Kaum ist die Diskussion um den projektierten Radschnellweg auf der ehemaligen Stammbahn ein wenig verebbt, da kommt der nächste Vorschlag für eine innerstädtischen Radschnellverbindung. Eine Gruppe von Stadtplanern schlägt vor, den brachliegenden Raum unter Berlins Hochbahnlinie U1 zum Radfahren zu nutzen. „8,9 Kilometer überdachter Radweg mitten durch die Stadt – das wäre weltweit einzigartig und für Berlin ein Schritt in die Zukunft“.
Der große Vorteil dieses Plans ist, dass 80 Prozent der Radbahn bereits existiert. Heute befindet sich unterhalb der U-Bahn ein sehr selten genutzter Fußweg oder es werden Autos geparkt. Mit bescheidenen Mitteln könnte dieser Weg zu einer Fahrradstrecke aufgewertet werden. An anderen Abschnitten müsste baulich investiert werden. So könnte zum Beispiel die Radbahn als hängende Fahrbahn unter der Brücke über den Landwehrkanal realisiert werden.
Die Projektgruppe schlägt die Radbahn vor als Teststrecke für Services und Produkte rund ums Rad und Labor für moderne Technik mit dem Ziel, die Stadt von Morgen umweltfreundlicher und nachhaltiger zu machen. Service-Stationen zum Warten der Fahrräder entstehen an der Strecke, grüne Inseln laden zu einem Zwischenstop ein und in einem fahrrad-Drive-In kann man einen schnellen Espresso ordern. Darüber hinaus soll die Radbahn mit moderner Verkehrstechnik ausgestattet werden, damit die Radfahrer auf einer grünen Welle fahren können.
Radbahn
Broschüre Radbahn Berlin (pdf-Dokument)
Ein interessanter Ansatz. Auch ein paar Investitionen sollten für so ein Projekt machbar sein, Michael Müller will doch sicher auch mal in der interantionalen Presse erwähnt werden 😉 Was mir aber bei der Idee nicht ganz klar ist: Wie werden dann die Haltestellen umfahren? Da gibts doch bestimmt massig Konfliktpotential, wenn der Abgang mittig endet und die Fahrgäste seitlich den Weg überqueren müssen.
Findet Ihr ernsthaft, einen Zweirichtungsradweg, dessen Breite vermutlich schon bei Einrichtungsführung problematisch wäre „interessant“. Ist dieses Bild http://static1.squarespace.com/static/55aa3dede4b05f2993acfc43/t/563631eee4b030f21bcb28b8/1446392304619/03_03_image.jpg?format=750w nicht abschreckend genug?
Ich finde das hier im Hochglanzprospekt vorgestellte Projekt nicht im geringsten attraktiv und erstrebenswert.
Wie genau ist das mit den kreuzenden Straßen, das sind ja nicht wenige? Wie kommt man eigentlich auf das Ding drauf und wieder runter, wenn man nur einen oder zwei Kilometer fahren will?
Und wieso brauchen wir eigentlich mitten in Kreuzberg und Schöneberg zusätzliche Cafés nur für Radfahrende und Reparaturstationen?
Ich finde es dennoch interessant, wenngleich mir diese Engstellen auch aufgefallen sind. Allerdings habe ich gerade keinen Umfassenden Überblick der Strecke im Kopf.
In dem von @Susanne verlinkten Bild sehe ich beispielsweise das Potenzial, den Radweg minimal zu verbreitern oder eine Richtungsspur außerhalb der Pfeiler zu führen. An anderen Stellen scheinen die Pfeiler weiter auseinanderzustehen.
Das mit den kreuzenden Straßen und dem Erreichen des Weges würde ich nicht weiter schwierig finden – natürlich sind Ampeln notwendig.
Was ist denn der derzeitige Zustand? Im Bereich der Skalitzer Straße grenzen die „Radwege“ streckenweise an ein Schwerverbrechen – teils dürfen Autos diagonal parken – Radfahrer sollen sich dafür möglichst auf den mies gepflasterten „Radweg“ verziehen. Eine Benutzungspflicht besteht zwar meist nicht – die Fahrspuren sind aber so angelegt, dass Radfahrer ziemlich störend wirken.
Manche der Kreuzungen sind Unfallschwerpunkte für Radfahrer. Am Kottbusser Tor hat sogar eine Unfallexpertenkommission daran gearbeitet, dass das möglichst so bleibt – sorry für den Zynismus, aber man muss nur mal zusehen, wie Abbieger und geradeausfahrende Radfahrer sich nach wie vor ständig in die Haare kriegen.
