Die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung, der ADAC und der ADFC stellten am Freitag den Verkehrssicherheitsbericht 2010 vor. Dieser seit 2005 jährlich erscheinende Bericht soll die Fortschritte bei der Senkung der Unfallzahlen auf der Grundlage des Programms „Berlin Sicher Mobil“ dokumentieren. Ziel dieses Programms ist eine Senkung der Verletzten- und Totenzahlen gegenüber 2005 um 30%.
Die Anzahl der verletzten oder getöteten Personen nahm im Zeitraum 2004-2009 bei den Autofahrern um 13%, bei Fußgängern um 7 % ab, stieg bei Radfahrern hingegen um 21%. Pkw und Lkw waren mit zusammengerechnet 87,9% in die meisten Unfälle verwickelt, Radfahrer in 3,1% der Unfälle. Noch deutlicher wird das Ungleichgewicht, wenn man den Modal Split und die Zahl der Verletzten und Getöteten heranzieht:
Art der Verkehrsbeteiligung | Anteil am Modal Split 2009 | Anteil an Verkehrs- unfällen | Verletzte und Tote (Anteil, 2007-2009) |
---|---|---|---|
Pkw + Lkw | 31% | 87,9% | 26,2% + 16,1% Mitfahrer |
Fahrrad | 13% | 3,1% | 28,7% |
Fußgänger | 30% | 1,1% | 13% |
ÖPNV | 26% | 2,1% | 0,2% |
(Rest: motorrisierte Zweiräder und Sonstige)
Obwohl Radfahrer und Fußgänger in wenige Unfälle verwickelt sind, stellen sie einen großen Anteil der Verletzten und Getöteten. Ihr Hauptunfallgegner sind jeweils motorisierte Fahrzeuge. Mit Abstand am sichersten ist man im ÖPNV unterwegs.
Als Hauptunfallursachen der Radfahrer im mehrjährigen Mittel werden genannt: Fehler beim Einfahren in den fließenden Verkehr (genannt werden Einbiegen und Kreuzen), Benutzung falscher Fahrbahnteile (konkret werden Gehwege und Radwege in falscher Richtung genannt), anders herum (welche durch Dritte verursachte Unfallursachen betreffen Radfahrer und Fußgänger?) gibt es keine Angaben.
Die Auswertung zeigt deutlich, dass das oben genannte Ziel von -30% im Jahre 2010 eher nicht zu erwarten ist. Im Jahr 2009 gab es 5,5% weniger Verletzte und Getötete, dies liegt wohl in der statistischen Schwankungsbreite, jedoch haben die Anteile der Verkehrsgruppen sich verschoben – zu Ungunsten von Radfahrern und motorisierten Zweirädern.
Ein „Aktionsprogramm 2010“ zeigt 12 Punkte auf, mit denen man die Unfallzahlen verringern möchte, viele beziehen sich dabei auf organisatorische Maßnahmen. Nennenswert ist ein „Radverkehrsstreifenprogramm“ für besonders unfallträchtige Strecken, Knotenpunkte und Routen, die Erweiterung der Geschwindigkeitsüberwachung und eine sogenannte „Partnerkampagne für den Radverkehr“ – übrigens der einzige Punkt im Programm, den man nicht weiter konkretisiert.
Interessant im Nachspann des Berichtes ist eine „vertiefende Untersuchung“ zu den Radverkehrsunfällen, die unter anderem feststellt, dass Unfälle mit Getöteten überwiegend von den Radfahrern selbst verursacht wurden. Weiter stellt man fest, dass auf Radwegen im Bereich von Kreuzungen und Ausfahrten häufig Unfälle zu verzeichnen waren, auf Radfahrstreifen und Schutzstreifen eine solche Häufung allerdings nicht auftrat.
Der Tagesspiegel sortiert seinen Artikel über den Bericht unter „Radfahrer“ ein und widmet diesen einen Großteil des Textes. Dementsprechend groß ist die Resonanz, bis jetzt sind 53 Kommentare eingegangen, die ein wenig vorteilhaftes öffentliches Bild der Radfahrer zeichnen.
