Unter der Überschrift „Rad auf Rad – „Fleißiger“ Dieb festgenommen“ berichtet die Berliner Polizei heute von einem ungewöhnlichen Fahrraddiebstahl. Nach dem Zugriff der Beamten plauderte der ertappte Fahrraddieb, er habe schon 920 Räder gezockt:
„Beamte der 22. Einsatzhundertschaft nahmen gestern Abend in Tiergarten einen Fahrraddieb fest. Gegen 18 Uhr 30 wurden die Beamten auf den sehr nervös wirkenden Radler in der Straße An der Putlitzbrücke aufmerksam, der auf seinem Rad ein Weiteres mitführte und schlagartig die Fahrtrichtung änderte, nachdem er die Beamten entdeckt hatte. Während der Verfolgung durch die Polizisten warf der 29-Jährige vor Betreten des S-Bahnhofs Wedding den mitgeführten Drahtesel weg, was ihm auch nichts nutzte, da er kurz darauf festgenommen wurde. Bei seiner Befragung räumte der mutmaßliche Dieb ein, insgesamt 920 Fahrräder gestohlen zu haben. Bei einer richterlich angeordneten Wohnungsdurchsuchung entdeckten die Polizisten drei weitere Räder, diverse Fahrradcomputer, Fahrradsättel und Werkzeug. Der 29-Jährige gab an, mit den Diebstählen seine BTM-Sucht finanziert zu haben. Nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung kam der Mann wieder auf freien Fuß. Ein Fachkommissariat der Polizeidirektion 2 prüft derzeit die Angaben des Tatverdächtigen.“
Pressemeldung der Berliner Polizei Nummer 0074 vom 06.01.2012 – 12:20 Uhr
Mit Anwalt wäre das nicht passiert 😉
Wenn ich nun im Tagesspiegel kommentieren würde, wäre wohl die Forderung nach Teeren, Federn und Vierteilen verlangt. Aber im Ernst: Vielleicht ist es ja so, dass der ständig steigende Fahrraddiebstahl in Berlin nicht im Kern ein breites Massenphänomen ist, sondern das meiste auf wenige spezialisierte Einzeltäter und Gruppen zurückfällt, die man mit ein wenig gezielterer Polizeiarbeit auch kriegen könnte.
Der Typ hätte sich ein Beispiel an Wulff nehmen sollen. Der räumt ja nur immer soviel ein, wie man ihm tatsächlich und unwiderlegbar nachweist. Das wäre in diesem Fall maximal Diebstahl von 4 Rädern gewesen und das auch nur, wenn die Räder tatsächlich als gestohlen gemeldet waren.
Vermutlich ein Fall für die Psychiatrie.
Wer zugibt, 920 Fahrräder gestohlen zu haben, und auch noch eine Wiederholungsgefahr besteht wegen eingeräumter BTM-induzierter Finanznot, der wird einfach wieder nach Hause geschickt. Es sind ja nur Fahrräder.
Was soll man daraus lernen? Wer einen Fahrraddieb beobachtet, am besten sofort abknallen. Der Staat tut ja nichts wirksames, um gegen das Problem Fahrraddiebstahl anzugehen.
Oder wo ist jetzt der Denkfehler?
@dan, also ich lebe lieber in nem Rechtsstaat … mag ja Nachteile haben. Hat aber auch Vorteile. Fahrraddiebe gibts so oder so, da hilft nur gut anschließen.
Das Problem ist doch, dass unser Staat weder in der Gesetzgebung noch in der Strafverfolgung ausreichende Anstrengungen unternimmt, um das Eigentum des „kleinen Mannes“ zu schützen. Tut mir ja leid, muss schon wieder behaupten, dass das Fahrrad zu schätzungsweise 70 Prozent Verkehrsmittel weniger betuchter Bevölkerungskreise ist. Die Polizei könnte z.B. ihre Fahndungsdatenbank ins Internet stellen. Jeder könnte dann vor Kauf eines Gebrauchtrades mit Internethandy überprüfen, ob das Rad in der Fahndung ist. Warum wird das nicht gemacht? Stattdessen bietet man eine höchst problematische Fahrradcodierung an. Außerdem sollte man schleunigst polenschluessel.de und ähnliche Anbieter aus dem Verkehr ziehen. Notfalls ein entsprechendes Strafgesetz schaffen, dafür haben wir ein Parlament. Und hier wieder meine These: Parlamentarier sind in der Mehrzahl nicht fahrradfreundlich und weil sie in der Mehrzahl selbst nicht fahren, unzureichend mit den Problemen der Radfahrer vertraut. Den Eigentumsschutz delegiert man vorzugsweise an teure Diebstahlversicherungen. Wer sich das nicht leisten kann, ist selbst schuld.
Vor Selbstjustiz würde ich dringend warnen, weil dann der Täter von der Justiz ganz schnell zum Opfer einer Körperverletzung hochstilisiert wird. Ich würde mich darauf beschränken, den Dieb zu vertreiben. Keinesfalls festhalten, keine Polizei rufen. Lohnt sich nicht. Ein paar Stunden später ist der wieder frei. Man hat nur Ärger. Ich spreche aus Erfahrung.
Ja sicher ist das ein Problem. Aber den Mann auf freien Fuß zu setzen, ist doch noch kein Urteil. Natürlich wird er sich einer straf- und vielleicht auch einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung stellen müssen.
Und dass Selbstjustiz geahndet wird, ist ohne Wenn und Aber richtig so! Schön wärs, wenn sie das auch im Straßenverkehr würde.
