Morgen treffen sich Frank Henkel und seine Innenministerkollegen aus den Bundesländern in Hannover zur Frühjahrskonferenz. Auf der Agenda steht eine Initiative zur Senkung der Promillegrenze für Radfahrer. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Boris Pistorius (SPD), begründete den Vorstoß damit, dass niemand in der Lage sei, ein Fahrrad bei dem gültigen Grenzwert von 1,6 Promille sicher zu führen. Hintergrund ist die hohe Zahl von verunglückten betrunkenen Radlern, der ADFC spricht von 3725 Radfahrern, die 2011 unter Alkohol in einen Unfall verwickelt wurden.
Der ADFC setzt sich für einen Grenzwert von 1,1 Promille bei Radfahrern aus. Das wäre immer noch deutlich höher als der Grenzwert für Kraftfahrzeugführer, der bei 0,5 Promille liegt.
SPON: Alkohol am Lenker: Innenminister wollen Promillegrenze für Radfahrer senken
Meines Wissens liegt die absolute Fahruntüchtigkeit bei Radfahrern derzeit bei 1,6 Promille, im Auto bei 1,1. Diese soll scheinbar angeglichen werden.
Relative Fahruntüchtigkeit (0,3 Promille) und Ordnungswidrigkeitsgrenze (0,5 Promille) sind auch jetzt schon identisch.
Ich finde die Angleichung nicht zielführend, senkt es doch die Hemmschwelle statt des Rades das Auto zu nutzen, zumal man dort unauffälliger unterwegs ist.
tugendterror.
die einzig tragfähige begründung wäre m.e. drittgefährdung, hierzu gibt es aber offenbar gar keine zahlen. betrunkensein an sich ist gefährlich: je mehr und je öfter desto gefährlicher.
M.W. gilt die Grenze von 0,5 Promille für Ordnungswidrigkeiten bisher nicht für Radfahrer. Soweit man eine stärkere Sanktionierung alkoholisierter Radfahrer befürwortet, wäre m.E. dort eine Einbeziehung zu suchen (mit dem üblichen hälftigen Bußgeldern). Eine Angleichung der Grenzen für absolute Fahruntüchtigkeit, die die Rechtsprechung aufstellt/aufgestellt hat, halte ich für nicht zielführend.
Ich hoffe, die Innenminister der Flächenländer sind so gescheit, das abzulehnen. Dringendere Problem gibt es zuhauf. Weshalb jetzt plötzlich Handlungsbedarf in dieser Frage bestehen soll, erschliesst sich nicht. Oder liegen überall betrunkene Radfahrer auf den Strassen rum? Vielleicht soll das ganze auch vom NSU-Versagen der Innenminister ablenken.
Was in der Diskussion oft übersehen wird: Die Grenzwerte für absolute Fahruntauglichkeit sind durch Tests festgestellt worden und können nicht einfach beliebig verändert werden. Dazu braucht es schon neue medizinische Erkenntnisse. Es kann aber durchaus ein Gefahrengrenzwert für Radfahrer eingeführt werden, der bislang fehlt. Der größte Teil der Radfahrer verunglückt mit mehr als 1 Promille, daher ist der ADFC-Vorschlag durchaus sinnvoll.
Also ob das nun Tugendterror ist, weiss ich nicht. Der Straßenverkehr erfordert volle Konzentration und ich sehe nicht, warum man diese einschränken dürfen sollte.
Wobei ich sehr stark zwischen den zu fahrenden Strecken unterscheiden würde. Ein unbefahrener Feldweg ist wohl was anderes als eine vielbefahrene Straße, und die wiederum ist was anderes als eine für Radfahrer freigegebene Fußgängerzone.
Allerdings gehen diese ganzen neuen Vorstöße in Richtung „böser Kampfradler“. Gestern wurde ich mal wieder im 10-Zentimeter-Abstand überholt und kann mir einer Sache gewiss sein: Niemals wird es einen Vorstoß geben, dies zu unterbinden. Denn der „Täter“ war Autofahrer, also halb so schlimm.
obwohl ich von diesen innenminister rein garnichts halte sehe ich es aber auch so..alkohol und straßenverkehr vertragen sich nicht.
allerdings..gefährden radfahrer die ein zwei bier im biergarten getrunken haben wirklich so extrem..oder ist es eine weitere schikane von Ralf Jäger.