Sicherheitsbericht 2010 (mit zwei PDF-Links)
Tagesspiegel: Verkehrssicherheit in Berlin: Zeigefinger statt Stinkefinger
Hallo allerseits,
mich kot*** Aussagen wie: „dass Unfälle mit Getöteten überwiegend von den
Radfahrern selbst verursacht wurden“ einfach nur noch an! Ich fahre nahezu täglich
mit Rad zur Arbeit und bin dabei in der Berliner Innenstadt unterwegs. Gestern wurde
ich dabei fast in drei potenziell schwere Unfälle verwickelt (2x auf dem Hinweg, 1x auf
dem Rückweg). Allen Fast-Unfällen konnte ich nur durch *meine* Voraussicht und
extrem defensive Fahrweise entgehen. Beide Fast-Unfälle auf dem Hinweg wurden
durch KFZs verursacht: einmal der klassische „ich-fahr‘-dich-beim-Rechtsabbiegen-
über-den-Haufen-auch-wenn-du-vorschriftsmäßig-auf-dem-Fahrradstreifen-fährst-
und-die-Fahrradampel-grün-anzeigt-denn-ich-bin-einfach-ein-Ar*******-und-sch***-auf-
den-Schulterblick“ und einmal ein Kleintransporter, der einfach aus der Ausfahrt schoss,
ohne den geringsten Einblick auf die Fahrbahn zu haben (da ein weiterer
Kleintransporter ungemein clever auf eben dieser Fahrbahn parkte). Der Fast-Unfall
auf dem Rückweg war natürlich auch ein Rechtsabbieger, der zwar brav an der
Kreuzung auf die geradeaus fahrenden Fahrradfahrer wartete, aber dann – als ich
gerade genau seitlich von ihm war und die Kreuzung ebenso wie die zwei Fahrradfahrer
vor mir überqueren wollte – spontan anfuhr. Durch *mein* Ausweichen bin ich dem Unfall
entgangen, aber immerhin hat der Autofahrer auch noch gebremst, als er seinen Irrtum
bemerkte (toll!).
Jeden Tag wird also mein Leben durch irgendwelche degenrierten und absolut unfähigen
KFZ-Fahrer aufs Spiel gesetzt, und dann muss ich so ein Sch*** lesen! Man, da platzt
einem doch echt der Kragen, gerade wenn man wie ich fast schon mal durch einen
Rechtsabbiegerunfall ins Gras gebissen hätte (leide heute noch unter den Spätfolgen).
Mein Rezept: stets mit dem dümmsten und rücksichtslosesten Verhalten der motorisierten
Verkehrsteilnehmer rechnen. Traurig, aber wahr: Viel zu oft werde ich in meinen
Annahmen/Erwartungen bestätigt …
Grüße,
andreas
@andreas: Vorbemerkung: da ich auch täglich mit dem Fahrrad unterwegs bin weiß ich, was es bedeutet, regelmäßig in Beinaheunfälle verwickelt zu werden.
Dennoch: bevor wir schimpfen, sollten wir uns den Bericht mal genau ansehen. Die Aussage die von berlinradler herausgehoben wurde ist nur eine unter vielen. Auf jeden Fall ist diese Aussage fragwürdig, da (glücklicherweise) die Anzahl der getöteten Fahrradfahrer nicht in einer Größenordnung liegt, die eine seriöse statistische Auswertung erlaubt. Sie sagt jedoch lediglich aus, dass von den Radfahrern, die nach einem Verkehrsunfall sterben, mehr als die Hälfte den Unfall selber verursacht hat.
Ich denke, dass dies durchaus möglich ist. Ich verfolge die Unfallberichte nicht regelmäßig, kann mich aber z.B. an einige Berichte über Getötete durch Befahren einer Kreuzung durch einen Radfahrer bei Rot erinnern.
