Wie ich diese Formulierung und auch die Häufigkeit der Unfälle mit Fahrradbeteiligung in letzter Zeit verabscheue…
Heute schreibt die Polizei in ihrer Pressemitteilung #1466 „Radfahrer Übersehen – Reinickendorf“
Hier kann man die Kreuzung auf Google maps sehen
Ich finde die Kreuzung eigentlich ganz übersichtlich, wer einen entgegenkommenden Radfahrer beim Abbiegen übersieht hat ggf. Probleme mit der Aufmerksamkeit, oder wie seht ihr das ?
Ich wünsche dem Radfahrer gute Besserung!
Sehschwäche sollte sehr ernst genommen werden. Ab zum Amtsarzt und überprüfen ob die Person medizinisch noch fahrtauglich ist.
„nicht gesehen“ hört man übrigens erschreckend oft. Nachts bei Regen verstehe ich das ja aber Tags mit knallroter Jacke und angeschaltetem 60Lux LED Scheinwerfer?
nun ja, man muss verstehen, dass aus einem automobil die sicht schlecht ist und immer schlechter wird. das führt zu unfällen. und es sollte jedem radfahrer, fussgänger klar sein, wenn es zum unfall kommt hat der fussgänger, radfahrer etwas falsch gemacht. ist quasi immer selber schuld.
so sind die real erlebaren verkehrsregeln in diesem staat eingetütet.
also immer mit ALLEM rechnen..
menschenleben, die durch den ausufernden autoverkehr ausgelöscht werden sind nicht der rede wert.
Ist echt krass in letzter Zeit…
Bei solchen Unfällen finde ich immer die Zusätze wie „Der Auto-/LKW-Fahrer blieb unverletzt.“ sehr widerlich.
Ein wichtiges und gut gewähltes Thema.
Schon seit Jahren fällt mir auf, dass die Berliner Polizei je nach Unfallverursacher-Art eine passive („übersehen“) oder aktive („achtete nicht auf den Verkehr“) Unfallverursachung unterstellt. Ersteres ist fast exklusiv für Autofahrer vorbehalten, manchmal wird sogar Radfahrern das „übersehen“ anderer Verkehrsteilnehmer zugestanden. Fußgänger hingegen verursachen Unfälle laut Meldungen immer aktiv, sie übersehen keine Autos, sondern achten gar nicht darauf.
Ich hatte vor Monaten mal einen Beitrag mit einer „Strichliste“ vorbereitet, die das Problem der parteiischen Unfallberichterstattung noch mehr verdeutlichen sollte. In der Woche hatte es leider grad nicht wirklich gepasst, prinzipiell müsste der Ansatz aber funktionieren: Alle Unfallmeldungen im Polizeiarchiv durchgehen, Verkehrsart des Unfallverursachers sowie passive oder aktive Unfallverursachung in eine Tabelle eintragen.
Es wird auch häufig berichtet, dass fahrlässige Kraftfahrer nach Tötung eines Radfahrers aufgrund eines Schocks ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Da machen die Journalisten den Täter zum bemitleidenswerten Opfer. Auch wenn medizinisch korrekt, ist das im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen irrelevant und muss nicht eigens erwähnt werden.
Ich denke mal, um den sogenannten Schock oder wenn er eben nicht aufgetreten ist, geht es im Wesentlichen, wenn es heißt: „Der Autofahrer blieb unverletzt“.
Ich sehe auch keinen Grund, das in einer Pressemitteilung nicht zu erwähnen. Hier im Forum wird öfters mal der Vorwurf, sinngemäß, von „parteiischer Unfallberichterstattung“ erhoben.
Aber gerade das passiert doch, wenn ich Informationen über eine Seite vorenthalte.
Und auch wenn der Tod des Radfahrer unbestreitbar schlimmer ist: Die Ansicht, dass der Autofahrer auch ein „bemitleidenswerten Opfer“ ist, ist gar nicht so falsch. Ich weiß nicht, wie lange (Tage, Wochen, Monate, Jahre) ich daran zu knabbern hätte, wenn ich selber in einem Moment der Unachtsamkeit einen tödlichen Unfall verursacht hätte.
Natürlich ist es noch eine andere Geschichte, was Journalisten aus den sachlichen Pressemitteilungen machen. Wenn sie da aus reinem Vorurteilen heraus den einen oder anderen zum Schuldigen machen, ist zu Recht eine parteiische Berichterstattung zu kritisieren.
Die Formulierung „passive“ oder „aktive“ Unfallverursachung sehe ich auch nicht ganz so. Mir fällt immer wieder auf, dass viele Leute dazu tendieren, in eine bestimmte Formulierung irgendwelche Dinge hineinzuinterpretieren. Die Polizeimeldungen sollen einfach mal die Fakten darstellen, und so lese ich sie auch. Ich denke da eher sachlich. Wenn diese Meldungen erscheinen, sind die Ermittlungen meistens noch im Gange. Es ist daher sinnlos, in so einer Meldung bereits eine Schuldzuweisung entdecken zu wollen.
„Übersehen“ und „achtete nicht auf den verkehr“ bedeutet meistens dasselbe. Ersteres ist halt meistens die Folge von Letzterem.
Andererseits kann auch bei größter Sorgfalt ein „Übersehen“ nicht immer ausgeschlossen werden. Der Vorwurf „hat nicht gut genug auf den Verkehr geachtet“ wird dann wahrscheinlich trotzdem kommen.
