handelt es sich doch um ein touristisch geprägtes Massenevent.
Allein der Gedanke daran, dass die laufenden monatlich Kosten für diese
ruinöse Rollbahn, da am südlich Stadtrand, den Radverkehrsetat für fünf Jahre hinter sich lassen müsste doch jedem Radfahrer das Blut kochen lassen. Also, Radfahrer aller Bundesländer vereinigt Euch und rückt
den Politikern auf die Bude.
Zitat: „Es ist erschreckend, wie ein angehender Regierender Bürgermeister der deutschen Hauptstadt mit so vielen Worten so wenig sagen kann“
Ächem, er tritt da nur in ausgelatschte Fußstapfen eines viel früheren Reg. Oberwürgermeisters, den die jüngeren Generationen nur dem Hörensagen nach kennen: Willy Brandt. Der hat noch mehr geredet und dabei gar nichts gesagt.
Martin Sonneborn hat diese Art des politischen Dummschwätzens ja sehr erfolgreich aufgegriffen und macht damit in Brüssel „Politik“. *grins*
bin heute echt genervt gewesen: warum muss ich in der gegend um den gendarmenmarkt minutenlang in staus stehen, die ich nicht verursacht haben?
i don’t want to share the road!
warum dürfen reisebusse immer noch bis direkt vors konzerthaus fahren? warum gibt es nicht eine einzige route, die man für die privat-pkw zu macht? warum ist die ecke markgrafen/rudi-dutschke immer so zugeparkt, dass man mitten auf die fahrbahn muss, um die vorfahrtsberechtigten, die von rechts kommen überhaupt zu sehen? (eine ampel will ich da nicht fordern, die wär dann minutenlang rot.)
das problem sind auch nicht mal so sehr die reisebusse und baustellen-lkw, sondern die einfach besetzten privat-pkw dazwischen, die alles verstopfen. erst deswegen ist dann bei jedem lkw endgültig alles zu.
kein wunder, dass sich da auch gefährliche situationen ergeben. es gibt radfahrer, bei denen hat man den eindruck, sie machen die augen zu und fahren gradeaus, egal wie. kann ich aber schon beinahe verstehen.
letztlich gehts den autofahrern doch bei der disziplindiskussion (rote ampel! vorbeidrängeln!) auch darum: wo ich nicht mehr durchkomm, soll es auch kein anderer.
kurz: copenhagenize mitte. und kreuzberg. und…
@fab:
Radfahrer sind sie vermutlich nicht, sonst würden sie nicht was von „minutenlangen Staus“ schreiben.
Ich bin Radfahrer und mir war und ist es schon immer völlig egal gewesen, wo und warum sich das Blech staut. Oft ist es sogar ganz praktisch, denn unbewegliche KFZ behindern den Radverkehr deutlich weniger und ich muss gestehen, daß ich an diesen, auf der Straße in ihren Gehäusen sitzenden Damen und Herren ausgesprochen gern vorbeizische.
Wenn sie kein Radfahrer sind, warum regen sie sich an dieser Stelle eigentlich auf?
@figurenwerk-berlin:
Auch ich stehe teilweise Minuten im Stau und das obwohl ich mich ausschließlich per Rad durch die Stadt bewege. Das lieg einfach daran, dass es nicht überall möglich ist, auf den zulässigen Fahrbahnen rechts an den stehenden Kfz vorbei zu fahren, zumal diese die Lücke zum Bord ab und zu auch mal schließen. Super ist es natürlich, wenn auf der Straße noch eine Fahrradstreifen aufgepinselt wurde, dann geht das natürlich. Aber wer nicht auf den Fußweg ausweichen oder anderswie gegen die StVO verstoßen will, steht dann im Kfz-Stau.
@Bob Willis:
Ach so, das kenne ich gar nicht.
Wenn vor mir Stau ist und rechts ist dicht, hüpfe ich natürlich immer mal für ein paar Meter auf den Fussgängerweg oder fahre gleich links zwischen den Autos vor. Minutenlang stehend Abgase atmen für die StVO – tut mir leid, das wird bei mir nie passieren.
