Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol, hat sich in der „Welt am Sonntag“ für Tempo 30 in Städten ausgesprochen. Die Städte würden durch weniger Lärm und CO2-Ausstoß leiser und sauberer. Bartol schlägt vor, Tempo 30 in der Straßenverkehrsordnung als neue Höchstgeschwindigkeit in Ortschaften festzuschreiben. Ausnahmen sollen durch Tempo-50-Schilder an den Hauptverkehrsachsen gekennzeichnet werden. Anton Hofreiter von den Grünen unterstützte den Vorschlag. Allerdings sind die Ansichten der beiden verkehrspolitischen Parteiexperten innerhalb ihrer Parteien nur bedingt mehrheitsfähig. Der Vorschlag Bartols sei lediglich ein Prüfauftrag und „keinesfalls beschlossene Sache“, sagte Bayerns Landesvorsitzender Florian Pronold.
Spiegel Online machte aus dieser Meldung ein Wahlversprechen von SPD und Grünen und öffnete sein Forum. Unter den mehr als 500 Kommentaren finden sich nur wenige Stimmen, die den Vorschlag des SPD-Politikers unterstützen, für die Mehrheit ist das Terror der Gutmenschen.
Wie sehr das Thema von den Wählern abgelehnt wird, zeigt sich auch in einer Online-Umfrage der Bildzeitung. Bild.de fragte: Tempo 30 in allen Städten – was halten SIE davon? Von den gut 13.000 Stimmen entschieden sich 89% für die Antwort „Absurde Idee. Bei durchgehend Tempo 30 dauern die Fahrtwege zu lange.“. Lediglich elf Prozent der Bild-Leser fanden die Antwort „Sinnvoller Vorstoß. Das erhöht die Verkehrssicherheit und schont die Umwelt.“ gut.
Schon wiedergegeben – die Mehrheitsmeinung. Schade eigentlich, so sind die Chancen auf Tempo 30 gering.
Letztendlich helfen da dann auch nur komplexe Informationen, die schwer vermittelbar sind. So würde ein Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm zeigen, dass man zwischenzeitlich zwar mal Tempo 50 fährt, aber eben auch oft steht, schleicht und sich so die Durchschnittsgeschwindigkeit stark senkt. Lange stehen, um kurz Tempo 50 fahren zu können – oder weniger stehen, dafür durchgängig fließender Tempo 30. Am Ende im Idealfall die gleiche Durchschnittsgeschwindigkeit, dafür aber weniger Unfallrisiken … das ist abstrakt.
Ebenso könnte man Nicht-Autofahrer und Nicht-Nur-Autofahrer mobilisieren. Denn die hohen Geschwindigkeiten gehen ganz eindeutig zu ihren Lasten. Das ist vielen nicht bewusst, die Gefahrenwarnehmung ist verzerrt. Man sieht sich (zu Recht) durch einen Gehwegradler gefährdet, nicht aber durch einen, der mit Tempo 70 auf der „fernen“ Fahrbahn fährt.
Und auch mit Blick auf eigene Verwandte, die sich ebenfalls sicher im Straßenverkehr bewegen wollen – Kinder und Alte – kann man vielleicht einiges reissen. Wenn die von der Oma gem. STVO geforderte „Zügigkeit“ beim Überqueren der Fahrbahn unter 2 km/h liegt, müssen Fahrzeuge vielleicht auch mal Bremsen, und da ist eine geringe Ausgangsgeschwindigkeit weniger gefährlich.
Die Medien arbeiten immer an den Bildern in den Köpfen mit. Schon eine neutralere Auswahl der Unfallberichte sowie eine neutrale Darstellung der Unfallursachen könnte helfen. Das Thema Geschwindigkeit sollte dabei nicht mehr, wie bisher, völlig ausgeklammert werden. Unfallstatistiken sollten von Mathematikern erstellt werden, nicht von – so hat man manchmal den Eindruck – Streifenpolizisten. Das wären schon erste Schritte hin zu einer wenigstens etwas realistischeren Weltwahrnehmung.
Es wäre mal an der Zeit, dass jemand für übliche Wege berechnet wie groß der Unterschied zwischen Tempo 30 und 50 ist und das veröffentlicht. Der Unterschied hängt sehr wahrscheinlich mehr damit zusammen, welches Tempo besser zu den Ampelphasen passt.
Mein Traum: dort wo Tempo 30 ist, werden fast alle Ampen abgeschafft und durch Blitzer ersetzt. Ich wage zu behaupten, dass selbst der KFZ-Verkehr dann besser/schneller fliesst.
