Knapp fünfzig Leute versammelten sich heute gegen 12:00 Uhr vor dem Amtsgericht Tiergarten in der Turmstraße zu einer Mahnwache gegen das Urteil vom letzten Donnerstag.
Aus dem Aufruf der Initiative Clevere Städte:
„Wenn Du mit 5.250 Euro davon kommst, deinen Führerschein als Berufskraftfahrer behalten darfst, obwohl du einen Menschen grob fahrlässig im Verkehr getötet hast – dann wurde ein zu mildes Urteil gesprochen.
Das setzt das falsche Signal für alle Kfz-Lenker. Dieses Urteil gibt dem „Panzer“-Fahrer den Freibrief, selbst bei Todesfolge mit Anwalt und genügend Geld glimpflich davon zu kommen. Der Skandal ist, dass wir als schwache Verkehrsteilnehmer weiter dem stärkeren Verkehrsteilnehmer schutzlos ausgeliefert sind – mit Rückendeckung von Staatsanwalt und Richterin.“
Da die nicht angemeldete Mahnwache mit Rollrasen, einem Geisterfahrrad, Mahnkreuzen und Blumen nicht direkt vor dem Gerichtseingang stattfinden durfte, wurde sie auf den Mittelstreifen verlegt. Medienvertreter waren reichlich vorhanden, sodass nicht ganz klar war, wer an der Mahnwache teilnahm oder über sie berichtete.
Initiative Clevere Städte
Facebook-Aufruf zur Mahnwache
Gerade WEIL er ein Berufskraftfahrer ist, hat er in meinen Augen eine besondere Verpflichtung, besonders Sorgfältig und Aufmerksam sein Vehikel zu bewegen und das somit ein Fahrverbot unbedingt „verdient „.
Yupp. Die ganze perversion, die nicht nur von solch einem Urteil, egal wie „üblich“ es im Vergleich ist, ist doch die: für wieviele Vergehen ohne Unfallfolge, ohne Verletzte, ohne Geschädigte, kann man seinen Führerschein zeitweise verlieren? Ja sogar bis zu dauerhaft einbüßen? Qualifizierter Rotlichtverstoß mit Gefährdung, oder 91km/h wo 50 erlaubt sind = 1 Monat Fahrverbot.
Weshalb das Fahrverbot? Wei man könnte ja einen Unfall verursachen, man könnte Menschen verletzen oder sogar TÖTEN.
Ja und wenn man als Trantüte vom Dienst mit div. Vorstrafen aus anderen Ecken des StGB dann einen platt fährt? Und am Tag drauf wieder lockerflockig weiterrauscht, als wäre nichts passiert, dann gibts kein Fahrverbot. Weil? Weil der Unfall ja schon solange zurückliegt, weil man gesagt hat, daß einem ja so leid tut und weil man den Lappen ja braucht….
Bananenrepublik!
Wenn das gerechte Rechtsprechung sein soll, dann brauchen wir keine Gerichte mehr! Dann reicht es nen Fall 10 Monate unterm Aktenstapel zu verstecken, drei Tränen beizulegen und dann ist klar: Alles schon sooooo lange her und leid tuts einem auch – siehe die Tränen – dann können wir die Akte ja schließen.
Verdammt und zugenährt! Wenn diese Fahrverbote für was gut sein sollen, dann müssen sie auch angewendet werden und zwar erst RECHT dann wenn man einen in so fahrlässiger Weise totfährt! Wer bereitwillig so krass pennt, der tut das immer wieder. Es kann nicht sein, daß für Vergehen ohne Schaden härtere Strafen, was die Fahrerlaubnis angeht, verhängt werden, als für Vergehen wo Menschen dann zu echtem Schaden gekommen sind.
„Ja aber, wenn wir den Führerschein einziehen, dann wird ja auch niemand mehr wieder lebendig!“ Wird ja dann gerne auch von verantwortlichen Seiten aus „argumentiert“. Abschreckung? Prophylaxe? Gilt das alles gar nichts mehr? Sind Rotlichtverstöße wirklich schlimmer, als jemanden über den Haufen zu fahren, weil man die Augen grob fahrlässig nicht auf der Straße hatte?
*grummel* Und immer hau ich so bekloppte Tippfehler (zugenährt u.a.m.) in meine Texte, wenn ich mich mal wieder aufregen und nicht Gegenlesen möchte… sorry
@Jochen
Gut geschrieben! Ganz meine Meinung!