Auch ich erlebe solche Situationen, wo man eben nicht mehr vorbeizischen kann. Wenn dann allerdings abzusehen ist, dass das in den 10-oder-mehr-Minuten-Bereich geht, weiche ich auch schonmal auf den Gehweg aus. Oft kann man auch links vorbeifahren (insbesondere an denen, die rechts dicht machen), das will allerdings gut überlegt sein.
Aber insgesamt ist das Rad im Vorteil. Ich habe schon so viele überraschende Feuerwehreinsätze, Demonstrationen oder Sperrungen wegen Bombenentschärfung erlebt, wo ganze Stadtteile standen. Mit dem Fahrrad kam man irgendwie immer an.
@figurenwerk: Rücksicht kennen sie vermutlich nicht, sonst würden sie nicht was von “natürlich immer mal für ein paar Meter auf den Fussgängerweg“ schreiben. Natürlich ist das gar nicht, höchstens weit verbreitet und ein Ausweg, um einen Stau zu umgehen. Der Bringer ist das jedenfalls nicht und deshalb bleibt auch ein KFZ-Stau eine Behinderung für den Radverkehr.
Ein KFZ-Stau wird mich nicht so massiv ausbremsen, wie ein KFZ davon betroffen ist, dennoch ist es im Berufsverkehr an manchen hotspots schon manchmal ziemlich nervig, gerade wenn man sich nicht als Egomane durch den Verkehr bewegt. Wenn man sich dann klarmacht, dass diese Kisten im Schnitt weniger als halb gefüllt einfach nur Platz blockieren, kann einem schon mal der Kragen platzen. Bin da voll bei fab und sehe überhaupt keinen Grund, ihm zu unterstellen er würde nicht Rad fahren.
figurenwerk:
ich fahre täglich mit dem rad in mitte zur arbeit. dort sind die straßen in der rush hour so dicht geparkt und der verkehr so dicht, dass man rechts nicht vorbei kommt und links wenn nur mit echtem risiko. wer sich auf enger fahrbahn zwischen einen bus und einen lkw beim abbiegen begeben möchte: viel spaß. gehwegradeln geht für mich überhaupt gar nicht. man kann da schieben, dann ist man aber raus aus dem verkehrsraum und kommt so schnell nicht wieder rein.
ich habe schon verständnis, dass radfahrer in solchen situationen verkehrswidrig fahren – so wie du, figurenwerk – ich halte das aber für nicht akzeptable zustände. natürlich ist radfahren immer noch besser als autostehen, ich will aber erholsam radfahren und da ich den stau nicht verursache, denke ich, dass das kein unvernünftiges ansinnen ist.
fahrrad- und auch fußgängerinfrastruktur sind hier die lösungen. breite streifen mit eingebauten sicherheits-dooring-zonen (wenn schon rechts geparkt werden muss) oder echte fahrradstraßen oder baulich getrennte echte kopenhagener radwege.
Sehe ich ganz genau wie fab, auch in der Konsequenz.
Auf den Fußweg ausweichen geht eigentlich gar nicht, wenn man als Verkehrsteilnehmer ernst genommen werden will. Ich mache das nur äußerst selten z.B. in dem Industriegebiet, wo mal alle 10 min ein Fußgänger lang läuft.
Und links überholen kann ein ganz schönes Himmelfahrtskommando werden, da rechnet nämlich kein Autofahrer mit einem Rad oder man kommt eben doch in den Gegenverkehr.
So gesehen und für diesen konkreten Fall ist die Kopenhagener Lösung mit Radwegen nämlich die wirklich bessere Lösung!
Soso, ich bin wirklich beeindruckt von soviel Straßenverkehrsordnungsliebe, die hier zum Ausdruck kommt.
Ich muss wirklich mal auf Radfahrer achten, die minutenlang zwischen Autos warten, wenn vorn Grün ist – vielleicht lerne ich ja bei der Gelegenheit mal einen von euch Vorbildlichen im wahren Leben kennen 🙂
Ach so . …Michael S, sie erkennen mich übrigens an der Blutspur und den offenen Knochenbrüchen, die ich hinterlasse, wenn ich rücksichtslos durch die Fußgängermassen pflüge.
