Die Luft in Berlin riecht wieder nach einer Polizei-Verordnung, die in nächster Zeit erscheinen soll. Die Staatsbürger-Zeitung schreibt hierüber:
„Bezüglich des Velocipedensports schweben bekanntlich noch immer Verhandlungen zwischen den massgebenden Factoren darüber, ob und inwieweit derselbe für Berlin existenzberechtigt und unter welchen Bedingungen seine Ausübung zuzulassen sei. Wir sind in der Lage, unseren Lesern einiges Nähere über diese Frage mittheilen zu können, welche in nachstehender Art demnächst voraussichttlich ihre Regelung finden wird. Die Ausübung des Velocipedensports soll zunächst für die innere Stadt ausgeschlossen bleiben und weiterhin zu den verbotenen Früchten gehören. Dagegen aber soll eine Demarcationslinie festgesetzt werden, ausserhalb welcher das Velocipedenfahren freigegeben wird, und zwar soll diese Grenzlinie gebildet werden ungefähr folgendermassen: im Norden vom Oranienburger Thor durch die Elsasser-, Lothringer- (heute: Torstraße) und Friedensstrasse nach dem Landsbergerthor, im Osten vom Landsbergerthor über die Schillingbrücke, das Engelbecken, das Louisen-Ufer entlang, im Süden längs des Landwehrcanals bis ungefähr zur Potsdamerbrücke und hieran anschließend im Westen von der Potsdamerbrücke durch die Sieges-Allee nach der Alsenstrasse zu.
Es würden bei diesem Arrangement, welches voraussichtlich in nicht zu ferner Zeit in Form einer Polizeiverordnung das Licht der Welt erblicken wird, ausser den zahlreichen Strassen und Plätzen der ausserhalb der Demarcationslinie belegenen Stadttheile der ganze Friedrichs- und Humboldt-Hain, sowie der grösste Theil des Thierdartens, ferner ganz Moabit nebst dem kleinen Thiergarten den Jüngern des Velocipeden-Sports als Tummelplatz verbleiben, selbstverständlich unter den auch für anderes Fuhrwerk im verkehrspolizeilichen Interesse geltendenen Modificationen.“
aus: Rüdiger Rabenstein: Radsport und Gesellschaft – Ihre sozialgeschichtlichen Zusammenhänge in der Zeit von 1867 bis 1914, Hildesheim 1996, Seite 301f
Wikipedia über Rüdiger Rabenstein
Wenns einen Volksentscheid gäbe, würde diese Planung gar nicht so geringe Zustimmungswerte erhalten. Interessant wäre mal, was daraus geworden ist.