Kopenhagen (19 Mio.), Groningen (85 Mio.) und Berlin (? Mio.)

Zur Zeit scheinen sich viele Städte zu überbieten in den Anstrengungen für den Radverkehr. In Kopenhagen wurde gerade ein Budget von 19 Millionen Euro für das kommende Haushaltsjahr beschlossen, um die Bedingungen für das Radfahren noch angenehmer zu machen. Mit dem Geld sollen veraltete Radwege ein upgrade erhalten, Schulwege sollen sicherer werden und mehr und bessere Fahrradabstellplätze sollen an Mobilitätsstationen entstehen. Ebenfalls sehr viel will die niederländische Stadt Groningen investieren. In den kommenden fünf Jahren soll für eine Gesamtsumme von 85 Millionen Euro ein Fahrradtunnel gebaut werden, neue Fahrradstraßen angelegt werden, 5.000 zusätzliche Fahrradparkplätze entstehen und die Fahrradhauptrouten sollen im Winter schneefrei gehalten werden.

Und Berlin? Hier muss man die Gespräche zur Regierungsbildung abwarten. Vielleicht können sich die künftigen Koalitionspartner darauf einigen, bereits jetzt ein Schild an der Beusselstraße am Eingang zum Berliner Großmarkt aufzustellen: „Achtung! Radfahrer kreuzen“.

Cycling Industry News: Copenhagen granted near €19 million for cycling upgrades in 2017 budget
ECF: Groningen spending €85,000,000 on cycling

41 thoughts on “Kopenhagen (19 Mio.), Groningen (85 Mio.) und Berlin (? Mio.)

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  1. Die haben anderes zu tun. E-Mobilität ist da das Schlagwort, auf das sich alle verständigen können (Im Sinne von automobiler E-Mobilität natürlich).

  2. Die Frage nach dem Geld allein wird zwar oft gestellt, ist aber nicht zielführend. Denn man kann mit viel Geld viel falschmachen – hat man bisher ja gerne getan. Schwieriger zu vergleichen ist wohl die Fahrradpolitik insgesamt, wobei ich den Noch-Senat auch einfach nach den für mich sichtbaren Veränderungen bewerte.

  3. @berlinradler: Wenn aber noch nicht mal ausreichend Geld zur Verfügung steht, kann man den Radverkehr nicht verbessern. Es gibt meiner Einschätzung nach keine deutsche Stadt, die einen ausreichend großen Etat hat, um den Radverkehr in der erforderlichen Größenordnung in den nächsten Jahren nach vorne zu bringen. Da sind die Beispiele aus anderen Ländern schon hilfreich – um einschätzen zu können was nötig wäre.

    Viel Geld heißt natürlich nicht, dass es automatisch alles besser wird für Radler.

  4. Gerade in den stark Automobil orientierten Ländern wird oft verdrängt, dass push & pull notwendig ist.
    Wer mehr Mobilität über den Umweltverbund abwickeln will muss ran an Pendlerpauschale, Dienstwagenprivileg, Spritsteuer, Parkraumverknappung, Stellplatzverordnung, etc. etc.
    Hat alles nichts mit Radverkehrsförderungsetat zu tun.
    Ferner ist eigentlich auch ein Teil der Beträge für den ÖPNV und den Fußverkehr für die Entwicklung umweltfreundlichen Radverkehr sehr zuträglich,bzw. notwendig. Diese Etatposten sind in ihren verkehrlichen Auswirkungen viel stärker zusammengehörig, als dies aus der Perspektive der Finanzplanungs-etats gegenwärtig erscheint.
    Nicht zuletzt ist es entscheidend, ob nur der ‚Nahverkehr‘ in den Blick genommen wird (eine tendenziell autogerechte Radverkehrsförderung), oder eine wirksame Substitution von MIV – auch im Hinblick auf Vorhaltenotwendigkeiten – in Angriff genommen wird.
    Gerade bei den zwei Fragen von ‚Repression gegen MIV‘ und der konkurrenzfähigen ‚Entwicklung der mittleren Distanzen‘ für den Rad/Umweltverbund trennt sich die Spreu vom Weizen.

    Die Zeichen stehen leider schlecht. Symptomatisch für den Roll-back mal ein Ausschnitt eines Interviews von Fritz Kuhn (OB in Feinstaubhölle Stuttgart):

    “ Schulz: Herr Kuhn, stimmt denn der Satz, weniger Autos sind besser als mehr Autos?
    Kuhn: Na ja, der Satz stammt ja vom Ministerpräsidenten, den er mal gesagt hat. In einer Automobilstadt, wo Autos produziert werden, sicher kein Vergnügen, aber ich würde sagen, weniger Autos im Stadtinneren (sic !!!) , in diesem berühmten Stuttgarter Kessel, sind besser. Und dann kommt es natürlich noch darauf an, dass die Antriebstechnik richtig ist. Elektromobilität wie in dem Beitrag vorhin die Frau mit dem Elektro-Zweitwagen ist natürlich viel besser für die Stuttgarter Luft, und deswegen schauen wir auch, dass wir mit Elektromobilität einen Sprung nach vorne machen können. Ich würde mir wünschen, dass die Automobilhersteller überall in Deutschland noch schneller zu guten Angeboten kommen, dass man die Fahrzeuge auch vernünftig kaufen kann. Aber jedenfalls schauen wir, dass wir die Situation in Stuttgart auf diese Art und Weise in den Griff kriegen. “
    http://www.deutschlandfunk.de/feinstaub-alarm-in-stuttgart-fahrverbot-ist-keine-einfache.694.de.html?dram:article_id=369701

    In diesem Umfeld halte ich es für äusserst zweifelhaft, ob höhere Radverk.-Investitionen ökologisch/sozial positiv wirken würden.
    Die hochpreisigen gentrifizierten Innenstädte werden weniger stark belastet, aber insgesamt nimmt die MIV Verkehrsleistung zu, da die MIV-Reisezeiten für die längeren Distanzen tendenziell verbessert werden, statt den Raumüberwindungswiderstand für den MIV zu erhöhen, was dringend geboten wäre. Im Gegenteil macht sich die autogerechte Radverekhrsförderung – oft naiv unfreiwillig – zum Helfershelfer dieser Entwicklung. Dass da irgendwann ein höherer Anteil an Braunkohle-Drittwagen unterwegs sein mag nutzt auch nicht viel – eher im Gegenteil.