Ich habe erst vor zwei Wochen einen Vorfall beobachtet, bei dem ich einen Radfahrer schon im Geiste unter einem Auto habe liegen sehen, und ehrlich gesagt, ich hätte es ihm sogar gewünscht: Kurfürstenstraße, zweispurig Richtung Zoo, an einer Ampelkreuzung stehe ich mit dem Rad mittig hinter zwei PKW auf der rechten Spur, links deutlich mehr PKW. Als die Ampel bereits Grün zeigt, quetscht sich noch ein Radfahrer rechts neben mir und den beiden PKW vor mir durch. Der vordere PKW (Audi) biegt rechts ab und steht bereits schräg. Der Audifahrer achtet auf Fußgänger und den (nicht benutzungspflichtigen) Radweg und sieht tatsächlich auch den Radfahrer, der den PKW schon fast berührt (toter Winkel-Alarm!) und weicht sogar nochmal zurück.
Sollte sich eine ähnliche Situation in Spandau abgespielt haben, wo kürzlich ein Radfahrer von einem rechtsabbiegenden LKW getötet wurde, dann ist eindeutig der LKW-Fahrer das Opfer. Leider geht eben sowas nie aus einer Pressemitteilung hervor. Und was dann später die Ermittlungen ergeben haben, erfährt man leider auch nicht mehr.
in der tat müsste man hier dann auch schreiben: „…bog […] nach links ab ohne auf den entgegenkommenden verkehr zu achten.“
fußgänger und radfahrer sind für die berliner polizei demnach einzelphänomene, störfaktoren außerhalb „des verkehrs“. kfz sind „der verkehr“, der von allen anderen zu respektierende normalfall.
@karsten
„und ehrlich gesagt, ich hätte es ihm sogar gewünscht“
schau mal
http://bikeyface.com/2012/05/17/keep-smiling/
…hilft mir manchmal. vielleicht gefällts dir ja auch.
@Karsten, die parteiische Berichterstattung kommt genau so von der Berliner Polizei und wird von den Medien lediglich weiterverbreitet. Die kritisierten Floskeln („übersehen“, „nicht auf den Verkehr geachtet“) werden dabei in der Regel unhinterfragt übernommen.
In meinen Augen ist das „Übersehen“ ein entschuldbares, passives Versehen. Man hat alles getan, was möglich war, und dennoch ist etwas schiefgelaufen.
Das „nicht auf den Verkehr achten“ ist nicht nur eine Herabsetzung des Fußgängers (er ist Teil des Verkehrs), sondern eben auch eine vermeidbare Nachlässigkeit.
Beide Formulierungen können durchaus zutreffend sein: Manche übersehen andere, manche achten nicht auf den Verkehr. Dass aber nur Autofahrer übersehen und nur Fußgänger nicht auf den Verkehr achten, bezweifle ich ernsthaft.
Zudem kann die Polizei gar nicht wissen, wie das Verhalten des Verkehrsteilnehmers vor dem Unfall war. Hat er geschaut und den anderen übersehen, oder hat er nicht geschaut? Das ist spekulativ. Wenn man mit Spekulation anfängt, könnte man auch Mutmaßungen über die Geschwindigkeit der Beteiligten anstellen – und hätte hier sogar eine höhere Treffgenauigkeit, weil nichtangepasste Geschwindigkeit nunmal eine Hauptursache für Unfälle ist.
Problematisch ist auch das Benennen der Ampelfarbe: Ist ein Verursacher bei Rot gefahren oder gegangen, wird das in der Regel erwähnt. Ist ein Verunglückter bei grün gegangen oder gefahren, fällt das meistens unter den Tisch. So entsteht die subjektive Wahrnehmung, ampelbeachtende Verkehrsteilnehmer wären weniger gefährdet. Dies trifft in vielen Kreuzungskonstellationen nicht zu.
Daher trete ich für eine neutralere Formulierung ein, die für alle Arten der Verkehrsbeteiligung gleich ist. Diese könnte durchaus auch aus dem Pool {„übersehen“,“nicht auf den Verkehr geachtet“} kommen, wobei „übersehen“ realistischer ist, weil kaum jemand absichtlich einen Unfall produziert, insbesondere wenn er am Ende selbst verletzt oder tot ist.
Und wenn man sich, wenn auch insgeheim, Unfälle wünscht – Aggressionen hat jeder Mal, das ist nicht unnormal – hat man einen guten Punkt an sich, an dem man arbeiten kann. Sorry für diese Überheblichkeit, aber „Unfälle wünschen“ bedeutet am Ende Verletzte und Tote, das ist einfach nichts positives.
Beispiel von heute, Motorrad und LKW:
…
Beim Linksabbiegen in die Karl-Marx-Straße erfasste er die ihm aus der Hermannstraße entgegenkommende 31-Jährige mit ihrer Kawasaki. Während die Kradfahrerin von den angeforderten Rettungskräften zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus gebracht wurde, blieb der Lkw-Fahrer unverletzt.
…
http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/385945/index.html
Hergang neutral und ohne dem ‚Übersehen‘, aber LKW Fahrer unverletzt…
Na, Krawallsakis haben doch ein total breiteres Erscheinungsbild, ausserdem machen die Krach, kann man also nicht übersehen…
Ne, es wird an der „Schere im Kopf“ liegen, die da meint Radfahrer seien keine vollwertigen oder ernstzunehmenden Verkehrsteilnehmer.
Ja, schlimm ist wirklich das stets nur Radfahrer übersehen werden und selbst natürlich immer missachten oder „ohne auf xy zu achten“
Ich stimme euch da zu, und der Motorradvorfall ist ein gutes Beispiel, wie man recht neutral formulieren kann.