Man sollte wohl offen sagen können, dass bei einem echten Stau KEIN Radfahrer mit drinsteht. Den würden ja nicht mal Staufetischisten ernstnehmen.
ist das jetzt wirklich so schwierig zu verstehen?!
ich warte natürlich nicht minutenlang „wenn vorn grün“ ist, obwohl man prima vorbeifahren kann.
sondern zB die ganze markgrafenstr. ist halt morgens zu und mann kann schlecht vorbei und braucht dafür dann gefühlt ewig. das ist kein acht-stunden-osterstau am kamener kreuz aber ich kann halt nicht so wie ich will zur arbeit fahren. und das nervt.
das geht mir bei den ganzen „ab auf die fahrbahn, ist sicherer“ sprüchen unter. außerdem ist doch da immer von dem tollen mischverkehr die rede, wo alle hintereinander herfahren. weswegen es nicht mehr zu unfällen in den gefährlichen seitenräumen beim abbiegen käme. das argument kann man dann also in der rush hour knicken, weil wenn es drauf ankommt fährt doch jeder links und rechts seitlich an bussen und lkw vorbei!
und gehwegradeln find ich absolut das letzte, ja. auch wenn es ohne blutspur abgeht, weil alle andern beiseite springen (müssen). wenn ich mit kleinkindern unterwegs bin und da knallen so idioten über den gehweg weil sie die fahrbahn dann doch zu blöd finden – wie jeden morgen auf der urbanstraße – regt mich das absolut auf. ich bekomme da einen drang zum rentnermäßigen hinterherbrüllen, nicht schön, sicher. aber gehwegradeln ist körperliche aggression.
Zitat fab: ich warte natürlich nicht minutenlang “wenn vorn grün” ist, obwohl man prima vorbeifahren kann.
Ach was?
Mein Herr, hier geht’s nicht um Radfahrer, die im Stau stehen, wenn sie „prima vorbeifahren“ können, sondern um die mehrfach erwähnten Bürger, die mit ihrem Fahrrad eben keine Lücke neben den Kraftfahrwagen mehr finden.
Ich hab eine Lösung für Leute die auf dem Fahrrad im Stau stehen (wenn links vorbei zu gefährlich und auf dem Gehweg fahren, wie für mich auch, ein no go ist):
Absteigen, Gehweg und schieben! Schneller als am Auspuff warten, und Legal.
Das ist doch das tolle am Fahrrad, flexibel sein, oder?
Bisschen langsam, aber immer noch schneller als gar nicht vorwärts kommen.
so isses.
wenn ich die gegend kenne, schiebe ich auch oft nur bis zur nächsten abzweigung. (bringt natürlich auch nur punkte, wenn es dort nebenstraßen ohne staugefahr gibt)
In solchen Foren treffen sich scheinbar sehr besondere Menschen – schade, dass die Realität meist vollkommen anders aussieht. Da sind diejenigen, die sich so hyperakribisch an die STVO halten wie hier beschrieben, vielleicht im 1-2%-Bereich vertreten.
In der Realität würde es mir schon reichen, wenn wenigstens die Grundregeln und die Dinge, die immer wieder Unfälle verursachen, eingehalten würden. Ob dann jemand widerrechtlich bei roter Ampel seinen Fuß auf die Fahrbahn stellt oder im fließenden Verkehr nicht überraschend anhält, weil die Fußgängerampel auf rot schaltet, kann ich persönlich damit leben. So aufgeheizt, wie hier die Stimmung ist, traue ich es mich fast gar nicht zu schreiben – aber als absolute Ausnahme, in wirklich geringer Geschwindigkeit und mit Absteigebereitschaft, wenn Fußgänger da sind, habe ich Verständnis für kurze Gehwegfahrten bei vollkommen blockierter Fahrbahn.
Da sind mir diejenigen, die sich im Stau direkt rechts neben den ganz vorne stehenden Lkw schlängeln, eher ein Dorn im Auge. Denn wenn das schief geht, erlebt man einen traumatischen Unfall mit, und wird seines Lebens nicht mehr froh.
So wie ich als Radfahrer gerne rücksichtsvolle Autofahrer mag, würde ich mich als Fussgänger freuen wenn niemand auf dem Gehweg an mir vorbeifetzt.
Und falls ich mal Auto fahrend bin mag ich es halt wenn Radfahrer Licht dran haben
und gucken wo sie hinfahren.
Wie soll was besser werden wenn ich nicht selber anfange?