    Ja, die Chancen stehen schlecht, zumal sich Teile der Fahrrad-szene (incl. Stork und Co.) ausgerechnet die USA (das Land mit der weltweit schlechtesten Mobilitätskultur) als neues Vorbild genommen haben. Den angepriesenen ‚Lösungen‘ ist eines gemein: sie vermeiden es konsequent den Autoverkehr zu behindern, bzw. dessen Reisezeit zu verschlechtern. Sobald nennenswerter Radverkehr entsteht wird dieser so auf Sonderwege gewiesen, dass ungestörter Autoverkehr möglich bleibt, bzw. dieser im Sinne der anti-congestion-Radverkehrsförderung verbessert wird.
    Verschoben wird dabei zugleich das Verhältnis von gemeinschaftlich kommunikativen Verkehren (Fuss/ÖPNV) und IV (individualverkehr).
    Je mehr allerdings der IV entwickelt wird, desto stärker droht der ÖPNV in eine Abwärtsspirale zu geraten. Das wird oft nicht verstanden: die Radverkehrsförderung braucht komplementär eine ÖPNV-Förderung und Repressionen für den MIV, um sozial, ökologisch und raumplanerisch sinnvoll wirken zu können.
    Das ist ja auch die Falle in welcher DK und NL stecken. Trotz finanziell starker Radverkehrsförderung nimmt der Autoverkehr zu. Beständig.
    Das Beispiel Kopenhagen allerdings zeigt, dass Push&pull – wo angewandt – durchaus Erfolge bringen kann (wenngleich s.o. leider in noch begrenztem innerstädtischen Areal).
    M.E. sind Entwicklungen wie in Wien, Oslo u.a. erheblich interessanter und zukunftsfähiger als die stupide autogerechte Totalseparation des Radverkehrs mit geringem Fussverkehr, schrumpfendem ÖPNV und steigendem MIV (NL-Modell).

    Sofern nicht überall die gleiche Soße serviert wird (best-practice-Label), und die verschiedenen Lösungen ohne privatwirtschaftlisches Partikularinteresse (vor allem durch die NL und DK ÖPP Rad-Werbeagenturen) evaluiert werden, werden wir alle in 5-10 Jahren klüger sein und können die Glaskugel gegen Empirie eintauschen. Schade nur, dass die Erderwärmung derweil nicht pausiert und die MIV-Emissionen in den nächsten Jahren – auch dank autogerechter Radverkehrsförderung – weiterhin erheblich steigen werden.

    1. Super Beitrag, hat mir die Augen geöffnet – und jetzt sind ja 4 Jahre vergangen, kann man schon ein Zwischenfazit ziehen?

  5. „Our struggle for global sustainability will be won or lost in cities”
    (Ban Ki Moon)

    Recht hat er. Schon in wenigen Jahrzehnten werden 80% der Menschen in großen Städten leben.
    Deshalb kommt der Entwicklung einer nachhaltigen Nahverkehrsinfrastruktur entscheidende Bedeutung zu.
    Wir sehen heute, dass dort, wo es keine zählbaren Investitionen in Radinfrastruktur gibt, dass dort zu die Zuwächse an MIV-Kilometerleistung geradezu explodieren.
    Und wir sehen, vielleicht entscheidender, dass dort, wo es keine Inverstitionen in Radinfrastruktur gibt, dass dort keine politischen Mehrheiten für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen im Verkehrssektor organisiert werden können – im Gegenteil, genau dort ist nicht nur der Trend zu noch mehr MIV-Km-Leistung, sondern obendrein der Trend zu immer noch größeren Verbrennungsmororen und ihrer politischen und finanziellen Subventionierung (Pendlerpauschale, Dienstwagenprivileg, Dieselsubvention etc) ungebrochen.

    Der Vergleich Ausgaben für den Radverkehr ist zwar richtig – und aufschlussreich. Haushaltsplänbe verraten die Wahrheit über politische Prioritäten (sie bilden aber zugleich, zumindest auf lange Sicht, die politischen Mehrheitsverhältnisse in der Bevölkerung ab, in diesem Fall in Bezug auf den Verkehrssektor).

    Die Kosten des Radentscheids für Berlin belaufen sich je nach Schätzung zwischen 13€/Kopf und Jahr (Organisatoren des Radentscheids) und 80€/Kopf und Jahr (SPD/CDU-Senat).
    Groningen will binnen der nächsten 5 Jahre 85€/Kopf und Jahr für Radverkehr ausgeben. Kopenhagen plant für das nächste Jahr mit 30€/Kopf. Zugleich baut Kopenhagen am Cityringen. Diese neue U-Bahn mit ihren 17 innerstädtischen Haltestellen kostet 2 Milliarden € und soll Mitte 2019 fertiggestellt sein.

    Kopenhagen und Groningen, auch das ist entscheidend für die Beurteilung des finanziellen Einsatzes, haben die städtebaulichen Grundinvestitionen in ein von weiten Teilen der Bevölkerung angenommenes Radverkehrsnetz bereits geleistet.

    Interessant wäre eine Gegenüberstellung der Entwicklung der Ausgaben Radverkehr/Öffis vs Ausgaben MIV unter Berücksichtigung des örtlichen Radverkehrsanteils.

    In MIV-Gesellschaften wie der unseren gibt es jedoch ein weiteres Problem. @Berlinradler hat es angesprochen.
    Das Problem betrifft die Sinnhaftigkeit des Geldeinsatzes. Was soll mit dem Geld geschehen?
    Denn es ist so: Farbe kostet nichts oder jedenfalls nur sehr wenig. Am teuersten schlagen in der gegenwärtigen Radverkehrspolitik die Radabstellanlagen zu Buche.

    Eigentliche Radinfrastruktur, also die, auf der man radeln kann, die, welche den Erfolg der niederländischen und dänischen Radverklehrspolitik ausmacht, DARF gegenwärtig so gut wie gar nicht gebaut werden, sieht man von Radschnellwegen ab.

    Investitionen in Alltagsradinfra, auf der Kinder lernen, Rad zu fahren, auf der man alltägliche Wege zurücklegt, die den Kern der Umorientierung in der urbanen Mobiltätskultur darstellt, die Verkehrswende alltäglich, greifbar und erFAHRbar macht, diese Investitionen in ein Radverkehrsnetz, die den größten und grundlegenden Happen ausmachen, die sind VERBOTEN.