Das, was wir täglich erleben, sind ätzende Situationen, an denen in den allermeisten Fällen unachtsame / ignorante Autofahrer Schuld sind. Dass es in diesen Situationen nicht ständig zu Unfällen kommt, liegt sicher auch hauptsächlich daran, dass wir inzwischen damit rechnen… Allerdings würden hierbei entstehende Unfälle „nur“ zu Verletzungen und Sachschaden, aber in den wenigsten Fällen (Abbiegeunfälle durch LKW) tödlich enden. Kein Trost, sicher nicht. Aber ein Versuch, eine Erklärung für diese – isoliert betrachtet – polemisch wirkende Aussage zu finden. Wie oft sehe ich Radfahrer, die sich wirklich grob fahrlässig im Straßenverkehr bewegen und frage mich, wie es möglich ist, dass sie unfallfrei davon kommen.
Diese Aussage, die erstmal ärgerlich ist, sollte auch Anlass sein, Radfahrer zu sensibilisieren, dass bestimmte Regelverstöße auf dem Rad für den Radfahrer selber weitaus gefährlicher sein können als entsprechende Regelverstöße anderer Verkehrsteilnehmer.
@BikeBloggerBerlin … hä?
Hau mal raus die „einige Berichte über Getötete durch Befahren einer Kreuzung durch einen Radfahrer bei Rot erinnern“ – da bin ich aber gespannt!
Tatsächlich gibt es zu den wenigen tödlichen Rotlichtunfällen mit Radfahrern in Berlin in den vergangenen 15 Jahren zwei Dinge zu sagen:
1. Die Zahl der Rotlichtunfälle mit Radfahrern sind sehr gering, meiner Erinnerung nach unter zwei Prozent (wird nicht mehr ausgewiesen, aber ich habe noch einige detaillierte Unfallauswertungen der letzten Jahre). Ungefähr in dieser Größenordnung lagen auch die nach der ersten polizeilichen Unfallaufnahme vermuteten tödlichen Rotlichtunfälle.
2. Nach jedem tödlichen Unfall gibt es ein Gerichtsverfahren, bei dem sich die erste polizeiliche Unfallaufnahme und die von der Polizei gemachten Aussagen zum vermeintlichen Verursacher nicht selten ins Gegenteil verkehren – zumindest für einen tödlichen angeblichen Rotlichtunfall kann ich dies sofort sagen (die Radfahrerin ist laut späterer Spurensicherung bei Grün gefahren), andere müsste ich noch einmal überprüfen.
@Benno und mitlesende ADFClerInnen: sind die Daten in der Geisterräderaktion des ADFC Berlin nicht aktuell?
http://www.google.com/maps/ms?ie=UTF8&vps=1&jsv=165c&hl=de&oe=UTF8&msa=0&msid=115052814396287720724.00046e1c0990966f620a3
Hier sind drei von neun der Kategorie vom Radfahrer verursacht zuzuordnen und der am 18.11. ist ein Rotlichtverstoß. Der vom 25. August klingt nicht ganz eindeutig (zu geringer Abstand beim Überholen?).
Wie kommt es also zu dieser merkwürdigen Aussage der Polizei?
@Rosi: Danke für den Link. Wenn man sich die Beschreibungen der Unfälle durchliest, ist bei dreien die Ursache des Unfalls garnicht klar. Wenn diese von Polizei als „Eigenunfall“ eingeordnet und dann der Kategorie „Radfahrer ist immer selbst Schuld“ zugeordnet werden, sind die obigen Zahlen schon erklärbar. Dann wären das Sechs gegen Vier, die eindeutig von Fahrzeugen verursacht werden, und einer von einem Fussgänger.
Dementsprechend wäre es schön, wenn der ADFC mal alle bei der Konferenz erwähnten 52 Unfälle von 2004 bis 2008 mal selbst unter die Lupe zu nehmen. Da werden wahrscheinlich andere Zahlen als oben genannt herauskommen.
@Rosi … in dem Link von Dir wird ja im Wesentlichen die Einschätzung der Polizei wiedergegeben – vor allem deren Pressearbeit in Berlin ist nicht fahrradfreundlich. Ich habe das in den vergangenen Jahren mehrfach gegenüber der Pressestelle beanstandet – was ja auch in diesem Blog gelegentlich bemerkt wird.