Wenn man denn will…
Ich übersetze die Unfallmeldung mal in LKW vs. Radfahrerin-Sprech:
Beim Linksabbiegen in die Karl-Marx-Straße übersah er die ihm aus der Hermannstraße entgegenkommende 31-Jährige Radfahrerin, die auf ihre Vorfahrt beharrte.
@berlinradler: Zu dem Punkt Aggressionen hast du ja Recht. Der Punkt ist aber, was Jochen schrieb, die „Schere im Kopf“. Auf jeder Fahrt kommen mir Geisterfahrer entgegen, fahren Radler vorbei, während ich an der roten Ampel warte, fahren falsch rum um den Kreis, nachts ohne Licht, …
Warum sollten Radfahrer ernstgenommen werden, wenn sie selber regelmäßig demonstrieren, dass sie die Verkehrsregeln nicht ernstnehmen müssen?
Und das ist auch genau der Punkt, wo meine Aggression in dem erwähnten Fall herkommt. Wenn da einfach Regeln missachtet werden, stört mich das. Ich versuche aber trotzdem, es einfach zu ignorieren und ruhig zu bleiben. (Zum Thema „an mir arbeiten“)
Wenn ein Radfahrer aber Andere, mich oder auch nur sich selbst in Gefahr bringt, dann ärgert es mich richtig, denn der Autofahrer hat ein Kennzeichen hintendran, was meistens weiterhilft, um irgendwelche Vergehen zu ahnden oder ihm zumindest einen Denkzettel verpassen zu können (z.B. auch via Taxi-Zentrale oder Firma).
Der Radfahrer aber verschwindet einfach.
Ich halte es nicht für erstaunlich, dass sich Autofahrer im Zweifelsfalle gar nicht erst Gedanken machen, ob sich der Radfahrer nicht vielleicht doch regelkonform verhält, denn „die fahren ja sowieso, wie sie wollen“.
Ich denke, dass dies auch mit ein Grund dafür ist, dass man von Autofahren von freundlich angesprochen, bzw. ermahnt bis hin zu mit Waffengewalt (Auto) von der Straße geworfen wird.
Letzteres ist mir erst gestern und in diesem Jahr zum zweiten Mal durch Taxifahrer passiert, weil ich legalerweise „deren“ Busspur benutzt habe (Charlottenburg, Tegeler Weg).
Im Übrigen: Auch wenn ich geschrieben habe, dem Radfahrer den Unfall eigentlich sogar gewünscht zu haben, natürlich wünsche ich Niemandem ernste Verletzungen oder sogar den Tod! In dem konkreten Fall haben die Fahrzeuge ja gestanden bzw. bewegten sich nur sehr langsam, und im Falle einer Berührung hätte der Radfahrer schon extrem unglücklich stürzen müssen, um ernsthafte Verletzungen abzubekommen.
Ich habe auch schon meine Rechtsabbiegervorfälle hinter mir, alle ohne „Feindberührung“, aber einige mit Unfall, zum Teil, weil meine Vorderradbremse besser packte, als für meine Massenträgheit gut war.
Karsten, „denn der Autofahrer hat ein Kennzeichen hintendran, was meistens weiterhilft, um irgendwelche Vergehen zu ahnden“ <- das ist aber auch nur Theorie, denn wie oft heißt es dann „eingestellt, mangels öffentlichem Interesse“? DAS wäre auch mal ein großes Thema wert und zwar in breiter offentlicher Diskussion.
Offenbar haben verdammt viele Bußgeldstellen nur dann ein Interesse an Strafverfolgung, wenn ein Radfahrer verletzt oder getötet wurde. Weshalb nur werden dann noch Knöllchen wegen 20km/h zu schnellem Fahren verschickt? Ist doch nichts passiert!
Was die Aggression und das jemandem etwas wünschen angeht, das kenne ich, hab ich in besonders haarsträubenden „superknapp Situationen“ auch häufiger. Ich wünsche mir dann eine spürbar Strafe, die direkt auf dem Fuße der begangenen Oberdämlich- und Dreistigkeit folgt.
Immerhin zeigt die Schlagzeile „Radfahrer übersehen“ auf einen Blick dass der Radfahrer nicht der Verursacher ist.
Schlimmer sind „Radfahrer verletzt“, „Radfahrer verunglückt“ oder gar „Radfahrer stürzt“
wenn radler fußgänger gefährden finde ich das auch falsch. hier sensibel familie und freunde drauf hinzuweisen ist auch nicht immer ganz einfach, ohne den „retro grouch“ zu geben ich versuch es aber! meist hat das ja vor allem auch mit unsicherheit zu tun, weil man nicht auf die fahrbahn will oder nicht ohne ampel überqueren.
„Auf jeder Fahrt kommen mir Geisterfahrer entgegen, fahren Radler vorbei, während ich an der roten Ampel warte, fahren falsch rum um den Kreis, nachts ohne Licht“
radfahrer benehmen sich nunmal nicht wie autos und das finde ich grds. auch grade das schöne am rad. man könnte sich eben auch ganz anders bewegen, wenn die städte nicht so autozentriert wären. vielleicht bräuchte man nur noch ganz wenige regeln, schilder und anlagen. halt zum schutz von fußgängern und in der interaktion mit dem ÖPNV. radfahrer unter sich kommen doch eigentlich auch mehr oder weniger ohne regeln klar. ein bisschen utopisch, ich weiß. aber mir ist umbau der stadt lieber als umerziehung der menschen.
Jochen, ja, es ist meine leidvolle Erfahrung, dass bereits mehrere Verfahren, die ich angestrengt habe, genau so eingestellt wurden.
Immerhin, einmal gab es eine Fahrerflucht, und der Fahrer wurde tatsächlich vorgeladen. (Ich muss aber gestehen, ich kenne nicht das Ergebnis der Gerichtsverhandlung.)