Ich halt mich nicht akribisch an die STVO, find es aber schöner zusammen als gegeneinander, und da helfen Regeln halt auch.
Bis das Bahnrad wieder mal Raus darf, dann passiert sicher wieder ACAB und weg mit dem Rückspiegel anstatt entspannt lächeln.
@berlinradler, sascha: damit mir das jetzt klar wird: meint ihr damit jetzt, radinfrastruktur ist trotzdem immer noch mist, denn im stau-fall kann man ja über den gehweg schieben oder fahren? alle macht dem mischverkehr unter einbeziehung der fußgängerwege?
also mir ging es hier darum zu sagen: ich will radinfrastruktur weil mich autostau nervt. und nicht: wieviel StVO-beachtung ist im einzelnen optimal oder realitätsnah.
wenn es radinfrastruktur nicht gibt, dann gibts na klar irgendwelche notlösungen (ja, ich weiß wie man ein rad schieben. danke für den tip. srsly??) – die nerven aber doch grade und machen keinen spaß beim radfahren.
letztens nutzte ich wegen einer dosenstehparty einen radweg, den ich normalerweise meide. da war dieser radweg für mich die notlösung. im regelfall bin ich eher von lollis genervt, die mich zwingen, notlösungen auch dann zu nutzen, wenn keine not da ist.
und viel real existierende radinfrastruktur taugt leider nur als notlösung…
(zugegeben, im notfall ist diese notlösung praktikabler/angenehmer als die, die den gehweg einbeziehen)
@fab, dieser Zusammenfassung „meiner Meinung“ würde ich so nicht zustimmen. Ich hatte mich auch gar nicht zum Thema Radwege o.ä. geäußert, das könnte ich auch nicht in der Form, dass sie in so einen kurzen Absatz passt. Radwege nutze ich manchmal, auch um am Stau vorbeizukommen, und finde sie dafür oft auch praktisch.
In meiner subjektiven Wahrnehmung ist Stau derzeit nicht das Hauptproblem, und wie Sascha schreibt, müsste eine neue Radinfrastruktur sich von der realen stark unterscheiden. Und zwar auch von den meisten ganz neu aufgepinselten Radstreifen, die mir oft allergrößte Bauchschmerzen bereiten.
Ich hab weniger mit Leuten ein Problem, die sich behaupteter- oder tatsächlicherweise zu 100% an die STVO halten, als mit denjenigen, die das schon mal aus Prinzip ablehnen. Ich blende Gehwege aus meinen Fahrtmöglichkeiten in der Regel schlicht aus. Ich komme nicht auf die Idee, dort langzufahren und das klappt eigentlich ganz problemlos. In bestimmten Fällen fahre ich dort allerdings auch, sogar regelmäßig beim Start, wegen einer Kopfsteinpflasterstrecke. Ich könnte auch die 100m schieben, kostet mich nur 1 Minute länger. Das ist reine Bequemlichkeit und bestimmt meine Haltung dazu: ich fühle mich nicht im Recht, ich mute anderen etwas zu. So wie man das hier manchmal liest und wie man es auch im Alltag auf durchgehenden Strecken jederzeit sehen kann, ist es für sehr viele Radfahrer dagegen ganz „natürlich“ auf dem Gehweg zu fahren. Solange man das so sieht, wird man auch keinen Anlass sehen, die Bedingungen zu ändern, die dazu führen.
@Michael S: Mein Problem betrifft eher Leute, die anderen Regeluntreue vorwerfen und die Regeln selbst eher locker nehmen. Gerade, wer anderen solche Vorwürfe macht, sollte geradezu pedantisch nach STVO fahren. Das ist aber jetzt eher allgemein gemeint und nicht auf jemanden hier bezogen. Ich habe ja schon öfters das Beispiel der „die bösen Radfahrer … auf der Fahrt von A nach B wurde ich 3x geblitzt“-Autofahrer genannt.
Mischverkehr mit Fußgängern gibt es häufig, ich nenne als Beispiele gern das Rummelsburger Ufer und den Tiergarten. Die gemeinsame Flächennutzung ist also kein absolutes No-Go. Auch viele normale Gehwege haben eine Fahrradfreigabe. Das Problem bei diesen Mischwegen ist, dass viele Radfahrer keinerlei Einfühlungsvermögen in Fußgänger haben und knappe Situationen herbeiführen, statt einfach mal zu warten. Genau so, wie Autos sich auf der Straße gegenüber Radfahrern verhalten. Da dieses Thema auch kaum öffentlich gemacht wird – man vernimmt zwar öfters eine totale Anti-Radfahrer-Haltung von Fußgängern, aber selten wirkliche Problemlösungsansätze – sehe ich absehbar auch keine Besserung.
