Die erste Ausgabe einer Schriftenreihe des Seminars für Verkehrswesen an der TU Berlin beschäftigt sich mit verschiedenen Aspekten des innerstädtischen Radverkehrs im Allgemeinen und des Berliner Radverkehrs im Besonderen. Auf gut 160 Seiten versammelt der Band acht Texte, die es wert sind, kritisch gelesen zu werden.
Ein sehr interessantes Thema haben sich Rita Kunert und Lena Lebahn vorgenommen. Sie untersuchen die Potentiale einer Einführung der Grünen Welle für Radfahrer auf einer innerstädtischen Magistrale wie der Straße des 17. Juni. Als Vergleichsobjekte werden die Kenndaten zweier grüner Wellen in Amsterdam und Kopenhagen herangezogen. Es zeigt sich jedoch, dass die Rahmenbedingungen in Berlin ganz andere sind als in den Vergleichsstädten. In der Raadhuisstraat in Amsterdam liegen zwischen zwei Ampeln gerade mal durchschnittlich 45 Meter, in der Berliner Straße des 17. Juni sind es 340 Meter zwischen zwei Ampeln auf der angedachten Grünen Welle. Das größte Manko der Studie bleibt jedoch, dass sie nicht ansatzweise untersucht, welche (negativen) Effekte eine grüne Welle für Radfahrer auf andere Verkehrsteilnehmer hat. Wenn man nicht einmal ermittelt, wieviel Kfz pro Tag die Verkehrsschlagader 17. Juni am Tag befahren, dann bleiben Überlegungen zur grünen Welle schlichte akademische Fingerübungen.
Jörg Leben stellt in dem Aufsatz „Anforderungen und Verhalten von Radfahrenden“ zwei Fragen:
Warum missachten Radfahrende Verkehrsregeln?
Welche Anforderungen haben Radfahrende an die Infrastruktur?
Leben fasst zunächst den Stand der Forschung zum Thema Radfahrende zusammen. Danach widmet er sich dem Begriff des Verkehrshandelns. In Studien zur Wahl des Fahrrads als Verkehrsmittel wird nachgewiesen, dass die Benutzung des Fahrrads von äußeren Faktoren wie Qualität und Quantität der Radverkehrsinfrastruktur, Raumstruktur, ÖPNV-Angebot, gesellschaftlichen Normen und vom Verkehrsklima abhängt sowie von individuellen Faktoren wie eigenen Einstellungen, Normen, Verkehrsmittelwahl des Umfeldes, Nationalität, Geschlecht und Alter. Andere Untersuchungen, die sich mit dem Fahrstil von Radfahrern befassen, haben ergeben, dass es bei Radlern ähnlich wie bei Autofahrern unterschiedliche Fahrstile gibt. Lebens Fazit der Literaturstudie: „Regelmissachtungen von Radfahrenden sind ein schwerwiegendes Problem, dem alleine mit Sanktionen nicht beizukommen ist. Ein Teil dieser Missachtungen kann durch eine verbesserte Verkehrsplanung reduziert werden. Hierzu müssen die Anforderungen aller Radfahrender berücksichtigt werden.“
In den weiteren Beiträgen des Bandes geht es um Pendeln mit dem Mietfahrrad, Einkaufen mit dem Fahrrad sowie um den begriff der Fahrradkultur. Alles in allem eine spannende Kompilation mit Licht und Schatten.
TU Berlin: Download des Sammelbandes „Aspekte des städtischen Radverkehrs“ (pdf-Dokument, 5708 KB)
via Urbanophil