Carlton Reid: „Radfahrer mit mp3-Player hören das Gleiche wie Autofahrer ohne Autoradio“

Mitarbeiter der australische Fahrradzeitschrift rideOn haben auf einer stark befahrenen Straße in Melbourne getestet, wieviel Außengeräusche Autofahrer und Radfahrer unter verschiedenen Bedingungen hören. Dafür wurde ein synthetisches Ohr hergestellt, das im Innern ein Dezibel-Messer besitzt, sodass Lärmmessungen mit und ohne Kopfhörer durchgeführt werden konnten.

Die Tester von ridOn stellten zunächst fest, dass Autos bemerkenswert schalldicht sind. Wenn außerhalb eines Autos der Verkehrslärm in der Spitze 79dB betrug, lag der Pegel im Auto bei laufendem Motor und geschlossenen Fenstern bei 54dB, das sind 25dB weniger. Wenn eine Fahrradglocke direkt neben einem offenen Autofenster ertönte, lag der Schallpegel bei 105dB, bei geschlossenen Fenstern wurde im Fahrzeug ein Wert von 57dB registriert.

Bei Messungen außerhalb des Fahrzeugs mit unterschiedlichen Kopfhörern wurde sofort klar, dass die  Art des Kopfhörers einen großen Einfluss darauf hat, was eine Person vom Umgebungslärm hört. Ein Earbud-Kopfhörer, der in die Ohrmuschel eingesetzt wird, lässt erheblich mehr Außengeräusche zum Ohr als ein In-Ear-Kopfhörer, der in den Gehörgang eingeführt wird.

Die ridOn-Tester legten dann fest, dass eine angemessene (englisch: reasonable) Lautstärke beim Musikhören bei 87dB liegt, das ist deutlich lauter als der Verkehrslärm mit 79dB. Sie positionierten Testpersonen in zehn Metern Entfernung. Jemand rief „Passing“ und es ertönte eine Fahrradglocke. Die Person mit Earbud-Kopfhörer registrierte trotz der lauten Musik die Signale. Auch die Testperson mit  In-Ear-Kopfhörer nahm Glocke und Anruf wahr, aber nur schwach. Ein in zehn Metern Abstand befindlicher Test-Autofahrer ohne eingeschaltetes Autoradio hörte weder die Fahrradklingel noch den Warnruf.

Die Zeitschrift schließt aus dem Test, dass Radfahrer mit einem „vernünftig lautem“ mp3-Player mehr Umgebungsgeräusche hören können als Autofahrer, selbst dann, wenn sie gar kein Autoradio eingeschaltet haben.

Dank an Marc für den Hinweis.

rideOn: An ear on the traffic
Carlton Reid  in BikeBiz: Cyclists with iPods hear the same as motorists listening to nothing

30 thoughts on “Carlton Reid: „Radfahrer mit mp3-Player hören das Gleiche wie Autofahrer ohne Autoradio“

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  1. Also wer mit geschlossen Fenstern ein Kfz fährt, für den muss in Zukunft ein Bußgeld fällig werden.

    Wird natürlich nicht passieren, weil das Straßenverkehrsrecht bzw. dessen Auslegung oft nichts mit Wissenschaft zu tun hat, sondern auf reiner Esoterik basiert, siehe auch sinnfreie Radwege bzw. Helmpflicht.

  2. Mit Kopfhörer Fahren ist ja auch nicht verboten, das wäre ja auch Mumpitz, die Frage ob man sich das Widerspruchverfahren an die Ferse klebt wegen 15€ Polizistenbräsigkeitsgebühr und Amt hat Recht, ist natürlich eine ganz andere…

  3. Naja ist ein Widerspruch nicht erstmal nur ein Brief? Ich finde es sowieso interessant, dass es Bußgelder für Vergehen gibt, die in der STVO nicht auftauchen. Ist ja das selbe mit der Nichtbenutzung von Schutzstreifen.

