Im vergangenen Jahr wurden gegen Berliner Radfahrer durchschnittlich 64 Ordnungswidrigkeitenverfahren am Tag eingeleitet. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) hervor. Er wollte vom Senat wissen, wie viele Straftaten, die durch Verkehrsteilnehmer mit einem Fahrrad begangen worden sein sollen, in den Jahren 2011 bis 2016 in Berlin angezeigt wurden?
Die Antwort der Senatsverwaltung für Inneres und Sport ergab ein uneinheitliches Bild. Im Jahr 2011 wurden berlinweit 21.813 Bußgelder gegen Radfahrer verhängt. In den Jahren darauf steigt die Zahl der Bußgelder an, bis sie im 2014 auf einen Höchststand von 33.023 Bußgeldern kam. In den folgenden beiden Jahren 2015 und 2016 sinkt die Anzahl verhängter Strafen gegen Radfahrer wieder, bis sie 2016 mit 23.195 Fällen auf den zweitniedrigsten Stand kommt.
Auch die Verteilung der Bußgelder auf einzelne Bezirke folgt keinem einheitlichen Bild. So wurden im letzten Jahr in Reinickendorf 509 Bußgelder ausgesprochen. Im Bezirk Mitte waren es 16 mal so viel, nämlich 8.544 Bußgelder. Spitzenreiter bei der Bußgelddichte waren außer Mitte die Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow. Die wenigsten Bußgelder werden gegen Radfahrer in den Außenbezirken verhängt, außer in Reinickendorf sind das die Bezirke Marzahn-Hellersdorf und Spandau.
Luthe ließ sich die einzelnen Arten von Ordnungswidrigkeiten detailliert aufschlüsseln. Deshalb wissen wir nun, dass im vergangenen Jahr 56 Personen jeweils fünf Euro Strafe zahlen mussten, weil sie freihändig fuhren. Immerhin ist das gut ein Radfahrer pro Woche, der wegen dieser Nichtigkeit ein Bußgeld abdrücken muss. Wer keine oder eine nícht funktionierende Klingel am Fahrrad mitführt, muss gleich 15 Euro zahlen. Bei 168 Bürgern auf Rädern wurde dieser Betrag im vergangenen Jahr eingezogen.
Interessant ist auch der Tatbestand „Befahren einer Einbahnstraße in nicht vorgeschriebener Fahrtrichtung“. Im Jahre 2011 wurden 351 Radfahrer wegen dieses Vergehens mit einem Bußgeld bedacht. In den Jahren darauf sinkt die Zahl der Einbahnstraßentäter kontinuierlich, bis sie 2016 mit berlinweit nur 42 Fällen den niedrigsten Stand erreicht. Das ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass eine Reihe von Einbahnstraßen für Radfahrer in Gegenrichtung geöffnet wurden. Andererseits gibt es aber immer noch viele Einbahnstraßen ohne Radverkehr in Gegenrichtung. Dass die Zahl der Bußgelder für diesen Tatbestand so drastisch gesunken ist, kann ich mir nur dadurch erklären, dass der Verfolgungsdruck der Polizei gesunken ist. Schließlich passierte es nur siebenmal im letzten Jahr, dass ein Radfahrer entgegen der Einbahnstraße fuhr und es dadurch zu einem Unfall kam.
Abgeordnetenhaus Berlin: Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) vom 14. März 2017
Ich kann mir gut vorstellen, daß einige der Bußgelder eigentlich nicht gezahlt werden müßten, die betroffenen Radfahrer/innnen also gute Chancen haben, gegen den Bescheid Widerspruch geltend machen zu können.
Beispiele:
439 Radler haben Hitlers Radwegebenutzungspflicht missachtet. Die Frage ist, ob die betroffenen Radwege eventuell gar nicht benutzbar waren, weil ihr Zustand zu schlecht war oder weil sie zugeparkt waren. Oder es handelte sich um besondere Räder (Lastenrad, Rikscha, Fahrrad mit Anhänger). In all diesen Fällen ist die Benutzungspflicht nicht unbedingt gegeben, selbst wenn das Schild 237 hängt.
54 Radfahrer wurden wegen „verstöpselter Ohren“ belangt. Das ist aber im Prinzip nicht verboten. Die meisten Radfahrer hören trotz Kopfhörer noch besser als ein Autofahrer bei geschlossenen Fenstern. Auch Gehörlose dürfen radeln.
In beiden Fällen ist Widerspruch sinnvoll.
Zitat: „…Anfrage des Abgeordneten Marcel Luthe (FDP) hervor. Er wollte vom Senat wissen, wie viele Straftaten, die durch Verkehrsteilnehmer mit einem Fahrrad begangen worden sein sollen,…“
Sehr erhellend: für „Liberale“ sind Ordnungswidrigkeiten – sofern sie von Fahrradfahrern begangen werden – Straftaten.
Vielleicht ist es für die Anhänger dieser Partei bereits eine Straftat, ein Fahrad zu besitzen (anstatt eines BMWs oder Mercedes) oder mit einem solchen auf der öffentlichen Straße herumzufahren. – Höchststrafe natürlich für jene, die sich erdreisten, die heilige Fahrbahn zu benutzen.