Nun ja, fab, wenn du damit leben kannst, dass dir ein Radfahrer, der als Geisterfahrer bergab und daher mit hohem Tempo auf einem knapp 1m breiten Radweg entgegen kommt, und du ihn erst siehst, wenn er unmittelbar vor dir ist, weil er vorher noch durch den Radler vor dir verdeckt wurde, …, dann ok.
@ Karsten und fab: Ich denke, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Die Arschlöcher dieser Welt kann man nun mal mit Regeln nicht erreichen, das bringt das Arschloch-Sein so mit sich. Die allermeisten Regelübertreter gehören aber nicht in die Kategorie Arschloch und die Regelübertretungen sind meist auch nicht von der Art „mit hohem Tempo auf einem knapp 1m breiten Radweg entgegenkommen“.
Jo Michael, das is wohl wahr. Nach meinem Erleben handelt es sich meisten um „Dödelköppe“, also Leute die entweder mit total anderen beschäftigt sind und/oder ihr Hirn nicht auf aktiv geschaltet haben und sich dessen was sie da tun, nicht bewußt sind.
@Karsten, ich sehe diese Radfahrer auch ständig, keine Frage. Besonders nervig ist, wenn man nach rechts abbiegen will und sich in die paar Zentimeter rechts von mir noch jemand reingemogelt hat. Als Fußgänger nerven mich falsch fahrende Radfahrer sehr, als Radfahrer eher wenig.
Dennoch kann ich mich an nicht eine einzige Situation mit einem Radfahrer erinnern, die mich dermaßen gefährdet hätte, dass ich daran noch tagelang zu knabbern hatte. Dieses Problem habe ich eigentlich nur mit Autos. Über Kleinigkeiten wie Vorfahrtnehmen oder verkehrsbehindernd Ein- und Ausparken kann ich hinwegsehen, über volles draufhalten, abdrängen oder fast berühren leider nicht. Nach manchen Erlebnissen brauche ich eine kurze Pause, weil der Puls dann extrem hoch ist und das Blut in die Organe rutscht (Schock). Glücklicherweise passieren die extremen Sachen nicht täglich, aber sie passieren immer wieder. Das macht mir durchaus auch Angst, weil so etwas nicht beherrschbar ist.
Ordnung nur der Ordnung halber ist zwar eine nette Sache. Das betrifft dann jeden weggeschmissenen Apfelgriebsch, das Rauchverbot auf Bahnhöfen, die „vergessene“ Hundeleine, das lautgestellte Handy, selbst das Katzenauge an der Pedale. Auch darüber könnte man sich aufregen, könnte sogar die Leute jedes Mal ermahnen. Nur wird man in einer Großstadt auch Kompromisse eingehen müssen und darüber hinwegsehen müssen, dass manche Regeln eben nicht eingehalten werden. Damit einem das nicht das Leben vermiest, sollte man – so zumindest meine persönliche Philosophie – über manches auch mal hinwegsehen können. Der Spruch „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ ist, wenngleich ich eher Atheist bin, eine der besten Lebensweisheiten, die es gibt. Vielleicht sogar die beste. Mir gelingt es auch nicht immer, danach zu leben, aber ich arbeite in die Richtung. Man KANN die Bewohner einer Stadt nicht alle verändern, ausgeschlossen. Persönlich konzentriere ich mich daher in meiner Beobachtung lieber auf gefährliche Verhaltensweisen. Und zwar statistisch gefährlich, nicht bauchgefühlgefährlich.
Meine „Rachegelüste“, insbesondere nach Mordversuchen (und ja, ich nenne das so und finde es auch nicht polemisch), gehen eher in Richtung Gefängnisstrafe. Wenn derzeit eine Mutti (oder ein Vati) in der Familienkutsche jemand anderen absichtlich „erzieherisch“ gefährdet, kann er seinen Kindern erzählen, der andere sei ja selbst schuld. Würde Mutti oder Vati aber einfach mal ein paar Wochen hinter schwedischen Gardinen sitzen, könnte dies das Gefühl für falsch und richtig in der Familie wieder geraderücken.
ich schon.
zum beispiel kam mir einer auf einem angebotsstreifen entgegen, der recht schmal ist, der verkehr ziemlich dicht. ich bin dem autofahrer, der mir mit einem schlenker nach links platz zum sicheren ausweichen gab, sehr dankbar für sein mitdenken (denn das hört ja allzu oft bei fahrbahnmarkierungen auf…).
oder der, der die auffahrt auf einen mittelstreifen bei einer fahrbahnüberquerung blockierte – und ich zusehen konnte, wie ich hochkomme, während der nächste schwung autos immer näher kam… als ich ihn auf die pfeile hinwies, wich das dumme lächeln nicht aus seinem gesicht.
wer sogar als radfahrer sein gefährt nur als spielzeug betrachtet, sollte sich bewusst machen, dass der straßenverkehr kein sandkasten ist.
Schön, dass auch alle Radfahrer immer mit Messer zwischen den Zähnen und ohne Wissen über Paragraph 1 der StvO durch die Gegend radeln!
Was wird schon passieren, wenn ich zwar im Recht bin aber nun mal der schwächere Verkehrsteilnehmer, richtig, als Radler zieh ich immer den Kürzeren, also muss ich halt darauf achten, dass mich ein Auto übersehen kann(ja das passiert nunmal) und dann muss ich als Radler Rücksicht nehmen und bremsen. Fertig aus, da gibts kein aber, sonst knallts halt. Manchmal frag ich mich wie blind Radler denn sein können?!? Bin übrigens Radler und Autofahrer und mich nerven diese Kamikazeradler auch auf dem Radweg, wenn ich selbst Rad fahre.