> Der Skandal ist, dass wir als schwache Verkehrsteilnehmer weiter dem stärkeren Verkehrsteilnehmer schutzlos ausgeliefert sind
Wer so „argumentiert“, bekommt das nun gelieferte, denn das ALLE anderen Verkehrsteilnehmer einfach nur Glück hatten, scheint ja für „Clevere Städte“ keine Rolle zu spielen. Ach so, die wollen „mehr, freie Rad- und Gehwege“, weil Fahrbahnen für Radfahrer unbenutzbar sind. Na dann…
verstehe den kommentar von „udo“ nicht ganz – wenn es so gemeint ist, dass das jedem jederzeit passieren könnte: nein, es handelte sich schon um schwere fahrlässigkeit.
ich bin auch überzeugt, dass ein entzug der fahrerlaubnis in so einem fall als typische strafe zu mehr vorsicht führen würde. schließlich sind die meisten verkehrsteilnehmer auch sehr viel vorsichtiger, wenn sie nicht im LKW, sondern auf dem rad sitzen. oder zu fuß gehen. oder auf dem motorroller. plötzlich rechnet man mit fehlern anderer, verzichtet auf die vorfahrt, sichert sich ab, schaut dreimal nach – warum wohl? weil es um das eigene leben geht.
kaum sitzt man auf dem bock fühlt man sich unangreifbar. natürlich wäre es schrecklich, wenn etwas passieren würde aber…es fahren ja angeblich alle so.
und darum sollte ein fahrlässiger, schlimmer unfall auch ernsthafte konsequenzen für den fahrer haben und die allgemeinheit künftig vor ihm schützen. verglichen mit den folgen für das opfer ist das alles ja durchaus noch erträglich.
Nein, das heißt, das solche Fahrer nicht nur Radfahrer gefährden, sondern eben auch Kfz-Fahrer. Wenn man sich dennoch zum Mehr-Gefährdet-Opfer stilisiert, bekommt man Radwege und in deren Gefolge Unrechtsprechung. Das ist die Lehre aus 80 Jahren Wegelchenbau zur Sicherheit der schwachen Verkehrsteilnehmer.
> kaum sitzt man auf dem bock fühlt man sich unangreifbar.
Ich glaube nicht, daß der sich absichtlich selbst gefährdet hat (>4 Sekunden Rot, Kleiner Lkw). Vorsätzlich gefährdet wurde ich hauptsächlich von Autofahrern, nicht Lkw.
Vorsichtiger,
> wenn sie nicht im LKW, sondern auf dem rad sitzen. oder zu fuß gehen
Oh ja, sie latschen ohne zu kucken aber vorsichtig auf den „Radweg“. Sie gurken vorsichtig mit vollem Tempo auf dem Gehweg in Gegenrichtung. Ebenso biegen sie trotz Überholer urplötzlich vorsichtig ab. Das hat man nur auf Sonderwegen.
Vergleicht man den Anteil der Radfahrer am Unfallgeschehen (6-7%) mit ihrem Anteil unter den Schwerverletzten (29%) oder Getöteten (23%) – (Daten für Berlin 2014) – so kann man schon davon sprechen, dass Radfahrer (und Fußgänger) stärker gefährdet sind als Autofahrer. Das ist ja auch logisch und muss nicht verschwiegen werden.
Daraus die falschen Schlüsse zu ziehen („Radwege“), ist verbreitet, keine Frage. Straßenverkehr ist Bauchgefühlsache und da fragt keiner, ob der Großteil der Unfälle vielleicht gerade auf den „sicheren“ „Radwegen“ geschehen ist.
Die Forderung kann aber nicht sein, Gefährdungen unter den Tisch zu kehren, sondern die Unfallforschung und die Verkehrsplanung zu professionalisieren. Das wiederum will keiner, weil die Ängste, Auto-Freiheiten aufgeben zu müssen, tief verwurzelt und nahezu unüberwindbar sind.
Ich stimme mit der Absicht dieser Veranstaltung völlig überein. Besonders schlimm (aber typisch) ist eben die Praxis, hier keine Fahrverbote auszusprechen. Eben _weil_ er das *beruflich* macht, kann ich professionelle Vorsichtigkeit erwarten. Eben weil sein Einkommen davon abhängt, kann er ja (wenn ihm Menschenleben schon egal sind) vorsichtig fahren. Das ist in der Tat das falsche Signal. Und es geht auch nicht um Strafe, sondern um Prävention: er hat bewiesen, dass er fahrlässig Menschenleben gefährdet und sollte daher nicht mehr fahren dürfen. Aber das alles zu ignorieren ist eben in unserer autozentrierten Gesellschaft leider tatsächlich die Norm, deswegen heiße ich den Protest auch gut.
Was mich aber auch hier wieder stört, ist die Unkenntnis unseres Rechtssystems:
| gibt den […] Freibrief, selbst bei Todesfolge mit Anwalt
| und genügend Geld glimpflich davon zu kommen.
Ein Anwalt steht jedem zu. Jeder, auch der größte Missetäter, darf (und muss!) vor Gericht verteidigt werden. Auch Verbrecher haben Rechte. Weiterhin geht es nicht so sehr um „genügend“ Geld. Es handelt sich hier um Tagessätze, und die werden an das Einkommen des Verurteilten angepasst. Für den Fahrer dürfte der Betrag nicht gar so wenig sein. Entsprechend sachliche Formulierungen bei dem Protestaufruf würden der Sache besser zu Gesicht stehen; sonst ist die Grenze zum Lynchmob zu unscharf.