    Denn es ist ja nicht so, dass die Kfz-Industrielobby die Jahrzehnte der Lähmung und Desorientierung des bundesdeutschen Radverkehrs durch den ADFC, Grüne und Co verschlafen hätte.
    Sie haben die Zeit genutzt um hohe Hürden gegen Investitionen in ein alltags- und massentaugliches Radverkehrsnetz zu errichten.

    Die StVO liest sich seit ca 2000 in Teilen wie ein Radinfra-Verhinderungsprogramm. Insbesondere die §§ 2 (Fahrbahnzwang) und 9 (im Prinzip sind nur „Schutz“streifen erlaubt) sowie die Bestimmungen zu T30-Zonen (keine Radinfra möglich) stellen strukturelle und gesetzliche Investitionshindernisse dar.

    Selbst der zögerliche Vorstoß der Landesumweltminister, die kürzlich per Bundesrat eine Liberalisierung der einschlägigen StVO -Paragraphen zugunsten einer gesetzlichen Gleichstellung von „Schutz“- und Radstreifen erreichen wollten (Begründung: Man wolle den Kommunen ein wenig mehr Handlungsspielraum bei der Förderung des Radverkehrs einräumen), stieß auf die erbitterte Gegenwehr der Kfz-Industrielobby und die folgerichtige Ablehnung der Bundesregierung.

    Das Beispiel zeigt: Einfach wird es nicht, überhaupt erst einmal den politischen und gesetzlichen Spielraum für sinnvolle Investitionen in den urbanen Radverkehr zu erkämpfen.
    Es zeigt aber auch: Das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Lockerung des harten StVO-Kfz-Regimes ist weiter verbreitet als man denkt.

    Und auch der Radverkehr selbst ist, verglichen mit der Situation noch vor 5 Jahren, auf einem guten Weg. Die Diskussion um notwendige StVO-Änderungen hat über den Kreis engagierter Radcampaigner hinaus längst sogar den ADFC erreicht. Und das konnte man vor Kurzem, vor dem Radentscheid, noch nicht einmal zu hoffen wagen.

  6. @berlinradler verstehe ich vor allem so, dass man Radverkehrsinfrastruktur leider auch für viel Geld sehr unsicher bauen kann.

    Beispiel: Kottbuser Tor. Hat Millionen gekostet, sieht ein Radverkehrsdiskriminierendes Mischmasch aus Teil-Wegelchen und Streifchen mit gefährlichen Ampelregelungen vor, sperrt Fußgänger hinter Zäune und optimiert vor allem die Kfz-Kapazität eines absurden MIV-Knotenpunkts auf Kosten des ÖNPV (U-Bahn-Station bleibt schwer erreichbar), des öffentlichen Raums, der Fußgänger und eben der Radfahrer. Das alles stand unter der Überschrift, einen Unfallschwerpunkt zu beseitigen. Das ist misslungen, wie auch die Unfallzahlen zeigen. Eine größere Diskussion gibt es dazu noch nicht.

    Es ist daher richtig, dass man Geldausgeben unbedingt mit einer wirklich sicheren Planung für Radfahrer und Fußgänger verbinden muss. Falsch ist, dass „Mischverkehr“ und „Sichtbarkeit“ allein diese Sicherheit herstellen könnte. So einfach ist das leider nicht.

  7. Ja, das Kottbusser Tor ist ein Beispiel für grauenhafte Geldverschwendung. Ein sehr positives Gegenbeispiel ist der Moritzplatz, der zu meinem täglichen Arbeitsweg gehört. Dort verläuft ein sehr breiter, gut sichtbarer Radstreifen auf der Fahrbahn und man kann den Platz als Radler sehr bequem passieren. Das Problem ist dort nur, daß es in die verschiedenen Richtungen unterschielich gut weitergeht. Nach Norden ist es sehr gut: Ein Radstreifen. Nach Osten schon schwieriger, da kein Radstreifen vorhanden ist. Nach Süden und Westen gibt es unbenutzbare Radwege, man darf und kann aber auf der Fahrbahn fahren, was leider nicht immer von allen Autofahrern goutiert wird.

  8. Der Moritzplatz ist seit der Neumarkierung etwas besser geworden, durch die Spuren für Radfahrer wird etwas klarer, wer wo hinfährt. Auch die rote Farbe hilf wohl. Ich meine mich zu erinnern, dass sich das Unfallgeschehen in etwa halbiert hat – ein Erfolg? Es war jedenfalls nicht teuer.

    Den Radstreifen Heinrich Heine Straße finde ich so toll nicht, bleibt man aus der Türzone, dann ist nicht mehr so viel Platz zu den überholden Kfz wie ich gern hätte. Außerdem eine hohe Verkehrsbelastung, 60 km/h normale Geschwindigkeit. Es ist derzeit die beste Strecke von Kreuzberg Richtung Alex aber mit Geld UND guter Planung könnte man da mehr erreichen.

  9. Ja, der Fahrradstreifen auf der Heinricht-Heine-Straße könnte besser sein. Ich fahre da immer auf der linken Hälfte, da die rechte Hälfte manchmal in der Türzone liegt und überhole ggf. auf der Fahrbahn. Das Problem sind für mich eher andere Radfahrer, die mich rechts überholen und den Mindestabstand von 150cm weit unterschreiten.

    Eine schlichte und preiswerte Verbesserung dort wäre es vielleicht, den Parkstreifen aufzuheben und den Fahrradstreifen entsprechend zu verbreitern. Und Tempo 50 durchzusetzen.

  10. @norbert, klar – ich wollte damit ja auch nicht sagen, dass solche Vergleiche total sinnlos oder uninteressant wären. Im Gegenteil. Aber @fab nennt ja ein Beispiel, bei dem mit viel Geld nix verbessert wurde (wenigstens wurde es, laut Unfallstatistik, auch nicht wesentlich verschlechtert). Und wenn ich so durch Neukölln radle, wo selbst Nebenstraßen gepflasterte 50-Zentimeter-Radwege (kein Scherz) aufweisen, dann ist das für mich auch ein Beispiel für hohe, sinnfreie Investitionen.

    Die Kombination aus ausreichend Geld und wirklich fahrradorientierter Verkehrspolitik wäre perfekt. Wobei schon die Vorstellungen hier im Blog dermaßen auseinandergehen, dass mit der „perfekten“ Politik niemand je ganz zufrieden wäre. Wenn man wenigstens die Unfallzahlen und das Stresslevel senken könnte, wäre ja schon einiges gewonnen.

  11. hier ein Beispiel wie man mit Geld ziemlich gut planen kann – und wie man problematische Kreuzungen an einem schönen Radweg verbessern kann.