  4. War da nicht … gab es da nicht … ist wohl schon etwas länger her: https://groups.google.com/d/msg/de.rec.fahrrad/HL8rvBOjNfA/xPEq3QJdVA0J

  5. Was helfen Erkenntnisse gegen den gesunden Menschenverstand von Verkehrsministern?

  6. Tatsache bleibt aber, dass man mit Kopfhörern seinen akustischen Sinn stark einschränkt.
    Zudem finde ich das hören beim Radfahren viel wichtiger als beim Autofahren. Am Rad habe zumindest ich keine Rückspiegel in denen ich schnell mal den nachfolgenden Verkehr beobachten kann.
    Und meine Erfahrung dier letzten Jahre zeigt, dass Radfahrer und Jogger mit Kopfhörern deutlich schlechter hören als solche ohne.
    Ist jetzt sicher nicht übermäßig dramatisch, aber gut finde ich das Radeln mit Kopfhörer nicht. Selbst wenn man besser hört als in ner Blechdose. Man muß sich ja nicht in allem angleichen.

  7. @ Quietschkette: Das sehe ich im Grunde genauso. Aber es ist eben nun mal eine Schwachsinnsaktion, ein Kopfhörerverbot für Radfahrer und Fußgänger ins Gespräch zu bringen und gleichzeitig eine Audio-CD für Autofahrer herauszugeben.

  8. „gleichzeitig eine Audio-CD für Autofahrer herauszugeben.“

    ????

  9. @ hardwerker
    http://www.kravag.de/ka/kravag/ueber_uns/soziales_engagement/adagio-im-auto/index.html

    Man sollte bloß nicht immer Auto- und Fahrrad fahren direkt miteinander vergleichen. Es ist ein ganz anderes Sehen, im Auto immer mit ein paar Spiegeln, auf dem Rad ohne sichtbehindernde A-, B- und C-Säule und mit einer viel geringeren Notwendigkeit eines Rückspiegels, da man viel seltener spurwechselnd überholen muss.

  10. @Quietschkette: empfehle einen kleinen Weitwinkelrückspiegel von Busch & Müller. Sicherer als das feinste Ohr. Oder alternativ Halswirbelgymnastik für den gekonnten Schulterblick.

  11. Disclaimer: ich fahre mit Kopfhörern und Rückspiegel.

    Wer sich auf sein Gehör verlässt, der ist im Straßenverkehr schlecht bedient. Wenn man von einem flotten Radfahrer überholt wird, hört man den idR vorher nicht. Da erschreckt man sich gerne mal. Da ich faul bin, habe ich den Rückspiegel. Sehr praktisch und tausend mal besser als meine Ohren.

    Was mich beim Höhren von Podcasts oder Musik unterwegs ablenkt, hat nichts mit verminderter Hörfähigkeit zu tun, sondern mit der konkreten Musik oder meiner Konzentration aus Gehörte. Deswegen stelle ich die Beschallung bei unübersichtlichen Verkehrssituationen ab. Genau wie ich es im Auto tue.

    Bin bisher noch nie von der Polizei genervt worden. Gerne aber mal von anderen Verkehrsteilnehmern. Die rufen mir zu: „Radfahren mit Kopfhörern ist verboten!“ (Was ich akkustisch verstehe). Und ich antworte: „Uch kann dich nicht hööören!!“

  12. „Zudem finde ich das hören beim Radfahren viel wichtiger als beim Autofahren. Am Rad habe zumindest ich keine Rückspiegel in denen ich schnell mal den nachfolgenden Verkehr beobachten kann.“

    Wahnsinn! Du darfst dich im Verkehr nicht auf dein Gehör verlassen! Was wenn hinter dir ein leises Fahrrad fährt? Du musst immer gucken!

  13. Tatsache bleibt aber, dass man mit Kopfhörern seinen akustischen Sinn stark einschränkt.

    Stimmt. Ebenso wie es offenbar Tatsache ist, dass man als Autofahrer mit geschlossenen Fenstern seinen akkustischen Sinn noch viel mehr einschränkt. Ganz zu schweigen von geschlossenem Fenster plus Radio.

    Zudem finde ich das hören beim Radfahren viel wichtiger als beim Autofahren.

    Ja klar. Denn schlechter hörend bringt man ja auf dem Rad immerhin sich selbst in Gefahr, während man noch viel schlechter hörend im Auto ja vor Allem nur körperliche Unversehrtheit und Leben Anderer gefährdet… :-/

  14. @ Peter F.:
    „Wahnsinn! Du darfst dich im Verkehr nicht auf dein Gehör verlassen! Was wenn hinter dir ein leises Fahrrad fährt? Du musst immer gucken!“
    Das Eine schliesst das Andere ja nicht aus. Ich nutze meinen akustischen Sinn ZUSÄTZLICH zum visuellen Sinn.