Der Streckenverlauf ist eigentlich sehr praktisch, nur wechselt man hier als Radfahrer zwischen miesestmöglichen Radwegen, Radstreifen und der Fahrbahn und ist nirgends so recht vorgesehen.
Die gesamte Machbarkeit scheint mir allerdings auch etwas zu optimistisch. An manchen der Bahnhöfe führen zwar noch 1 Meter breite Streifen vorbei, das ist aber dann wirklich knapp und mit fiesen Sichthindernissen verbunden – zudem für Fußgänger der Horror, wenn Radfahrerpulks an Ampeln nicht halten.
Dass man an der Strecke aber etwas machen könnte und sollte, davon bin ich überzeugt. Die U-Bahn-begleitenden Straßen sind superbreit, da muss auch Platz für Radfahrer sein.
Interessante Idee – wie immer wird es auf das „wie“ ankommen. „Mit bescheidenen Mitteln“ klingt da doch etwas verdächtig. Mit Ampeln, Zufahrten, Verbreiterungen, Umfahrungen von Bahnhöfen dürfte das doch das eine oder andere Jahresbudget des Radverkehrs in Berlin kosten. Also sollte man es erhöhen! Und einen Radwege-Planer zur Federführung einladen, der einschlägige und erfolgreiche Erfahrung hat. Planung auf Englisch sollte doch möglich sein?
Wenn es machbar ist, vierspurige Straßen in dicht besiedeltes Gebiet zu zwängen wird auch ein vernünftiger Radweg machbar sein.
Die Tatsache, dass Parken und auch hier und da Fahrbahnteile dran glauben müssten, ist wahrscheinlich das schwerwiegenste Hindernis.
Geld ist ja da, sonst würde es nicht jedes Jahr überbleiben.
@berlinradler: Klar kann man vielleicht noch den einen oder anderen Zentimeter in der Breite frei schaufeln, aber die für einen einigermaßen komfortablen Zweirichtungsweg nötigen 4m lichte Breite in 2m Höhe, sehe ich nicht.
Und mir leuchtet einfach nicht ein, warum man überhaupt in die Mitte will.
Sonnen- und Regenschutz … hm? Und was mache ich vorher und nachher. Zieh ich dann die Regenklamotten aus, wenn ich meinen Radweg erreicht habe? Ein ggf. teuer erkaufter Vorteil, von begrenzter Wirksamkeit.
Grüne Welle und Kreuzungsfreiheit? Klasse Idee, würde Spaß machen, aber da hätte ich doch gerne etwas mehr zu gehört. Was denn eigentlich von den beiden?
Kreuzungsfreiheit ausschließlich durch (Hänge-)Brücken oder wie ist das gedacht? Der Preis sind dann – auch wenn wir die Finanzen ausblenden – ein Haufen zusätzlicher Steigungen. Erstrebenswert?
Grüne Welle auf Tempo 20 (?) ok, aber die dürfte kaum in beide Richtungen funktionieren, da die Abstände zwischen den Kreuzungen nicht gleich lang sind, oder will man gar keinen flüssigen Verkehr auf querenden Straßen zulassen? Es sind ja auch noch ein paar Menschen (auch mit Fahrrad) in der Gegend unterwegs, blenden wir die einfach aus?
Und die zusätzlichen Querungen um in die Mitte zu kommen erfordern wieder zusätzliche Ampeln, Auffahrten, Rampen und mit ziemlicher Sicherheit dadurch wieder neue Wartezeiten. Die meisten Leute, werden ja nicht 9km sondern nur ein paar hundert Meter oder 1-2km auf diesem Weg fahren. Ich hätte da doch gerne ein etwas ausgefeilteres Konzept, bevor ich mich von bunten Bildern beeindrucken lasse.
Nicht falsch verstehen, auch wenn ich da nicht ständig unterwegs bin, dass die Radverkehrssituation an der Hochbahn stark verbesserungswürdig ist, unterschreibe ich sofort. Aber ich setze da mehr auf bewährte Lösungen – ausreichend breite Streifen auf der Fahrbahn, dafür bei Bedarf eine existierende Spur (Park oder Fahr-) umwidmen.