    Von einem solchen Problembewusstsein (Kreuzungen sind nicht im rechten Winkel, daher gefährlich, Mauer entfernt, Briefkasten umgesetzt, Radweg aufgepflastert, roter Asphalt durchgezogen, Stopschilder für kreuzende Busse, Speed Bumps eingebaut und später noch erhöht…) sind wir heute Lichtjahre entfernt. Noch.

    http://bit.ly/2dXYGgR

  12. Übrigens, „Dutch cycleways are designed for a speed of 30km/h, so they are very well suited for faster cycling.“

    Das ist zumindest ein gutes Ziel, bestimmt lässt sich das in dichten Innenstädten nicht immer durchhalten. Aber immerhin. Radweg muss nicht langsam sein.

  13. @fab – der Radweg entspricht sogar meinem Geschmack. Warum? Ganz einfach: Er ist offenbar nicht straßenbegleitend, zumindest sehe ich keine vielbefahrenen parallelen Hauptstraßen, die, Du weisst ja dass ich damit gerne nerve, wohl kaum wirklich zu sichern sind 😉

  14. stimmt @berlinradler.

    Nur, siehst Du die Reihenhäuser rechts? Bei uns wäre da eine fette, breite „Wohnstraße“, Tempo 30 – aber nicht durchgesetzt 50 km/h problemlos möglich, mit schön großen Abbiegeradien, allerhöchstens ein bisschen abgesenkte Bordsteine. Da würde überall geparkt und zügig Auto gefahren und dazu dann halt fahrbahngeradelt, wenn ein Auto kommt, schön zur Seite fahren. So bin ich auch aufgewachsen (VC Tips ware noch nicht bekannt).

    Was die Hauptstraßen betrifft – wirklich sichern lassen die sich vielleicht nicht aber nach und nach doch zähmen. Man stelle sich vor, die Analyse-Energie für die Einmündungen beim gezeigten Radweg würde mal in ein eine einzige Berliner Großkreuzung fließen – und dort auch vollständig umgesetzt werden.

  15. Natürlich sind mit einem höherem Budget viel mehr Möglichkeiten gegeben, das ist immer so, somit kann auch mehr verschwendet oder falsch ausgegeben werden, das ist aber dann eine Frage der Organization und eben des richtigen Haushaltes, oder der Korruption! Man könnte in Berlin schon etwas mehr locker machen, und auf die Radfahrer intensiver eingehen, was ich so bei meinem letzten Berlinbesuch so zumindest sah an Radwegen, war schon eher traurig!

  16. Ich finde ebenfalls, dass die Regierung mehr Geld in Fahrradwege usw. rein stecken sollte. Ich mein die anderen Länder machen es ja auch. Bloß bei uns in Berlin geschieht wenig..

    Gruß Markus

  17. Die wichtigste Investition wäre die in Bequemlichkeit. Vor allem Kopfsteinpflaster, Aufpflasterungen, Moabiter Kissen und Speed Bumps müßten endlich weg.

    Wer schonmal durch die „Radfahrhölle Graefekiez“ fahren mußte, vielleicht sogar mit einem Lastenrad oder eine Rikscha, wie ich, der kann über die imaginierte „Radfahrhölle Oranienstraße“ (= mein täglicher Arbeitsweg) der Volksentscheidspopulisten nur müde lächeln.

    Sicherheit sehe ich eher an zweiter bis dritter Stelle.

    (Ich bin nebenbei u.a. auch IT-Sicherheits-Onkel und sehe es an fast allen Usern: Bequemlichkeit geht immer vor SIcherheit, sonst hätten alle Linux auf dem PC und das Smartphone wäre im Müll.)

  18. Ich finde nicht, dass Aufpflasterungen, Speed Bumps etc. weg sollten. Wohl sollten sie aber nicht über die komplette Fahrbahnbreite gehen, sindern am Rand gut einen bin eineinhalb Meter Lücke lassen. Dann kommt man mit mehrspurigen Fahrrädern durch, Autos müssten aber mit mindestens einem Rad trotzdem drüber. Bei Kopfsteinpflaster, wenn es denn aus Denkmalschutzgründen oder warum auch immer unbedingt sein muss, kann man ja die Fugen verfüllen. Ist zwar noch nicht vergleichbar mit Asphalt, aber wenigstens benutzbar.

  19. “Radfahrhölle Graefekiez” ? – den kenne ich nun sehr gut. Hölle ist doch echt übertrieben.

    Ja, die – zum Glück bauliche (!) – Verkehrsberuhigung könnte man ein bisschen radfreundlicher machen, (zB mehr Platz zwischen Bodenwelle und parkenden Fahrzeugen). Wichtiger wäre mir aber ein Asphaltstreifen in der Mitte auf den verbliebenen Kopfsteinpflasterabschnitten. Sind aber alles eher Luxusprobleme. Seit meine Kinder etwas größer sind, verlangen sie übrigens, dass wir über die Schwellen mit Schwung drüberheizen. Ein holländischer Stahlrahmen kann das ab (-;

    Bei Kopfsteinpflaster und Aufpflasterungen helfen mir übrigens breite, flexbile Reifen (Big Apple & Co). Der Rollwiderstand ist niedriger als man denkt und die Federwirkung ziemlich gut. Klobig sind sie halt und schwer – nun ja, am Lastenrad kein Thema.

    Unsichere Strecken wie die Oranienstraße finde ich persönlich auch sehr unbequem

  20. Der Begriff „Radfahrhölle“ kam von der Volksentscheidsinititiative nicht von mir. Nur eben für die O-Strasse, was ich ungerechtfertigt finde.

    Im Graefekiez bin ich schon ein paarmal fast gestürzt wegen der blöden Speedbumps. Und ich fahre ab und zu Behinderte mit der Rikscha, da bin an so einem Ding schon steckengeblieben, mußte anhalten und drüberschieben. Wenn man gehbehdindert oder teilgelähmt in der Rikscha sitzt ist Kopfsteinpflaster aber wirklich eine „Ḧölle“, weil da jedes Holpern direkt in die Bandscheiben geht. Zumindest für behinderte Mitfahrer ist der Begriff also nicht mal übertrieben. In der Oranienstraße gibt es solche Probleme nicht, nur der Verkehr ist eher gemáchlich, was ich aber OK finde.