Und ich denke, genau diese Art von Radfahrern ist es auch, die hier die Emotionen hochkochen lässt. Beim Stau mitten ins Fußgängergetümmel, möglichst in Straßen wie der Friedrichstraße oder auf der Warschauer Brücke, das ist asozial. Aber es gibt auch leere Gehwege bei vollkommen zugesteller Fahrbahn – und hier sehe ich vielleicht noch einen Regelverstoß, wenn man darauf ausweicht, aber zumindest moralisch nichts dramatisches.
Im Netz finden sich die 10 Gebote fürs sichere Radfahren, aber vielleicht fehlt uns Radfahrern eine Art Kodex. Für mich sind die Fußgänger eher Verbündete, sie leiden ebenso unter einer autofixierten Stadtgestaltung wie wir. Da der Mischverkehr mit Fußgängern nie ganz zu vermeiden ist, müsste der Kodex (auf die schnelle eingetippt) wohl so in etwa folgendes beinhalten:
– Der Fußgänger ist dein Freund und Verbündeter, respektiere ihn.
– Halte größtmöglichen Abstand, wenn du ihm begegnest.
– Wo Kinder sind, fahre echte Schrittgeschwindigkeit oder steige ab.
– Fahre langsam, mache freundlich auf Dich aufmerksam, bedanke Dich.
– Sei tolerant, wenn der Fußgänger Fehler macht. Auch Blinde, Gehörlose oder gesundheitlich Beeinträchtigte dürfen zu Fuß gehen – du siehst es ihnen nicht an!
Wär eigentlich mal ne Sache, ein hier gemeinsam ausdiskutierter Kodex könnte den Radspannerei-Blog berühmt machen 🙂
Bravo, berlinradler, genauso sieht’s aus!
Hierzulande entstehen auch nach meiner Beobachtung viele gefährliche Situationen gerade durch StVO-Dogmatiker, die dieses Gesetzwerk als eine Art „Kriegsregelwerk“ für den Umgang mit anderen Verkehrsteilnehmern begreifen, aber nicht imstande sind, sich zugunsten eines toleranten Miteinanders auch mal zurückzunehmen.
Gruß an Martin S, der, im Gegensatz zu mir Unhold, kurze Strecken auf dem Fußgängerweg wenigstens mit schlechtem Gewissen und dem nötigen Unrechtsbewusstsein radelt. Ich stelle mir gerade vor, wie er einem überraschend hinter einem Baum hervorgesprungenen, seinem frevelhaften Tun Einhalt gebietenden Schutzmann wortreich erklärt, daß die begangene Ordnungswidrigkeit für ihn, im Gegensatz zu soo vielen anderen Radfahrern, keineswegs natürlich sei.
Sicherlich sieht der Schutzmann, der sein Automobil aus Bequemlichkeit in der Nähe auf einem Radweg abgestellt hat, das bald ein und am Ende liegen sich beide weinend in den Armen – ein schöner Anfang für mehr Toleranz im Straßenverkehr.
@ berlinradler: Die Diskussion entzündete sich an fabs Beitrag, der über ihn ebenfalls behindernden KFZ-Stau fluchte, was dann von figurenwerk mit der eigenwilligen Logik:
quittiert wurde, danach noch ergänzt mit einem Hinweis auf die „natürlichen“ Ausweichmöglichkeiten auf dem Gehweg.
Das ist ja schon zwanghaftes Missverstehen, gepaart mit Absprechen des Rederechtes. Wie soll man sich denn auf einen „Kodex“ einigen, wenn noch nicht mal eine elementare Bereitschaft vorhanden ist, dem anderen zuzuhören?