Scheint wirklich so zu sein. Ich hatte im letzten Jahr einen Taxifahrer angezeigt, der auf der Skalitzer Straße (zwei Fahrspuren, Radweg ja, Pflicht nein) morgens um kurz vor 1 Uhr, 6 Autos auf dem Abschnitt, erst hinter mir auf der Hupe stand, mich knapp überholte und noch knapper demonstrativ einscherte, dass er mein Vorderrad nur um ein paar cm verfehlte. Die zuständige Amtsanwältin schrieb mir letzte Woche, dass sie keine Strafverfolgung veranlasst, da die Aktion im Sinne einer Nötigung noch zu harmlos war und mich außerdem nicht signifikant in meiner Fahrweise beeinträchtigt hatte.
Man muss es als Radfahrer offensichtlich als normal hinnehmen, mit gefährlichen Situationen konfrontiert zu werden. Ich bin dann im Übrigen froh, wenn meine Konzentration nicht durch Alkohol beeinträchtigt ist.
Deswegen halte ich mich an die 0,0-Grenze – einfach aus eigenem Interesse.
„Der Straßenverkehr erfordert volle Konzentration und ich sehe nicht, warum man diese einschränken dürfen sollte.“
der erste teil ist ja – mit den von dir geschilderten abstufungen – richtig. beim zweiten teil bin ich nicht einverstanden. auch gefährliches und unvernünftiges zu tun ist für mich teil der individuellen autonomie, die nur im interesse anderer eingeschränkt werden sollte.
unter alkohol kann man alle möglichen unfälle haben, man kann die treppe runterfallen oder vom dach (wenn man besoffen raufgeklettert ist oder oben gesoffen hat) oder vor die u-bahn rutschen.
vor allem aber ist alkoholtrinken in gewissen mengen medizinisch gesehen eine sehr schlechte idee. trotzdem möchte ich das eigentlich ganz gern selbst entscheiden, ob ich denn vernünftig bin.
den nebeneffekt im hinblick auf das autofahren „wenn es eh alles verboten ist“ sehe ich auch.
dass die viel dringlicheren fragen – nahüberholungserfahrungen, gedultete geschwindigkeitsüberschreitung überall – nicht angegangen werden stört mich aber auch mehr als irgendwelchen phänomenalen alkoholgrenzwerte.
also, ich habe ein interesse daran, dass so ein geisterradfahrheld, der mir entgegenbrettert, wenigstens in der lage ist, geradeauszufahren.
sicher, geisterfahren dürfte er auch nicht. aber solange es enge radwege gibt, am besten gleich neben fußwegen, gibt es viele, die ein berechtigtes interesse daran haben, dass sich radfahrer ihrer möglichkeit, ihr gefährt vernünftig zu steuern, nicht berauben. (ganz zu schweigen von 240er-orgien.)
@fab, ich kann Deine Argumentation durchaus nachvollziehen. Eigenverantwortung auch im Sinne, mal was Dummes zu machen und Risiken einzugehen. Ist vielleicht wirklich situationsabhängig, denn es gibt natürlich auch gefährdete Dritte – Fußgänger und andere Radfahrer.
Letztendlich schrillt bei mir die „Haben die nichts besseres zu tun?“-Glocke. Der Straßenverkehr ist für Nicht-Autofahrer teilweise so scheiße, dass man da mal ansetzen könnte. Macht man aber einfach nicht, ist ja nicht so wichtig wie ein paar alkoholisierte Radfahrer.
Die bisherige Grenze scheint durchaus praxisgerecht zu sein. Danach kann ich problemlos drei Halbe trinken (1,5 L, 5%) und komme dann auf 1,3 – 1,4 Promille. Schwachsinn, da schon von Trunkenheit oder Einschränkungen zu reden. Und die Unfälle passieren sowieso meist bei 2 und mehr Promille, wenn die Typen richtig besoffen sind.
So ist das reines Radfahrer-Bashing. Genau wie die Bußgelderhöhungen. Und der ADFC schreit wiederum Hurra.
Hier ein Promillerechner zum Ausprobieren.
http://www.uli-arndt.de/Promille.html
In der Pressemitteilung, die ich gelesen habe, stand etwas von gehäuften Fahrradunfällen mit alkoholisierten Personen.
Ändert das auch etwas für bekiffte Personen? Ich hörte neulich, dass bei einer Verkehrskontrolle 10% (8) der kontrollierten Autofahrer (80) Drogen genommen hatten. Und das war nicht an einem Diskowochenende sondern am hellichten Tage.
