Welcher Preis ist angemessen für Parkvignetten?

Auf einer Podiumsdiskussion unter dem Titel „Kampf um den Platz – wie der begrenzte Straßenraum neu verteilt wird“ im Rahmen der Velo Berlin kam auch Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner zu Wort. Seiner Meinung nach sind Anwohnergebühren für Autofahrer deutlich zu niedrig. Zur Zeit müssen Autobesitzer in Parkzonen eine Gebühr in Höhe von 20,40 € zahlen. Sie erhalten dafür eine zwei Jahre gültige Vignette, die zum kostenlosen Parken in ihrer Parkzone berechtigt.

Der Tagesspiegel machte aus dieser Meldung einen Artikel mit der Überschrift „Parken für Anwohner in Berlin wird teurer“. Kaum stand der Beitrag im Netz, brach ein Sturm der Entrüstung in den Kommentaren aus: „Anwohner als Melkkühe. Frechheit. Dumme grün-ideologische Spinnereien. Autofahren nur noch für die Reichen. Abzocke. Grüne Diktatur.“

Eine Parkvignette kostet 10,20 € pro Jahr oder 0,85 Euro im Monat oder 2,8 Cent am Tag. Ein Autofahrer kann etwa 90 Tage sein Fahrzeug parken und zahlt dafür den gleichen Preis, den ein Einzelfahrschein bei der BVG kostet. Die Gebühr für eine Parkvignette sind in etwa so hoch, dass damit der Verwaltungsaufwand in den Bezirken bezahlt werden kann. Geld verdient das Land Berlin damit nicht. Im Gegenteil, der Bau und die Unterhaltung von Kraftfahrzeugparkplätzen wird von der Allgemeinheit getragen und nicht von den Autofahrern.

Kirchner nannte in der Diskussion die Stadt Zürich als Beispiel, in der „ganz andere Summen gefordert“ würden. Dort kostet das Anwohnerparken nach Informationen des Tagesspiegels etwa 275 Euro pro Jahr. Meines Erachtens ist auch das ein günstiger Preis. Langfristig muss das Parken in der Innenstadt etwa so viel kosten wie ein Monatsticket bei der BVG. Mit den Summen, die dadurch zusammenkommen, könnte man in Berlin den ÖPNV ertüchtigen und nebenbei eine vernünftige Fahrradinfrastruktur finanzieren. Angenehmer Nebeneffekt: der Raum für die Veloinfra wäre auch vorhanden, weil eine große Anzahl von KFZ-Parkplätzen wegfallen könnte.

Tagesspiegel: Parken für Anwohner in Berlin wird teurer

13 thoughts on “Welcher Preis ist angemessen für Parkvignetten?

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  1. Paris: 45€/Jahr.

  2. Die Idee die Kosten an ein BVG ticket zu Koppel oder auch nur damit zu vergleichen finde ich unlogisch. Denn es wird ja nichts transportiert, ein Vorschlag für einen besseren Vergleich ist der Mietpreisspiegel:

    Kfz: ø 4×2 m = 8m2

    Mitte/Xberg/usw Ø m2 Mietpreis pro Monat 10€, also muss ein normales Parkplatz dann /monat auch 80€ kosten. (1920€ / 2 Jahre statt 20,50€)

    Wenn mann in Hellersdorf oder irgendwo draussen parkt ist es halt entsprechend billiger.

    1. Nette Idee – aber:
      dafür müsste man dem KFZ-Inhaber fairerweise aber auch einen festen Stellplatz zuweisen, über den nur er verfügen kann.
      Ich komme ja abends auch nicht heim und schließe die Wohnungstüre auf, um enttäuscht festzustellen, dass bereits andere Personen heute abend in meiner Wohnung schlafen…

      Bei den anzusetzenden Preisen kommen wir aber dann schon in den Bereich, bei dem man darüber nachdenken dürfen muss, ein Dauerparkverbot im öffentlichen Raum auszusprechen.
      Will sagen: Der Bau von Tiefgaragen würde sich bei den Mietkosten schon wieder renditetechnisch lohnen!