@ Berliner
Ist es denn dann für dich auch in Ordnung, wenn ich mit dem LKW bei Rot über die Kreuzung düse? Sollte ja nichts passieren, schließlich sind dann die Autofahrer als schwächerer Verkehrsteilnehmer zur gegenseitigen und gesundheiterhaltenen Rücksichtnahme angehalten. Soll ich einmal die Bild-Schlagzeilen raten? Bestimmt werden sie nicht „Autofahrer besteht auf seine Vorfahrt“ lauten.
Und nur so als Hinweis, ein Autofahrer sollte mich schon richtig erledigen, um sicher zu sein, dass ich den Kürzeren ziehen werde. Ansonsten hat er juristisch nichts zu lachen, was ihm deutlich mehr weh tun wird als mir, oder ich kläre das Problem … andersweitig.
@karsten: Das mit der Folge ist absolut richtig. Ich hätte auch kaum ein Problem mit den beiden Formulierungen*, wenn die Polizeipressestelle sie in mehr oder weniger zufälliger Veteilung – mal so, mal so – in Ihren Unfallmeldungen zu Beschreibung von Unfallverusacherverhalten verwenden würde.
Allein: Das tut sie nicht. Denn “achtete nicht auf den verkehr” wird exklusiv für unfallverursachende Fußgänger verwendet und „übersah“ ist beinahe exklusiv für unfallverursachende Autofahrer reserviert. Dadurch wird nunmal eindeutig suggeriert, dass Autofahrer niemals nie „nicht auf den Verkehr achten“, Fußgänger aber vorgeblich alle Nase lang
*mit “achtete nicht auf den verkehr” bin ich eigentlich grundsätzlich nicht einverstanden, da das eigentlich nie zutreffen dürfte, wenn sich der Unfallverursacher nicht grade im Delirium befindet o.Ä. Ansonsten tritt m.E. niemand auf eine Fahrbahn oder biegt ab „ohne auf den Verkehr zu achten“ – also überhaupt nicht. Die meisten Unfallverursacher haben sicherlich durchaus auf den Verkehr geachtet. Lediglich halt nicht hinreichend gründlich.
…
@Berlinradler: In der Sache und den Schlussfolgerungen si wir uns da natürlich einig. Aber das mit „aktiv“ und „passiv“ habe ich in dem Zusammenhang schon oft gehört, aber nie verstanden: Bei
„A hat B übersehen“ und „A hat B nicht beachtet“ ist doch in beiden Fällen A – also der Unfallverursacher – aktiv. „übersehen“ und „achten“ werden in den Meldungen stets in aktiver Form verwendet.
Die passive Form von „übersehen“ ist zwar zufälligerweise auch „übersehen“ („x wurde übrsehen“), aber in den Meldungen heißt es ja stets aktiv, „der Unfallverursacher hat übersehen“ und nicht passiv, „das Unfallopfer wurde übersehen“…
“ Ansonsten tritt m.E. niemand auf eine Fahrbahn oder biegt ab “ohne auf den Verkehr zu achten” – also überhaupt nicht.“
Gestatten das ich die Hand erhebe und „Halt!“ rufe?
Ich tu mal so.
HALT!
So etwas passiert alle naselang und ist insbesondere bei Fusgängern die wohl häufigste mir begegnende Missachtung von eigentlich selbstverständlichem Verhaltensgut.
Besonders schlimm war es und ist es Sonntags, wenn die Leut aus der Kirche strömen, mit dem Papst in der Tasche und auf rein gar nichts mehr achten.
Und wenn man als Vielradfahrer das Risiko von Kollisionen mit anderen Radfahrern verringern möchte, tut man gut daran jene Exemplare zu erahnen, die von jetzt auf gleich und ohne nur im geringsten mit dem Kopf drehenderweise zu „zucken“ Fahrtrichtungen wechseln, sei es für abrupte Abbiegemanöver oder das urplötzliche Wechseln auf die Straße bzw. irgendwo herausfahren, oder an Einmündungen querenden bevorrechtigten Verkehr als „gibts nicht“ abzutun.
Jenen Exemplaren begegne ich zwar eher seltener als den Fussgängern, aber das ändert nichts an deren vielfacher Existenz.
Der letzte Fall wo ich richtig „gerochen“ habe, war eine Mutti mit Kinderwagen in einer schummerigen Querverbindungsstraße in Schwerte. Für Kfz Einbahnstraße, für Radfahrer in Gegenrichtung ein eigene kleine Spur, dazu mittig zum Einkaufsbunker eine Fußgängerampel.
Mutti schiebt mit Kinderwagen an die Ampel heran, zuerst scheint es als würde sie die auch aktivieren, doch dann – ich hätte keine „Sekunde“ bereits näher dran sein dürfen – läßt sie es und schiebt unvermittelt auf und über die Straße ohne irgendwie versucht zu haben den Kopf zu drehen.
Sie hatte wohl gesehen es kommen keine Autos und hörte sonst halt nichts und die Möglichkeit von Fahrrädern waren ihr offenbar nicht geläufig, also sparte sie sich das Warten an der Ampel.
Ich konnte bremsen und rief auch direkt irgendwas („Das üben wir aber nochmal!“). Sie zuckte erschreckt und ging verlegen lachend weiter.
Das war vor genau einer Woche, auf meiner seitdem letzten richtigen „Strecke“.
Eben. Genau wie ich schrieb: Die Dame aus Deinem Beispiel hat durchaus auf den Verkehr geachtet. Allerdings nicht hinreichend.
