Der Tagesspiegel berichtete vor einigen Tagen von einem Urteil des Oberlandesgerichtes Celle, das Radfahrern eine „verbreitete und allgemein bekannte Disziplinlosigkeit“ attestiert. Konkret ging es um eine Radfahrerin, die einen Radweg in falscher Richtung befuhr und dabei von einem querenden Pkw angefahren und verletzt wurde. Der Pkw-Fahrer müsse mithaften, da er wegen der bekannten Disziplinlosigkeit der Radfahrer bei einem Radweg davon ausgehen müsse, dass dieser in falscher Richtung benutzt würde.
Im Regelfall können querende Kraftfahrer nicht erkennen, ob ein Radweg in beide Fahrtrichtungen freigegeben ist, müssen also immer davon ausgehen. Üblicherweise ist dies der Grund für eine Mithaftung bei Unfällen. Die OLG-Begründung ist auffällig und es wäre interessant, ob sie auf mehr als einem Bauchgefühl der Richter beruht.
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toll, wie das adac-zitat sich in die tagesspiegel-überschrift schleicht. von kampfradlern spricht sonst keiner, und ich möchte mal behaupten, dass „bike salmoning“ im gegenteil eher vom Typ Torkelradler betrieben wird (passt schon besser zu „disziplinlosigkeit“). Dass sich autofahrer beim einfädeln nicht verhalten können wie auf der autobahnauffahrt hätte man auch anders formulieren können; wenn der autofahrer nur nach links schaut, ist das auch für fußgänger schon gefährlich.
Der Tagesspiegel ist so scheisse mit seinen Verkehrsartikeln, die stacheln immer wieder diesen dahergeschriebenen Krieg an. Fahrlässig, unvernünftig, dumm. Aber zumindest ein Forum wo alle Akteure zusammentreffen, naja.
Ich hatte Hoffnung nachdem einer der Reporter dort selbst Opfer eines Rechtsabbiegers wurde, das sich etwas ändern würde, nüscht ist.
5 KmH schnelle Kampfradler, ja, genau.
5 km/h ist die Geschwindigkeit eines Fußgängers!
die größte gefahr geht vom autofahrer aus. logisch oder? ich habe noch nie gehört das ein fahrrad ein auto überfährt. das gleiche trifft auf den pedestrian zu. also liegt die sorgfaltspflicht beim kraftfahrer. in england nennt sich das strict liability.
@sebastian : Das will hier aber keiner hören, die Leute sind ja so borniert das sie, wenn sie ausnahmsweise mal beim brechen der STVO erwischt werden, ein riesen Geschrei machen vonwegen abzocke etc. Verantwortung wird im Straßenverkehr immer nur den anderen zugeschoben, man selbst ist ja ein perfekter Verkehrsteilnehmer und die paar fehler die man macht macht man ja eh immer, die zählen nicht.
Ich finde die Begründung von vorne bis hinten dreist. Es wird gerichtlich „festgestellt“, dass Radfahrer so ziemlich die schlimmsten Verkehrsteilnehmer sind – und impliziert, dass sie sich weniger regelkonform verhalten als andere Verkehrsteilnehmer. Dieses Bild mag man als passionierter Autofahrer bekommen, da man sich eben eher mit Auto- als mit Radfahrern sozialisiert und die Verstöße der einen verharmlost, der anderen hingegen überzeichnet. Unfallstatistisch wird es auch in Celle so sein, dass Kraftfahrer bei Unfällen mit Radfahrern Hauptunfallverursacher sind.
Und bevor hier wieder der übliche Denkfehler auftaucht: der genannte Unfall mit der Radfahrerin wird – unabhängig von der Haftungsfrage – als von ihr verursacht in die Statistik eingehen. Unfallschuld und -haftung muss man trennen.
Schwierig finde ich, dass hier nach der Lesart das Opfer eines Unfalls Mitschuld trägt, wenn dieser auf einem gängigen Fehlverhalten beruht. Da kann man den Spieß schnell gegen Radfahrer umdrehen und ihnen eine Mithaftung aufbürden, wenn sie sich z.B. bei grüner Ampel auf eine freie Fahrbahn verlassen haben und mit einem Rechtsabbieger kollidiert sind.
5 km/h sind aber schon Stechschritt, da kann nicht jeder mithalten. Normal für Fußgänger sind 2 bis 3 km/h; bitte mal mit einem GPS bei sich selber ausprobieren!
Ich frage mich auch, wer hier eigentlich geklagt hat, Krankenversicherung gegen KfZ-Haftpflicht?
Das Urteil ist in Ordnung, 15 km/h sind 4 m/s, für ein Einmündungsbereich mit Radquerung mE. zu schnell. Benutzung des Radweges in falscher Richtung grob grob grob Fahrlässig, Rechts vor Links muss da bei dem Geisterfahrer mindestens drin sein! StVO gilt für ALLE Verkehrsteilnehmer, auch für die Schwachen.
Die Urteilsbegründung passt nicht zu dem Urteil, vielleicht zu einem anderen Fall, aber im pauschalisieren sind die Deutschen ja eh groß, immerhin geben auch alle Hartz IVer ihr Geld für Kippen und Alkohol aus.
Die Begründung ist falsch: Autofahrer müssen beim Einbiegen in eine Vorfahrtsstraße mit Radweg deswegen mit Radfahrern aus beiden Richtungen rechnen, weil das Linksfahren oft genug erlaubt oder sogar angeordnet wird.