      Aktuell ist es so, dass ich als Bauherr eigentlich keine TG bauen will, weil ich die Kosten nicht wieder reinbekomme. Denn: parken im öffentlichen Raum ist quasi kostenfrei und nur wenige wollen entsprechende Miete für die TG zahlen…

    2. Ein Parkstand/Stellplatz hat z.B. nach DIN 18025 mindestens 12 Quadratmeter. Der wirkliche Flachen verbrauch ist deutlich größer, denn ca. 40% der Fläche eines Parkplatzes gehen für Rangierflächen drauf. In Berlin werden Menschen (mindestens) fünffach übereinandergestapelt, zwölf Quadratmeter Grundfläche mal fünf Etagen gibt sechzig Quadratmeter. Nette Wohnung. Kostet bestimmt fünfhundert nettokalt im Monat. Na also, da hätten wirs doch. Ein PKW frißt (solange er nur steht, und auch nur an einer Stelle) Fläche im Wert von sechstausend Euro im Jahr. Plus vierzig Prozent.

  3. Parken nur noch für Reiche trifft es ganz schon irgendwie. Platz ist ein knappes Gut, ein Luxus, den man sich leisten können muss. Wir haben auch keine Swimmingpool im Haus. Ist halt so. Wie immer: man muss irgendwann entscheiden, was einem wichtig ist im Leben. Wer gerne viel und gern Autofahren will und sich das durch die hohen Preise in der Stadt nicht mehr leisten kann, sollte über einen Umzug aufs Land nachdenken. Dort ist Platz in der Regel kein Problem und man kann seinem Wunsch nach Parken nach Herzenslust frönen. Für umme!

    1. Diese Aussage ist mir zu platt und verschließt die Augen vor mancher Realität. Es gibt nun mal in der Stadt ausreichend Ecken, wo man nur schlecht oder nur unter Inkaufnahme sehr langer Fahrtzeiten mit dem ÖPNV hinkommt (und manchmal auch gar nicht, z.B. am Wochenende). Um dahin zu Fuß oder dem Rad zu kommen, muss man dann möglicherweise auf dem Werksgelände wohnen oder in der Nähe. Ohne Auto steht man ziemlich blöde da. Da hilft dann auch kein Umzug in das Umland mehr.
      Hier durch eine Erhöhung der Kosten für eine Parkvignette die Kosten so hochzutreiben, dass immer mehr Arbeitnehmer sich ein Auto nicht mehr leisten können, ist schon unverschämt. Auch wenn es längst nicht so weit ist, in diese Richtung geht der Trend.
      Selbst mir als autoloser Fahrradfahrer geht das kostenpflichtige Anwohnerparken ziemlich gegen den Strich, denn es zielt einzig darauf ab, Einnahmen zu generieren. Eine dauerhafte Lenkungswirkung sehe ich nicht. Da hätte der Einsatz der nicht mehr existenten Politessen wahrscheinlich eine deutlich lenkendere und die Verkehrssicherheit erhöhende Wirkung.
      Abgesehen davon empfinde ich die Ausstellung einer Gästeparkvignette abenteuerlich frühzeitlich und erinnert mich an das Gebaren vieler Städte noch im 18. Jahrhundert, wo man sich bei Eintritt in eine Stadt am Stadttor erst ausweisen und bei einem geplanten längeren Aufenthalt vorab ein Empfehlungsschreiben eines angesehenen Bürgers der jeweiligen Stadt oder eines bekannten regionalen Fürsten besorgen musste, um in der Stadt ein paar Tage nächtigen zu dürfen.
      Lange Rede kurzer Sinn: Einwohnerparkvignetten haben keine lenkende Wirkung und dienen einzig als zusätzliche Einnahmequelle.

      1. Bisher geht kein Trend dahin, dass sich der Arbeitnehmer sein Auto wegen der Kosten für das Parken nicht mehr leisten kann. Nicht mal mit den Summen, die Kirchner genannt hat, wäre das so.
        Status quo ist in den parkraumbewirtschafteten Zonen, dass durchaus Politessen rumlaufen (sogar mit ziemlicher Regelmäßigkeit, zumindest im Bezirk Pankow). Wie schon beschrieben dienen die Beträge für das Anwohnerparken derzeit auch nicht dazu, Einnahmen zu generieren. In der Nähe des S-Bahn Ringes gab es nach Einführung der Parkraumbewirtschaftung übrigens eine deutliche Lenkungswirkung (da habe ich damals gewohnt) – es standen nämlich keine S-Bahn Pendler mehr in den Wohngebieten und die alten Busse ohne Vignette waren plötzlich auch weg. Fand ich gut. Mehr Lenkungswirkung um die Leute zu Überlegungen zu bewegen, ob sie ihr Auto wirklich brauchen, fände ich auch gut. Viele überlegen lange bevor die Grenze zum „nicht mehr leisten können“ erreicht ist. Gerade die, bei denen das Auto eher eine Immobilie ist…

        1. Nö, in dem Viertel, in dem ich wohne, gibt es keine Lenkungswirkung. Man kann doch beispielsweise im Bötzowviertel nicht davon sprechen, dass hier Leute ihr Auto abstellen, um mit der S-/Straßenbahn weiterfahren?