Unter http://www.benno-koch.de/article09638_berlin_ein_drittel_weniger_toedliche_fahrradunfaelle hatte ich für das vergangene Jahr mal versucht, die tödlichen Fahrradunfälle etwas mehr zu hinterfragen.
Ein ernstzunehmender so genannter Verkehrssicherheitsbericht sollte zumindest bei den tödlichen Verkehrsunfällen die entsprechenden Gerichtsurteile berücksichtigen – und zu Beispiel mit der ersten polizeilichen Unfallaufnahme vergleichen. Das wäre mal eine neue, möglicherweise etwas unabhängigere Information.
Allerdings muss man berücksichtigen, dass Gerichtsgutachter aus meiner Erfahrung vom Thema Fahrrad wenig Ahnung haben – es gibt vor Gericht einfach zu wenige Fälle, Stichwort weniger als fünf Prozent aller Straßenverkehrsunfälle sind Fahrradunfälle. Und Fahrradunfälle sind meist zu billig, da der Sachschaden meist gering ist und tödliche Unfälle wenig Geld bringen (Stichwort Schmerzensgeld usw.) – scheinbar hält sich daher auch das Interesse von Rechtsanwälten in engen Grenzen, dieser Zielgruppe eine ähnliche Unterstützung zu geben wie es für Kfz-Führer bestens getan wird.
Geht diese Diskussion wieder in die Richtung, wir armen Radfahrer, die bösen Autofahrer? Wenn wir dabei bleiben, wird sich sicher nicht viel ändern. Auch Radfahrer machen Fehler. Leider auch solche, die tödlich enden können. Mehr wollte ich gar nicht sagen. Neben allen notwendigen und berechtigten Forderungen, Verkehrsführungen zu verbessern und Autofahrer zu schulen sollten auch Radfahrer (gerade Nicht-Alltagsfahrer) selber mehr zu ihrer eigenen Sicherheit beitragen.
Mal ne doofe Frage – steht irgendwo, dass ich diesen Eintrag geschrieben habe, oder hast Du es am Schreibstil erkannt, BikeBloggerBerlin?
@Kai, interessanter Ansatz. Ich hatte bei dem Satz, dass die meisten tödlichen Unfälle von Radfahrern selbst verursacht werden, zumindest gestutzt und ihn daher mit in den Artikel genommen in der Hoffnung, dass das jemand aufklären kann. Nun war das Jahr 2009 aber meines Erachtens in Hinsicht der tödlichen Unfälle ein ungewöhnliches, 3 Eigenunfälle sind eher ungewöhnlich. Man müsste wohl wirklich versuchen, eine Aufschlüsselung der 52 Unfälle zu erhalten. Und Benno hat vollkommen Recht, wenn sich die Unfallursachen im Nachhinein anders dargestellt haben als im Streifenwagen am Unfallort, müsste dies unbedingt in die Unfallstatistik einfließen.
In diesem Zusammenhang eine Frage an Benno, – es gab, ich glaube 2007, einen Unfall in Johannistal am Segelfliegerdamm. Hier gibt es die unsägliche Konstruktion eines Radweges an einer Hauptstraße mit abknickender Vorfahrt. Eine Radfahrerin wollte geradeaus fahren, ein Bus abbiegen, es kam zum Unfall. In ihrer Pressemeldung gab die Polizei der Frau die Schuld, ganz so klar scheint mir das nicht. Weisst Du, was da am Ende rausgekommen ist?
@BikeBloggerBerlin, es gibt einerseits die Realität, in der viele Radfahrer, Fußgänger und Autofahrer sich gefährlich benehmen und Unfälle verursachen. Und es gibt Medienwelt und Polizeipresse, die durch verstärkende oder verharmlosende Wortwahl sowie durch Auslassungen das Bild des rowdyhaften Radfahrers und des gesitteten, eher versehentlich Fehler machenden Autofahrers zeichnen. Mir persönlich geht es darum, ein realistischeres Bild zu zeichnen. Dabei müssen Radfahrer durchaus nicht ausgenommen werden, Autofahrer aber eben auch nicht. Persönlich konzentriere ich mich auf Unfallgefahren in Zusammenhang mit Kfz, einfach weil dies für alle Verkehsrgruppen der häufigste Unfallgegner ist.
