Vorgestern startete der ADFC eine bundesweite Befragung von Radfahrern. Im Fahrradklimatest soll ermittelt werden, wie fahrradfreundlich Städte in ganz Deutschland sind. Ziel ist es, Städte und Gemeinden nach dem Kriterium der Fahrradfreundlichkeit zu klassifizieren.
Im ersten Fahrradklimatest im Jahre 1998 beantworteten 4000 Einsender je 21 Fragen zum Fahrradklima in ihrer Stadt. Weitere Tests waren 2001, 2003 und 2005 erfolgt. Am letzten Klimatest von 2005 hatten mehr als 26.000 Radfahrer teilgenommen. Die Erfassung und Bewertung erfolgte in drei Städtegrößenklassen, unter 100.000 Einwohner, zwischen 100.000 und 200.000 Einwohner und mehr als 200.000 Einwohner. In der Kategorie der Städte über 200.000 Einwohner hatte Münster mit einem Mittelwert von 2,05 die Nase vorn. Als fahrradunfreundlichste Stadt hatte sich Hamburg mit einem Wert von 4,44 herausgestellt. Berlin belegte mit einem Wert von 4,09 einen relativ schlechten 20. Platz von insgesamt 28 Großstädten.
Nun geht es nach einer langen Pause von sieben Jahren erneut um die Frage, wie zufrieden Fahrradfahrer mit ihrer Stadt sind. Die Antwort soll mithilfe von 27 Fragen in fünf Kategorien auf Fragebögen sowie im Internet ermittelt werden. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, einen zusätzlichen Kommentar zur Situation des Radverkehrs vor Ort abzugeben.
Die Umfrage läuft bis zum 31. Oktober. Die Ergebnisse sollen im Januar 2013 im Rahmen der Auszeichnung der erfolgreichsten Städte bekannt gegeben werden.
Fahrradklimatest 2012
Fragebogen zur Klimatestbefragung 2005 (PDF-Datei)
Ergebnisse des Fahrradklimatests 2005 (PDF-Datei)
Ich sehe den Fahrradklimatest eher kritisch, denn die Fragen beziehen sich nicht auf das, was hinterher hinein interpretiert wird. Gute Ergebnisse bedeutet dann, es gibt viel Fahrradinfrastruktur und das ist gut. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus. Z.B. schneidet Münster immer sehr gut ab, obwohl die Radwege dort noch aus den 60ern stammen und handtuchschmal sind. Dafür natürlich benutzungspflichtig bis in die 30er Zonen hinein. Zumindest hätte auch gefragt werden müssen, ob die Radwege voll zu Lasten der Fußgänger gebaut wurden. Auch das trifft auf Münster voll und ganz zu.
Auch (nur) die Einteilung nach Einwohnerzahl macht wenig Sinn. Es müsste auch nach Topografie und Anteil Studierender in der Bevölkerung gefragt und klassifiziert werden.
ich finde das „man“ in den ganzen fragen ein bisschen unglücklich. z.b.:
ich mag radwege nicht, lege mir daher meine häuiger genutzten routen so zu recht, dass ich möglichst viel auf der fahrbahn fahren kann. da halten sich konflikte mit fußgängern natürlich in relativ engen grenzen. das sagt aber nichts darüber aus, wie es radwegbenutzern ergeht.
und dort, wo sich der radweg nicht vermeiden lässt, nehme ich fußgänger auf dem radweg nicht wegen der fußgänger, sondern wegen der radwege als problem wahr. weil ich eben radwege als problem empfinde. diese empfindung kann ich aber nicht verallgemeinern, da würde kl wohl protestieren ;-).
sinnvoller wäre es, zu fragen, wie der einzelne radfahrer das fußgänger-radfahrer-verhältnis wahrnimmt, um aus dieser fülle von subjektiven, aber nicht geratenen eindrücken abzuleiten, wie das klima so ist.
das problem von klapprad sehe ich ebenso. wenn gefragt wird, ob etwas für die radinfrastruktur getan wird, und ich letztlich nur die quantität bewerten kann, ist das auch verzerrend. denn wenn wie in der otto-braun-str. richtung alex eine schmale radspur durch die dooring zone gezogen wird, hat man zwar in die infrastruktur investiert, sie aber ganz sicher nicht verbessert.
Ich schliesse mich dem an – hier werden wieder Radwege = gut gesetzt. Das grade Radwege dazu führen, dass viele Autofahrer der Meinung sind, dass Radler auf der Strasse nix zu suchen haben wird ignoriert.
Auch so eine Frage ob alt und jung sicher auf den Radwegen fahren können ist etwas seltsam. Vielleicht meinen sie (oder ihre Eltern), dass sie dort sicher sind – die Statistik sagt aber eben was anderes. Je mehr Räder unterwegs sind, desto weniger habe ich das Gefühl noch als Radfahrer als gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer angesehen zu werden.
Ich habe grosse Zweifel betreff der Auswertung – aufgrund der Erfahrung des Tests von 2005. In der Kategorie unter 100000 Einwohner landete mit Abstand an letzter Stelle Bleckede, ein stiller ländlicher Ort an der Elbe, tourismusorientiert, ein Ort – in dem die Autofahrer freiwillig unter 50 fahren.
Die Radwege sind teilweise eine Katastrophe, und vor allem völlig überflüssig. Ich ignoriere sie. Alles andere ist voll locker.
Die Einzelbewertungen sind mir völlig unverständlich. Wie kommt eine Bewertung von 5.97 für das Thema „geöffnete Einbahnstrassen“ zustande, also fast 6=negatives Maximum? Ich kenne keine Einbahnstrassen dort.