Selbsteinschätzungen dieser Art funktionieren so perfekt wie freiwillige Selbstbeschränkungen der „Mehrwerterufnummern“-Fraktion.
Mach einfach mal ’nen Reaktionstest, im nüchternen und im angesoffenen Zustand.
Klar, Du fällst nicht sofort vom Rad, und es ist ja bislang auch nie was passiert … aber exakt genauso argumentieren auch Autofahrer, die vergleichbar benebelt meinen noch mit ihrem Auto fahren zu müssen.
> dass die viel dringlicheren fragen – nahüberholungserfahrungen, gedultete geschwindigkeitsüberschreitung überall – nicht angegangen werden stört mich aber auch mehr als irgendwelchen phänomenalen alkoholgrenzwerte.
genau so ist es.
und warum eigentlich „Innenminister“? Wollen die evtl. von ganz anderen Problemen ablenken? politische Nebelkerze?
@Jom&Terry: Zum Radfahren braucht man überhaupt keine physischen oder psychischen Qualifikationen. Kein Führerschein, kein Sehtest, nichts. Auch schwer psychisch und physisch behinderte Menschen dürfen fahren, wenn sie es sich zutrauen. Und das ist auch gut so, weil Geschwindigkeit und Betriebsgefahr gering sind, und überwiegend nur der Fahrer selbst gefährdet ist. Eine reduzierte Promillegrenze passt da einfach nicht dazu.
Gerade mal ein Selbsttest mit 2,04 Promille. Der Alkohol war spürbar. Aber Gleichgewicht, Seh- und Reaktionsvermögen und Fahrverhalten noch völlig problemlos und in Ordnung. Jedenfalls immer noch besser als bei den 80 Prozent Dödelradlern, denen ich laufend begegne. Und ganz klar: ich bin kein Alkoholiker und auch kein Gewohnheitstrinker. Und musste während 45 Jahren Autofahren auch noch nie zur MPU antreten.
@faxe, 2 Promille ohne Einschränkungen? Wie sah Deine Messreihe konkret aus?
Wer mit 2 Promille kaum oder gar keine Ausfallerscheinungen zeigt, besitzt einen sehr hohen Grad an Alkoholgewöhnung.
Wer jedenfalls die „An-die-Nase-Fass“- und „Linien-Lauf“-Tests in einer Alkoholkontrolle bei 2 Promille ohne Auffälligkeiten absolvieren kann, dem wird die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis im Zuge der folgenden MPU wesentlich schwerer gemacht werden, als dem der sich mit 2 Promille ans Ohr statt an die Nase fasst, da bei unauffälligem Verhalten bei so hohem Promillewert medizinisch von einem hohen Gewöhnungsgrad und regelmäßig starkem Konsum ausgegangen wird und werden muss.
Dass bei 2 Promille aber Gleichgewicht, Seh- und Reaktionsvermögen damit Fahrverhalten „noch völlig in Ordnung“ sein könnten, ist schlicht physiologisch völlig ausgeschlossen. Diesbezügliche subjektive Selbstüberschätzung ist ja aber auch eine der bekanntesten Folen stärkeren Alkoholkonsums.
@reclaim: man sollte halt nicht alles glauben. Ich war bis vor kurzem auch der Meinung, dass man mit 2 Promille besoffen wäre. Mein Selbsttest (1 L Wein) hat gezeigt, dass das zumindestens bei mir nicht stimmt. Zwischen 1 und 2 Promille reden wir immer noch von sozial akzeptierten Mengen, die kaum zu Verhaltensauffälligkeiten führen. Und die Ansprüche an Sehvermögen und Reaktionsgeschwindigkeit eines Radfahrers sind wesentlich geringer als z.B. an einen Autofahrer, der bei Nacht mit 240 über die Autobahn brettert. Völlig klar, dass bei mir Sehvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit, Gleichgewichtssinn und Koordination etwas reduziert waren, vielleicht von 100 auf 80 Prozent. Für die sehr geringen Ansprüche des normalen Radfahrens aber mehr als ausreichend. Zumal ja auch Seh- und Körperbehinderte und auch sehr alte Menschen zu Recht Rad fahren dürfen, die bei null Promille immer noch viel stärkere Einschränkungen aufweisen würden, als ich bei meinem Selbsttest mit 2 Promille.