Radfahrer können ihr Risiko natürlich erheblich senken, wenn sie gewisse Regeln einhalten, die weitgehend mit der STVO übereinstimmen. Einige Regeln sind ungünstig (Radwegbenutzungspflichten), einige gefährlich (Radwegampel gilt für Fahrbahn, sogar bei eigener Signalisierung z.B. zum Linksabbiegen) und andere so abstrus, dass nicht mal die Polizei sie kontrolliert (Füße müssen immer auf Pedalen bleiben). Sie können ihr Risiko weiterhin erheblich senken, wenn sie die von anderen Verkehrsteilnehmern verschuldeten Unfallursachen kennen und zu vermeiden wissen. Das Restrisiko besteht in eigenen Fehlern (die jeder macht) und Fehlern der anderen.
Ich halte mich als Radfahrer an die Regeln, fühle mich dabei aber insbesondere von der Polizei im Stich gelassen. Denn sie konzentriert sich im Wesentlichen nicht auf das Verhalten, das mich regelkonform fahrenden Radfahrer ständig gefährdet.
Vielleicht wäre es sinnvoll, z.b. Polizisten oder anderen Unfall-Beurteilern obligatorische Radverkehrs-Erfahrung oder Training abzuverlangen. Wenn Polizisten nicht nur in Autos säßen (außer der paar Promo-Radbeamten), dann würden sie allgemein den Verkehr wohl etwas anders beurteilen. Bei meinen Unfall-Erfahrungen wurde stets automatisch davon ausgegangen, dass ich als Radlerin Schuld habe. So kam das wohl auch in die Statistik.
Krassester Fall: ich flog 5 Meter durch die Luft, weil ein Auto im zu schnellen Kurveschneiden mich frontal umnietete. Polizist nahm meinen Landeplatz auf der linken Fahrbahnseite als Ausgangspunkt auf. Da ich unter Schock stand und auf dem Weg ins Krankenhaus war, konnte ich mich dagegen nicht wehren. ADFC-Anwalt riet mir von Maßnahmen ab. Ich hatte also Schuld und Autofahrer könnte mich noch wegen seiner Beule und der Blutspuren im Lack verklagen. Mein Rad war Totalschaden, ich selbst konnte 4 Wochen nicht arbeiten. Aber die Polizisten haben sich mit dem Unfallverursacher bestens unterhalten, während ich da benommen in der Gosse saß. Zum Heulen. Zur Strafe sollten die Herren mal 4 Wochen Radfahren in Berlin. Für sie wäre das sicher eine Strafe, lach.
PS: ich hatte mich übrigens nicht gefärhlich benommen, sondern nur an der Einbiegung gestanden und auf Überquerung gewartet. Das hätte auch jeden Fußgänger erwischt dort. Mir hat keiner geglaubt.
@claudine:
Eine echte Horrorgeschichte! Wie kann so etwas sein – diese unglaublich falsche Einschätzung des Unfalls? Mein vollstes Verständnis, wenn du schreibst „Aber die Polizisten haben sich mit dem Unfallverursacher bestens unterhalten, während ich da benommen in der Gosse saß. Zum Heulen.“ Auf jeden Fall gebe ich dir recht, Personen, die nicht selbst per Fahrrad am Straßenverkehr (zu den Hauptverkehrszeiten) teilnehmen, können sich nicht vorstellen, welchen Gefahren man als Fahrradfahrer – und damit *schwächstes* Glied auf der Straße (Fußgänger benutzen eben
nicht die Fahrbahn) – ausgesetzt ist und zu welchen brenzligen Situationen es dabei oft kommt.