Mein Traum Nr. 2: dass der Nazi-Begriff „Gutmensch“ endlich wieder dorthin verschwindet wo er hingehört: in die Mottenkiste der Geschichte.
Dass die Ängste der Autofahrer größtenteils unberechtigt sind wird einem schnell klar.
Bleiben Hauptverkehrsadern bei Tempo 50 kann das nicht signifikant mehr Zeit kosten.
Online-Meinungsbilder weichen immer ab von seriösen Meinungsumfragen… es wäre aber wohl in der Tat noch eine Mehrheit gegen eine Tempobeschränkung, weil bei vielen das Auto einen hohen Stellenwert hat und unantastbar ist und viele nicht die Vorteile sehen.
Mein ideal wäre eh bis auf wenige Hauptverkehrsadern Innenstädte nach dem Shared Space Prinzip umzubauen.. aber dafür haben die Städte kein Geld…
Dazu müsstest Du aber auch die Köpfe der Benutzer umbauen. Was in Holland und Dänemark funktioniert, funktioniert hier eben nicht, weil hier deutsche Autofahrer und auch deutsch Radfahrer unterwegs sind. Und die ticken ganz anders als die holländischen oder dänischen Kollegen — das Recht haben ist im deutschen Straßenverkehr das erste Grundprinzip, und das darauf bestehen das zweite.
Ist so, und zwar unabhängig vom Verkehrsmittel.
Langfristig wird das auf jeden Fall kommen.
Das eigentlich Erschütternde ist, wie wenig gerade die CDUFDP-Wählerklientel begreift, daß man auf der Frankfurter Allee nicht 30 fahren müssen wird und daß bereits 3/4 aller Straßen 30-Zonen sind.
Ich habe bei spon auch kommentiert. Es ist ein Graus, wie ungebildet und unmündig viele Leute sind.
Hinweis:
Link des Kommentarschreibers wurde am 20.06.2012 gelöscht.
Rad-Spannerei Blog
Wie sieht denn braune Verkehrspolitik so aus? Alle Räder müssen rollen für den Sieg oder die Ertüchtigung des Volkskörpers oder was? Nurrr derrr Nationale Verrrrkerrrswegeplan wirrrd dem Doitschen Volcke den errrforrrderrrlichen Lebens- und Parrrkrraum gewährrrleisten können?
Und dürfen Homosexuelle bei Dir auch nicht am Straßenverkehr teilnehmen?
@ Nullbock-Horst: DFTT
Ich wär man schon froh, wenn wenigstens auf Straßen, die hohes Konfliktpotential besitzen, durchgängig Tempo 30 wäre.
Schönes Beispiel: die Neumannstr. in Pankow. 1 spurig bds., und besonders eng im nördlichen Teil durch Baum- und Parkflächen sehr schmal, wenn alles vollgeparkt ist, kann ein Auto ein Rad nicht legal überholen.
Da ist nur von 7-17 Uhr 30 und die Uhren mancher Autler gehen ziemlich vor oder nach.
Anders ist es nicht zu erklären, dass ich selbst bei Vollspeed auf dem Rennrad noch fiese Hup- oder Überholattacken erlebe.
Dass nützt alles ’nen scheiß, solange nicht dauerhaft und flächendeckend kontrolliert wird…
Mich hat gestern in der Prinzregentenstraße ein gefühlt 25jähriger Autofahrer angehupt und im „Spielstraßen“bereich überholt. Mehrer Kreuzungen weiter hielt er dann an. Gefragt, was er sich dabei denke, fand er das alles in Ordnung, ich wäre „so schief“ gefahren und er wäre ja Anlieger. Wo? Und nennt ’ne Hausnummer, die es in der Prinzregentenstraße nicht gibt.
Kackendreistes Arschloch.
Hihi, Anlieger frei und Durchfahrt verboten sind Schilder, die den Lack auf ihrer Oberfläche nicht wert sind…keine Kontrolle und so, ach ich wiederhole mich schon wieder.
Die Forderung nach mehr Kontrolle ist ziemlich zweischneidig. Ein wenig mehr Sicherheit und Schutz vor sozial Gestörten wäre mir ein wesentliches Mehr an Überwachung, welche sich naturgemäß nicht auf einen Bereich beschränken würde, nicht wert.