Ich vermute, dass unter den Innenministern ein paar trockene Exalkoholiker sind, die sich jetzt einmal moralisch in Szene setzen können. Frei nach dem Motto „Was man selbst nicht darf, muss man anderen auch verbieten“.
Der letzte Absatz im SPON-Artikel sagt doch alles:
„Viele Menschen in Deutschland würden nach Alkoholkonsum das Auto stehen lassen, aber zu „sorglos auf das Fahrrad steigen“. Zwar sei die direkte Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer durch betrunkene Radfahrer geringer als durch Autofahrer – die Selbstgefährdung sei dafür aber umso höher.“
Was ist jetzt so schlecht daran, wenn die Menschen das Auto stehen lassen, die Gefährdung anderer dadurch wesentlich geringer ist und sie sich mehr oder weniger nur selbst gefährden? Vor Selbstgefährdung braucht der Staat nicht zu schützen.
Und die Zahl der 3725 „Radfahrer“ erscheint auch in einem ganz anderen Licht. Das sind eben nicht „5% der Radfahrer“(SPON), sondern 1% oder so der Autofahrer. Und deswegen mal wieder so ein Wind? Ist doch eh nur ein weiterer Versuch, Radfahrer in der Öffentlichkeit schlecht stehen zu lassen. Anderswo nennt man sowas Trollen.
Bin auch sehr für eine Senkung der Promilleobergrenze, nämlich bei den verantwortlichen Planern von Großprojekten! Wie z.B. BER usw.
Gesellschaftlich akzeptable Mengen Alkohol sind allerdings weit über der Fahrtüchtigkeit. 1l Wein? Alter Schwede, da kotze ich die Alkoholvergiftung direkt aus. Man darf sich auch mal einschränken. Auto oder Rad hat damit weniger zu tun.
@faxe, ich weiss wirklich nicht ob ein Radfahrer weniger Reaktionsvermögen benötigt als ein Autofahrer. Ich würde behaupten, dass ich sehr viel häufiger auf Fehlverhalten von Autofahrern reagieren muss als andersherum. Oft sind das Notfallreaktionen zur Abwendung von Gefahren.
Lieber Verkerhsminister, lieber Herr Ramsauer,
wie wäre es wenn sie mal mit einem Vorstoß zur Senkung der LKW-Rechtsabbieger Unfälle?
Das typische Kombination scheint ja zu sein:
Stadtgebiet, Frau auf Radspur/Radweg, Ampel ist Grün, rechtsabbiegender LKW/Bus
Bin eben an so einem Unfall vorbeigefahren: Berlin, Heinrich-von-Gagen Ecke Scheidemann. Beide Fahrzeuglenker kamen von Norden.
Bei Rechtsabbiegerunfällen ist ja die obligatorische Standardantwort, daß man als Radfahrer halt auch Rücksicht zu nehmen hätte und nicht starrsinnig auf seiner Vorfahrt bestehen solle, man sähe ja, was das Ergebnis ist.
Im oberschenkeldicken Strahl diesen Leuten ins Gesicht kotzen könnte ich.
@Dreckspatz, beziehst Du Dich auf einen aktuellen Unfall oder den Liegeradunfall aus dem April?
ist ein schwieriges thema – soll man aus eigener vorsicht alle abbiegenden LKW immer prophylaktisch vorlassen? und wenn die dann losfahren, weil sie denken, ok, der wartet auch mich und ein anderer radfahrer nachkommt?
besonders fies ist es, wenn der LKW erst kurz anhält und dann doch weiterfährt, so wie hier passiert
http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/betonmischer-ueberrollte-radfahrerin-wegen-fahrlaessiger-toetung-zu-geldstrafe-verurteilt/8267796.html
das ist das echte thema. aktuell wieder
http://www.berliner-zeitung.de/polizei/toedlicher-unfall-in-spandau-lkw-schleift-radfahrer-20-meter-mit,10809296,22885480.html
dagegen ist die promillesache schon eher ein nichtthema.
die richtige lösung ist aber auch nicht so einfach in sicht. promillegrenzen sind dagegen einfach und billig. man müsste wohl viele kreuzungsbereiche umgestalten und/oder das abbiegeverhalten von kfz massiv kontrollieren. einfach nur das fahren auf der fahrbahn für alle radfahrer zu propagieren (statt radwegebenutzung) ist jedenfalls nicht die lösung, schon deswegen nicht, weil kfz trotzdem überholen werden, übrigens auch dann, auch wenn die ampel längst rot ist. und dann vergessen die kfz-führer, wen sie gerade überholt haben.