@berlinradler:
„Das Restrisiko besteht in eigenen Fehlern (die jeder macht) und Fehlern der anderen.“
Ja, so ist das wohl. Wenn die „anderen“ jedoch Auto/LKW-Fahrer sind, dann ist meiner Meinung nach eines der Hauptprobleme das Fehlen jeglicher Verhältnismäßigkeit: Mache ich als Radfahrer einen Fehler, kann das für mich schlimme Folgen haben, allerdings werde ich damit kaum einen Autofahrer – umgeben von Stahl/Alu und Plastik – gefährden. Macht der Autofahrer dagegen einen Fehler, so gefährdet das mich als Radfahrer in besonderem Maße, da ich den wirkenden Kräften ohne jeglichen Schutz ausgeliefert bin (abgesehen vom evtl. vorhandenen Fahrradhelm). Der Autofahrer selbst gefährdet allerdings hauptsächlich seinen Lack und seine Karosserie, jedoch kaum sein wertvollstes Gut: das eigene Leben. Mit anderen Worten: der Radfahrer hat immer die Ar***karte, egal wer den Fehler macht. Aus diesem Grund – wenn man sich der daraus erwachsenden Verantwortung annehmen möchte – müssten also KFZ-Fahrer *besonders* vorsichtig, umsichtig und defensiv fahren, um
bei einem evtl. Fehler nicht die schwächeren Verkehrsteilnehmer massiv zu gefährden. Leider ist dies oft einfach nicht der Fall, aber natürlich gibt es auch Autofahrer, die sich zumindest bemühen, ihrer großen Verantwortung im Straßenverkehr gerecht zu werden.
Fahrradstreifen der Polizei (nicht als Strafe, claudine) wären in der Tat sehr hilfreich. Nicht im Grunewald, sondern im dichten Verkehr. Spätestens das würde eine Hauptunfallursache – zu dichtes Überholen durch KFZ – sozusagen hautnah ins Bewusstsein der Polizisten rücken, selbst wenn sie sich nur auf die Regelübertretungen der Radfahrer konzentrieren. Soweit ich mich erinnere, wird das aber regelmäßig von Seiten der Polizei als zu gefährlich eingestuft. Das allein scheint aber nicht zu mehr Akzeptanz dieses Problems zu führen.
@BikeBloggerBerlin: Ich kann mich nur dem Berlinradler anschließen. Aber es ist schon so, gerade bei der Polizei und dem Gros der Autofahrer ist fast immer der Radfahrer der Rowdy. Selbst regelkonform fahrende. Anscheinend gerade die Auslegung der Schuldfrage bei den getöteten Radfahrern spricht eine deutliche Sprache.
@berlinradler, in der Einzelansicht des Beitrags steht unter deinem Text: „Dieser Beitrag wurde am Samstag, 28. August 2010 um 12:08 Uhr von berlinradler geschrieben und ist gespeichert unter …“ Den Hinweis auf den Autor hatte ich im Frühjahr eingefügt, weil manche Leser sich gewünscht haben, dass Julia (die von der Fahrradtour nach Kirgistan berichtet hat) ihre Beiträge nichtanonymisiert schreibt.
@kalle, dann habe ich seit dem Frühjahr nicht mehr geguckt und es beim Überfliegen übersehen. Wieder was dazugerlernt.
Zum Berliner Verkehrssicherheitsbericht 2010 nimmt der ADFC sehr genau Stellung. s. hier:
http://www.adfc-berlin.de/aktionenprojekte/verkehrssicherheit/850-verkehrssicherheit2010.html
Die Aktion „Geisterräder“ zur Erinnerung an die getöteten RadfahrerInnen des Vorjahres machen wir im Februar des Folgejahres.
Zu diesem Zeitpunkt liegen dem ADFC keine anderen Zahlen, als die des Polizeipräsidenten vor.
…und soeben wieder ein Radfahrer von einem LKW getötet!!!!!!
s. hier:http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/308367/index.html
….Scheißdreck 🙁
@Bernd, danke für den Link.
Es ist so bitter und frustrierend, dass diese bescheuerte Rechtsabbiegeproblematik andauernd Menschenleben kostet.
@berlinradler, richtig, ich muß Dir leider zustimmen.
Erst gestern habe ich mit Vereinsmitgliedern des ADFC beim Verkehrssicherheitstag der BVG teilgenommen.