Dass ich als Radfahrer groß von Regeltempo 30 profitieren würde, wage ich noch zu bezweifeln. Die meisten Konflikte gibt es im Kreuzungsverkehr, die von einem Tempolimit kaum beeinflusst würden. Von einem Überholer, der eine Ewigkeit braucht, bis er vorbei ist, fühle ich mich darüberhinaus nicht weniger gefährdet als von einem, der mit 20-30 km/h Geschwindigkeitsdifferenz vorbeizieht. Ein zumindest subjektiv höheres Gefährdungspotenzial auf der Straße wirkt auch disziplinierend und dadurch unfallvermeidend.
Für die Sicherheit stärker gefährdeter Verkehrsteilnehmer und generell mehr Lebensqualität in der Stadt wäre eine Entschleunigung natürlich wünschenswert, keine Frage.
Du bist lustig. Weniger Kontrolle als jetzt ist kaum umsetzbar, der Verfolgungsdruck für Fehlverhalten im Straßenverkehr praktisch inexistent. Und die Aufklärung bei den verschiedenen Verkehrsteilnehmern wird auch mit starker Lagermentalität betrieben — der ADAC klärt seine geriartrischen Mitglieder über das auf, was er für richtig hält, der ADFC wiederum klärt seine Mitglieder über das auf, was wiederum er für richtig hält.
Und in „den Medien“ wird üblicherweise die Meinung des ADAC kolportiert, oder die von autoindustriehörigen Verkehrsministerdarstellern wie dem Ranseier.
Da bewegt sich also naturgemäß gar nichts, außer, daß sich Antipathien hochschaukeln.
Härbärt
Wo ist denn in der Prinzregentenstraße eine Spielstraße bzw. wo war das genau mit dem Autofahrer? Ist das eigentlich schon ne Fahrradstraße?
Hinweis:
Link des Kommentarschreibers wurde am 20.06.2012 gelöscht.
Rad-Spannerei Blog
@Piti, es geht neben subjektiver natürlich auch um objektive Sicherheit. Und die ist dann höher, wenn Bremswege kürzer und bei Unfällen wirkende Kräfte geringer sind. Meiner Meinung nach sind die Unfalltotenzahlen in den Großstädten so drastisch zurückgegangen, eben weil so viel Tempo 30 eingerichtet wurde. Vor 20 Jahren hatten wir noch 4x so viele Tote in Großstädten.
Verkehrsüberwachung sehe ich, so wie sie derzeit praktiziert wird, allerdings auch mit einem unwohlen Bauchgefühl. Die Auswahl der überwachten Delikte erfolgt nicht nach nachvollziehbaren Gesichtspunkten – viele Fehlverhaltensweisen, die zu den Hauptunfallursachen zählen, werden nicht überwacht. Viele stark überwachte Verkehrsverstöße hingegen sind keine Hauptunfallursachen. Das wirkt auf mich wirr und unkoordiniert. Normalerweise sollte man solche Maßnahmen nach sachlich nachvollziehbaren Prioritäten ordnen.
Eine sachlich nachvollziehbare Verkehrsüberwachung – die natürlich auch Radfahrer betreffen muss – würde meines Erachtens stark helfen. Schon allein dabei, dass Fehlverhaltensweisen überhaupt erkannt werden. Viele fahren heutzutage nach einer Art Gewohnheitsrecht und sind sich ihrer Fehler in keiner Weise bewusst.
@berlinradler: Weniger Tote und Schwerverletze durch Tempo 30 ist zweifelsfrei nachgewiesen worden. Die meisten halten sich im grossen und ganzen eben doch an die Regeln.
@Pit: Dui scheinst den typischen „ich fühl mich hier nicht wohl“ Radfahrerkomplex zu haben, das hat aber nicht unbedingt etwas mit der Realität zu tun. Das geht mit der Zeit von alleine weg. Man darf sich nur nicht von den seltenen Idioten von der Fahrbahn verdrängen lassen. Ist nicht böse gemeint, das haben wir alle schon durch.
Wenn du schreibst „Die meisten Konflikte gibt es im Kreuzungsverkehr, die von einem Tempolimit kaum beeinflusst würden“ meinst du sicher mit Radwegen? Bei Tempo 30 sind Radwege sowieso nicht mehr sinnvoll, in Tempo 30 Zonen jetzt schon verboten. Dann erledigen sich die ganzen Konflikte.
Selbst hier in Oldenburg gab bzw. gibt es eine Welle. 93 % sollen schon 30er-Zonen sein.
Die übrigen 7 % werden dann wahrscheinlich die Hauptverkehrstrassen mit den Hochbordradwegen, wo die Unfälle passieren.