  21. Ergänzung: Gegen Speedbumps, die wirklch nur Autos beträfen, hätte ich nichts. Das ist aber meistens nicht so realisiert, insbesondere nicht im Graefekiez oder am Lausitzer Platz. Damit man mit Lastenrad oder Rikscha daran vorbeikommt, muß ein relativ langer Weg (ein paar Meter, denke ich) über mindestens 1 Meter Breite frei sein. Wenn dann noch ein Auto dort parkt oder hält hat man Pech…

  22. @Martin, welche Straßen im Graefekiez sind eine Hölle? Ich meine klar – da gehen offizielle Radrouten durch und man muss Schrittgeschwindigkeit fahren, das passt nicht zusammen. Aber immer wenn ich dort durchrausche, finde ich es recht entspannt. Ein verkehrsberuhigter Bereich sieht zwar eigentlich anders aus, u.a. gibt es nicht unbedingt „Bürgersteig“ und „Fahrbahn“, aber so streng wollen wir mal nicht sein 🙂

  23. @Martin
    ich sehe das sehr ähnlich, aber Komfort ist nicht nur Komfort, sondern ist zudem entscheidend, um dei Erreichbarkeitsradius für den Radverkehr so zu ereitern, dass eine Konkurrenzfähigket auch auf etwas längeren Strecken besteht.
    Das Rad muss aber nicht neu erfunden werden, sondern der Zusammenhang wurde bereits untersucht:
    http://www.upi-institut.de/upi41.htm

    Breite Reifen können natürlich helfen, ebenso wie diverse Stoßdämpfersysteme, aber leider erhöht das die notwendige Watt-Leistung, und verlängert die Reisezeit, was dann wiederum die erreichbare Fläche deutlich reduziert.

  24. Dein Universalthema passt nur nicht so richtig auf den Gräfekiez, Alfons. Wenn man nämlich wirklich ein 20-km-Urban-Commuter-Hero ist, dann weiß man, welche Strecken man im Graefekiez glattdurchfahren kann. Die gibts auch. Aber nichts gegen glatten Asphalt klar. Nur: Verkehrsberuhigung muss man baulich machen. @Martin: Gibt es keine gefederten Rikschas?

    Das Geholper betrifft eigentlich nur das Kiezradeln, wenn man partout wo lang will, wo es halt holpert. Noch bessere Routenschilder wären natürlich nicht schlecht. Umwandlung einiger Routen in Fahrradstraßen (Körte, Bürkner) ist auch geplant aber noch nicht realisiert.

    Big Apples verringern den Aktionsradius mE nicht wirklich. Sind halt nicht sehr elegant und beim Anfahren bisschen träge. Ich würde mir bei 30 km Arbeitsweg eh ein Pedelec kaufen, hab kein Bock auf Duschen vor der Arbeit und muss auch immer ein paar Sachen mitnehmen.

    Hat eigentlich mal jemand gezählt, ob irgendwo eine nennenswerte Zahl von Commutern > 15 km Arbeitsweg auf Rennrädern oä unterwegs sind? Glaube das ist einfach eine loud minority. < 10 km spielt die Fahrradmusik nach allen mir bekannten Zahlen.

    (OT: Das mit dem „Einpendeln von ganz weit her“ scheint der neue Hit in der VC-Community nachdem das „Sicherheits“argument nicht mehr so richtig zieht. Der Riff bleibt gleich: Nur die Harten komm in Garten – naja ok, die andern Kinder wollen aber auch spielen.)

  25. @fab: Hier muss ich Alfons beipflichten. Big Apples verringern den Aktionsradius meiner Erfahrung nach ganz erheblich. Ich würde sagen auf die Hälfte.

    Ich hab die zu meiner Berliner Zeit mal probiert. Nach ein paar Wochen habe ich die entnervt runtergeworfen, weil man wirklich kaum vorankommt. Zudem ist der Komfortgewinn auch nicht grade maximal. Kopfsteinpflaster wird dadurch auch nicht angenehm befahrbar, höchstens etwas weniger schlimm. Mein altes Stahlrennrad mit 23er Reifen war fast genauso bequem wie ein „Cross“ Rad mit 50er Big Apples und 2 bar.

    Ich empfinde den Graefekiez auch als Radfahrhölle und die Oranienstraße nicht (obwohl schön zu fahren auch anders ist). Allerdings gibts grobes Kopfsteinpflaster in Berlin nun wirklich fast überall, nicht nur im Graefekiez. Dort finde ich allerdings den asphaltierten Radstreifen am Rand in der Grimmstraße eine schöne Idee. Das sollte man auch anderswo machen.

  26. Bisher habe ich immer gelesen, dass Big Apples bei gleichem Luftdruck weniger oder den gleichen Rollwiderstand haben sollen. Ist dem gar nicht so? Ich konnte es nie ausprobieren, mein Rad spielt da nicht mit 😉

  27. @Berlinradler Der Rollwiderstand ist nicht das Problem. Aber die Masse will an jeder Kreuzung neu beschleunigt werden. Und da macht 2x1kg vs. 2×0,5kg schon einen deutlichen Unterschied. Das merke ich jedesmal wenn ich von Winter- auf Sommerreifen wechsel.

  28. @fab
    Du macht den immergleichen Gedankenfehler!
    Die Entfernung ist vollkommen irrelevant!
    Das Denken in ‚Entfernung‘ führt Dich komplett auf die falsche Fährte.
    Es geht beim Erreichbarkeitsradius NIE um die Kategorie ‚Entfernung‘, sondern immer um die Kategorie ‚Zeit‘.
    Ist das denn so schwer zu verstehen?
    Es gibt KEIN Reise-entfernungs-budget, sondern immer und überall nur ein Reise-ZEIT-budget, welches im wesentlichen eine Konstante darstellt (empirisch sehr gut gesichert).

    Wer die Erfahrung macht, dass er/sie in 40 Minuten mit seinem Verkehrsmittel gerade mal 7-8 Kilometer schafft, für den/die ist das dann i.d.R. der realistische tägliche Maximal-Erreichbarkeitsradius.
    Bei den gleichen 40 Minuten sind aber (bei sytematischer Reduktion der Reisezei-Verlängerer) problemlos auch 16 KM realisierbar. Mit dem Rad.
    Verlangsamter Radverkehr fischt im Konkurrenzbereich des Fussverkehrs (Nahverkehr 2.0), während beschleunigter Radverkehr gerade in Zeiten von Metropolisierung und Suburbanisierung in die Domäne des MIV eindringen kann.