Inhaltlich 90% Übereinstimmung. Bei den Leuten mit der lockeren Haltung zu den Regeln bin ich nicht so sicher, wie Du das konkret meinst. Wer locker Regeln übertritt und dabei niemanden gefährdet, mag kein Problem darstellen. Allerdings ist es immer ein Problem, diese Nicht-Gefährdung festzumachen. Nach derselben Logik dürfte auch vom Gros der verblechten Geschwindigkeitsübertreter mit eher lockerer Einstellung keine Gefährdung ausgehen. In der Auswirkung sehe ich durch das massiv andere Gefährdungspotential natürlich schon einen großen Unterschied.
@ figurenwerk: (Ich nehme mal an, mit Martin S. war ich gemeint)
Ich hab ja aus der Diskussion mit Vorstadt gelernt und ziehe mich jetzt nicht komplett aus diesem Thema zurück. Bist halt bei mir bloß erstmal quasi auf ignore geetzt.
.. . . natürlich „Michael S“ – Pardon.
Wünsche ein entspanntes Wochenende!
Naja, Michael S., da ich mich ja über Verstöße anderer beschwere, muss ich mich recht pedantisch an die STVO halten. Wenn irgendwo jemand falsch parkt oder eine Kleinigkeit falsch macht, stört mich das dennoch kaum. Selbst wenn ich an roter Ampel stehe und ein Radfahrer an mir vorbeifährt, juckt mich das nicht, es sei denn er fährt durch die bei grün gehenden Fußgängergruppen. Was ich leider oft beobachte.
Ich wäre in der Lage, die Regeln lockerer zu sehen. Nicht alle, klar. Da ich als Radfahrer aber immer wieder dem Generalvorwurf der Regeluntreue ausgesetzt bin, stichele ich gern gegen die Gruppe, die diesen Vorwurf äußert, selbst aber den Hauptanteil am Unfallgeschehen hat.
Ich bin hier nicht für eine lockere Haltung gegenüber den Verkehrsregeln eingetreten, schon gar nicht gegenüber denen, die Fußgänger schützen. Wenn aber jemand im Stau auf einen leeren Gehweg ausweichen sollte – ja sorry, damit kann ich halt leben.
Damit habe ich auch kein Problem. Aber warum muss man das als „natürlich“ begreifen, also als selbstverständliches Verhalten, und dabei auch noch versuchen, jemanden für den das zunächst mal keine benannte Option ist, in einem Radfahrer-Blog als Nicht-Radfahrer zu diskreditieren? Zumal in vielen Situationen mit Autofahrerstau auch der benachbarte Gehweg gut frequentiert sein dürfte. Fällt mir zum Beispiel auf meiner Strecke zwischen Flughafenstraße und Wildenbruchstraße in Neukölln auf.
Na ich merke schon, daß es dem Michael S nicht ganz leicht fällt, meinen Beitrag vom 4.12. 00:51 Uhr vorbehaltlos zu deuten.
Darum hier eine kleine Denkhilfe: Für mich ist es ganz natürlich (ach, schon wieder das böse Wort), anzunehmen, daß jemand, der von sich schreibt, daß er Minuten im Stau verbringt, vermutlich kein Radfahrer ist ooder, obwohl er in einem Radfahrerblog schreibt, vielleicht eine Situation beschreibt, in der er gerade in einem Auto saß.
Warum wohl? Weil ich, wie ich in dem, von ihnen, werter Michael S ebenfalls aufmerksam gelesenen Beitrag vom 4.12. 10:22 Uhr schon angedeutet, Radfahren und Stau überhaupt noch nie in einem Zusammenhang gesehen habe, schon gar nicht minuuutenlang.
Radfahrer kennen keinen Stau, ist das so schwierig zu verstehen?
Vielleicht sollten sie mal ein bißchen mehr mit einem Fahrrad draußen herumfahren und sich ein Bild von der Praxis machen.