@fab, Du verlinkst einen Tagesspiegel-Artikel, bei dem das typische Unfallgeschehen ausführlich geschildert ist, und fragst dann noch, ob man in so einer unklaren Situation anhalten sollte? Was für eine Antwort erwartest Du denn da? Es gibt keinen Grund, sich bewusst in Gefahr zu bringen. Dass andere Radfahrer das potenziell tun, ist schade, aber außerhalb Deines Einflussbereiches.
@berlinradler: im tagesspiegel-fall war das wohl ein tödliches missverständnis.
wenn das eine unklare situation ist, dann gibt es sie leider ständig. heute morgen kreuzung französische straße/markgrafenstraße war stau in drei richtungen. alle haben sich – wie fast jeden morgen, langsam über die kreuzung getastet. wenn da jetzt jemand auf der fahrbahn, die ich kreuze, hält und mich lässt, dann fahre ich halt auch – sonst stehe ich eine halbe stunde später immer noch da. wenn der dann doch losführe, ja das wäre schlecht.
ich bin auch rechts an einem bus vorbeigefahren, der nach links abbiegen wollte und dabei durch andere kfz völlig blockiert war. die kreuzung war zu. was, wenn der dann plötzlich nach rechts abgebogen wäre? auch schlecht, aber – die situation ist da fast jeden morgen so.
vorsichtig fahren ist schon gut aber grundsätzlich immer alle lkw und busse vorlassen, das funktioniert irgendwie morgens in mitte auch nicht.
das hat auch mit „sich bewusst in gefahr bringen“ nichts zu tun. das wäre ja dann letztlich wieder eine abwandlung des grabsteinspruchs, ist aber im realexistierenden autoverkehr nicht realistisch.
@fab, es tut mir leid, aber da kommen wir inhaltlich zu keiner Übereinstimmung. Es macht auch einen gewaltigen Unterschied, ob man vor jemandem fährt, der die Chance hat, einen zu sehen, oder ob man sich sekundenlang in einen blinden Fahrbereich eines Lkw begibt.
grundsätzlich völlig einverstanden. ich denke, es ist eine frage wie man die jeweilige situation einschätzt.
vielleicht hast du tatsächlich die geduld, minutenlang hinter stillstehenden, blockierten touri-bussen zu warten. bis die nächste zwei, drei ampelphasen durch sind und alle LKW und busse vor dir weg sind. und das – rund um den gendarmenmarkt – mehrfach. da, muss ich zugeben, bin ich irgendwann zu ungeduldig.
das soll übrigens nicht heißen, dass ich in einer situation wie der unfallsituation auch gefahren wäre. aber ich habe verständnis dafür, wie so etwas passieren kann.
aber ich halte ja auch 0,0 promille in allen lebenslagen nicht ein (-8=
Ich weiss nicht, wie oft diese Situation tatsächlich vorkommt. Minutenlang warten, nur weil ich nicht rechts an einem gerade abbiegenden Lkw vorbeifahre, das habe ich noch nie erlebt. Das scheint mir doch genauso selten zu passieren wie die Autofahrer, die angeblich oft minutenlang hinter Fahrrädern herschleichen müssen.
Wie geht es denn den anderen, ist die genannte Situation Euch schonmal passiert?
@berlinradler das war Dienstag 28.5.2013 c.a. 11:00 nähe Reichstag, großer Reisebus und Radfahrerin.
Der Bus stand halb nach rechts abgebogen. Fahrrad war in rechtes Bus-Vorderrad verwickelt. Frau evtl. Ende 40 wurde auf dem Boden sitzend von Leuten betreut. Linker Schuh war ausgezogen, vermutlich war sie am Fuß verletzt. Meine Einschätzung: Hätte der Busfahrer das Überrollen des Fahrrads nicht bemerkt, wäre die Frau ziemlich sicher getötet worden.