    Die Argument, dass es mit Spezialwissen auch Strecken geben mag, die dann alternativ befahrbar sein mögen zieht m.E. nicht, da die Kopplung von Zeit und Entfernung ein recht deutlich verwurzeltes Erfahrungswissen ist, das aus den bisherigen Zeit/Entfernungs-Relationen gespeist wird.
    Wer immer nur auf miesen Oberflächen rumgurkt hält natürlich den Rad-Entfernungsbereich von 15 KM für ‚exotisch‘ und nicht Mehrheitskompatibel, da es zu lange dauert diesen zu bewältigen, und da zudem die Anstrengung erfahrungsgemäß recht hoch ist.
    Das ist ja gerade das Problem bei den vielen Strecken mit schlechten Rollreibungswerten und womöglich noch Anhaltenotwendigkeiten: 1. ist die jeweilge Strecke (oder Teilstrecke) langsam, 2. wird das Gefühl für Zeit/Entfernung auf real existierende Radverkehrsverlangsamung justiert.

    Ist das denn so schwer zu verstehen, oder kann das nur die ‚kleine Minderheit‘ begreifen, die bereit war sich mal mit der Materie ernsthaft auseinanderzusetzen?

    Im Übrigen ist das nicht mein „Universalthema“, sondern das ist ein Thema das in Zeiten der ziemlich idiotischen und dogmatischen Diskussion um die ’subjektive Sicherheit‘ regelmässig deutlich unterbelichtet ist. Statt sich ernsthaft mit den Determinanten der Verkehrsmittelwahl auseinanderzusetzen wird seit einiger Zeit dümmlich die immergleiche Portland-Studie rezitiert, ohne auch nur im Ansatz zu bedenken, wie denn eigentlich die gesamtverkehrlichen Auswirkungen eines subjektiv sicheren separierten Rad-Langsamverkehrs sind.
    Ich wäre froh, wenn es endlich mal überflüssig würde auf diese zentrale Leerstelle hinzuweisen und die Reisezeit (wie es bei Flugverk. Autoverk. ÖPNV längst selbstverständlich erfolgreich praktiziert wird) integral in den Planungen und Alternativplanungen mitgedacht würde.

    Leider ist so ziemlich das Gegenteil der Fall: Hauptsache separiert, wegen der ängstlichen Portland-Gruppe, und ruhig auch mal etwas langsamer oder umwegiger, wenns nur möglichst weit weg ist vom Autoverkehr.
    Diejenigen, die beschleunigte Reisezeiten (also großeren Aktionsradius) wollen stereotyp als „loud minority“ zu diffamieren ist zwar im Moment en vogue, sichert Beifall und bringt ‚follower‘, hilft inhaltlich aber nicht weiter.
    Gerade die gern als Separations-best-practice ins Feld geworfenen Regionen NL und CPH sind diesbezüglich übrigens mittlerweile etwas klüger geworden und haben die Reisezeitproblematik (im Falle CPH) sogar eigens in das offizielle Radverkehrskonzept aufgenommen (Reisezeitverbesserung von mind. 1% pro Jahr). In NL ist das längst Besatndteil von fietsbalans-2.

    Das wird aber regelmässig völlig ausgeblendet (ebenso wie die seit vielen Jahren standardisierten Oberflächen Evaluationen in NL), sondern es wird tumb nur das rausgepickt, was ins neue Separationsdogma passt.

    Und apropos Commuter-Hero: die wenigen 20KM-Pendler in und um Münster fahren i.d.R. tatsächlich Rennrad basierte Räder, neuerdings aber auch vermehrt s-pedelecs. Damit wären – geeignete Strecken vorausgesetzt – die 20KM locker im Erreichbarkeitsradius, zumal da legal die Fahrbahn genutzt werden können (praktisch ist eine Mischnutzung zu beobachten: S-pedelecs umfahren die Staus i.d.R. auf Radwegen – so vorhanden). Der Kern Diener Argumentation ist aber mE. völlig verkorkst: du schreibst, dass es eine Minderheit sei (stimmt), bedenkst aber nicht, dass dies ein notwendiges Resultat des konstanten Reisezeitbudgets ist. Real existierende Radwegenetzen führen zu real-existierenden Entfernungs-isobaren infolge der jeweiligen (zu geringen) Durchschnittsgeschwindigkeiten.
    Und was die Dir bekannten Zahlen angeht: Wenn optimierte A zu B Verbindungen da sind, und diese auch kommuniziert werden steigt auch umgehend der Aktionsradius.
    In NL wird zum Teil sogar dazu übergegangen die Reisezeitgewinne an Baustellen (Brücken für Radfahrende) exakt aufzuführen: vor dem Brückenbau haben sie 20 Minuten von – bis gebraucht, nachher sind es nur noch 16 Minuten.
    Ja, da werden Millionenbeträge in die Hand genommen für 4 Minuten Radreisezeitgewinn. Warum? Weil in NL (langsam) verstanden wird, dass verbesserte Radreisezeit DAS Schlüsslekriterium ist für die bislang dort gescheiterten MIV-Substitution.

    Entsprechend muss die Mittelverwendung dann auch prioriiert werden.
    Motto: wir nehmen 20 Mio. für das Projekt in die Hand habe aber den Erreichbarkeitsradius für die und die Potenziale um soundsoviel vergrößert.

    So, und um mal wieder deutlicher aufs Artikelthema zurückzukommen: auch Kopenhagen verwendet die Mittel NICHT mehr ohne auch integriert eine Verbesserung der Radreisezeit anzustreben, weil die da gemerkt haben, dass das eine zentrale Schlüsselkategorie von „pull“ ist um den MIV erfolgreich reduzieren zu können.
    Erkenntnisgewinn: die ganze Separiererei ist schön und gut, aber den Autoverkehr können wir nur dann und dort substituieren wo wir konkurrenzfähige/überegene Reisezeiten anbieten können.
    So einfach.

    Essenz aus Kopenhagen: Radverekehr muss
    1. SCHNELL sein und
    2. einfach.

  29. Bei gleichem Reifendruck haben breitere Reifen einen geringeren Rollwiderstand. Aber in schmaleren Reifen hat man mehr Druck (Rennrad 8 bar vs Trekkingrad 4 bar vs Fatbike 1 bar) und durch den höheren Druck am Ende doch etwas weniger Rollwiderstand.

    Zum Gewicht: Man spürt die dickeren Reifen schon etwas beim Beschleunigen. Das Gewicht des Reifens zählt dabei quasi doppelt, weil man den Reifen zwei mal beschleunigen muss: Einmal die Bewegung in Fahrtrichtung und einmal die Rotation. Aber trotzdem spielt es am Ende keine so große Rolle, ob man nun insgesamt (also inklusive Fahrer, Fahrrad und Gepäck) 100 oder 102 Kilo beschleunigen muss.