    @ reclaim:
    „Stimmt. Ebenso wie es offenbar Tatsache ist, dass man als Autofahrer mit geschlossenen Fenstern seinen akkustischen Sinn noch viel mehr einschränkt. Ganz zu schweigen von geschlossenem Fenster plus Radio.“
    Stimmt. Nur ob es sinnvoll ist, seinen akustischen Sinn zu dämpfen um auf einem Niveau mit den Blechkisten zu sein, bezweifel ich halt. Es zeigt nur, dass es bei weitem nicht so fahrlässig ist, wie viele oft annehmen.

  15. […] vielfach erwähnt habe und die Berichten nach noch nicht einmal bei der Polizei bekannt ist. Auch die Radspannerei beschäftigt sich mit dem Thema und führt dazu Untersuchungen an. Carlton Reid: “Radfahrer mit […]

  16. Hi,

    ich als Radfahrer finde es unangebracht, wenn andere Radfahrer mit Kopfhörer fahren und deshalb mein freundliches Klingeln z.B. beim Überholversuch nicht hören. Ein Auto würde ich sowieso nie anklingeln – bei Radfahrern halte ich es aber für ein Zeichen der Höflichkeit, wenn sie anderen Radfahrern die Möglichkeit zur akustischen Ansprache geben.

    Aber wie sagten schon die Altvorderen: Wer nicht hören will, …

    Ciao

    Frank

  17. Ich klingle Autofahrer i.d.R. auch nicht an, ausser ihr Fenster ist offen. Auf Gefahrensituationen kann ich also nur reagieren, den anderen aber nicht in Kenntnis setzen. Das empfinde ich als großes Problem, die Verharmlosungen kann ich nicht nachvollziehen. Entweder Fahrradklingeln müssen erheblich lauter werden, oder die Abschottung des Kfz muss verringert werden.

  18. … inzwischen erwäge ich mal wieder mit Kopfhörern zu fahren – und zwar die besten In-Ear-Headphones wo gibt.

    Hintergrund ist der Lärm von Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei, um den Vierradfreund in seiner hermetisch abgeschirmten Welt freundlich wachzukitzeln. Das hört der zwar in vielen Fällen trotzdem nicht, aber die Sirenen scheinen immer lauter zu werden.

    So vor ein paar Tagen selbst auf dem Brandenburger Lande an der Altlandsberger Umgehungsstraße der L33 in Seeberg. Obwohl ich korrekt an der für mich sogar grünen Ampel auf dem Radweg gewartet habe um die Einsatzfahrzeuge vorbeizulassen, waren zwei Krankenwagen auf dem Weg zur Autobahn auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite derartig laut, dass ich demnächst mal beim Bundesministerium für Gesundheit nachfragen werde. Mein Eindruck: Die Dinger werden immer lauter. Und zwar so, dass mir als Radfahrer ohne Kopfhörer nicht nur in dem Augenblick die Ohren abfaulen, sondern dass ich ein Stechen im Ohr hatte und Folgeschäden befürchten darf.

    Schön wäre es in dem Zusammenhang, wenn sich unser Bundesverkehrsminister Ramsauer mal für sein Kampfradlergeschwafel und die Folgen daraus entschuldigen würde. Investitionsmittel für den Fahrradverkehr auf niedrigen Niveau um die Hälfte streichen, Rechte von Zweiradfahrern infrage stellen und aberkennen, die Vierradfreunde zur Genüge hinterhergeworfen bekommen – und dann noch nachtreten. Professionell ist anders. Bemerkenswert dabei: Es beschwert sich nicht mal jemand halbwegs wirksam.

  19. Interessanter Hinweis benno. Ich muss auch regelmäßig rechts ranfahren, ggf. die Kopfhörer abnehmen (!) und mir die Ohren zuhalten, wenn das Tatütata näher kommt. Da kann mir keiner vorwerfen, ich würde das nicht hören. Naja, vielleicht nicht mehr lange, bei dem Krach. Neulich gab es doch auch die Meldung, dass noch ein amerikanisiertes Sirenengeräusch dazu kommen soll.