berlinradler fragt
Ich sage mal so: ich kenne beides in Varianten. Wenn ich wie heute in Neukölln im Berufsverkehr durchkomme, erlebe ich Stausituationen, wo ich mich bei niedriger Geschwindigkeit der KFZ um mich herum teils weiter vorbewege, teils mit ihnen warte. LKW oder Busse kommen dabei vor, allerdings wühle ich mich an denen nicht in gefährlicher Weise vorbei sondern warte öfter, man hat sie ja nur einmal vor sich. Auf der Strecke bin ich auch schon mal abgestiegen und eine Buslänge auf dem Gehweg entlang geschoben, weils wirklich nicht weiterging (wobei ich auch durchaus mal ein Stück auf dem Gehweg fahre, Scheiße isses, ich weiß, ich bin da in dem Moment so rücksichtsvoll wie möglich rücksichtslos). Ich sage mal so: Es darf gerne zu eng für Autos sein, um voranzukommen und es ist immer noch Platz für das Durchfahren mit dem Rad plus Raum für ein Ausweichen falls doch mal irgendwer zur falschen Seite zieht. Im Grunde verhalte ich mich die ganze Zeit so, dass ich versuche, Reserven für die Fehler der anderen zu haben. Ich begebe mich nicht wissentlich in Situationen, wo ich auf die Fehlerfreiheit anderer angewiesen bin. Je schneller der Verkehr abläuft und/oder auch je größer, schwerer, unübersichtlicher die KFZ sind, desto mehr Reserven brauche ich. Auf so einem Scheißweg wie in Spandau z.B. (anderer Eintrag) würde ich bei gleichzeitigem LKW links von mir entsprechend verlangsamen, um noch abzubremsen, falls der rechts abbiegt – ich würde aber nicht anhalten, solange der mir noch den Eindruck macht, geradeaus zu wollen.
Ist eigentlich eine interessante Frage und vielleicht muss ich mal genauer drauf achten, WAS ich eigentlich in der Situation tue, es ist ja ein sehr dynamischer Prozess, wo vieles gleichzeitig abläuft. Deshalb ja mal meine Idee, eine typische Strecke unter Beobachtung abzufahren.
Für die Frage Mischverkehr oder getrennte Führung wäre eigentlich noch gut zu wissen, wie man sich als unsicherer oder unwissender Radfahrer hier benehmen würde. Kann man das überhaupt einschäzen mit 15 oder 75? Oder als jemand ohne Führerschein? Und heisst das, dass man dann also wie oft zu lesen, an jeder Ecke erstmal den „Blickkontakt“ sucht und wenn nicht möglich anhält und alle vorbeiwinkt oder wie ebenfalls schon im TSP behauptet (du hast glaube ich mal darauf geantwortet), über die Ampeln schiebt? Wo ist die Grenze, was ist unangemessen und gefährlich?
Also eines vorweg: Ich hoffe, es kommt nicht so rüber, als wäre ich der „perfekte“ Radfahrer, der in allen Situationen richtig handelt. Noch weniger will ich den unter Lkw verstorbenen Radfahrern auch nur ansatzweise ein Mitverschulden unterstellen. Letztendlich kann es jeden von uns treffen, und mit eigener Vorsicht kann man nicht all diese Gefahren ausbügeln.
Ich habe fab nur auf eine einzige Situation geantwortet: Ein Lkw will rechts abbiegen, wartet aber aus irgendwelchen Gründen noch. Auf Fußgänger, auf mich … eigentlich egal. Hierauf habe ich die ganz klare Antwort, dass ich nicht rechts vorbeifahre. Alle Adaptionen dieser Situation sind natürlich einzeln zu bewerten – in einer Verkehrssituation hat man oft wenige Sekunden Zeit zur Entscheidung, dabei macht man zwangsläufig auch mal was falsch. Schlimmstenfalls sehr falsch, das ist unbefriedigend.
Zwei sehr interessante Stellen hat man derzeit auch Unter den Linden, wenn man vom Brandenburger Tor kommend Richtung Alex fährt. Dort ist eine Spur, die eigentlich in Richtung Westen führt, derzeit für BVG und Radfahrer freigegeben. Bei der ersten Verschwenkung ist in der Rechtskurfe ein Radstreifen eingezeichnet. BVG-Busse sind zu groß, um dort nicht rüberzurollen. Fast alle Radfahrer verlassen sich auf diesen Radstreifen und müssen dann, oft in Zentimeterarbeit, anhalten. Das kann arg schiefgehen.
Etwas später wird die Straße dann für vielleicht 200 Meter auf eine Spur verengt. Diese hat die perfekte Breite für den totalen Stress, denn Autos können sich an Radfahrern vorbeidrängen, ohne auch nur den geringsten Abstand einzuhalten. Wenn man das verhindern will, fährt man dort mittig und hat dann aufheulende Motoren und bei nächster Möglichkeit mit Vollgas beschleunigende mobile Menschen hinter sich. Warum macht man denn so eine Spur nicht einen Ticken enger oder breiter?