    Ich fahre übrigens inzwischen fast nur noch einem Fatbike (100mm Reifenbreite, Druck ca. 1-1.5 Bar in der Stadt, im Gelände auch weniger). Die dicken Reifen bringen eine signifikante Verbesserung bei Sicherheit und Komfort (gerade auch bei Kopfsteinpflaster und den üblichen Berliner Schlaglochpisten). Dennoch habe ich subjektiv nicht das Gefühl, dass sich der Aktionsradios im Vergleich zu einem Trekkingrad dadurch signifikant reduziert. Gerade bei höheren Geschwindigkeiten ist der Luftwiderstand sowieso wichtiger als der Rollwiderstand.

  30. @berlinradler: Für einen behinderten Menschen in der Rikscha oder den Fahrer sind konkret die Dieffenbachstraße und die Graefestraße eine „Hölle“ oder zumindest ein Purgatorium.

    Die Dieffenbachstraße ist die schlimmste, weil mit Speed Bumps versehen. D.h. man kommt rechts und links mit Lastenrad oder Rikscha nicht vorbei. Dafür bräuchte man mindestens 1 Meter, bei manchen Rikschas auch mehr. Und selbst wenn man Platz ist, steht da ein vermaledeites Automobil, es kommt zum Kontakt und der Lack der Rikscha ist beschädigt. Die gleiche Situation herrscht am Lausitzer Platz.

    Die Graefestraße ist auch Mist, da Kopfsteinpflaster und Aufpflasterungen einen so richtig durchschütteln. Kennt jemand den Film „Lohn der Angst“ mit Yves Montand? Da geht es um einen Nitroglycerin-Transport durch die Graefestraße – oder war es Südamerika?

  31. @Alfons: Ich kenne mich in der Szene nicht so aus: Was ist die „ängstliche Portland-Gruppe“ und was die „immergleiche Portland-Studie“? Danke!

  32. @abwrackprämie: Die asphaltierten Streifen in der Grimmstraße sind auf jeden Fall besser als Graefe- oder gar Dieffenbachstraße, haben aber den Nachteil, daß man dauernd doch auf das Kopfsteinpflaster (= KO-Pflaster?) ausweichen muß, weil Autos auf dem Streifen halten/parken/anliefern/herumstehen.

    Besser ist die Idee, die jetzt in der Friesenstraße verwirklicht werden soll – noch bin ich optimistisch – die Straße zu asphaltieren, einzuengen (gegen Raser) und Kopfsteinpflaster nur auf den Parkstreifen zu belassen. Wenn man nicht gerade ganz nah an den parkenden Autos vorbeischrammt radelt man dann also immer auf Asphalt.

  33. @Martin, es gibt natürlich immer Sonderfälle und da Du mit Behinderten zu tun hast, fällt Dir das stärker auf als mir. Da steckt kein böser Wille dahinter, ich wünsche mir ja auch bessere Oberflächen, wenngleich ich glücklicherweise nicht aus Gesundheitsgründen darauf angewiesen bin. Die Wochenend-Märkte am Maybachufer stellen einen ja auch jedes Mal auf die Probe, wenn man den Radrouten folgen will und das auf Asphalt 🙂

    @Alfons, ich verstehe zumindest die Zeit-Theorie. Der Radius, in dem man sich üblicherweise bewegt, ist nicht in Kilometern, sondern Minuten zu berechnen.

    Wenn ich das aber jetzt mal in mein Leben ummünze, fehlt da irgendetwas. Manche Straßen meide ich, weil ich da Angst drauf habe. Kategorien wie falsch oder richtig helfen mir da nicht so recht weiter, keiner ist 100% rational. Ich bin nicht der Superangsthase und fahre durchaus Straßen, die viele meiden … oder lasse Radwege einfach mal rechts liegen. Aber manche Straßen sind mir einfach zu hart. Das wären oft genau die Supertangenten, die Du meinst.

    Was macht man da? Ist Deine Lösung, dass alle gegen ihre Angstgefühle ankämpfen sollen?

    Ist die Lösung der „Radweg“, der gefühlt sicherer und im Unfallgeschehen noch schlimmer ist? Oder der „gute Radweg“, den @fab sich wünscht, dem ich den Sachverstand zwar zutraue, nicht aber dem Senat?

    Ich weiss es nicht 😉

  34. @berlinradler: Der gleiche Rollwiderstand von breiteren Reifen bei gleichem Luftdruck ist Unsinn. Es mag zwar stimmen, aber nur bei gleichem Karkassenaufbau, den es in der Praxis zwischen Breitreifen und leicht laufenden Reifen nicht gibt. Was aber noch schwerer wiegt, ist dass solche Luftdrücke unpraktikabel sind, weil die Reifen dann unfahrbar hart werden. Probier mal einen Big Apple mit 6 Bar aufzupumpen. Wenn das Deine Felge aushält, rollt der Reifen tatsächlich sehr leicht. Aber man spürt dann auch jedes Staubkorn auf der Strasse. Ein Rennrad mit 20mm Reifen bei 8 bar fährt sich im Vergleich wie eine Sänfte. Bei den 2 bar, die Kopfsteinpflaster erträglich (nicht angenehm) machen, sind Geschwindigkeiten über 20km/h nur mit enormer Anstrengung zu erreichen.

    Die Ausführungen von Alfons mit dem Zeitbudget treffen den Kern der Sache, ich hätte das nicht besser schreiben können. Ich bilde da keine Ausnahme: meine 2x 16-20km zur Arbeit schaffe ich in etwa 40-45 Minuten. Das ist für m ich auch die Grenze des erträglichen. Natürlich braucht man dazu ein Rennrad oder S-Pedelec. Solche Gefährte sind bei Langstreckenpendlern aber auch weit verbreitet, wie ich feststelle. In Berlin ist man mit Rennrad eh am besten bedient, da die Strecken idR weit sind.

