Vor drei Jahren haben SPD, die Linke und die Grünen in Berlin eine Koaltionsvereinbarung für fünf Jahre unterschrieben. Im Abschnitt „Radverkehrsinfrastruktur ausbauen“ heißt es darin: „Die Koalition wird den Bau von Radschnellverbindungen vorantreiben, damit Pendler*innen weitgehend kreuzungsfrei – oder an Knotenpunkten bevorrechtigt – auch größere Distanzen überwinden können. Ziel ist eine Gesamtlänge von 100 km.“ Nun sind etwa zwei Dritttel der Regierungszeit von Rotrotgrün abgelaufen. Ist die Koalition dem Ziel „100 Kilometer Radschnellwege“ näher gekommen?
In einem ersten Schritt wurden aus einer Vielzahl von Trassenvorschlägen zehn Korridore ermittelt, die nahezu alle radial aus den Stadtzentren in die Außenbezieke führen. Danach wurden Machbarkeitsuntersuchungen für die Mehrzehl der Trassenkorridore in Auftrag gegeben.Und so ist der Arbeitsstand bei den einzelnen Radschnellwegen:
1 Y-Trasse, Machbarkeitsstudie sollte im 2./3. Quartal 2019 vorliegen.
2 Trasse Mitte-Tegel-Spandau, Machbarkeitsstudie noch nicht in Auftag gegeben.
3 Königsweg, Machbarkeitsstudie sollte im 2./3. Quartal 2019 vorliegen.
4 Panke-Trail, Machbarkeitsstudie soll im Herbst 2019 vorliegen.
5 West-Route, Machbarkeitsstudie soll im 4. Quartal 2019 vorliegen.
6 Teltowkanal-Route, Machbarkeitsstudie sollte im 2./3. Quartal 2019 vorliegen.
7 Spandauer Damm, Machbarkeitsstudie soll im 4. Quartal 2019 vorliegen.
8 Nonnendammallee, Machbarkeitsstudie soll im 4. Quartal 2019 vorliegen.
9 Landsberger Allee Dialogveranstaltung 9. Dezember 2019, Machbarkeitsstudie ab dem 2. Quartal 2020.
10 Heiligensee, Machbarkeitsstudie noch nicht in Aufrag gegeben.
Es ist nicht zu übersehen, dass der Senat arg hinter seinem eigenem Zeitplan hinterherhinkt. Viele Machbarkeitsstudien sollte bereits seit Monaten vorliegen, weitere müssten eigentlich bis Weihnachten veröffentlicht werden.
Erst wenn eine Trasse für einen Radschnellweg festgelegt ist, beginnt der zeitaufwändigste Abschnitt der Bauvorbereitung, nämlich Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung, Planfeststellungsverfahren, Ausführungsplanung sowie letztlich die Vergabe der Bauleistung. Und danach muss schließlich auch noch gebaut werden.
Fazit: Berlin ist von dem Ziel, 100 Kilometer Radschnellwege zu bauen, sehr, sehr weit entfernt.
Ich war im September für mehr als eine Woche mit dem eigenen Rad in Kopenhagen unterwegs: Berlin wird den Stand der Radverkehrsinfrastruktur Kopenhagens auch in 30 Jahren nicht hinbekommen – so leid mir das tut!
Auch in Aarhus wie auch im ländlichen Bornholm sind die Dänen weiter.
Ich fürchte, das liegt an Pragmatismus vs. deutsche Gründlichkeit.
Es liegt ganz bestimmt nicht an der deutschen Gründlichkeit, dass so gut wie nicht in die Radinfrastruktur investiert wird. Dänemark hat keine Autoindustrie und dementsprechende Autolobby, die bei jedem „verlorenem Parkplatz“ losplärrt. Unser Senat ist leider unfähig, sich mit der Wirtschaft anzulegen. Es wird also so weiter gehen wie bisher, leider.
„Pro Jahr sieht der Verkehrshaushalt des Bundes rund 30 Milliarden Euro
für die Förderung von Auto, Bus und Bahn vor. Für den Radverkehr
stehen 130 Millionen Euro zur Verfügung – weniger als ein halbes
Prozent.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=50872
unterscheide Millionen vs Milliarde:
1 Millionen Sekunden sind 12 Tage
1 Milliarde Sekunden sind 31 Jahre
Und das halbe Prozent wird auch noch für „geschützte Radwege“ und Radstreifen, auf denen Radfahrer nun sogar von zwei Seiten das Dooring erleben dürfen, ausgegeben, also sogar gegen den Radverkehr.
Die Planung und Umsetzung kommt nicht voran, weil sich beispielsweis im Bezirk Steglitz-Zehlendorf Bezirks- und Landesverwaltung uneinig sind, ob an einer bestimmten Kreuzung eine Fahrradweiche abmarkiert werden oder eine andere Lösung zur Anwendung kommen soll.
Mit anderen Worten: Radwege lösen keine Probleme sondern schaffen neue: https://polizeiberichte-berlin.de/bericht/am-unfallort-verstorben_30680
Wenn man sich anguckt, wofür dann in der Bergmannstraße Geld ausgegeben wird – einfach nur traurig. 192.000 € für Punkte auf der Straße und eine „Berührungszone“ ein halbes Jahr später: Nix mehr da…
Wenigstens hat man auf den neuen grünen Radwegen ganz gut Grip 😉