Zwei Events kommen in dieser Woche auf die Berliner Radfahrer zu. Am Freitag startet die Critical Mass, wie immer ab 20:00 Uhr und wie immer ab dem Heinrichplatz. Zwei Tage später am Sonntag, dem 1. Juni 2014 findet in Berlin und Brandenburg die 38. Fahrradsternfahrt statt.
Das Motto der Sternfahrt heißt in diesem Jahr: „Radsicherheit für Berlin: Freie Radspuren!“ Im Aufruf des ADFC heißt es: „Wir demonstrierten dafür, mehr Radspuren an Hauptverkehrsstraßen einzurichten und diese für Radfahrerinnen und Radfahrer vorgesehenen Verkehrsflächen für die entsprechende Nutzung freizuhalten. Immer wieder werden für Radfahrende vorgesehene Streifen – unabhängig von Beschaffenheit und Markierung – zum Parken von Kraftfahrzeugen missbraucht.“
In diesem Jahr führen insgesamt 19 Routen mit einer Vielzahl von Treffpunkten zum Ziel der Sternfahrt Großer Stern auf der Straße des 17. Juni. Ob von Oranienburg und Wandlitz ganz im Norden oder von Potsdam im Südwesten, Königswusterhausen im Südosten, jeder, der in Berlin oder im näheren Umland wohnt, findet einen Startpunkt ganz in der Nähe.
Auch an die Kids auf Rädern ist in diesem jahr gedacht. Die kürzere Kinderroute führt von der Jannowitzbrücke durch den Bezirk Mitte zum Umweltfestival zwischen dem Große Stern und dem Brandenburger Tor. Start der Kindersternfahrt 12:30 Uhr.
ADFC: 38. Fahrradsternfahrt
zum thema radspuren:
während sie mich in der praxis in berlin oft nerven – zu schmal, in der dooring zone, mit unklarem anfang und ende – sind sie vielleicht doch die derzeit beste idee für radverkehr auf hauptstraßen.
habe jedenfalls gerade diese zahlen entdeckt – aus US-städten ohne separate fahrrad-infrastruktur. danach sollen 40 % der tödlichen unfälle auffahrunfälle („rear end collision“) sein. wenn das stimmt, heißt das wohl, das ohne infrastruktur die kreuzungsunfälle abnehmen aber dafür die auffahrunfälle zunehmen.
und hier noch der link…
http://www.treehugger.com/bikes/how-get-killed-bike-your-chances-are-best-urban-arterial-road-getting-hit-behind.html
… und 100% der getöteten Radfahrer leben nicht mehr.
Ich würd die Zahl so interpretieren (oder zusammenreimen):
Auf Straßen ohne separate Radverkehrsführung verbleibt nur die einzige Gefahr, von hinten überfahren zu werden.
Und da es praktisch keine andere Gefahr mehr gibt, ist die Prozentzahl entsprechend hoch.
Oder kurz gesagt: eine Zahl alleine sagt doch überhaupt gar nichts aus.
Grundsätzlich gut, dass sich der ADFC des Themas in Form eines Sternfahrt-Mottos annimmt.
Die erlebte „Realität Fahrradspur“, vor allem bezüglich der neu eingerichteten, etwas Schlossstrasse Steglitz, zeigt das ganze Dilemma des Radfahrens in der Großstadt. Ignoranz und Mißachtung (Kfz) gegenüber Schwächeren (Rad) ist eine verbreitete Unkultur.
Dem ist mit baulichen Massnahmen allein nicht beizukommen. Wir brauchen eine Kultur der gegenseitigen Achtung und Rücksichtnahme. Gerade in einer Stadt, die immer enger wird (weil hier immer mehr hin und dann immer schneller vorankommen wollen).
Sollte man als Radfahrer darauf erpicht sein, dann könnte man täglich Straftaten der Autofahrer dokumentieren. Bedrohung, absichtliche Gefährdung, Beleidigung, den so genannten gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Allein: Was nützt es? Konsequenzen daraus zieht eh keiner. Der gerichtsfeste Nachweis ist allenthalben schwer, so lange, wie es nicht zu einem Schaden gekommen ist. Und den will nun wirklich keiner riskieren.
Ich finde das Motto richtig.