Wir haben mit einem Info-Stand von 10 bis 18 Uhr Kindern und deren Eltern Tipps zum Sicheren Radfahren in Berlin gegeben.
Der Tote Winkel und die Rechtsabbiegeproblematik standen dabei im Mittelpunkt der Aufklärung!
Dabei stellten wir fest, dass die Kinder recht gut darüber Bescheid wissen.
Viele Erwachsene jedoch nicht.
Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu betreiben!!!
Es kamen trotz des schlechten Wetters über 3000 Besucher.
Viele nahmen am Verkehrssicherheits-Test des ADFC teil.
Radfahrstreifen, Schutzstreifen für Radfahrer, Radwegebenutzungspflicht ja oder nein, wenn ja, wo?
Sehr viele radfahrende BürgerInnen sind damit „überfragt“.
@Bernd, das mit den Kindern ist aber schonmal ne schöne Sache. Wobei ich glaube, dass Wissen um den Toten Winkel allein nicht ausreicht. Ich würde für mich nicht behaupten, dass mir so ein Unfall nicht passieren kann.
Na und dass es zu den Radstreifen etc. unterschiedliche Meinungen gibt, merkt man ja auch hier sehr stark.
@berlinradler…
es geht nicht um unterschiedliche Meinungen.
Das Wissen ist nicht ausreichend vorhanden!
„Alle Radwege muß man benutzen, wenn welche da sind“.
Das ist leider die Standardantwort.
@Bernd, ich meine damit, dass auch Radstreifen hier nicht unumstritten sind. Geradeausfahrende Radfahrer werden hier ja – bis auf einige Ausnahmen – weiterhin rechts von den Rechtsabbiegern geführt. Obwohl ich auf den meisten Radstreifen (in Berlin) gern radfahre, bin ich in Bezug auf die Rechtsabbieger auch nicht ganz überzeugt. Die insbesondere außerorts oft vorzufindende Situation, die Radstreifen dazu missbraucht, Nahüberholen zu legalisieren, ist zudem ein Punkt, der mir größte Bauchschmerzen bereitet. In Königs Wusterhausen gibt es einen Radstreifen auf einer vielbefahrenen Hauptstraße, der nicht mal einen Meter breit ist.
Und dann kommt das Thema der Unwissenheit. Das beschränkt sich nicht nur auf vermeintliche Benutzungspflichten, sondern auf eine Einschätzung von Unfallgefahren aus dem Bauch heraus. Über die Wahlfreiheit kann man Radfahrer ja schnell aufklären. Dass sie aus Sicherheitsgründen Sinn macht, wird einigen schwer und manchen gar nicht beizubringen sein.
Und das Unwissen ist natürlich in gleicher Art und Weise auch bei Autofahrern und sogar Polizisten vorhanden – die Radfahrer durch Gehupe und ähnliches auf „Radwege“ scheuchen wollen.
@berlinradler…
Natürlich gibt es auf Radfahrstreifen keine 100%ige Sicherheit.
Die letzten beiden tödlich verunglückten Radfahrerinnen im Dezember 2009 fuhren auf dem Radfahrstreifen. Beide wurden von rechtsabbiegenden Lkw überrollt.
In den ADFC-Fahrkursen und bei den INFO-Veranstaltungen des ADFC weisen wir die RadfahrerInnen immer daraufhin:
Schulterblick nach links, möglichst Blickkontakt zum Kfz in der Fahrspur herstellen, nicht blind auf mein Vorfahrtrecht vertrauen! Besondere Vorsicht, wenn Lkw neben mir fahren, (Toter Winkel)!
Die Gespräche mit vielen RadfahrerInnen zeigen, dass Radfahrstreifen und Schutzstreifen (früher Angebotsstreifen)
ein Sicherheitsgefühl geben. Sie fühlen sich sicherer als auf der Fahrbahn.
Beim Fahren auf der Fahrbahn, wenn rechts Kfz parken, einen Abstand von 1,5m einhalten. Damit entgeht man der „sich plötzlich“ öffnenden Autotür!