Ich kenne die Details der Planung nicht, aber so etwas ist wohl für die Gitschiner durchgeplant und soll Anfang nächsten Jahres endlich realisiert werden. Ist da ein vielleicht schicker, vielleicht aber auch nur umständlicher und langsamer Spezialweg besser? Ich denke nicht. Lieber die Taube in der Hand, als den Spatz auf dem Dach.
Na, das ist doch mal eine innovative Idee! Mehr davon!
Susanne J stellt ja viele kritische Fragen die alle gut und richtig sind.
Also lasst uns den Senat doch diese Fragen beantworten und bitten ihn um eine Positionierung!
@ Susanne J: Ich sehe auch viele Fragen bei diesem Vorhaben, verstehe aber nicht die massive Ablehnung. Meiner Ansicht nach wäre es einen Versuch wert, eine solche Streckenführung genauer zu betrachten. In der Stadt ist der zur Verfügung stehende Platz immer zu knapp für all die Wünsche nach Wohnen, Mobilität, Entspannung usw. Sicherlich haben wir im Bereich Verkehr das größte Platzproblem durch den Autoverkehr und hier insbesondere durch den sogenannten „ruhenden“ Verkehr. Sicherlich gibt es da auch die normalen Kämpfe auszufechten, wie Radfahrer zukünftig mehr von diesem Platz für ein sicheres und schnelles Fortkommen nutzen können. Aber es gibt scheinbar auch diesen Platz unter dem Viadukt, der gar nicht gut genutzt wird. Wenn man hier für den Radverkehr eine Strecke gewinnen kann, ist das zunächst einmal sehr begrüßenswert. Ich würde auch nicht davon ausgehen, dass die derzeitigen Angebote (…) damit eingestampft würden. Die Gefahr, dass sie nicht an heutige Standards angepasst würden, sähe ich da allerdings schon für eine bestimmte Zeit. Nur: eine ungenutzte Fläche neu an den Radverkehr zuzuweisen wird unserem radpolitisch so verzagten Senat viel leichter fallen, als eine Spur für freizugeben. Mag sogar sein, dass so ein Weg unter der U-Bahn für viele eine attraktive Strecke wäre, die sie sich öfters aufs Rad schwingen ließe. Nicht vergessen: „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ (Gilt auch für Radverkehr… )
Das Projekt bzw. Prospekt ist sicher etwas blauäugig und vielleicht sind einige der Probleme tatsächlich nicht lösbar. Aber es ist ja ein Gedankenanstoß. Vielleicht kann man ihn teilweise umsetzen? Ich für meinen Teil finde eigene Wege (nicht verwechseln mit Radwegen) sehr viel attraktiver als jede Straßenlösung.
Ob Radstreifen wirklich so bewährt sind – irgendwie zweifle ich da immer mehr. Neulich fuhr ich mal wieder in der Treskowallee und da fiel mir auf, dass die spurtreu fahrenden Lkw einem doch sehr nahe kommen – 30-40 cm – da darf sich keine Tür öffnen und keine Fliege ins Auge fliegen.
Andernorts sind sie flächendeckend zugeparkt, und den einen oder anderen Rechtsabbiegetoten hat man ja auch schon gehabt. Sicher sieht anders aus.
In den besprochenen Straßen wäre wohl eher eine gute Breite (Zur Not Parkspuren weg) + Tempo 30 wirklich hilfreich. Eine Radspur bitte nur dann, wenn sie wirklich ausreichend breit ist. Diese Placebo-Beruhigungsspuren ohne wirklichen Sicherheitsgewinn kann man sich meinetwegen jedenfalls sparen 🙂
Noch kurz zu den Steigungen: Wenn man dadurch Ampeln einspart, ist es doch toll. Wobei Brücken über Kreuzungen wohl nicht oft Sinn machen würden. Über den Landwehrkanal vielleicht schon.
Ich stimme allen in allem zu. Wo kann ich unterschreiben?
Meine einzige Skepsis wäre, dass es irgendwie kommt aber halbgar. Das wäre das Kottbuser Tor zum Quadrat. Dann würde sich für Jahre nichts mehr anderes tun. Also ganz oder gar nicht!
Wie kann man eine Initiative daraus machen? Volksbegehren? (-8= oder, ernster, wer könnte so etwas planen? der ADFC? die website scheint ja von einzepersonen gemacht?
Ich denke, das wird nur etwas, wenn irgendwer von den bisherigen Blockierern und Lippenbekennern aus der Politik jetzt seine Chance sieht, damit zu punkten und das hypt. Manchmal kann man sich ja nur die Augen reiben, wie schnell der Wind sich dreht, siehe New York, London oder jetzt sogar angeblich Köln (man mag’s nicht glauben). Warum nicht Berlin?