          Die Politessen, die jetzt rumlaufen, sind Leute aus dem Ordnungsamt, die einzig schauen, ob bezahlt wurde oder nicht. Politessen haben hingegen Falschparker aufgeschrieben und gelegentlich auch abschleppen lassen. Und das passiert eben nicht.

          Die Parkvignette und die Parkgebühren dienen einzig der Generierung von Einnahmen. Einen anderen Zweck haben diese einfach nicht. Schauen sie sich doch mal die Diskussionen in den Bezirksämtern im Nachgang zu der Diskussion Parkraumbewirtschaftung ja oder nein an, welche Argumente da vorgebracht wurden. Der finanzielle Aspekt spielte dabei immer eine sehr wichtige Rolle.

          1. Auch früher waren Politessen vom Ordnungsamt und nicht von der Polizei. Ordnungsbehörden sind beide – aber sei´s drum. Ich finde Kosten für Abstellraum völlig ok.
            Kleiner Kommentar von heute aus der SZ http://www.sueddeutsche.de/muenchen/kommentar-muenchen-ist-zu-langsam-1.3459131

            da haben die zugelassenen KFZ in den letzten Jahren um 50.000 zugenommen. Das hat eben auch mit weithin kostenlos verfügbarem Abstellraum zu tun.

  4. Ich habe mir auch schon mal vorgestellt, das System zu pervertieren. D.h. irgendeine Schrottkarre für wenig Geld kaufen, die gerade noch TÜV bekommt und vor einem U-Bahnhof kostenfrei dauerparken. Das Ganze nur, um einen sicheren Fahrradstellplatz für meine Frau und mich zu schaffen. Außerhalb des S-Bahnrings, wo ich wohne, wäre das nicht mal mit weiteren Kosten verbunden (außer der Kfz-Steuer und Versicherung).

    Besser wäre deshalb ein Anhänger, den könnte man notfalls auch per Hand alle paar Tage umsetzen. Und noch viel besser wäre es, mehrere Menschen würden sich zusammenfinden und sich den Aufwand für diesen Zweck teilen. Je nach Anhänger und Umbau wären bestimmt bis zu 8 Fahrräder drin. Ich finde, das wäre ein gerechter Ausgleich für die vernachlässigte Fahrrad-Infrastruktur.

  5. Na klar hat Anwohnerparken eine gewisse Lenkungswirkung. Wenn ich da hin will, fahre ich auch bei Regen nicht mit dem Auto, weil ich es da ja nicht parken kann. Beides muss teurer werden: Falschparken (Bund) und parken. Übrigens: In Hamburg Hafencity finden es die Leute günstig, wenn man für EUR 2/Stunde in einem engen Parkhaus im 5. Stock parken kann. Weil es halt keine andere Wahl gibt. Wer das nicht mag, kommt halt mit der U-Bahn (als Tourist) oder mit dem Rad.

    Sehr gute Analyse dazu: http://www.economist.com/news/leaders/21720281-average-car-moves-just-5-time-improve-cities-focus-other-95-perilous

  6. Zum ersten Kommentar:

    Wenn der Stellplatz vor der Haustür genauso viel kostet, wie das BVG-Ticket, würde das nicht zu mehr Freifläche führen.

    Nehmen wir mal jemand beschließt den ÖPNV statt seinem Auto zu nehmen. Wo lässt er dann sein Auto? Dann bleibst halt stehen.Wird nur noch selten gebraucht. Und das ist auch gut so für die Umwelt.

    Jetzt soll er aber eine Gebühr bezahlen, die genauso hoch ist, wie das ÖPNV-Ticket. Dann denkt sich doch Hans: „Wenn ich sowieso schon das Geld bezahlen muss und in mein Auto investiere, dann zahle ich doch nicht doppelt, sondern nutze mein Auto regelmäßig.

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