Interessant ist auch die Einschätzung der Polizei: Erst denkt man wow:
Polizei-Chef Johann Kühme sagt zu dem Vorstoß aus Berlin: „Für das Unfallgeschehen hat eine Temporeduzierung immer positive Auswirkungen, insbesondere für die schwächeren Verkehrsteilnehmer, unsere Kinder und Senioren, für die Fußgänger und Radfahrer. Denn: Je geringer die Geschwindigkeit, desto größer die Reaktionsfähigkeit. Und je größer die Reaktionsfähigkeit, desto geringer das Verletzungsrisiko.“
Im nächsten Satz wird dann aber leider wieder alles egalisiert:
„Für Oldenburg sieht Kühme bei einer flächendeckenden Einführung von Tempo 30 aber kaum Auswirkungen. „Mit dem Vorschlag würde sich faktisch nicht viel ändern“, sagt der Polizei-Chef… “
Denke richtig, Schlussfolgerung falsch. Komisch das!?
http://www.nwzonline.de/Region/Stadt/Oldenburg/Artikel/2890312/Stadt-will-mehr-Tempo-30-Zonen.html
Wenn die Einführung von Tempo 30 nichts ändern soll, dann kann man ja auch dem Vorschlag von Ludmila Anatolevna Pütsch folgend Tempo 80 einführen, denn was in weniger nichts bringt, stört ja bekanntlich auch in mehr nicht:
http://www.abgeordnetenwatch.de/ludmila_anatolevna_puetsch-417-45894—kandidatencheck_antworten.html
Typische Schildbürger. Alle Tempo-30-Schilder abmontieren, um dann an jede halbwegs schnell befahrbare Straße wieder ein Tempo-50-Schild hin zu montieren. Das kostet Unsummen ohne jeden Effekt.
Martin Randelhoff hat gestern in „Zukunft Mobilität“ den Beitrag „30 Stundenkilometer als Regelgeschwindigkeit innerorts – Welche Wirkungen hätte eine Änderung? (Pro und Contra)“ veröffentlicht.
Sein Fazit: „Eine Herabsetzung der Regelgeschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer hätte bei ausreichender Vorlaufzeit für die Kommunen erst einmal keinen größeren Einfluss auf das Verkehrsgeschehen.“
http://www.zukunft-mobilitaet.net/9934/analyse/30-stundenkilometer-kmh-pro-contra-regelgeschwindigkeit/
Dennoch ist die Herabsetzung der Regelgeschwindigkeit kein Schildbürgerstreich. Wenn wie im Oldenburger Beispiel der Anteil der Tempo-30-Straßen bei über 90% liegt, wird dadurch auf lange Sicht der Schilderwald abgeholzt.
kl
Es geht um einen Mentalitätswandel. 50er Zonen müssen beantragt werden und nicht umgedreht. Schilder verschwinden. Und die Sicherheit bzgl. der Höchstgeschwindigkeit wächst, wenn 30 nicht mehr die Ausnahme ist.
Insgesamt wird es dazu führen, daß nicht 75% der Straßen Tempo30 sind, sondern 80-85% der Straßen dazu werden.
Hinweis:
Link des Kommentarschreibers wurde gelöscht.
Rad-Spannerei Blog
@ James T Kirk: Was spräche gegen Tempo 30 auf der Frankfurter Allee, idealerweise kombiniert mit einer Congestion Charge von z.B. 10 EUR/Tag oder 1000 EUR/Jahr, für jedes Auto, das in den inneren S-Bahn-Ring will? Das dürfte insgesamt eine deutliche Beschleunigung ergeben.
Aber dann wär ja die A100 völlig sinnlos. Und das wollen wir doch nicht 🙂
@Nachtregen
Du meinst, weil dann der Verkehr deutlich abnimmt und die Autos schneller fahren können? Ist denn dort so viel Stau, der durch eine Gebühr vermindert wird?
Es spricht ja nicht gegen tempo 50 und eine Gebühr. Dann wollen die Leute aber erst recht auf der Stadtautobahn fahren. Und bei tempo 30 noch mehr.
Wo ist da der Sinn? Bist du etwa agent provocateur von Minister Ramsauer, so wie ich, der zugibt, daß er über Rot fährt?
Man kann den gesellschaftlichen Wandel nicht erzwingen. Nicht mit solchen künstlichen Maßnahmen. Er wird so oder so kommen. Haltet ihr es für realistisch, daß der Radverkehr jedes Jahr um ca. 1 Prozent steigt, sodaß wir in 15 oder 20 Jahren in Berlin bei 30 Prozent sind?