Im den Kommentaren zum Beitrag Immer weniger Autoverkehr in Berlin geht es zur Zeit um das Thema Radstreifen. Chris vertritt eine grundsätzlich kritische Haltung zu Fahrradstreifen und belegt das mit einer Reihe von absurden Fotos. Das folgende Bild ist der Seite Radwege in Chemnitz entnommen, größere Version nach dem Klick auf das Bild. Hier sind es exakt 1,24 Meter zwischen der fahrbahnseitigen Außenkante der Markierung und dem Bordstein, wobei der Rinnstein bereits 32 Zentimeter breit ist.
Dass es auch anders geht, zeigt ein Foto aus der Wichertstraße im Bezirk Pankow. Die lichte, innere Breite des Angebotsstreifens beträgt mehr als 170 Zentimeter, hinzu kommt der 45 Zentimeter breite Abstandsstreifen zu den parkenden Autos. Meiner Erinnerung nach gab es früher zwei Fahrbahnen für Autos pro Richtung. Nach der Umgestaltung existiert nur noch eine Fahrbahn für Autos in jede Richtung. Ich finde, man kann auf der Wichertstraße entspannt und bequem radfahren, ohne von Autos behelligt zu werden.
Ein weiteres schlechtes Beispiel für einen Radstreifen ist die Lichtenberger Straße zwischen Straußberger Platz und der Michaelkirchbrücke. Die Lichtenberger Straße hat ebenso wie die Wichertstraße eine breite grüne Mittelinsel, die die Richtungsverkehre trennt. Vor der Aufpinselung des Angebotsstreifens gab es zwei Fahrbahnen für Autos, durch eine unterbrochene Linie getrennt. Nun hat man links des Parkstreifens einen 150 Zentimeter breiten Angebotsstreifen für Radfahrer abgezwackt und die Fahrbahn für Autos entsprechend verkleinert. Es gibt nun keine unterbrochene Mittellinie für Autos mehr, dennoch ordnet sich der Autoverkehr zweispurig an. Das führt dazu, dass Radfahrer häufig äußerst knapp überholt werden, weil die rechts fahrenden Autos nicht selten mit einem Reifen auf dem Angebotsstreifen fahren. Hinzu kommt, dass die Radfahrer eh durch den nicht vorhandenen Abstandsstreifen eng an die parkenden Autos gedrückt werden.
Wobei der Streifen in der Lichtenberger Strasse wenigstens recht komfortabel breit angelegt ist, hier sind eher die Autofahrer das Problem, die in einer Spur zweispurig fahren. Ich gebe aber zu, dass ich das Fahren hier auch eher als unangenehm/gefährlich empfinde.
Richtig schlechte Beispiele sind IMHO die Lebuser Str (auch nicht weit vom Strausberger Platz) und die Hochstrasse in Wedding, wo die Streifen wirklich so schmal sind, dass sie mehr schaden als nützen. Gerade in der Lebuser Str. markiert der Streifen genau den Bereich, den man als Radfahrer auf gar keinen Fall befahren sollte, wenn man nicht an einer sich plötzlich öffnenden Autotüre sein Leben aushauchen will. An der Hochstr. ist er noch schmaler, wobei ich dort die Gefahr „gedoort“ zu werden als geringer einschätze. Fahre trotzdem auch dort links des Streifens.
Generell finde ich die Radstreifen als den besten Kompromiss. Heinrich-Heine-Strasse fährt sich jetzt wirklich toll, das war früher schlimm, als da noch ein Fahrstreifen mehr war. In der Wichertstr. ist meiner Erinnerung kein Fahrstreifen geopfert worden, jedenfalls nicht in den ca. 8 Jahren in denen ich dort wohne. Dort wie in der Köpenicker Str. fährt sichs aber genauso wie vor der Anlage des Streifens. Hätte man von mir aus auch lassen können. Greifswalder Str. ist IMO auch besser geworden seit Anlage des Streifens.
Einziges Problem aus meiner Sicht: Abschnittsweise ist sowas eine Scherbenfalle (z.B. Schlesische Str./Puschkinallee). Damit lebe ich aber gerne. Denn mancherorts ist so ein Streifen nicht nur eine Verbesserung gegenüber einem Hochbordradweg, sondern auch gegenüber gar keiner Radverkehrsanlage (obwohls mir ehrlich gesagt lieber wäre, man würde den ganzen Quatsch komplett abschaffen ohne Ausnahme. Aber das hält so mancher wohl für politisch nicht durchsetzbar).
„Greifswalder Str. ist IMO auch besser geworden seit Anlage des Streifens.“
…also wirklich wohl fühle ich mich da absolut nicht. Der Abstand zu den parkenden Autos ist zu gering. Und tatsächlich wäre ein Freund von mir dort kürzlich fast gestorben, als ihn der Streifen in eine sich öffnende Fahrertür eines Taxis leitete, er mit gerissenen Bändern, gequetschter Schulter und weiß ich noch was auf die Fahrbahn stürzte, auf der ein min. 7,5 Tonner gerade noch wenige Meter vor ihm mit meterlanger Vollbremsspur zum stehen kam.