Dazu fällt mir ein, dass auch das Spreebad im Kupfergraben mal als Schnapsidee begann und jetzt ernsthaft geplant wird. Irgendwer muss sich den Schuh anziehen. Wir haben doch kreative Leute im Senat, Michael Müller, Andreas Geisel, Christian Gaebler…
@bikeberlin: Ich verstehe nicht ganz, warum der Senat die Fragen an die Inititiatoren des Projekts beantworten soll.
@berlinradler: Ich gebe dir recht was zu schmale „Placebo“-Streifen (schönes Wort) angeht. Ich finde es aber sinnvoller mich konsequent für vernünftige Streifen in ausreichender Breite einzusetzen, die von Falschparkern freigehalten werden als Energie dafür zu verschwenden, eine Idee zu retten, die so viel mehr Probleme aufmacht als dass sie Lösungen bietet.
Klar kann ich mir eine hübsche autofreie Führung auf gutem griffigen Asphalt imaginieren, aber wenn ich dann behaupte, das ginge unter der Hochbahn und die fehlende Breite und Stetigkeit mit drei Schlagworten und ein paar bunten Bildchen wegdefiniere hilft das in meinen Augen der Förderung und der Sicherheit des Radverkehrs kein Stück.
Die Gefahren und Hindernisse auf der Straße (mit und ohne Radstreifen) kennen wir und können und müssen daran arbeiten sie abzubauen. Die vorliegende Präsentation macht es sich da einfach und entrückt den Weg auf wundersame Weise in eine andere Welt in der Konflikte mit Autofahrern (und anderen Radfahrenden) grafisch und verbal wegdefiniert werden.
Und ich verstehe weiterhin nicht, warum man denn jetzt eigentlich unbedingt in die Mitte will, alleine diese Entscheidung schafft weitaus mehr Probleme als sie löst.
@Susanne, wie gesagt, es gibt da sicher viele offene Fragen, von denen manche vielleicht nicht beantwortbar sind.
Aber mit den Radstreifen sehe ich das mittlerweile eigentlich genauso. Ich kenne in der Innenstadt kaum einen, den ich gerne befahre. Diejenigen, die Spaß machen, sind in kaum befahrenen Straßen ohne Parkdruck – dort wären sie nicht nötig. Sie verschärfen in der Kreuzung die Abbiegegefahren.
Um es mal völlig skeptisch auszudrücken, halte ich den sicheren und freigehaltenen Radstreifen ebenso für eine Utopie. Darauf werden immer Autos parken, und im Kreuzungsbereich wird man nie kapieren, dass gleichzeitig grün für Abbieger und geradeausfahrende Radfahrer nicht funktioniert. Man wird den Radstreifen immer nur dort aufpinseln, wo genug Platz ist und in Engstellen – also dort, wo der größte Stress besteht – darauf verzichten. Man wird niemals Parkplätze opfern, um in engen Situationen Platz für Radfahrer zu schaffen. Vielleicht kann man vielbefahrene Hauptstraßen einfach nicht schön machen.
@berlinradler
die Lösung für Berliner Hauptstraßen (zwei gerade Kfz-Spuren, nominell Tempo 50, real Tempo 70) sähe so aus: https://youtu.be/FlApbxLz6pA – nicht am anfang, das ist das abschreckende Beispiel, was leider auch in Berlin zunehmend kommt.
Kostet aber natürlich auch Geld und Parkplätze.
Ist es nicht eigentlich ein Skandal, dass unter der Hochbahn schon zwei diagonale Parkreihen sind UND ein Radweg, der seinen Namen verdient, sich nicht ausgeht, weil am Straßenrand der ach so wichtigen Verkehrsarterie AUCH NOCH geparkt werden muss, und das GRATIS, denn Parkraumbewirtschaftung ist ja offensichtlich in Kreuzberg nicht notwendig. Hallo Grüne? Hingegen müssen stationäre carsharing-Firmen Parkplätze auf privatem Grund anmieten oder komische Modelle mit Benutzergruppen und GPS erfinden. Gab es nicht eine STVO-Änderung, die Carsharing-Plätze erlaubt? Dann wäre es doch einfach: Parken kostet, Parkraum reduzieren, Carsharing inzentivieren und Radwege bauen.
Aber nichts gegen spektakuläre Leuchtturmprojekte wie dieses, wenn sie richtig gemacht werden, helfen sie der Wahrnehmung des Radverkehrs.