Wie gerade gemeldet: s. hier
http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/308469/index.html
Zu LKW-Rechtsabbiegeunfällen habe ich immer noch eine Vermutung, die ich mangels genauer Beschreibungen der Kollisionen aber nicht verifizieren kann:
Ich vermute, dass Radfahrer von abbiegenden LKW-Fahrern auch dann noch überfahren werden, wenn der Radfahrer den LKW gesehen hat UND auf seinen Vorrang verzichtet. Sogar dann, wenn der Radfarher an einer Radweg/Radstreifen-Haltelinie STEHT, weil z.B die Fahrradampel rot zeigt, während die Huptampel für den LKW grün ist. Und sogar dann, wenn der LKW-Fahrer den Radfahrer gesehen hat.
Das Stichwort lautet hier nicht „toter Winkel“ sondern „Schleppkurve“
…
Auch wenn bei folgender Animation (links unten „Film ab“ drücken) die Überschrift „toter Winkel“ ist, wird zum Ende der Animation auch eindrücklich die Schleppkurve gezeigt. Wehe dem Radfahrer, der hier auch noch so brav an der Haltelinie wartet, weil er auf seinen Vorrang verzichtet oder einfach weil er Rot hat. Vor Allem dann, wenn der LKW-Fahrer nicht ausreichend ausholt oder zu früh einlenkt.
Der tote Winkel ist ganz offensichtlich nicht das ganze Geheimnis denke ich.“Schleppkurven“ sind aber im Gegensatz zum toten Winkel wohl noch kaum jemandem hinreichend im Bewusstsein (außer sicherlich LKW-Fahrern – die sich aber sicher auch mal fatal verschätzen können,)
Nachtrag:
Hier der Link zu Animation:
http://www.schulalltage.de/lkw_abbiegen.swf
Ja, schöne Idealsituation im Video. Lastwagen und Radfahrer fahren parallel, Radfahrer hat alle Zeit der Welt, sich auf das zu erwartende Fehlverhalten einzustellen. Und die Realität? Entweder so wie Chris geschrieben hat (Radfahrer reagiert, wird aber trotzdem überrolt) oder beide warten an der roten Ampel und fahren gleichzeitig bei grün los.
Hallo.
Ich mochte mit Ihrer Website http://www.rad-spannerei.de Links tauschen
Schieb Dir Deinen SPAM woanders hin, Du nervst.
Rosi:
„Fahrradstreifen der Polizei (…) wären in der Tat sehr hilfreich. Nicht im Grunewald, sondern im dichten Verkehr. Spätestens das würde eine Hauptunfallursache – zu dichtes Überholen durch KFZ – sozusagen hautnah ins Bewusstsein der Polizisten rücken, … Soweit ich mich erinnere, wird das aber regelmäßig von Seiten der Polizei als zu gefährlich eingestuft. “
Das klingt wie DER Treppenwitz schlechthin. Man weiß, zumindest an entscheidenden Stellen (z.B. der Personal-/Einsatzplanung) um die deutlichen Risiken, verzichtet aber gerade deswegen auf Kontrollen „vor Ort“ und verhindert somit letztlich jedwede Besserung bzw auch Strafverfolgung (bei entsprechend krassen Fällen).
Umgekehrt haben die Leidtragenden der Zustände kaum eine Chance sich Gehör zu verschaffen und stehen bei Anzeigen (gegen die Fahrzeuglenker) fast immer auf verlorenem Posten.
Erinnert mich jetzt – passt nicht ganz, ausser eben die systematische Untätigkeit seitens der Behörde – an eine nicht sehr lange schnurgerade Wohnstraße (Tempo 30), wo praktisch nur gerast wird. Als ich wegen was anderem mal bei der Rennleitung war und fragte wieso dort eigentlich NIE kontrolliert würde, die Zustände wären jenseits von Gut und Böse, bekam ich als Antwort: „Wir müssen sie ja Anhalten können …“ und der Kommisärrr ließ den Satz genau so ausklingen, offen.
Seitdem wunderte mich fast gar nichts mehr.