Schade finde ich, dass in der Berichterstattung wieder mal nicht deutlich genug zur Sprache kommt, dass Radfahrer ihr Unfallrisiko senken können, indem sie auf die Benutzung solcher Radwege verzichten. Stattdessen noch langsamer fahren… na toll. Dann kann man auch gleich zu Fuß gehen.
„“““Johannes schreibt:
Montag, 27.09.2010 um 12:09
Die Begründung ist falsch: Autofahrer müssen beim Einbiegen in eine Vorfahrtsstraße mit Radweg deswegen mit Radfahrern aus beiden Richtungen rechnen, weil das Linksfahren oft genug erlaubt oder sogar angeordnet wird.““““
Sie müssen sogar mit Fahrzeugen auf der linken Fahrspur rechnen wenn sie auf die Fahrbahn der Vorfahrtsstrasse drauf fahren. Immerhin kann ja dort ein überholendes Fahrzeug kommen.
Genau dort machen sie es eigenartigerweise auch.
Niemand würde blind, mit 15Km/h, auf Fahrbahn einer vorfahrtsstrasse drauf fahren. Weil eben dort auch Fahrzeuge kommen die einen gefährlich werden.
Nur bei Rad/ und Fusswegen fahren sie blind drauf los. Sie fahren blind aus Ausfahrten und Nebenstrassen und sie biegen blind rechts ab.
Der Grund ist einzig und allein die Gewissheit, dass sie es hier mit schwächeren Verkehrsteilnehmern zu tun haben.
So waren auch die Überlegungen des Autofahrers in diesem Fall. Sein „Glück“ war eben nur, dass er einen Falschradler erwischte und kein radelndes Kind oder einen Fussgänger.
Entweder hätte er die auch umgefahren und wenn er behauptet hätte „die nicht“ dann war das Umfahren das Radfahrers Vorsatz.
Auf Grund eines aktuellen Falles bin ich (Rechtsanwalt) grad auf diese Texte gestoßen. Ein Blick ins Urteil erweitert den Horizont:
Das Landgericht hatte auf 50:50 entschieden; nur der Autofahrer ging in Berufung; das OLG hatte also nur darüber zu entscheiden, ob die Haftung des Radfahrers höher als 50% ist, nicht aber, ob sie ggf. niedriger ist.
OLG Celle, Az: 14 U 157/09, Urteil vom 28.04.2010
(1) Der Klägerin ist – wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt und bereits eingangs unter Abschnitt b) angesprochen – ein Verstoß gegen § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO wegen Befahrens des Radwegs in falscher Richtung zur Last zu legen. Dies verpflichtete sie zur deutlichen Reduzierung ihrer Geschwindigkeit in Annäherung an die Einmündung oder zumindest zu erhöhter Bremsbereitschaft, was nach den Feststellungen des Sachverständigen die Kollision vermieden hätte.
(2) Dem Beklagten zu 2 ist hingegen der Vorwurf eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO zu machen. Entgegen seiner in der Berufungsbegründung geäußerten Rechtsauffassung ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass Autofahrer wegen der verbreiteten und allgemein bekannten Disziplinlosigkeit von Radfahrern verpflichtet sind, sich auch auf eine Benutzung von Radwegen in falscher Richtung einzustellen (so ausdrücklich BGH, VersR 1982, 94 – juris-Rdnr. 14; ebenso OLG Hamm, OLGR 97, 43 in einem Fall, wo ebenfalls – wie hier – der Mittelstreifen der Vorfahrtsstraße abgesperrt war). Deshalb hätte der Beklagte zu 2 vor Einfahren in den Bereich der Radfahrerfurt durch Blick nach rechts sicherstellen müssen, dass sich von dort kein Radfahrer näherte. Hätte er dies getan, so hätte er nach den Feststellungen des Sachverständigen M. die Kollision vermeiden können.
Daneben ist dem Beklagten zu 2 auch eine Vorfahrtsverletzung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO vorzuwerfen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1986, 2651; ebenso OLG Hamm, OLGR 1997, 43 und OLG Düsseldorf, NZV 2000, 506), der sich der Senat anschließt, nimmt ein den Radweg einer vorfahrtsberechtigten Straße befahrender Radfahrer an deren Vorfahrtsberechtigung auch dann teil, wenn er den linken von zwei beidseitig vorhandenen Radwegen benutzt, der nicht zum Befahren in diese Richtung freigegeben ist. Das bestehende Vorfahrtsrecht der Klägerin hat der Beklagte zu 2 hier verletzt, da er mit seinem Pkw Mercedes die ungehinderte Durchfahrt der Klägerin mit ihrem Fahrrad auf dem Radweg verhindert hat.
Darüber hinaus hat der Beklagte zu 2 für die Betriebsgefahr seines Pkw einzustehen.
cc) Bei Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungsanteile erweist sich die vom Landgericht angenommene Quotierung von 50 : 50 % ohne weiteres als vertretbar (ebenso für eine vergleichbare Verkehrssituation z. B. OLG Hamm, VersR 1999, 1432 bei einem noch gewichtigeren Fehlverhalten des Radfahrers; mit einer Quote von 2/3 zum Nachteil des Pkw-Fahrers sogar OLG Hamm, OLGR 1997, 43). Im vorliegenden Fall erscheint insbesondere unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr – die nur auf Beklagtenseite ins Gewicht fällt – eine gleichgewichtige Bewertung der beiderseitigen Verursachungsanteile ohne weiteres angemessen.