@berlinradler:
schwere unfällen „auf radwegen“ sind so weit ich weiß außerordentlich selten. du meinst offenbar „unfälle auf kreuzungen wenn vorher ein unsachgemäß angelegter radweg befahren wurde“. da würde ich zustimmen. aber der implizierte schluss, dass radwege immer schlecht und daher abzuschaffen sind, ergibt sich daraus nicht. es kommt eben – wie oft – darauf an wie die verkehrswege im detail ausgeführt sind. genau so wie bei der fahrbahnführung auch.
der schreckliche unfall zeigt aber gerade auch, dass man sich auf kfz-lenker eben nicht verlassen kann, selbst wenn sie einen „eigentlich sehen müssten“. deswegen bleibt das bauchgefühl auf der fahrbahn von verkehrsachsen ein schlechtes – aus gutem grund scheint mir .
@fab, müssen wir das wirklich immer wieder von Grund auf diskutieren? Ich hoffe nicht. Ich kann damit leben, dass Du grundlegend anderer Meinung bist, werde aber meine differenzierte, wenn auch tendenziell ablehnende Haltung gegenüber Radwegen nicht aufgeben.
Apropos Berufsverbot – ein geklauter Kugelschreiber oder ein am Arbeitsplatz privat aufgeladenes Handy können eine Abmahnung und auch eine Entlassung rechtfertigen.
Ich habe richtig Angst vor solchen Lkw-Fahrern. Angst um mich, Angst um meine Familie. Solche Ängste können Autofahrer ausblenden, sobald es um Ihre „Grundrechte“ oder die Ihresgleichen geht. Denn wenn ein anderer für einen Fehler seinen Lappen abgeben muss, könnte es einen irgendwann auch selbst treffen. Letztendlich hat dieser ganze Warnwesten-Sturzhelm-Opferselbstschutz-Tanz doch genau diese Ursache – man möchte nichts ändern, auch nicht am eigenen teils rabiaten und fahrlässigen Verhalten.
[…] gegen Gerichtsurteil in Berlin (Der Tagesspiegel) Mahnwache vor dem Gericht in Tiergarten (Rad-Spannerei […]
berlin, was soll das sein mit den Zahlen? Das Risiko pro Unfall ist nicht relevant, sondern das pro Verkehrteilnahme in Zeit, Wegen oder meinetwegen auch Strecke.
@Udo, wenn Du schreibst, dass Kfz-Fahrer gleichermaßen gefährdet seien wie Fußgänger und Radfahrer, halte ich die Zahlen der Verletzten pro Unfall durchaus für relevant. Ich widerspreche der Aussage, Kfz-Fahrer seien gleichermaßen gefährdet.
Gefährdet in einen Unfall verwickelt zu werden oder gefährdet im Sinne von „schwere der Verletzung“? Letzteres bezweifle ich stark, Karosserie und Sicherheitskonzepte bevorzugen idR. immer den Autoinsaßen, zu ersterem habe ich keine Zahlen.
@berlinradler
„fab, müssen wir das wirklich immer wieder von Grund auf diskutieren?“
ja. solange du nicht differenzierst, sonder in nebensätzen polemisierst, musste da durch.
„Ich kann damit leben, dass Du grundlegend anderer Meinung bist, werde aber meine differenzierte, wenn auch tendenziell ablehnende Haltung gegenüber Radwegen nicht aufgeben.“
inwiefern differenziert? und natürlich, das wirst du „alles wohl noch sagen dürfen“.nur, ich halt auch. und jetzt kuck nich immer so moraaalisch…du hast halt deine besondere präferenz und gut.
ein schritt übrigens, einfluss auf die sanktionen nach solchen unfällen zu nehmen, wäre die unterstützung von opfern und angehörigen bei der nebenklagevertretung.
also: ADFC-mitglied werden und sich für die bessere prozessvertretung der verkersunfallopfer im straf- und auch zivilprozess einsetzen. das setzt natürlich voraus, dass die betroffenen das möchten.
@Kohl, ich meinte damit die Gefahr einer Verletzung.
Die Unfallhäufigkeit je nach Verkehrsart kann man aber natürlich auch in Relation zum Modal Split oder zur Kilometerleistung setzen. Geht es um Unfälle und nicht um Verletzungen, stechen hier Kraftfahrzeugführer durch eine enorme Unfallbeteiligung hervor.
Und @fab, natürlich ist es eine sprachliche Abkürzung, dass Radfahrer vor allem „auf Radwegen“ verunglücken, da das, was direkt im Kreuzungsbereich und damit an den Hauptunfallpunkten ist, keine Radwege sind. Moralisierend, polemisch … das erinnert mich an Hardcore-Autofahrer, die jede Art von Graustufen und Kompromissorientierung in der Verkehrspolitik als „ideologisch“ zurückweisen. Meine Kommentare sind keine wissenschaftlichen Abhandlungen und daher manchmal etwas unscharf oder auch mal fehlerhaft.