Zu beiden Problemen habe ich durchaus eine böse Antwort: Man bemüht sich sichtlich, den Radverkehr Unter den Linden zu ermöglichen, hat aber keine Empathie für die Bedürfnisse der Radfahrer. Und da hilft es keinem, wenn man wie vorgesehen fährt, man muss alles hinterfragen. Eben so wie bei dem Radweg und dem Rechtsabbieger.
Um auf das Thema zurück zu kommen, finde ich es in jedem Fall richtig, dass sich da mal was in Richtung Promillegrenze tut. Zu viele betrunkene Radfahrer lassen ihr Leben, weil sie einfach dachten, dass das Radfahren wesentlich sicherer im betrunkenen Zustand ist. Aber nur, weil es wesentlich schwerer ist andere in Gefahr zu bringen, heißt es nicht, dass man über sein eigenes so fahrlässig entscheiden kann. Ich finde es gut, dass die Regierung diese Entscheidung für andere übernimmt.
@Helmut Dein subtiler, trockener Humor gefällt mir. 🙂
Im Ernst, gibt es irgendwo belastbare Zahlen?
Ich habe den Verdacht, dass die Grenzwert-Senkung einerseits ein Geschenk für Versicherungen und andererseits eine politische Nebelkerze ist (BER, Banken, Drohnen), aber das ist ein anderes Thema.
So, wenn z.B. jemand mit der Rad ganz gemütlich Nachts quer durch die Stadt nach Hause rollt. Im Prinzip ganz legal mit Licht, Klingel, Reflektoren und Helm auf dem Radweg mit unter 20 Sachen. Jetzt nimmt ihm ein Autofahrer die Vorfahrt weil der ihn „nicht gesehen“ hat. Radfahrer ist am Knie, Schulter und Rücken verletzt. Die Zeugen und der Fahrzeug Sachverständige belegen eindeutig die Schuld des KFZ Lenkers. Beim Alkoholtest liegt der Radfahrer allerdings ‚drüber‘.
Was zahlen die Haftpflich-, Unfall-, Berufsunfähigkeits- oder/und Krankenversicherung?
Können die Versicherungen sich auf Grund des Blutalkoholspiegels ausklinken?
Wenn ja welche?
Wenn das so ist, bringt das der Vollzeitangestellten, die Freitag abends mit Kollegen noch einen trinken geht überhaupt mehr Sicherheit?
Zu Sicherheit gehört irgendwie auch, dass man von dem System aufgefangen wird, in das man monatlich viele hundert Euro einzahlt.
@ Dreckspatz: Naja, in deinem (nicht mal allzusehr konstruierten) Fall würde ich erwarten, dass der Radfahrer eine Teilschuld zugeprochen bekommt, aber nicht ganz nackt vor seinen Versicherungen steht. Denn auch wenn jemand anderes den Unfall verursacht hat, muss man davon ausgehen, dass ein nüchterner Verkehrsteilnehmer auch auf Gefahren besser reagieren kann, als ein betrunkener.
Ansonsten ist das selbstverständlich auch eine der Nebelkerzen. Aber in diesem Promilleprojekt sehe ich auch Hoffnung auf einen Bewusstseinswandel in der Politik. Noch trauen Sie sich nur an solche Kleinigkeiten heran. Aber hast du bemerkt, dass alle diese Forderungen damit begründen, dass ALLES für die Sicherheit der Radfahrer getan werden müsse? Wir können also schon bei der nächsten Innnenministerkonferenz erwarten, dass die Überwachung des KFZ-Verkehrs auf die unfallrelevanten Fehlverhalten hin massiv ausgeweitet wird. Unser Verkehrsminister, der sich ja unterstützend zu Wort gemeldet hat, hat bereits Geheimpläne zu flächendeckendem Tempo 30 in der Tasche, die sofort nach der Wahl umgesetzt werden – kann er jetzt natürlich noch nicht verrate. Weiterhin fließen die Einnahmen aus der LKW-Maut ab dann in den Komplettumbau der Städte. Die Anpassung der StVO auf Bevorzugung von Radfahrenden und zu Fuß gehenden ist bereits in einer geheimen Arbeitsgruppe abgeschlossen worden und wird ebenfalls direkt nach der Wahl verabschiedet, sämtliche Parteien haben bereits Zustimmung signalisiert, nachdem die Ortsverbände in intensiven Stammtischberatungen mächtig Druck gemacht hatten. Es geht aufwärts und das Promilleprojekt ist nur der sachte Auftakt.