  35. Nochmal @berlinradler: Zeit ist natürlich nicht die einzige Komponente. Es gibt viele Dinge, die man bei Streckenplanung berücksichtig (die jeder einzelne auch anders gewichtet). Ich nehme z.B. gerne einen Umweg in Kauf wenn kein Kopfsteinpflaster da ist. Schöne, bzw weniger stressige Strecken waren und sind mir durchaus auch nen Umweg wert. Aktuell z.B. ist mein kürzester Weg zur Arbeit etwa 15km lang – den nehme ich nie, weil er extrem stressig ist. Die kürzere erträgliche Variante ist 17km, die schönste 20km – da begegne ich auf 80% der Strecke keinem einzigen Auto. Die nehme ich dann ab und zu im Sommer.
    Das geht aber nur bis zu einem gewissen Grad – lässt man zuviel Zeit auf der Strecke ist man doch wieder bereit suboptimale Wege zu ertragen. Mir gehts jedenfalls so – Dir nicht? Als ich mal vorübergehend das Glück hatte, nur 2,5km von der Arbeit weg zu wohnen und die Kinderkrippe nur 500m von zuhause weg war war mir auch jeder Umweg egal. Ob ich nun 10 oder 20 Minuten brauche – who cares. Aber für die meisten Leute ist das kein Option. So um die 10km dürfte den größten Anteil der Arbeitswege haben – Ausreisser nach oben sind auch nicht grade selten.

  36. schon witzig wie subjektiv unterschiedlich die Empfindungen bei Rädern und Distanzen sind…bisschen radfachsimpeln ist ja auch schön.

    Meine Erfahrung ähnelt eher der von Jakob, breite 55er Reifen mit weicher Karkasse bei etwa 2 bar sind sicher und bequemer auf schlechten Belegen wie Kopfsteinpflaster und nicht wirklich schwerer auf Strecke zu fahren als schmalere Reifen mit mehr Druck. Viel schöner finde ich aber einen klassischen Stahlrenner oder Randonneur. Tatsächlich fahre ich in Berlin täglich ein Stahl-Alltagsross mit 8Gang-Nabe, Schutzblechen, Packtasche, gekapselter Katte, Nabendynamo….gewogen habe ichs noch nie. Oder eben ein holländisches Lasterad, 2rädrig und 2kindrig. mit letzterem kann ich Spaß-Touren bis 50km gut machen, mit ersterem habe ich bis 100km Spaß (aber keine Begleitung mehr….).

    Zwei andere Dinge bestimmen in Berlin meine Distanz: Mich stoppt das Anhalten/Verlangsamen an Ampeln, Vorfahrtsstraßen und rechts-vor-links-Straßen. Deswegen werde ich mit einem etwas schnelleren Rad auch nur eine Winzigkeit schneller. Also, @Alfons, gern her mit grüner Welle für Radfahrer und kreuzungsfreier Führung! Auch geteerte Mittelstreifen und sinnvolle Überwege, kleine Stichwege zur Abkürzung, alles gern genommen….aber VC bringt mir da wenig bis nix. Gut, fahre ich Fahrbahn auf der Hauptverkehrsstraße, dann bekomme ich Vorfahrt auf ein paar kreuzungen, lande aber im Ampelrückstau und hab Stress und Abgase. Ich fahre jetzt jedenfalls schon 100% Fahrbahn auf meinem Arbeitsweg, außer einem kurzen Radstreifen, der mir einen Ampelstau erspart.

    Der begrenzende Faktor ist bei mir (und vielen Büroarbeitern): Ab 1/2 Stunde Fahrt fange ich an zu schwitzen. Langsamer fahren kann ich irgendwie nicht. Und schwitzen ist blöd. Im Großstadtverkehr von heute schaffe ich in einer halben Stunde etwa 8 km max. Egal welcher Reifen. Auf einem Pedelec ließe sich das ganze etwas Richtung 12km ausdehnen, mit günstigen Wegen ein vielleicht 15km, aber spätestens da wäre der Punkt erreicht, wo es Frühsport wird, Budget hin oder her.

    @Martin: Ja, in der Tat, wenn Du mit Behinderten fährst, hast Du eine andere, besondere, Sicht der Dinge. Ich verstehe übrigens auch nicht ganz, warum die Christianias im Graefekiez so ein Hit sind, mit dem Bakfiets (oder einem Douze Cycles…hmmmmm) kommt man locker an den ganzen Schwellen vorbei. Aber auch das ist eine Glaubensfrage. (-; Manche gurken die dicken Dreiräder ja sogar über irgendwelche Bürgersteige. Ja, @Alfons, aus subjektiver, irrationaler, unbegründeter Angst…

  37. @abwrackpräme, dann bin ich mit meinen etwas dünneren Reifen also nicht ganz so falsch positioniert 😉

    Die Frage, welche Strecken ich wann fahre, kann ich nicht absolut treffend beantworten. Das ist so wie bei Dir auch, ich entscheide nach Lust und Laune und anhand vieler Faktoren. Die ganz schlimmen Straßen, es sind ja nicht so viele, aber einige schon, meide ich. Straßen, in denen ich wiederholt schlechte Erfahrungen gemacht habe, auch. Wie gesagt ist meine Angst auch nicht so ausgeprägt wie offenbar bei den meisten, die schon harmlose Fahrbahnen meiden und dann auf Rad- oder Gehwege ausweichen.

    Es ist ja auch egal, wie Du oder ich fahren. @Alfons schreibt indirekt, dass das Denken in Richtung des „guten Radwegs“ (oder meinetwegen der Protected Bikelane) falsch ist, weil es dem Faktor des Zeitradius (sicher nicht der Fachbegriff) nicht gerecht wird. Ich stehe den Versuchen zum „guten Radweg“ zwar auch eher zurückhaltend gegenüber, aber aus anderen Gründen. Das Problem, dass manche Straßen subjektiv für mich nicht befahrbahr sind, bleibt dann aber. Wenn diese „Zeitradius“-Erkenntnis die Antwort sein soll, habe ich sie einfach nicht verstanden 😉

  38. Wegen Schwitzen habe ich immer ein Ersatzshirt mit, das ich dann im Bad vom Büro wechsle. Habe ich nie als Problem empfunden.

  39. @fab: Mag sein, daß man mit manchen Lastenrädern an den speed bumps besser vorbeikommt als mit anderen, aber ich halte es nicht für fahrradfreundlich, die Straßen so zu gestalten, daß man mit vielen handelsüblichen und beliebten Lastenrädern oder Rikschas aus dem ganzen Kiez „ausgesperrt“ wird.

  40. Klasse Beitrag, der zum denken anregt.
    Bis wir wirklich solche Visionen verwirklichen können wird meiner Meinung nach, noch einige Zeit vergehen. Dennoch ist es erstrebenswert dies zu verfolgen.

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