Es gibt runde Geburtstage, die eher unbeachtet bleiben, auch wenn sie jede/n betreffen. Manchmal hängt es damit zusammen, dass sie in der Nazi-Zeit ihren Ursprung haben. Heute vor 80 Jahren (am 1.10.34) trat die erste deutsche Straßenverkehrsordnung in Kraft. Was zuvor die Länder regelte, galt fortan per Gesetz fürs ganze Reich. Natürlich machten sich die Faschisten auch Gedanken übers Fahrrad fahren. Aber eins vorweg: Ebenso wenig wie den Antisemitismus haben die Nazi die Abneigung gegen Radfahrer erfunden. Beides gab es schon vorher reichlich. Bezüglich letzterer lohnt es sich noch mal in den rechtshistorischen Rückspiegel zu schauen.
Im Unterschied zu ihren kaiserlichen und demokratischen Vorläufern machte das 3. Reich keinen Hehl daraus, wem auf der deutschen Straße die Vorfahrt gehört. Die 34er-StVO dazu: „An Kreuzungen und Einmündungen von Straßen ist bevorrechtigt, wer von rechts kommt; jedoch haben Kraftfahrzeuge die Vorfahrt vor anderen Verkehrsteilnehmern.“
Ebenfalls trat heute vor 80 Jahren eine Radwegbenutzungspflicht in Kraft:
„Ist eine Straße für einzelne Arten des Verkehrs bestimmt (Fußweg, Fahrradweg, Reitweg) so ist dieser Verkehr auf den ihm zugewiesenen Straßenteil beschränkt.“
Ein Grund für die Pflicht waren die bevorstehenden Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Das Reichsverkehrsministerium in einer Presseerklärung:
„Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“
Ob die StVO und ihre fortlaufende Anpassung an vermeintliche Realitäten dem Schutz der Verkehrsteilnehmer einen Dienst erwiesen hat, darüber lässt sich trefflich spekulieren. Für Markus Schmidt (auch das lohnt sich zum Jubiläum noch einmal nach zu lesen) stellt sich mit der Ordnung auf den Straßen auch die Gewaltfrage.
Guny
Das Buch von Markus Schmidt heißt Eingebaute Vorfahrt und ist eine lohnende Lektüre.
http://www.autofrei.de/index.php/mehr/buecher-und-zeitschriften/41-ueber-uns/publikationen/116-eingebaute-vorfahrt
Markus Schmidt arbeitet aktuell an einem Buch zur StVO
„Tatsache – das werde ich in ca. einem halben jahr in einem neuen buch nachweisen – ist doch, dass nicht unwesentliches was als „verkehrsregel“ zur geltung gebracht wird überhaupt nicht in der StVO drinsteht, sondern per richterrecht ausgesprochen wurde. Von nazi-traditionalisten. Oder puren automobilismus-fetischisten. Oder beidem zusammen. Insbesondere zum nachteil von zu fuß gehenden.“
Interessanter Buchtip.
PS: Mal mit Groß- und Kleinschreibung beschäftigen!
ach kwack. von ulrike meinhof heißt es, auch sie habe die radikale kleinschreibung praktiziert. wenn das mal keine ehrenwerte referenz ist?!?