Wie sieht es eigentlich in den Niederlanden mit Rechtsabbiegerunfällen aus? In Kopenhagen scheint das jedenfalls ein Thema zu sein, ich weiss aber nichts konkretes und war in jüngerer Zeit in keinem der beiden Länder. Das „schöne“ am Verkehr ist ja, dass dermaßen viele Unfälle passieren, dass jede Lösung einer statistischen Prüfung unterzogen werden kann, die nur wenige Jahre dauert.
Wenn das Modell so funktioniert, ja warum auch nicht? Bei wenig Verkehr könnte man als Radfahrer auf die Fahrbahn wechseln und einfach geradeausfahren und wenn das nicht geht, schlängelt man sich eben so durch, wie vorgesehen.
Leider ist und bleibt das alles ja graue Theorie, bei unserer Schnarchnasenpolitik 😉
Ich kann der Schilderung von berlinradler nur zustimmen.
Mein konkretes Beispiel aus der Praxis: In der Gartenfelder Straße in Spandau hat man die Radverkehrsführung aufwändig neu gestaltet. Halt – richtig wäre zu sagen, die Fahrbahn wurde neu gemacht und die eine Hälfte (!) wurde dabei für den Radverkehr neu gestaltet.
Das hat folgende Konsequenz: Die Südseite hat einen unverändert unsanierten Hochboardradweg rechtsseitig der parkenden Autos. Aber man hat mit einer weißen Linie den Radweg einfach mal um max. 50 cm verkleinert, vermutlich um die Dooringzone zu verkleinern. Viele Autofahrer scheinen das aber nun als Schutz ihrer linken Außenspiegel zu verstehen und parken mit zwei Reifen auf dem Hochboard. Immerhin ist das Ganze ohne RWBP.
Auf der Nordseite hat man den Radweg größtenteils abgeschafft, und einen Angebotsstreifen aufgemalt, linksseitig der parkenden Autos und als praktische Zweite-Reihe-Parkspur. Sinnvollerweise wird der Streifen rechtzeitig vor jeder belebten Kreuzung (inkl. frequentierter Bushaltestelle) in einen neugestalteten Hochboardabschnitt geführt.
Nun haben die vorausschauenden Verkehrsplaner übersehen, dass bei einer neu angelegten Verkehrsinsel und gerade verlaufenden Angebotsstreifen ja gar keine Überholmöglichkeit für PKW besteht, wenn die Radfahrer den Streifen ausnutzen – wohlgemerkt in einem 30er-Abschnitt!
Was wurde gemacht? Genau, einfach den Angebotsstreifen neu aufgepinselt, aber nun mit der Hälfte der ursprünglichen Breite. Während das erledigt wurde, hat man freundlicherweise zwei Wochen lang ein Vz 254 aufgestellt.
Klar, es geht hier „nur“ um einen Schutzstreifen, aber da anscheinend nicht mal in den Behörden der Unterschied klar ist, wird es bei den „normalen“ Verkehrsteilnehmern kaum anders sein. Vor allem, was mich so erschüttert, ist, dass für so einen Murks noch heute Geld ausgegeben wird.
Dann lieber Geld für derartige Leuchtturmprojekte ausgeben, wie es fab schreibt.
Mir ist gar nicht ganz klar, warum hier gerade alle so bescheiden und genügsam sind.
Wenn es um den „ECHTEN“ Verkehr geht, wird regelmässig eine Analyse angestellt welche Verkehrsbelastungen auftreten, Vorher – Nachher, es wird überlegt wie sich welche Reisezeiten optimieren lassen, etc.
Es wird auch analysiert welchen voraussichtlichen Kapazitäten die Infrastruktur gerecht werden muss, und dementsprechend wird dann auch dimensioniert.
Das ist doch auch sehr sinnvoll.
Beim „zweitklassigen“ Radverkehr hingegen spielt all das plötzlich keine Rolle???
Warum???
Wichtig wäre doch für welche Korridore und Quell/Zielverkehre sich die Reisezeiten verbessern, wichtig wäre eine Prognose über zu erwartende Verkehre und Verlagerungen, etc.
Nichts dergleichen scheint aber zu passieren.
Ist Radverkehr wirklich nur ein hippes nice-to-have, dass man da die sonst üblichen Verfahren der Verkehrsplanung einfach weglassen kann und auf fotogene Leuchtturmeffekte focussiert, die möglicherweise verkehrstechnisch ein miserables Kosten/Nutzen-Verhältnis aufweisen?