„Auf Straßen ohne separate Radverkehrsführung verbleibt nur die einzige Gefahr, von hinten überfahren zu werden.“
Das stimmt ja nun nicht – da finden sich doch auch die Zahlen für Kreuzungsunfäll usf., diese Risiken verschwinden mit Bürgersteigen ja nicht.
Ich hätte aber mit viel mehr Kreuzungsunfällen im Verhältnis gerechnet. Die Standardantwort auf die Sorge vor dem Fließverkehr auf großen Straßen ist ja hierzulande gerade, Auffahrunfälle seien selten. Vielleicht stimmt das aber nur, solange die meisten Radfahrer die großen mehrspurigen Fahrbahnen vermeiden?
Was man auch sieht, sind über 21 Todesfälle pro 10.000 Fahrradpendler in Florida (!) Kalifornien hat dreimal soviel Fahrradpendler und weniger als ein Drittel der Todesfälle pro 10.000 Pendler – das spricht für safety in numbers. Nimmt man jetzt noch hinzu, dass sich viele Radfahrer auf (guten, nicht zugeparkten) Radspuren sicherer fühlen, spricht das insgesamt schon sehr dafür, die pro-Radspuren-Linie des ADFC zu unterstützen.
auch interessant:
„Fast jeder zweite Motorradunfall ist ein Auffahrunfall – obwohl vor allem Stürze und Zusammenstöße an Kreuzungen öffentlich wahrgenommen werden.“
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/unfallstudie-junge-motorradfahrer-fahren-gefaehrlich-12961331.html
Neben dem Parkproblem gibt es aber meiner Meinung nach noch ein wichtigeres Thema bei Radstreifen, vor allem den schrecklichen „Schutzstreifen“: Die Qualität der Anlage.
So ist z.B. die Situation auf der unteren Lindenstraße durch den Streifen schlechter geworden:
– früher gab es dort zwei Spuren; eine davon befuhr man mit dem Rad, die Überholer mussten auf die zweite Spur, wenn man sich nicht ganz an den Rand quetschte
– jetzt: schmaler Schutzstreifen neben parkenden Autos
==> vor allem abends fahren jetzt die Autos zweispurig NEBEN dem Schutzstreifen. Also muss ich in die Dooring Zone oder werde nahüberholt. Mit 50-70 am späteren Abend.
– weiter unten mündet der Schutzstreifen in die Busspur. Die ist abends legal (!) zugeparkt. Ich muss also in die rechte Fahrspur wechseln, dort wo gerade zweispurig 50-70 gefahren wird. Außerdem soll ich ja eigentlich den verbleibenden knappen Meter Busspur weiterbenutzen, also strikt in der Dooring Zone fahren.
Es gilt letztlich dasselbe wie bei gebauten Radwegen und Kreuzungen: Nicht das Ob ist letztlich entscheidend, sondern ob die ERA-Vorgaben eingehalten werden. Das ist vielleicht nicht so ein griffiges Motto wie „Radspurkparker raus!“ – wäre mir aber viel wichtiger. „ERA jetzt umsetzen!“ oder so.
Ich finde den Weg zumindest gangbar. Freie und ausreichend breite Radspuren lassen sich für viele Radfahrer angenehmer befahren, als Fahrbahnen ohne Markierungen. Das trauen sich auch Leute zu, die sonst nur auf gehwegbegleitenden Radwegen unterwegs wären. Ich sehe das als einen jahrelangen Prozess, der irgendwann auch mal bei diesen elenden Schutzstreifen begonnen hat, die nun wirklich keinen Nutzen ausser der symbolischen Aussage „Radfahrer dürfen tatsächlich sogar auf der Fahrbahn fahren“ haben. Seither geht es stetig aufwärts, wenn auch nur seeeehr, seeeehr gemächlich. Irgendwann gibt es dann vielleicht eine Infrastruktur, die auch von unsichereren Radfahrern gern benutzt wird. Bis dahin muss man als reiner Fahrbahnradler auch mal ein paar Kröten schlucken.
Gibt es eigentlich dieses Jahr wieder einen Lastenrad-Block?
CM am Freitag, Sternfahrt am Sonntag. Wie soll ich mich wieder daran gewöhnen, dass es neben, vor und hinter mir dröhnt und stinkt?