    Fahrradklingeln höre ich übrigens auch. Genauso wie das gesprochene Wort von Mitmenschen. Das schrieb ich ja bereits. Mir braucht keiner asoziales Verhalten im Straßenverkehr vorwerfen, falls das bei dir mitgeschwungen haben sollte, Frank.

  20. Ah, das werden die Fahrradgegner aber nciht gerne hören… 😀
    Schöner Test!

  21. Das mit den lauten Sirenen – aber auch Hupen – empfinde ich ebenfalls als Problem. Es ist ein Risiko, von Null auf Hundert einen so lauten Ton einzuspielen, dass ein Verkehrsteilnehmer mit ungeschütztem Gehör zusammenzucken und verunglücken kann.

    Wenn schon derart extreme Lautstärken nötig sind, um weiterhin keine Beschränkungen bei der Schalldämpfung oder Maximallautstärke der Innenraumbeschallung einführen zu müssen, so wäre wenigstens eine anschwellende Lautstärke notwendig.

    Zur Zeit kann man nur darauf vertrauen, dass die Fahrzeugführer von Einsatzfahrzeugen das Martinshorn in ausreichender Entfernung einschalten.

  22. Radfahrer und Jogger mit weißen Kabeln aus dem Ohr, die durch den Musikgenuss mein Klingeln nicht hören, Hundehalter mit Hundeleinen quer über den Radweg gespannt, Mutties, die es schaffen, mit zwei Kinderwagen eine 5 Meter breite Straße zu blockieren…..die Liste mit Mitbürgern, die schamlos meine Zeit klauen, ist unendlich lang.

    Übrigens gab es hier vor kurzen einen tragischen Unfall. Ein Jogger mit Musik im Ohr hat eine Straße überquert. Durch die laute Musik hat er das heranrasende Motorrad nicht gehört. ergebnis: Beide tot. Vielleicht war der Auspuff des Motorrades einfach zu leise…….

  23. @Krampfradler – na zum Glück hören wenigstens die Autofahrer Deine Klingel 😉

  24. […] den Versuch haben die Tester ein synthetisches Ohr mit Dezibelmesser verwendet. Mehr dazu hier oder hier im Blog der Radspannerei auf […]

  25. Spannender Test. Das Versuchsauto war ein Nissan von 2005. Der hat eine eher durchschnittliche Schallisolierung. Geräuschabsenkung und Dämmung des Pkw-Interieurs gehört zu den wichtigsten Entwicklungszielen der Autobauer. Bei einer modernen Luxuslimousine mit Doppelverglasung wie der Mercedes S-Klasse dürften im Innenraum Aussengeräusche noch deutlich gedämpfter wahr genommen werden. Das Problem verschärft sich also.

    Schade, dass die Tester keine Versuche mit den momentan beliebten großen Kopfhörern unternommen haben, die das gesamte Ohr umschließen.
    http://st-pedali.blogspot.de/

  26. der punkt an den kopfhörern ist doch, dass man sie sieht. und weil andere sie sehen, glauben sie, man „kapsele sich ab“. dass es offene – akustisch völlig transparente wie zB die AKG K701- und geschlossene, unsichtbare in-ears gibt, spielt keine rolle, der visuelle eindruck entscheidet.

    habe neulich in einem interview mit einem „i-phone-fotografen“ dessen name mir leider entfallen ist, den tip gelesen, auffällig ein headset zu tragen – man würde sofort unsichtbar.

    merkwürdig: setze ich mich aufs rad, werde ich für autofahrer unsichtbar. setze ich ein headset auf, dann für passanten. macht man beides, wird man leider wieder sichtbar und muss dringend zurechtgewiesen werden…

  27. […] radspannerei.org: Carlton Reid: “Radfahrer mit mp3-Player hören das Gleiche wie Autofahrer ohne Autoradio” […]

  28. […] Rad-Spannerei: Carlton Reid: “Radfahrer mit mp3-Player hören das Gleiche wie Autofahrer ohne … […]

  29. […] können als Autofahrer, selbst dann, wenn sie gar kein Autoradio eingeschaltet haben.” (Radspannerei, 17.07.13) Die Polizei weist in diesem Zusammenhang eindringlich darauf hin, dass Radfahrer nicht […]

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