„gedoort“ stand wortwörtlich im Bericht aus der Unfallaufnahme.
Das beste ist, solche Streifen zum „ohne-Schlenker-auf-der-Linie-fahren“-Üben zu benutzen – und zwar auf der Linken.
Wenn die Greifswalder heute mit Streifen schlecht zu fahren ist, war sie vorher der Horror. Ich bin dort häufiger langgefahren, fahre aber auch heute noch lieber über Winsstr. wenn ich vom Volkspark komme, obwohl das Überqueren der Strassenbahngleise nicht ohne ist. Nördlich der Danziger bin ich aber immer noch öfter mal auf der Greifswalder unterwegs. Der Streifen ist eigentlich breit genug, um mit ausreichend Abstand an Türen vorbeizufahren. Gibt trotzdem immer wieder welche die sich in selbstmörderischer Absicht am rechten Rand rumquetschen.
Wenn ein(e) Bekannte(r) von mir sowas macht und ich das sehe bekommt er/sie von mir ne Standpauke. Viele wissen halt nicht um die Gefahren. Wünsche Deinem Freund gute Besserung.
Ich finde, mit Radstreifen kann man die Situation verbessern – die Wichertstraße ist ein Paradebeispiel – aber auch bis ins unerträgliche verschlechtern, Chris Hübsch nennt dafür ja Beispiele, die man kaum überbieten kann.
Nett, aber von der Verkehrsbelastung her nicht unbedingt nötig, ist der Streifen in der Andreasstraße.
Ungerne fahre ich auf den Radstreifen der Holzmarktstraße / Mühlenstraße / Stralauer Platz etc., die sind so breit dass das gerade so funktioniert. Besonders schlecht finde ich den in der Scheffelstraße in Lichtenberg, gerade in bergab-Richtung viel zu eng.
Geradezu kriminell ist die Köpenicker Straße in Marzahn – da gibt es aber gute Alternativrouten.
In der Treskowallee zwischen Karlshorst und Friedrichsfelde hat man nur dort Radstreifen markiert, wo trotzdem 2 Richtungsspuren für die Autos bleiben. Wo es eng wird, gibt es keinen Streifen mehr. So etwas ist natürlich besonders witzlos.
In der Holzmarktstraße habe ich mal ein besonders hartes Manöver erlebt. Ein Radfahrer wollte eine Radfahrerin überholen, indem er vom Radstreifen auf die rechte Fahrspur wechselte. Das Überholmanöver dauerte länger als geplant, ich glaub die Radfahrerin wurde selbst schneller. Von hinten kam ein Reisebus, blieb ungebremst in der rechten Spur und fuhr hupend und extrem nah am überholenden „Radfahrrüpel“ vorbei. Er war das einzige motorisierte Fahrzeug weit und breit, hätte also beliebig bremsen oder auf die andere Spur wechseln können.
Leider führen Radfahrstreifen zu Revierverhalten – das Recht, einen anderen Radfahrer zu überholen, wollte der Busfahrer dem durch ihn Gefährdeten nur wegen des Streifens nicht zubilligen.
Werbung kann ich leider wieder nicht machen. Eigentlich eignen sich solche Situationen ja perfekt, das Unternehmen zu nennen. 😉 Ich weiss aber leider nicht welcher Reisebusanbieter das war.
Hallo,
man soll einen Meter Abstand vom Bordstein bzw. vom rechten Fahrbahnrand halten. Ein Radfahrer ist etwa ein Meter breit (wenn man die leichten Schwankungen berücksichtigt, die beim Fahren eines Zweirads zwangsläufig entstehen). Damit MUSS ein Schutzstreifen mindestens zwei Meter breit sein, um benutzbar zu sein.
Andreas
„Von hinten kam ein Reisebus, blieb ungebremst in der rechten Spur und fuhr hupend und extrem nah am überholenden “Radfahrrüpel” vorbei.“
das vergnügen hatte ich letztens mit nem BVG-bus, 184er aufm tempelhofer damm, als ich eine andere radlerin gerade überholte. linke spur war komplett frei und er überholte mich trotzdem mit 30 cm bis 50 cm abstand. als ich ihn an der nächsten ampel drauf ansprach und meinte, dass er dann bald von seinem arbeitgeber hören wird, erntete ich nur n lakonische „daumen hoch“ und nicken.
das hat mich dann so wütend gemacht, dass ich es zur anzeige gebracht habe. wird sicher keine strafrechtlichen konsequenzen für den fahrer haben, aber rechtfertigen vor polizei und arbeitgeber muss er sich allemal. das reicht mir.
dem hats sicher auch nicht gepasst, dass ich in der mitte der rechten spur unterwegs war, um die andere radlerin zu überholen. zumindest vermute ich das
Ich habe mich auch mal über einen Busfahrer direkt bei der BVG beschwert, der mich mit Dauerhupe und Miniabstand geschnitten hat, um mich auf einen „Radfahrer-frei“-Gehweg zu scheuchen.