Es gibt Unfälle, bei denen man überhaupt nichts verhindern kann egal ob nüchtern oder nicht.
zu Tempo 30:
Es wird also de facto auf Tempo 50 hinauslaufen.
So wie jetzt auch schon in den 30er Zonen.
Wo werden die Gesetzteshüter sein, die das ahnden?
Zur Zeit ist doch auch keine Polizei unterwegs?
Mit den technischen Maßnahmen werden die Milionen verbraten, die für Personal auf der Straße besser angelegt wäre. Wer von der Tempo 30 Aktion profitieren wird, sind die beauftragten Konzerne. Und ich gehe sogar so weit, zu behaupten, dass es zum Teil deren Initiative ist.
Stimmt. Deshalb bin ich auch für die Abschaffung des Alkoholverbots für alle.
Ja, die sehe ich auch so. Die Konzerne bauen dann die Tempo 30s und kassieren die Tempo 30 Lizenzgebühren. Und wir Bürger hier unten müssen dann mit kaputten Tempo 30s zurechtkommen. Da steckt echt ne Menge Knete drin und die Tempo 30 Lobbyisten reiben sich schon die Hände.
Hier eine kleine Anekdote.
Neulich Freitag Abend in Kreuzberg Schlägerei unter Verkehrsteilnehmern.
110 gewählt, „Zur Zeit sind leider alle Leitungen belegt, versuchen Sie es bitte zu einem Späteren Zeitpunkt noch einmal.“
Polizei kam dann schließlich nach gefühlten 20 min.
Es wird also offensichtlich nicht genügend Personal vorgehalten, um auf der Straße für Ordnung zu sorgen. Habe ich unabängig von dem Anruf auch schon von Polizisten direkt gehört.
Gleichzeitig werden aber alle möglichen „Dateien“ und „Datenbanken“ eingerichtet – von externen Dienstleistern für gutes Geld – um die Bürger angeblich vor Bedrohung XY zu schützen.
Deswegen sehe ich das ganze nicht so optimistisch.
Wer sieht was optimistisch?
Wer sieht was optimistisch?
Du. Hatte ich jedenfalls so verstanden
Es geht aufwärts
bzgl. Promilleprojekt und allgemein die Verschärfung von Regeln vermutlich ohne entsprechender Personalaufstockung auf der Straße.
incl deiner Polemik. Oder war das etwa ernst gemeint?
…
Deshalb bin ich auch für die Abschaffung des Alkoholverbots für alle.
(mist wie gehen denn hier zitate)
Dambedei schrieb:
Dann lies doch bitte noch mal und überleg, wie’s gemeint ist. Falls du weiterhin in Betracht ziehst, dass ich z.B. Ramsauer für ernsthaft willens halte, Tempo 30 umzusetzen grenzt das an schwere Beleidigung, die nicht mit unter 5 Kilometer nicht benutzungspflichtigen Radwegfahrens bestraft wird.
Zitate gehen so: (blockquote) Text (/blockquote). Ersetze runde Klammern durch spitze Klammern.
Dir ist schon klar, dass Geständnisse unter Folter oder deren Androhung nichts wert sind?
Ich glaube wir sind einer Meinung.
@ Faxe, Du argumentierst wie jemand der ein Alkoholproblem hat. Als Krankenpfleger gehören Menschen mit Alkoholabusus, und der daraus resultierenden mangelnden Compliance, zu meinem täglichen Klientel. Als Fahrradfahrer brauchst Du, genauso wie beim Motorradfahren, deutlich mehr Deine sieben Sinne um geradeaus zufahren. Solltest Du tatsächlich in der Lage sein nach einem Liter Bier noch geradeausfahren zu können, solltest Du Dir Gedanken über Drogenabhängigkeit machen. Ich habe da null Tolleranz was Alkohol und Fahrzeugbenutzung angeht, weil alle Motorradunfälle in meinem perönlichen Umfeld von betrunkenen Fahrzeugführern verschuldet wurden. Auf dem Motorrad gilt deswegen auch immer „Null Promille“.