Wäret Ihr kollidiert und es hätte eine Meldung Pressemeldung der Polizei gegeben, in der es dann geheißen hätte, die Dame sei auf die Fahrbahn gelaufen, „ohne auf den Verkehr zu achten“, wäre das eine glatte Lüge gewesen. Denn sie hat geachtet. Nur eben nicht hinreichend.
Was haben folgende Verkehrsteilnehmer gemeinsam?
– Der Fußgänger, der auf *Gehör* die Straße betritt.
– Die Mutti, die mit ihrem Hollandrad blind aus der Einfahrt auf die Straße einbiegt.
– Vati und Mutti, die ohne einen Milimeter von einem Zeichen zu geben vom rechten Fahrbahnrand nach Links in eine Querstraße abbiegen.
– Der Smartphone Zombie zu Fuß, auf dem Rad oder im Auto.
– Ramsauer 😉
Sie schimpfen über die bösen Radrowdies.
Ich denke dass Viele Probleme aber auch daher rühren dass Autofahrer öfter Probleme mit Radfahrern haben anstatt mit anderen Autofahrern.
Wenn Ich diese Typen sehe wie Sie mich rechts an der Roten Ampel überholen um über den Bürgersteig die Ampel zu umgehen um dann den Kreuzungsverkehr auszubremsen juckt es mir auch im Gasfuß und Ich lächele bei dem Gedanken daran wie der Typ samt Rad über die Kreuzung fliegt wenn Ich Ihn erwischt habe.
Ich weiss dass das nicht OK ist, doch sehe Ich die Mehrheit der Problemauslöser auf Seite der Fahrradfahrer und nicht der Autofahrer.
Grüße aus Kaiserslautern
Philipp
Zum Glück ist es ja nachweisbar nicht so, die überwältigende Mehrzahl aller Probleme, seinen es Behinderungen oder Unfälle, gehen von Kraftfahrzeugen aus. Dies ist überhaupt nicht polemisch gemeint, allein durch die Überzahl an Autos im Vergleich zu anderen Verkehrsteilnehmern kommt es schließlich zu deutlich mehr Kontakten. Die Sichtweise vom konfliktverursachenden Radfahrer entsteht doch vor allem dadurch, dass es sich nicht wie ein Autofahrer (oder Fußgänger) verhält.
Unter Autofahrern hat sich ein Miteinander herausgebildet, dass nur grob etwas mit der Straßenverkehrsordnung zu tun hat, meist funktioniert es aber. Regeln wie das Sichtfahrgebot, Abstände oder Geschwindigkeitsbeschränkungen kann man nur ignorieren, wenn es die Mehrzahl ebenso hält. Ein Autofahrer, der in einer 30er-Zone 25 km/h fährt und diesem Gentlemen-Agreement werden seine Grenzen aufgezeigt. Radfahrer haben nun einmal das Pech ständig außerhalb dieses entstandenen Kodex unterwegs zu sein, sie fahren beispielsweise eben in der 30er-Zone nicht 40 km/h wie der MIV und schon werden sie als Störfaktor wahrgenommen.
Das funktioniert natürlich auch anders herum. Fast kein Radfahrer und kaum ein Fußgänger wird durch einen qualifizierten Rotlichtverstoß eines Radfahrers beeinträchtigt. Erst, wenn ein Autofahrer in diese Situation kommt, gehen die Probleme los. MMn liegt der Knackpunkt darin, dass Autofahrer Radfahrer wollen, die entweder weg sind oder sich wie Autofahrer verhalten, was leider kaum möglich ist und Radfahrer ebenso keinen Sinn darin sehen, sich wie ein Auto zu verhalten, da sie ein ganz anderes Fortbewegungsmittel mit anderen Möglichkeiten nutzen.
Diese subjektive Einschätzung ist objektiv in jeder Hinsicht völlig falsch und Du wirst sie wohl revidieren müssen: Das Deutsche Statistische Bundesamt stellt Jahr für Jahr statistisch bezüglich Unfällen zwischen PKW und Fahrrädern fest, dass in ~74% der Fälle der PKW-Lenker die Hauptverursacher des Unfalls ist.
Der ACE berichtet, bezüglich Unfällen PKW vs. Fußgänger ebenfalls von einer Hauptverursacherquote nahe 75% auf PKW-Lenker-Seite und nennt für Unfälle Fahrrad vs. Fußgänger ~64% Hauptverursacher auf Radfahrerseite.
Autofahrer stehen also in Sachen unfallverursachenden Verhaltens in jeder Hinsicht deutlich schlechter da, als Radfahrer.
…was letztlich noch viel katastrophaler ist, als diese bloßen, schon so für Autofahrer hochnotpeinlichen Zahlen suggerieren. Denn die Leidtragenden dieser statistisch bewiesen unterirdischen Verkehrsdisziplin auf Autofahrerseite sind – mangels umgenden Blechs – naturgemäß i.d.R. nicht die unfallverursachenden PKW-Lenker, sondern das radfahrende oder zu Fuß gehende Opfer der StVO-Missachtung des autofahrenden Unfallverursachers.
Eigentlich sollte man doch denken, angesichts der natürlich von so massigen, schnellen, unübersichtlichen und enig agilen Gefährte wie Autos ausgehenden besonderen Gefahr und daraus resultierenden Verantwortung, müssten sich deren Lenker durch eine ganz besondere Umsicht hervortun, die sich in den Statistiken in einem besonders niedrigen Hauptverursacheranteil niederschlagen müsste.
Leider ist das Gegenteil der Fall.