Als Reaktion bestand dann aus einem Standard-Entschuldigungsanschreiben ca. 2 Monate nach dem Vorfall, mit zwei ABC-Fahrscheinen als Schweigegeld oder so…
Wo eine Fahrbahn so breit ist, dass sie Platz für einen regelkonformen Radstreifen hat, ist sie auch so breit, dass sie dann wiederum auch ohne auskommmt.
Zitat Philip:
„“das hat mich dann so wütend gemacht, dass ich es zur anzeige gebracht habe. wird sicher keine strafrechtlichen konsequenzen für den fahrer haben, aber rechtfertigen vor polizei und arbeitgeber muss er sich allemal. das reicht mir.““
Der Arbeitgeber erfährt von der Anzeige nichts. Die Polizei erkundigt sich nur nach dem Fahrer ohne Gründe zu nennen.
„Der Arbeitgeber erfährt von der Anzeige nichts. Die Polizei erkundigt sich nur nach dem Fahrer ohne Gründe zu nennen.“
Tatsächlich? ich dachte, der AG würde wenigstens was davon mitbekommen. hatte auf dem Kudamm mal so eon Erlebnis mit einem Busfahrer, der mich durch ein 30cm Überholmanöver auf die Rechtsabbiegerspur drängen wollte. Anzeige mit Zeugin (Freundin) führte nur dazu, dass ich nach Wochen einen Brief erhielt und über die Einstellung informiert wurde, da kein öffentliches Interesse an einer Weiterverfolgung bestehe. Super Sache wenn aggressive Amokfahrer beim öffentlichen Nahverkehr tun und lassen können was sie wollen. Das nächste Mal werde ich mich direkt an die BVG wenden, wenn der Weg über die Polizei nie dazu führt, dass die Fahrer wenigstens verwarnt werden.
siggi schrieb:
„Der Arbeitgeber erfährt von der Anzeige nichts. Die Polizei erkundigt sich nur nach dem Fahrer ohne Gründe zu nennen.“
daher habe ich mich natürlich auch unter angabe von uhrzeit, ort und linie dirket bei der bvg-beschwert mit dem hinweis, dass ich es auch zur anzeige gebracht habe.
Zitat Oli:
„““Anzeige mit Zeugin (Freundin) führte nur dazu, dass ich nach Wochen einen Brief erhielt und über die Einstellung informiert wurde, da kein öffentliches Interesse an einer Weiterverfolgung bestehe.“““
Das kenne ich.
http://siggis-seiten.de//Unfall-Stammheim.htm
So lief die Amokfahrt ab.
http://siggis-seiten.de/Beispiele/Unfallhergang02.gif
@berlinradler: Wie hat sich Deiner Erfahrung nach denn die Situation in der Wichertstr. verbessert? Ich bin dort mehrere Jahr die ganze Schivelbeiner/Wichert/Storkower Str. täglich zweimal langgefahren, vor, während und nach Anlage des Radstreifens. Ich kann keinen Unterschied erkennen. Das Fahren war dort schon immer einigermassen entspannt. Jedenfalls bis zur Kniprodestr., danach wirds kriminell. Wer da (legal) auf der Fahrbahn fährt ist so eine Art Freiwild für manchen KFZ-Lenker.
Einziger Vorteil, der mir einfällt: An den Ampeln kommt man im Berufsverkehrstau jetzt meist an den Autofahrern vorbei, weil sie sich nicht schon dort zweispurig einordnen wo eben gerade so Platz für zwei Autos ist und nicht mehr. Klappt aber auch nicht immer – es stehen häufig KFZ auf dem Radstreifen in verlängerter Rechtsabbiegerspur, weil sie es nicht erwarten können, bis sie dort sind, wo sich die Spur verbreitert.
Echte Verbesserung der Situation durch Einführung dieser Streifen habe ich zwar schon an anderen Stellen erlebt (grade die Mühlenstr., Verlängerung der Holzmarktstr. ist IMHO besser fahrbar geworden), aber nicht in der Wichertstr.
@Abwrackprämie – gut, „verbessert“ war doof ausgedrückt. Ich bin die Straße vor Einführung des Streifens nie gefahren. Aufgrund der Straßenbreite glaube ich aber gerne, dass es auch vorher bequem war.
Dass Anzeigen gegen rabiate Busfahrer keine Konsequenzen bringen, ist ärgerlich, zumal die Polizei gerne den Anschein erweckt, sich sehr für Fahrradunfälle zu interessieren. In Wirklichkeit interessiert sie sich aber nur für Verkehrsverstöße durch Radfahrer – das ist nicht unwichtig, aber ein ganz anderes Thema.
@siggi
Super gif. Insgesamt ist Deine geschilderte Situation ja wohl zum Kotzen. Der Stärkere hat hier wohl Recht.. wie im Dschungel. Die Ohnmacht in so einer Situation ist ja das, was ich am schlimmsten finde.