Im vergangenen Herbst waren bundesweit Radfahrer gefragt, die Bedingungen für das Radfahren in ihrer Stadt zu bewerten. Mitgemacht haben bei dieser 7. Ausgabe des Fahrradklimatests mehr als 120.000 Bürger in 539 Städten und Gemeinden. Dass die Zahl der teilnehmenden Menschen von Klimatest zu Klimatest steigt, ist ein gutes Zeichen und belegt, dass auch das Interesse der Menschen an einer guten Fahrradinfrastruktur und einem guten Fahrradklima steigt.
Wer sind die Sieger des Fahradklimatests 2016? Keine große Überraschung gab es bei den Städten größer als 200.000 Einwohner. Die Städte Münster, Karlsruhe und Freiburg teilen sich seit Jahren die ersten drei Plätze. Sieger wurde wieder die Universitätsstadt Münster in Nordrhein-Westfalen. Allerdings muss Münster mit einer deutlich schlechteren Bewertung leben. Vor zwei Jahren hatte die Unistadt noch einen Durchschnittswert von 2,50, in der aktuellen Befragung sinkt dieser Wert auf 3,07, dennoch reichte es noch für Platz eins.
In den Städten von 100.000 bis 200.000 Einwohnern sicherte sich Göttingen den Sieg. Im Test 2012 hatte die Stadt nur Rang 12 erreicht, im Klimatest 2014 kam Göttingen auf Rang 5.
Berlin ist seit Jahren im Klimatest ein sicherer Kandidat für einen der letzten Plätze. Die Gesamtbewertung lag mit einem Durchschnittswert von 4,3 (im Schulnotensystem) schlechter denn je. Verglichen mit der letzten Umfrage dieser Art rutschte Berlin noch einmal ab auf Platz 36 von 39 teilnehmenden Großstädten über 200.000 Einwohner. Verbessert hat sich Berlin lediglich bei den Punkten „Öffentliche Fahrräder“, „Alle fahren Fahrrad“ und „Fahrradmitahme im ÖV“, bei allen anderen Fragen ging es bergab. Fairerweise sollte aber festgehalten werden, dass damit die Fahrradpolitik der Vorgängerregierung bewertet wurde und nicht der aktuelle Senat.
Die Anzahl der Berliner, die das Fahrradklima bewerteten, ist im Vergleich zu 2014 deutlich gesunken, von 3814 Teilnehmern auf aktuell 2938 Teilnehmer. In Berlin war es ebenfalls möglich, statt des Fahrradklimas in der Gesamtstadt das Klima in den einzelnen Stadtteilen zu beurteilen. Da dort jeweils nur 60 bis 100 Beurteilungen eingingen, verzichtete der Berliner ADFC darauf, das Fahrradklima in den Einzelbezirken auszuwerten.
Münster wird (wieder) eine Verschlechterung attestiert, dennoch suhlt sich die Stadt in Selbstzufriedenheit:
„Münster erneut als „Fahrradhauptstadt“ Deutschlands ausgezeichnet “
http://www.presse-service.de/data.cfm/static/962062.html
Man ist ja schließlich wieder die „Nummer eins“, Klassenprimus (mit „befriedigend“)…
Die Abbildung eines Fußgängers; ein OB, sein Fahrrad über Kopfsteinpflaster an einer Fußgängerzone vorbei schiebend wird mit den Worten „Wie für viele Münsteranerinnen und Münsteraner gehört auch für Oberbürgermeister Markus Lewe die „Leeze“ zum Alltag“ kommentiert.
http://www.presse-service.de/cache/user/51422226-21879116/medien/174927P.jpg
Präziser kann man seine „Wertschätzung“ des Radverkehrs nicht ausdrücken.
=8-o
Ich versteh‘ dein Problem mit dem Bild vom OB nicht. Die Stelle auf dem Foto erreicht man mit dem Auto nicht. Wo ist da die mangelnde Wertschätzung?
Ohne jetzt über Ortskenntnis zu verfügen, ist ein Fahrrad nach meinem Allgemeinwissen ein Fahrzeug. Geschoben ist das nicht ganz im Sinne des Erfinders. Vielleicht war es ja auch das einzige verfügbare Foto mit OB+Fahrrad. In dem Fall ist natürlich alles in Butter und die Kritik weit hergeholt…
Das Münster in derBewertung Abzüge hinnehmen muss, liegt im Trend. Die Bewertungen im ADFC-Klimatest werden von Mal zu Mal schlechter.
Meiner Meinung nach liegt das hauptsächlich an zwei Faktoren.
Erstens: Die Radfahrer werden anspruchsvoller. Radfahren in Deutschland ist nicht armutsinduziert, im Gegenteil, die Bevölkerung der Stadtviertel, in denen Radverkehr boomt, verdient oft überdurchschnittlich. Diese Leute sind es nicht gewohnt, schäbig behandelt oder mit Resten abgespeist zu werden und sie wollen sich auch als Radfahrer im Strassenverkehr nicht daran gewöhnen. Sie verlangen von den Administrationen der Städte völlig zu Recht Respekt und damit Raum für sich und auch für ihr Mobilitätsverhalten.
Zweitens: Die aktuelle Verkehrspolitik steht dem diametral entgegen. Noch längst nicht hat sich die Radverkehrspolitik in Deutschland von den ideologischen Verirrungen der letzten Jahrzehnte befreit. Immer noch spukt das Dogma von der Sicherheit mittels ‚auf der Fahrbahn besser gesehen werden‘ in den Köpfen der meisten Verkehrsplaner herum.
Der Trend zur Verlagerung des Radverkehrs auf die Fahrbahn statt eigene Radverkehrsinfrastruktur wie in NL und DK, den Ländern mit der höchsten Radverkehrssicherheit, ist immer noch nicht gebrochen.
Im Klimatest für Hamburg äußert sich das so (Noten 4-6 zusammengefasst):
Fühlt man sich als Radfahrer/in gefährdet: 81%
Häufig Konflikte mit Fußgängern: 51%
Häufig Konflikte mit Autofahrern: 88%
Können Junge und Alte nicht sicher fahren: 84%
Wird man auf der Fahrbahn bedrängt und behindert: 80%
Zu berücksichtigen ist, dass durch den ADFC-Klimatest überdurchschnittlich viele geübte Vielradler ansprochen werden.
Ich habe selbst an der Klimatest-Umfrage teilgenommen und war enttäuscht, daß bestimmte Antwortmöglichkeiten eingeschränkt waren. Beispielsweise wurde gefragt, ob einem vom Autoverkehr getrennte Radwege mehr oder weniger wichtig sind, aber die gegenteilige Antwortmöglichkeit bestand gar nicht erst! Offenbar wünschen diejenigen, die den Test machen bestimmte Antworten nicht (z.B. pro „shared space“) und erlauben solche Antworten einfach nicht. Schade!
Da ich in einer Kleinstadt wohne kann ich dem Trend nicht zustimmen.
Es wird sich zwar bemüht mehr Fahrradwege einzurichten, aber diese werden so Schwachsinnig verlegt das ich ernsthaft an der Kompetenz der Stadtplaner zweifel.