Zu ermitteln wäre doch mindestens:
– welche Kapazitäten sind zu erwarten
– können diese auf verhandenem Platz abgewickelt werden
– kann der Platz ggf. erweitert werden
– führt der Bau überhaupt zu einer Verbesserung der Reisezeiten auf relevanten A zu B Verbindungen
– besteht eine angemessene Kosten/Nutzen-Relation
– wird das Verkehrssicherheitsniveau gehalten oder verbessert?
– verlagert das Projekt (gamäss VEP) MIV auf den Umweltverbund?
– etc.
Anschliessend hat man dann ggf. eine vernünftige Entscheidungsgrundlage.
Woanders geht das:
Ich stehe zwar der Entwicklung in Kopenhagen zum Teil etwas kritisch gegenüber (zu schmale Wege, Verbot von direktem Linksabbiegen, Fahrradstau, etc, etc.) aber immerhin muss m.E. anerkannt werden, dass der für die Verkehrsmittelwahl entscheidende Faktor – die REISEZEIT – dort ganz selbstverständlich quantifiziert wird und prominent Eingang in die Planung gefunden hat (Verbesserung der Radreisezeiten zwischen 2010 und 2025 um 15%). Das ist nicht sehr ambitioniert, aber immerhin.
Wieso ist das bei uns nicht mal ansatzweise der Fall, und wieso ist das nicht längst auch im Radverkehr mit der gleichen Selbstverständlichkeit Entscheidungsgrundlage wie beim MIV und ÖPNV?
Da hast Du Recht, Alfons. Auch die Medien bemerken ja, dass da irgendwo ein Ungleichgewicht ist. In der Berliner Zeitung beschwerte sich eine Busfahrerin, dass sie wegen der Radfahrerpulks auf Busspuren oft nicht überholen kann, und in der Bild (?) stellte man fest, dass Rechtsabbieger wegen der Radfahrermassen oft kaum mehr eine Chance haben, durchzukommen. Man hat also in vielen Straßen eine kritische Masse erreicht, die dort bereits „stört“ – vermeintlich oder real. Man hat Straßen, die so große Radverkehrsanteile haben, dass Radwegkonzepte an ihre Grenzen stoßen.
Aber ich bin desillusioniert. Während man auf Rechtsabbiegerunfälle überhaupt nicht reagiert, kann man immer häufiger eine Reaktion auf die aufgehaltenen Rechtsabbieger feststellen: Radwegampeln bekommen extrem kurze Grünphasen. Eine Mehrheit wird zum Warten gezwungen, damit ein paar abbiegende Autofahrer es bequemer haben. Das ist ein Beispiel – aber m.E. sagt es alles über die wirklichen Interessenlagen der Verkehrspolitik.
Und so wird es auch weiterlaufen, die einzige Partei (in Berlin), die derzeit noch ernsthaft am Radverkehr interessiert ist, sind die Piraten, und die haben wohl keine Chance. Bei den Altparteien braucht es noch Generationen, bis die Verkehrsrealität in den Köpfen der Entscheidungsträger ankommt.
Da ist was dran, obwohl ich inzwischen den Eindruck habe, dass auch mit den Linken noch was geht und die die Grünen in der Frage fast schon an Engagement überholen (siehe Aktuelle Stunde im Abgeordnetenhaus im Mai). SPD ist komplett fantasielos und der Rest,… schweigen wir davon.
Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben, irgendwann kommt der berühmte Generationenwechsel…
aber auch dort hält sich der Ehrgeiz in Grenzen:
http://openantrag.de/berlin-marzahn-hellersdorf/verbesserung-der-situation-fuer-radfahrer-landsberger-alleemaerksiche-allee
Es handelt sich dort um eine Ausfallstraße (Landsberger Allee) die eine weitere Ausfallstraße (Märlische Allee) überquert, ausgebaut wie ein Autobahnkreuz (https://www.google.de/maps/@52.5402772,13.5408792,16z). Es sind dort keine Radverkehrsanlagen oder Gehwege vorhanden, man muss also im mehrspurigen Verkehr (über 50 km/h) fahren. Umfahrungsmöglichkeiten gibt es auf Grund fehlender Brücken über die Gleisanlagen kaum, die Umwege sind mehrere Kilometer lang. Alternativ Nutzung der Fußgängertreppe – nur 1 km Umweg!