Bitte um Verzeihung, falls sie sich durch den letzten Satz als „Nicht-Radfahrer diskreditiert“ fühlen sollten.
es gibt formulierungen, die enthalten ein gerüttelt maß an anmaßung. ist das so schwierig zu verstehen?
berlinradler, deine überlegungen zum umgang mit fußgängern finde ich gut.
michael, ja natürlich ging es gerade um die situation, dass auch der gehweg eng und voll ist. hätte ich dazuschreiben sollen, das ist in büro-/geschäftszentren halt morgens um 9.00 so. da bleibt dann nur schieben, nur dann hat man auch das problem, das die fußgänger auch haben, erstmal über bestimmte kreuzungen zu kommen, wenn es halt aus vier richtungen eng ist.
jetzt könnte man sich ampeln wünschen aber davon halte ich seit der neu-beampelung am kottbuser tor nichts: das sind fußgänger-/radfahrer-verhinderungsampeln. wenn man denn endlich mal grün hat, dann die rechtsabbieger auch! und sowas in 2014 – echt das letzte.
zum fußgängerkodex (überall dort, wo radfahrer geduldet werden und fußgänger sichtbar sind):
* Der Fußgänger ist dein Freund und Verbündeter, respektiere ihn.
programmsatz aber nett.
* Halte größtmöglichen Abstand, wenn du ihm begegnest.
[würde ich ergänzen:] wenn du nicht mindestens einen meter abstand halten kannst, ist es zeit zu schieben.
* Wo Kinder sind [ – lieber nicht klappt eh nicht – fahre echte schrittgeschwindigkeit oder] steige ab. kinder verhalten sich garantiert so, wie du es nicht erwartest.
* denke daran, dass du groß und schnell wirkst, wenn du auf fußgänger zufährst. das ist für sie unangenehm. verzichte auf „zügige überholmanöver“, um vorbeizukommen, bevor sich zwei fußgängergruppen begegnen oder zwischen zwei gruppen.
* Fahre langsam, mache freundlich auf Dich aufmerksam, bedanke Dich, wenn man dir platz macht.
* Sei tolerant, wenn der Fußgänger Fehler macht. Auch Blinde, Gehörlose oder gesundheitlich Beeinträchtigte dürfen zu Fuß gehen – du siehst es ihnen nicht an! es ist auch erlaubt, auf dem gehweg oder im park eine sms zu lesen.
* auf wegen, auf denen kein fußgänger zu sehen ist, aber mit fußgängern zu rechnen ist: fahre je nach sicht angemessen langsam. achte auf sichthindernisse und anzeichen dafür, dass fußgänger auftauchen könnten.
die frage ist natürlich auch wie man mit einem solchen kodex umgeht. freundliche ansprache? das führt natürlich oft zu unhöflichen bis aggressiven situationen. und vorwürfen wie blockwartmentalität.
(neulich war glaube ich die these zu leben – aufgestellt von einem ehemals schwerkriminellen anti-aggressionsberater – dass jemand, der einen menschen anspricht, der gerade einen schaltervorraum als toilette benutzt, nur selbst verdrängte aggressionen auslebt, quasi hinter aufrecht erhaltener bürgerlicher fassade. der satz „kannst du das nicht woanders machen“ sei demnach vergleichbar mit einem schlag.)
nur, wenn man auf das ordnungsamt oder die polizei hofft, wird sich nie etwas ändern.
„wie man mit einem solchen kodex umgeht…“
fehlte natürlich „… außer natürlich ihn zunächst einmal selbst zu beachten.“
@fab, mit Ansprechen meinte ich eigentlich nur die höfliche Frage, ob man mal vorbeidürfe. Damit habe ich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Manch einer beschwert sich, dass man nicht geklingelt hat (unabhängig davon, ob das stimmt) … alles in allem würde ich aber sagen, dass das funktioniert.
Jemanden auf seine Fehler hinweisen ist etwas anderes, das wird NIE funktionieren.
also ich bin gespannt, was das auf uns zu kommt mit herrn müller.
wenn man sich metropolen wie paris oder madrid anschaut, die vorbildlich den autoverkehr verringern wollen, sollte berlin ( und so mit deutschland ) auch endlich etwas unternehmen.
wir wissen alle wie laut, schnell und gefährlich das autofahren in der innenstadt ist.
…zudem stinkt es und schadet unserer umwelt.
autos können nicht ganz verbannt werden aus der innenstadt, aber man sollte sie verlangsamen, ganz nach dem prinzip “shared space“ wie hier beschrieben:http://smart-magazine.com/space/interview-ben-hamilton-baillie/
ich bin mir sicher, dass dieses konzept auch bei uns früchte tragen könnte. und das tempolimit auf 20 kmh runter zusetzten, finde ich ebenfalls nötwendig, da ja doch jeder 10+ kmh schneller fährt……..