Der Staat ist in anderen Bereichen bei vergleichsweisen Banalitäten durchaus sehr schnell darin, Leute zur „Gefahrenabwehr“ erstmal wegzusperren. Und im Falle einer zu erwartenden Freiheitsstrafe diese auch bis zum Gerichtstermin in U-Haft zu behalten.
Wenn es um 920 Fahrräder geht, kann man schon von „Gefahr im Verzuge“ ausgehen. Wer 920 Fahrräder stiehlt und zwecks BTM-Konsumfinanzierung weiterveräußert, dürfte sich in größerem Stile auch der Hehlerei schuldig machen. Das ist nichts mehr, was mit 10 Sozialstunden und 50 Euro Strafe abgehen sollte.
Ergo gehört eigentlich ein solcher Mensch sofort festgesetzt und für die Allgemeinheit unschädlich gemacht.
Und wenn der Staat das nicht tut, dann sollte man sich als mündiger Bürger durchaus Gedanken darüber machen, welche Alternativen es gibt, solche Leute unschädlich zu machen. Egal ob die nun von Moralisten als „Selbstjustiz“ abgestempelt werden oder nicht.
Der „Moralismus“ hat durchaus pragmatische Gründe. Wenn Du Dich für irgendeinen Fehler von jedermann nach dessen Gutdünken bestrafen lassen willst, ist das ja Deine Sache. Wenn ich mal Scheiße bauen sollte, will ich das nicht.
Wo zieht man die Grenze? Faustschlag wegen Zigarette im Restaurant? Messerstich wegen Handymusik in der S-Bahn?
Auch aus der Gesellschaft bekommen Gewalttäter, egal welchen Grund ihre Tat hatte, im Allgemeinen wenig Zuspruch.
Über mehr Polizeiausstattung oder höhere Strafen kann man durchaus diskutieren, vielleicht auch über eine Professionalisierung der Polizeiarbeit im Fahrraddiebstahl-Bereich, da kann ich mir kein Urteil erlauben. Beim gewalttätigen Teil steig ich aber aus.
Das größte Problem beim Fahrraddiebstahl sind die Fahrradhändler und Fahrradhersteller.
Wäre im Automobilbereich die Sicherungstechnik noch auf dem gleichen Stand wie Mitte er 1990er Jahre, würden zum Beispiel in Brandenburg noch immer rund 25.000 Kfz pro Jahr geklaut werden – tatsächlich sind es heute 80 Prozent weniger. Und die Polizeii macht trotzdem einen Budenzauber darum, dass angeblich nur sie die „dramatisch gestiegenen Kfz-Diebstähle“ (weniger als 4.000 pro Jahr 😉 mit mehr Personal bla, bla in den Griff kriegen könnte. Tatsächlich liegt die Aufklärungsquote im Kfz-Bereich damals wie heute bei um die 30 Prozent.
Im Fahrradbereich hängen in der Regel in jedem „qualifizierten Fahrradfachgeschäft“ eine illustre Mischung aus Spiralschlössern, Geschenkbändern und unklaren Schutzklassen. Angeblich „weil die Kunden das so wollen“.
Was mich außerdem erschreckt, sind die vielen Felgenkiller vor eben jenen angeblich engagierten Fahrradläden – „weil man ja da die Werbung so schön ranpappen kann“.
Wenn dann noch die Bauaufsicht wenigstens bei Neubauten das Einbauen von Fahrradbügeln überprüfen würde, könnten wir auch in Berlin die Zahl von 25.000 jährlich geklauten Fahrrädern leicht auf ein Viertel reduzieren.
@benno
Deine Erwartungshaltung betreff besserer Sichrungstechnik halte ich für übertrieben – ich schließe allerdings nicht aus, dass Junkies sich eine neue Einkomensquellen suchen, wenn sie durch bessere Technik gehindert werden.
An der grundsätzlichen Problematik BTM-Beschaffungskrimininalität würde sich nichts ändern. Zu eine großen Wurf ist der Gesetzgeber nicht fähig – inzwischen dürften wohl ale Beteiligten resigniert haben.
Da sieht man mal, was man mit Zahlen machen kann. Mir war nicht bewusst, dass in den 90er Jahren mehr Autos in Brandenburg geklaut wurden als heute. Die Kritiker des Schengen-Beitritts von Polen stellen das ja oft anders dar, vergleichen allerdings auch nur die Zeit unmittelbar vor und nach dem Beitritt.
Im Fahrradbereich haben wir den Effekt, dass viele Leute sehr preisbewusst sind. Das schlägt sich nicht nur in den Schlössern, sondern auch in der Beleuchtung und der allgemeinen Bearbeitungsqualität nieder. Ich weiss allerdings nicht, inwiefern hier – mal nur auf die Schlösser bezogen – Handlungsbedarf „von oben“ besteht. Wer will, kann ein vernünftiges Schloss kaufen.
So ein Quatsch! Natürlich sind Autofahrer extrem preisbewusst – und diskutieren ständig rum. Nicht umsonst gibt es sowas wie Dacia Logan 😉
Wenn an einem 4.000-Euro-E-Bike ein billiges Rahmenschloss rangepappt ist, dann stimmt was mit der Fahrradindustrie und dem Fahrradhandel nicht.
Die BTM-Problematik kriegt man bekanntlich mit normalen Schlössern in den Griff – einfach mal die Geschenkbänder, Rahmen- und Spiralschlösser aus dem „qualifizierten“ Fahrradfachhandel nehmen. Und dann noch ein paar Exemplare „Opium fürs Volk“ kostenlos an die Zielgruppe verteilen – dann klappts auch mit dem Kick ohne den Umweg über ein geklautes Fahrrad.