Zum Nachlesen der genannten Zahlen:
-> PKW vs Fahrrad:
Deutsches Statistisches Bundesamt, Zweiradunfälle im Straßenverkehr 2011, Seite 8, 2.Absatz
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/TransportVerkehr/Verkehrsunfaelle/UnfaelleZweirad5462408117004.pdf?__blob=publicationFile
-> PKW vs Fußgänger & Rad vs. Fußgänger: Auto Club Europe, Daten und Fakten Fußgängerunfälle, Seite 7, 2.Absatz
http://www.ace-online.de/der-club/presse/bilder-logos/grafiken/datei/studie-fussgaengerunfaelle.html?eID=nfcmedialibrary&tx_nfcmedialibrary_pi1%5Bdownuid%5D=14707
Dass sich Leute mit dem Rad oder Auto tendentiell inkompatibel bewegen und daraus Interessenkonflikte entstehen denke ich auch. Lustigerweise ist das Ergebnis aber das gleiche (*): Für die typische 10km Strecke tagsüber im Berliner Stadtverkehr liegt der Schnitt mit dem Auto oder Rad zwischen 20 – 25 km/h.
*) beide halten sich natürlich an die Verkehrsregeln.
allein durch die Überzahl an Autos im Vergleich zu anderen Verkehrsteilnehmern
das täuscht. Zähl mal bei halbwegs gutem Wetter was so an einer Roten Ampel steht bzw. auf dem Gehweg geht.
selbst wenn Du dich wie ein Auto verhälst – z.B. locker mit 40 in einer Kolonne mitschwimmst – gibt es leider immer wieder diesen seltsamen Leute, die erst ne Weile brav hinter dir fahren, dich dann plötzlich sehr knapp überholen, um sich dann *mit Gewalt* in deinen Sicherheitsabstand zum Vordermann (ne gute Wagenlänge) hinein zu quetschen. Wenn Du sie bei der nächsten Roten Ampel drauf ansprichst was das soll, bekommst Du sowas zu hören wie „Sie sind ja nicht rechts gefahren!“ oder andere, *nettere*, vorurteilsschwangere Sachen.
Wenn die irgendwas wollen, dann höchstens einfach nur wieder nach Hause vor den Fernseher.
imho hat das nicht direkt mit Deiner momentanen Geschwindigkeit zu tun.
Selbst wenn du mal deutlich über 30 in der 30er Zone fährst (Rennrad mit genauem Tacho) wirst du erleben dass du von Autos überholt wirst. Besonders nervig ist das kurz vor der nächsten Kreuzung, wo dir dann der Honk im Weg steht, weil er mangels Übersicht langsam machen muss.
Das passiert einem sogar laufend in Fahrradstraßen (z.B. Coriner) http://de.wikipedia.org/wiki/Fahrradstra%C3%9Fe#Deutschland
Ja, das sehe ich auch so – ungeachtet der Tatsache, dass es darüberhinaus auch durchaus die von Dambedei beschriebenen Fahrer gibt; nennen sich glaube ich in neudeutsch sehr treffend die Must-Get-In-Front Fahrer.
@reclaim, naja das „aktiv“ und „passiv“ kommt so von mir, da kann man sicher drüber diskutieren, ob das zu Ende gedacht ist, zumal „nicht auf den Verkehr achten“ natürlich auch bedeuten kann, dass man einfach vergessen hat, zu schauen.
Ich verstehe es halt so, dass jemand, der „nicht auf den Verkehr achtet“, es geradezu auf einen Unfall anlegt, ja ihn letztendlich schuldhaft und eben „aktiv“ verursacht.
Jemand der einen anderen übersieht, nimmt all seine Sorgfaltspflichten wahr. Schaut gewissenhaft, und – ich finde gerade kein Synonym – übersieht eben jemand anderen. Er hat es nicht auf einen Unfall angelegt, ist letztendlich sogar Opfer seiner mangelhaften Sinne, also zwar Unfallverursacher, aber eben „passiv“.
@Philipp, in Deinem Beispiel vergisst Du die vielen richtig fahrenden Radfahrer, die gleichzeitig bei roter Ampel warten und bei grün losfahren wollen. Die nimmt keiner wahr, was man an den darauffolgenden Abbiegemanövern gut ablesen kann. Autofahrer haben das Glück, dass viele Fehlverhaltensformen gesellschaftlich so etabliert sind, dass sie nicht als Fehlverhalten wahrgenommen werden.
Bezüglich „Radfahrer sollen sich wie Autofahrer verhalten“:
Oft staune ich, wie geduldig Autofahrer an der Ampel oder auch im Stau stehen. Anders verhält es sich in Fahrsituationen gemeinsam mit Radfahrern. Hier wird selbst dann noch überholt, wenn der Restplatz bei vielleicht 15 Zentimetern liegt. Die systembedingten Wartezeiten werden von Autos gerne in Kauf genommen – und sollen auch allen anderen aufgebürdet werden. Wartezeiten während der Fahrzeiten darf es hingegen nicht geben, die zulässige Höchstgeschwindigkeit darf nie unterschritten werden. Langsam hinter einem Radfahrer hinterherfahren ist für viele, in manchen Situationen für die meisten, nicht drin.
Radfahrer müssen sich ähnliche Vorwürfe auch machen lassen, ein Großteil fährt in vielen Situationen deutlich zu schnell, was insbesondere für Fußgänger oder andere Radfahrer gefährlich ist.
