Rosa-pink, hatte die neue Gabel des schwarzen Mifa Rads. Andere gab es nicht. Die alte brach, vermutlich unter der Last der schwerer werdenden Kinder, die auch noch mit über fünf Jahren, Beine zusammenfaltend, auf dem einfachen Kindersitz vorn auf der Stange, herumkutschiert wurden.
Ich bin drei, sollte ich sagen und sonst nichts, falls die Polizei uns anhalten würde.
Ein guter Deal, denn ich mochte es sehr, auf dem Fahrrad mitzufahren und konnte mir nicht vorstellen, dass es jemals anders sein würde. Die metallischen Geräusche, der Fett- und Ölduft der ständig dabei in der Luft lag, das knirschende, rasselnde Geräusch des Schotters und des Sandes unter den Reifen, der Fahrtwind, die Sonne und ich in erster Reihe mit der Unwissenheit und dem Rätsel, wohin die Fahrt mich verschlug.
Später, denn es kam anders, fuhr ich mit dem Fahrrad selber herum. Die Fahrt zum Liepnitzsee vielleicht die schönste, die ermüdenden und nahezu aussichtslosen Marathons der Wohnungsbesichtigungen, mehr praktischer Fahrspaß als Genuß.
Mit dem blauen 26iger Rad meiner Mutter, ein echtes Singelspeed, fuhr ich ebenfalls viel herum, denn ich hatte noch kein eigenes Fahrrad. Ich weiß nicht woher das kleine Rad den Turboantrieb nahm aber nicht nur gefühlt habe ich alle damit überholt! Mehr noch…
„Wie?!“ rief ich und sauste vorbei, als Neonazis nachts beim Plakate aufhängen in Pankow, mir glotzend hinter krähten: „Dich kriegen wir auch noch!“.
Spitzenteil. Wenngleich es offen blieb, warum sie mich denn „noch kriegen“ wollten. Vielleicht rutschte ihnen zum 10. Mal das Plakat herunter und sie bekamen es einfach nicht hin und beim 11. Mal hing es falsch rum. Und dann endlich… endlich! kam jemand vorbei zum Dampf ablassen. Egal wie auch immer, denn ich saß auf meinem Flitze-Bike, enkam so den Nazis und es blieb mir sogar ausreichend Zeit, ihnen meinen Stinkefinger mitzuteilen.
Ich war frei, mobil, autonom und die Typen konnten mich mal!
Künstlerisch schöner ausgedrückt aber unter anderem genau darum ging es auch bei den französischen Fahrradplakaten um 1900.
Das Deutsche Technik Museum Berlin, zeigt seine Sonder- Ausstellung „Freiheit auf zwei Rädern“ noch bis zum 25. Januar 2025:
„Frei, unabhängig und modern: Dieses Lebensgefühl versprach das Fahrrad in Frankreich um 1900 und so wurde es dort flächendeckend beworben. Als Werbemittel dienten lithografische Plakate. Diese stellen außergewöhnliche Kunstwerke dar. Sie bieten einzigartige Einblicke in das damalige Verständnis von Technik und Kultur. Vor allem Frauen stehen auf den Plakaten der „Belle Époque“ als Werbebotschafterinnen im Mittelpunkt – und das auf ganz unterschiedliche Weise. “
„Speziell für Frauen war es ein Vehikel der Emanzipation. Dadurch wurde das Zweirad in konservativen Kreisen ähnlich umstritten wie das Plakat. Trotzdem begann es die Welt zu revolutionieren und führte zum „Fahrradwahn“ oder „Bicycle Craze“. Das Plakat erwies sich dabei als idealer Werbeträger. Bis 1900 wurden für das Fahrrad mehr Plakate produziert als für jedes andere Produkt.“ (technikmuseum.berlin)
Vom Beginn der emanzipatorischen Revolution und der Vermarktung des Fahrrades bis zur heutigen Wirklichkeit. Fahrrad fahren können ist nicht für alle selbstverständlich. Auch in unserer Zeit noch, entdecken Menschen und vor allem Frauen die mit Freiheit, Unabhängikeit und Selbstbestimmung verbundenen Vorteile des Fahrrad fahrens. Nicht zu letzt macht es natürlich auch Spaß und ist für den Alltag total praktisch!
Es ist nie zu spät und lernen können es auch Erwachsene, egal ob Frauen oder Männer, in jedem Alter noch!
Dafür gibt es in Berlin verschiedene Fahrrad-Fahrschulen. Einige Beispiele:
https://berlin.adfc.de/artikel/frauenfahrradschule (garage10)
Auch wenn ich mich frage, was es heutzutage braucht und das Fahrrad, so wichtig und nützlich es ist, nicht das einzige und letzte Mittel dazu sein kann:
„Ich denke, es hat mehr für die Emanzipation der Frauen getan als irgendetwas anderes auf der Welt.“ Die us-amerikanische Frauenrechtlerin Susan B. Anthony 1896 über das Fahrrad.