Wer nicht gemeinsam mit PKWs auf der Hauptstrasse fahren möchte, kann ruhige glatte Parallelstraßen und -wege benutzen, auf den Deich lang z.B.
Hier gabs wohl ne ganze Gruppe radwegorientierter (Rentner?), die ihren
ganzen Frust abgeladen haben auf alles und jedes.
*kopfschüttel
Immerhin ist zum Fahrbahnfahren eine klare Frage drin, sinngemäß „in meiner Stadt kann man alle Ziele zügig und sicher im Fahrbahn-Fließverkehr erreichen“. Da kann natürlich eine radwegearme Stadt punkten.
Manche Fragen sind doch gar nicht so schlecht. Auch, wenn das hier immer wieder kontrovers diskutiert wird, finde ich es nicht unwichtig, dass man sich auch sicher und wohl fühlt beim Radfahren.
Und Investitionen in den Radverkehr sind nicht zwingend schlecht. So wurde z.B. die Straße am Betriebsbhf. Rummelsburg asphaltiert (vorher Sandweg), weil dort eine Fahrradroute langläuft. Seitdem hat sich das Fahrradaufkommen an der Stelle vervielfacht.
Natürlich muss ich zustimmen, dass im Großen und Ganzen in der allgemeinen Wahrnehmung eine Differenzierung zwischen kontraproduktiven und produktiven Investitionen in den Radverkehr völlig fehlt und die kontraproduktiven immer noch oft überwiegen.
Und die Frage ob ich mich ernst genommen fühle, finde ich auch interessant. So sehe ich das Ordnungsamt am S-Bhf. Karlshorst kontrollieren, ob die Radfahrer auch brav die Fahrräder zur Abstellanlage schieben, habe dann aber – ebenso „von oben“ angeordnet – monatelang eine Baustellenausschilderung, die inhaltlich nicht nachvollziehbar ist, weil sie mich auf einen Zebrastreifen schickt, wo keiner ist. Ich habe ein paar Meter weiter eine „durchlässige Sackgasse“, hinter der dann ein Durchfahrt-Verboten-Schild auch dem Radfahrer das Fahren verbietet … Nein, ernst genommen wird man noch nicht wirklich.
Das krasse, was ich finde ist dies, dass Autofahrer meinen, sie wären alleine auf der Strasse. Rücksicht wird da kaum genommen und auch ab und zu mal nen Radfahrer geschnitten, der grade über die Strasse fährt. Darf doch nicht sein sowas….
@bruna: Dein Einwand ist berechtigt. Dass in kleineren Orten so absurd verzerrte Ergebnisse zustande gekommen sind, liegt daran, dass bei dem Klimatest von 2005 nur eine recht kleine Zahl von 26.000 Radfahrern teilgenommen hat. Das macht dann für eine große Stadt wie Berlin vielleicht Tausend Antworten, bei kleinen oder sehr kleinen Orten kommen dann aber auch nur zwanzig oder dreißig Antworten zustande, was die Ergebnisse natürlich stark verzerren kann. Da reicht dann in der Tat eine „Gruppe radwegorientierter Rentner“, um hahnebüchene „Ergebnisse“ zu erzeugen.
Ich setze deshalb bei dem Klimatest in diesem Jahr auf eine deutlich höhere Teilnehmerzahl. Zehn mal mehr Stimmen als 2005 würden dann auch ausdrücken, dass das gesellschaftliche Interesse am Fahrradklima stark angestiegen ist.
berlinradler:
richtig. dieses fühlen ist eben subjektiv. und das ist ja mein problem mit dem „man“. weil ich eben zu diesem punkt nur sagen kann, ob ich mich sicher fühle oder nicht, und nicht, ob „man“ sich sicher fühlt.
@berlinradler:
Bzgl. des „ernst genommen“ werdens dachte ich bei der Beantwortung des Fragebogens eigentlich eher an andere Verkehrsteilnehmer als an den Mumpitz aus den Amtsstuben.
Wenn man in Berlin Fahrrad fährt, dann wird man normalerweise von den anderen Verkehrsteilnehmern ernst genommen. Zwar vielleicht nicht unbedingt geliebt, aber eben nicht einfach komplett ignoriert. In manch anderer Stadt fahren Autofahrer so, als wären Radfahrer gar nicht da – und wenn letztere sich dann nicht mit abenteuerlichen Manövern in Sicherheit bringen, dann kann es schon mal krachen. Denke gerade an Städte wie Köln oder manche Ecken von Stuttgart. So krasse Dinge passieren hier in Berlin nicht, bzw. nur in der Quote, wie sie auch Autofahrer untereinander erleben.
Wie gut das Fahrradklima in Berlin tatsächlich ist sieht man auch daran, dass diese ganzen Touri-Torkeltouren sich hier unbeschadet durch den dichten Verkehr durchschlängeln können. Ich stelle mir gerade so eine Flat-Tire-Cruiserkolonne in Frankfurt auf der Friedberger Landstraße vor, oder in Köln-Deutz auf der Siegburger Str. (da, wo man vom Bf Deutz kommend Ri .Süden erstmal mit auf die enge Fahrbahn muss). Das gäbe bestensfalls Lärmterror ohne Ende, wahrscheinlich eher Schwerverletzte. Hier in Berlin: kein Problem.
@dan, müsste ich mir nochmal anschauen, obs vielleicht so gemeint ist. Aber da fällt meine Bilanz tatsächlich auch besser aus. Ich sehe subjektive Verbesserungen im Umgang der Verkehrsteilnehmer miteinander.