Das ist übrigens auch immer wieder einer der für mich interessantesten Knackpunkte: Ich und viele andere Radfahrer beschweren sich über Gefahren für ihre eigene Gesundheit. Autofahrer beschweren sich entweder über Behinderungen oder gar nur über Regelübertretungen, die sie oft nicht betreffen. Auch diese unterschiedliche Gesprächsbasis trägt ihren Teil dazu bei, dass beide Seiten in Diskussionen kaum übereinkommen. Der anzunehmende Konsens, dass alle Seiten einfach die Regeln einhalten sollten, ist einfach nicht zu finden .. auch weil Regeln oft auf Ampeln reduziert werden.
Ach, wie schön, wenn Vorurteile, hier in Unfallmeldungen, mit Anekdoten und Sippenhaftung gerechtfertigt werden. Hier eine Motivation fürs Zählen: http://radwege.udoline.de/folgen/ursachen.html , unten.
Und schon wieder:
Rechtsabbiegender LKW überfährt auf benutzungspflichtigem Radweg fahrende Radfahrerin
http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/schwerer-unfall-in-berlin-mitte-radfahrerin-von-lkw-angefahren-lebensgefaehrlich-verletzt/8355104.html
Natürlich mit den üblichen Leserkommentaren, die dem Unfallopfer die Schuld in die Schuhe schieben. Und sich um das Wohlergehen des LKW-Fahrers sorgen.
Der Strahl, in dem ich kotzen könnte, ist oberschenkeldick.
@ berlinradler
Da gibt es eigentlich nichts zu staunen und eine besondere Gemütsruhe kann ich da auch nicht erkennen. Es bleibt ihnen schlicht nichts anderes übrig, alldieweil sie ja nicht übereinander oder nebeneinander her fahren können. Bei vorausfahrenden Radfahrern sieht das rein räumlich anders aus. Auch 15cm Seitenabstand reichen eben aus, um rein physisch am Radler vorbeizukommen. Solches Verhalten sollte viel stärker thematisiert werden, Aufklärung und Sanktion allerorten. Nicht, dass es nachweislich zu hoher Gefährundung führen würde, aber es zerstört das so wichtige subjektive Sicherheitsempfinden und ist in meinen Augen ein Haupthindernis für die Akzeptanz des Fahrbahnfahrens.
@Joe, überrolt wurde die Fahrerin wohl nicht, steht so jedenfalls nicht im Bericht. Schwebt trotzdem in Lebensgefahr. Hilft nur Daumen drücken und hoffen, dass die Verletzungen reversibel sind. Leider ist am selben Tag ein junger Radfahrer gestorben, der eine Straßenbahn übersehen hat. Diese Stelle bin ich früher oft gefahren (in anderer Richtung) und wenn man da die Tram vergisst, hat man wohl keine Chance. Tragisch!
@Michael, Du hast wohl Recht. Aber wenn ich mit dem Fahrrad mal irgendwo ewig gewartet hab, fahre ich am nächsten Tag ne andere Strecke. Diejenigen, die ich in der Innenstadt teilweise 5 Minuten an der Ampel warten sehe, müssen sich das ja täglich antun – nur für den Komfortgewinn des Autosessels. Da kann ich micht nicht reinversetzen, da stehe ich sogar lieber in der fahrenden vollen S-Bahn.
Michael, 15 cm Abstand, Hupen, böse Zurufe und Ähnliches mögen tatsächlich nur das Empfinden von Sicherheit beeinflussen.
Wenn aber Autofahrer einen Radfahrer tatsächlich abdrängen und eine Kollision entweder mit dem Auto oder der Bordsteinkante provozieren, dann geht die Sicherheit real den Bach runter.
Wie ich hier vor Kurzem ja schon erwähnt hatte, konnte ich erst am letzten Dienstag (11.06.) genau so eine Situation gerade noch retten. Der Taxifahrer, der dies am 30. Januar mit mir versucht hat, war erfolgreicher!
@ Karsten: Es ist mir egal, ob nur das „Empfinden“ gestört wird, oder eine reale Gefahr besteht. Beides ist nicht akzeptabel und ich habe nichts anderes aussagen wollen.
Stimmt allerdings!
Huch! Hier konnte man sich entscheiden zwischen „übersehen“ und „Vorfahrt genommen“ und immerhin ging es um ein Motorrad mit nem obersten Polizisten drauf. http://www.n-tv.de/panorama/Stuttgarts-Polizeichef-stirbt-bei-Unfall-article10837596.html
Eventuell war der Radfahrer auch mit einem sehr hohen Tempo unterwegs.
Ein Runner, Radfahrer, Autofahrer.
Spannende Diskussion hier.
Auch im Westen des Landes gibt es sicherlich zahlreiche Unfälle mit Radfahrerbeteiligung.
Ich würde aber schätzen, dass zumeist die Radfahrer selber oder mindest mitschuldig sind. Wenn ich beobachte in welchem Maß Radfahrer die Verkehrsregeln missachten, etwa über rote Ampeln fahren, mal über die Straße, dann über den Radweg und den Bürgersteig und dann wieder auf die Straße fahren, kein Licht anhaben.. Aber oh weh, immer sind die bösen bösen Autofahrer Schuld.. Dabei sind die Verkehrsregeln mittlerweile so fahrradfreundlich, dass Autofahrer quasi keine Rechte mehr haben. Radfahrer dürfen nebeneinander fahren, entgegen Einbahnstraßen fahren, müssen nicht den vorhandenen Radweg nutzen – besonders bei diesen verkappten Amatuer-Rennradfahrern zu beaobachten (ohwei, FÜNFZEHN Euro Strafe..). Dazu werden überalle 4 m breite Radwege gebaut, als würde jeden Tag eine Tour de France stattfinden..
Naja, die Diskussion führt sicher zu keinem Ergebnis. Es würde aber halfen, wenn sich einfach man ALLE an die StVO §1 halten würden. 😉